3/2011 - Psychotherapeutenjournal
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Wer zu spät oder gar nicht kommt, den …<br />
Das Ausfallhonorar – ein weiterhin<br />
leidiges Thema<br />
Ein Großteil der in der Beschwerdekommission<br />
der PTK-Hamburg bearbeiteten<br />
Patientenbeschwerden bezieht sich weiterhin<br />
auf das strittige Thema der Ausfallhonorare<br />
in der ambulanten Psychotherapie.<br />
Ich möchte dies zum Anlass nehmen,<br />
auf die sich in den vergangenen Jahren<br />
herauskristallisierten Grundzüge der gängigen<br />
Praxis in der Gestaltung und Erhebung<br />
von Ausfallhonoraren einzugehen. Die<br />
rechtlichen und praktischen Aspekte der<br />
Ausfallhonorarregelung wurden mittlerweile<br />
in verschiedenen Veröffentlichungen<br />
ausführlich dargestellt. Dabei ist zu beachten,<br />
dass es immer wieder Divergenzen<br />
in der juristischen Interpretation und der<br />
Rechtsprechung zu Ausfallhonoraren gibt.<br />
a) Zwischen Patient und Psychotherapeut<br />
besteht ein Behandlungsvertrag, der rechtlich<br />
als sog. Dienstvertrag nach § 611 BGB<br />
zu sehen ist – auch wenn er nicht förmlich,<br />
also schriftlich fixiert wurde. Dieser Behandlungsvertrag<br />
gilt in dem Moment als<br />
abgeschlossen, in dem ein Patient sich in<br />
psychotherapeutische Behandlung begibt,<br />
also den Psychotherapeuten aufsucht.<br />
Gemäß diesem Vertrag ist der Psychotherapeut<br />
verpflichtet, eine Behandlungsleistung<br />
zu erbringen; und der Patient ist verpflichtet,<br />
das dafür vereinbarte Honorar zu<br />
zahlen. Grundsätzlich kann dieser Vertrag<br />
jederzeit durch den Patienten (bzw. bei<br />
Kindern und Jugendlichen durch den/die<br />
Sorgeberechtigte/n) gekündigt werden.<br />
b) Psychotherapeuten arbeiten als sog.<br />
„Bestellpraxen“, d. h., psychotherapeutische<br />
Behandlungen werden i. d. R. über einen<br />
längeren Zeitraum an für den Patienten reservierten<br />
(und selbstverständlich mit ihm<br />
abgesprochenen) Terminen durchgeführt.<br />
Dies ist sowohl im Interesse des Patienten<br />
(zur Vermeidung ärgerlicher Wartezeiten)<br />
als auch des Psychotherapeuten (zur Wahrung<br />
eines geordneten Praxisablaufs).<br />
c) Kann eine Behandlung(seinheit) nun<br />
nicht – wie vereinbart – stattfinden, weil<br />
der Patient den vereinbarten Termin nicht<br />
eingehalten hat, kann der Psychothera-<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2011</strong><br />
peut nach § 615 BGB das vereinbarte Honorar<br />
trotzdem verlangen, da der Patient<br />
mit der Annahme der angebotenen Leistung<br />
in sog. Verzug gekommen ist und der<br />
Behandler dadurch einen Verdienstausfall<br />
hat. (Um die „kalendermäßige Bestimmung“<br />
eines Termins und damit die Frage,<br />
ob ein Annahmeverzug stattgefunden hat<br />
und dem Psychotherapeuten ein Vergütungsanspruch<br />
zusteht oder nicht, gibt es<br />
voneinander abweichende Urteile.)<br />
d) Grundsätzlich ist es aber in der Psychotherapeutischen<br />
Praxis – im Gegensatz<br />
zu manchen ärztlichen Praxen – so, dass<br />
der Patient weiß, dass der Termin mit einer<br />
festgelegten Behandlungszeit nur für<br />
ihn reserviert wurde und damit auch eine<br />
pünktliche Termineinhaltung vereinbart war.<br />
Dadurch gilt die Terminbestimmung als<br />
verbindlich, was den Psychotherapeuten<br />
berechtigt, im Falle des Annahmeverzuges<br />
durch den Patienten ein Ausfallhonorar geltend<br />
zu machen. Dies gilt auch für (telefonisch<br />
vereinbarte) Erstgespräche. Die Praxis<br />
zeigt allerdings, dass der Anspruch auf<br />
Ausfallhonorar in diesen Fällen nur schwer<br />
durchsetzbar ist bzw. das Verhältnis von<br />
(finanziellem) Aufwand zum Ertrag meist<br />
zum Nachteil des Therapeuten ist.<br />
e) Psychotherapeuten können i. d. R. aufgrund<br />
ihrer Termingestaltung nicht spontan<br />
einen anderen Patienten anstelle des nicht<br />
erschienenen Patienten einbestellen und<br />
behandeln. Aber: Ein Anspruch auf Ausfallhonorar<br />
ist immer dann obsolet, wenn<br />
1. der Psychotherapeut einen anderen<br />
Patienten für den abgesagten Termin<br />
einbestellen konnte (Psychotherapeuten<br />
sind verpflichtet, sich um Ersatz zu<br />
bemühen! – möglichst dokumentieren!)<br />
oder<br />
2. er nachweislich anderen Dienstverpflichtungen<br />
nachkommen konnte oder<br />
3. der Patient den Behandlungsvertrag<br />
noch vor dem Termin in einer Erklärung<br />
außerordentlich kündigt (§ 627 BGB).<br />
f) Daraus ergibt sich nun die Frage der<br />
Frist, bis wann die Absage eines Patienten<br />
vor dem vereinbarten Terminzeitpunkt ein-<br />
Hamburg<br />
gegangen sein muss, um den Anspruch<br />
auf ein Ausfallhonorar zu rechtfertigen.<br />
Die div. Rechtsprechungen gehen zwar<br />
von unterschiedlichen Zeiträumen aus;<br />
aber in den vergangenen Jahren hat sich<br />
ein akzeptierter Zeitraum zwischen 24 bis<br />
48 Std., bezogen auf Werktage (sinnvollerweise<br />
sollte man die Absagefrist für Montagstermine<br />
auf Freitag bis z. B. 12 oder<br />
15 Uhr festlegen) etabliert. Längere Fristen<br />
oder auch die sog. „Klavierlehrerregelung“<br />
(= Bindung des Patienten an die Urlaubszeiten<br />
des Therapeuten) werden von der<br />
Kammer als Berufsverstoß gesehen.<br />
g) Zur Höhe des Ausfallhonorars: Das Ausfallhonorar<br />
darf in keinem Fall höher sein<br />
als das vereinbarte Leistungshonorar. Üblich<br />
ist, 10-30% unter dem Leistungshonorar<br />
zu bleiben, da Therapeuten bei Terminausfällen<br />
manchmal zeitanteilig noch<br />
andere Dienstaufgaben (Bürotätigkeiten,<br />
Antragsberichte erstellen, Organisatorisches)<br />
verrichten können.<br />
h) Bestand bisher der Anspruch auf Ausfallhonorar<br />
unabhängig vom Grund für<br />
das Terminversäumnis bzw. die kurzfristige<br />
Termin absage eines Patienten, ergibt<br />
sich durch neuere Rechtsprechung die<br />
Frage der Unterscheidung zwischen dem<br />
verschuldeten oder nichtverschuldeten<br />
Versäumnis eines Termins durch den Patienten.<br />
Um sich hier rechtlich abzusichern,<br />
könnte der Therapeut seinem Therapievertrag<br />
hinzufügen, dass die (vereinbarte)<br />
Ausfallhonorarregelung nicht gültig ist,<br />
wenn der Patient nachweist, dass er kein<br />
Verschulden am Versäumnis des Termins<br />
hat, oder dass dem Psychotherapeuten<br />
durch das Terminversäumnis/Terminabsage<br />
kein Schaden entstanden ist.<br />
i) Auch wenn – rechtlich gesehen – nicht<br />
unbedingt eine (Ausfall-)Honorarvereinbarung<br />
notwendig ist, um einem Patienten<br />
das durch sein Terminversäumnis entstandene<br />
Ausfallhonorar in Rechnung zu stellen,<br />
raten wir jedoch dringlich, mit jedem<br />
Patienten einen schriftlichen Therapievertrag<br />
mit einer entsprechenden Klausel<br />
bzgl. Terminversäumnissen und Absagefristen<br />
einzugehen. (Bettina Nock)<br />
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Hamburg