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3/2011 - Psychotherapeutenjournal

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Leserbrief<br />

Die Redaktion begrüßt es sehr, wenn sich Leserinnen und Leser in Briefen zu den Themen der Zeitschrift äußern; sie macht aber zugleich<br />

darauf aufmerksam, dass sie sich vor allem angesichts der erfreulich zunehmenden Zahl von Zuschriften das Recht vorbehält,<br />

eine Auswahl zu treffen oder gegebenenfalls Briefe auch zu kürzen. Als Leserinnen und Leser der Briefe beachten Sie bitte, dass diese<br />

die Meinung des Absenders und nicht die der Redaktion wiedergeben.<br />

L. Hartmann-Kottek: „Gestalttherapie heute“, <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />

Was wirklich wirkt<br />

Lotte Hartmann-Kottek gibt eine fundierte<br />

Übersicht über die historischen Wurzeln<br />

der Gestalttherapie, ihre erkenntnistheoretischen<br />

Hintergründe und ihre methodische<br />

Vielfalt. Eingangs erwähnt sie, dass<br />

im März <strong>2011</strong> beim Wissenschaftlichen<br />

Beirat Psychotherapie der Anerkennungsantrag<br />

für die Gestalttherapie eingereicht<br />

wurde. Hierzu einige Anmerkungen:<br />

Psychotherapeutinnen und -therapeuten in<br />

ambulanter Praxis wie auch im klinischen<br />

Setting interessiert, was wirklich wirkt. In<br />

Zeiten knapper finanzieller Ressourcen<br />

und reduzierter Zeit- und Personalbudgets<br />

geraten Unterschiede therapeutischer Verfahren<br />

zunehmend in den Hintergrund. In<br />

den Vordergrund rücken dagegen evidenzbasierte<br />

Therapiestandards, optimiertes<br />

Qualitätsmanagement und ökonomische<br />

Effizienz. Was therapeutisch wirkt, muss<br />

nicht zuletzt sozialmedizinisch messbar<br />

sein. Gestalttherapie und Rehabilitation –<br />

geht das zusammen?<br />

Seit Jahrzehnten fristet die Gestalttherapie<br />

ein Leben im Untergrund. In vielen psychotherapeutischen<br />

Praxen und Beratungsstellen,<br />

wie auch in psychosomatischen Rehabilitations-<br />

und Akutkliniken, wird verdeckt<br />

gestalttherapeutisch gearbeitet. Erfahrene<br />

Therapeutinnen und Therapeuten und<br />

etablierte Einrichtungen stellen ihre Arbeit<br />

nach außen als tiefenpsychologisch oder<br />

verhaltenstherapeutisch fundiert dar, was<br />

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durchaus auch zutreffend ist. Im Wesentlichen<br />

wenden sie jedoch gestalttherapeutisches<br />

Know-how auf der Grundlage eines<br />

konsequent humanistischen Menschenbildes<br />

an. Dies tun sie seit Jahren mit Erfolg<br />

und großer Zufriedenheit bei ihren Klientinnen<br />

und Patienten. Doch wem nützt die<br />

Verschleierung? Wozu dieses Tabu weiter<br />

aufrecht erhalten?<br />

Was wirklich wirkt, zeigt sich für die Betroffenen<br />

in der Erfahrung am eigenen Leibe<br />

und in ihren jeweiligen sozialen Bezügen.<br />

Was Therapeutinnen und Therapeuten<br />

nach vielen Jahren praktischer Tätigkeit ahnen,<br />

belegt jetzt die neurobiologische Forschung:<br />

Worauf es ankommt, sind neue<br />

und wiederholte Erfahrungen in respektvollen,<br />

empathischen Beziehungen. Nachhaltige<br />

Veränderungen sind dann möglich,<br />

wenn derartige Erfahrungen emotional berühren,<br />

sich körperlich verankern, reflektiert<br />

und wiederholt eingeübt werden. Gestalttherapie<br />

arbeitet genau so seit Jahrzehnten.<br />

Das „Faszinosum ihrer Wirksamkeit“<br />

(Lotte Hartmann-Kottek) wird daher heute<br />

neurophysiologisch anschaulich erklärt.<br />

Die gleichrangige Bedeutung von körperlichem<br />

und emotionalen Erleben neben der<br />

Sicherheit gebenden therapeutischen Beziehung<br />

und der Einübung selbstfürsorglicher<br />

funktionaler Verhaltensmuster war bei<br />

der Behandlung traumatisierter Menschen<br />

schon früh evident. Dass es hierbei jedoch<br />

nicht um ein schematisches Nacheinander<br />

von Stabilisierung, Exposition und Integration<br />

biografischer Erfahrungen geht, findet<br />

erst langsam Einzug in traumatherapeutische<br />

Konzepte. Dagegen ist schon von<br />

ihren Ursprüngen an die Integration von<br />

Ressourcen und Schwächen, von starken<br />

und verletzten Persönlichkeitsanteilen im<br />

Hier und Jetzt der ganzen Persönlichkeit<br />

ein Wesenskern gestalttherapeutischen<br />

Vorgehens.<br />

Methoden, Haltungen und Theorien aus<br />

der Gestalttherapie zu verwenden, ohne<br />

diese als solche zu benennen, ist plagiatsverdächtig.<br />

Dessen ungeachtet bleiben sie<br />

jedoch auch so auf der Grundlage einer<br />

fundierten Ausbildung und langjähriger<br />

Selbsterfahrung der Therapeutinnen und<br />

Therapeuten weiterhin im Untergrund effektiv<br />

und bei Klientinnen und Patienten<br />

hoch geschätzt.<br />

Ehrlicher und konsequenter ist es nun<br />

allerdings, wenn die Gestalttherapie als<br />

wirksames Therapieverfahren endlich ihre<br />

verdiente Anerkennung erhält.<br />

Dr. med. Bernhard Knupp<br />

FA für Psychosomatische und<br />

Innere Medizin<br />

Leitender Abteilungsarzt<br />

Integrative Gestalt- und<br />

Traumatherapie<br />

Hardtwaldklinik II<br />

Fachklinik für psychogene<br />

Erkrankungen<br />

Hardtstraße 32<br />

34596 Bad Zwesten<br />

gestalt@hwk2.de<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2011</strong>

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