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Hinführung - Berliner Heilpraktiker Nachrichten

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ekannt war, aber auch als reizbar galt und dessen „ geistiges<br />

Wohlbefinden in hohem Grade vom Urteil der Welt über ihn abhing.<br />

Dieser war nun durch ein berüchtigt gewordenes Pamphlet des<br />

Dichters August Kotzebue aus dem Gleise geworfen worden. In<br />

dieser unter dem Namen Knigges erschienenen Schrift „Doktor<br />

Barth mit der eisernen Stirn“ wurde Klockenbring ohne jede<br />

Ursache in niederträchtiger Weise angegriffen. Das erschütterte<br />

seinen Gesundheitszustand dergestalt, dass er in völlige<br />

Geisteskrankheit mit Tobsuchtsanfällen verfiel.“<br />

Der Autor des Aufsatzes, FRIEDRICH SCHLICHTEGROLL,<br />

berichtete darin über Hahnemanns Arbeit in Georgenthal:<br />

…“Die ersten Wochen beobachtete Hahnemann seinen<br />

Kranken bloß, ohne ihn ärztlich zu behandeln. Dieser fiel Tag<br />

und Nacht aus einem Exzess in den anderen; bald sprach<br />

er als Richter und diktierte Strafen; dann deklamierte er als<br />

Agamemnon oder Hektor die eigenen Worte der Illiade, sang<br />

dazwischen eine Stanze aus Pergoleses „Stabat Mater“, sagte<br />

Stellen des Alten Testaments mit den eigenen Worten des<br />

Hebräischen her, suchte zu einem Liede Anakreons oder der<br />

Anthologie die altgriechische Melodie, wechselte mit Stellen aus<br />

Miltons verlorenem Paradies oder aus Dantes Hölle und schrieb<br />

dann wohl wieder algebraische Formeln; nichts kam gehörig zu<br />

Ende, sondern die neue Idee verdrängte eilig und mit Gewalt<br />

die erstere.<br />

„Das Bewundernswürdigste, sagte Herr Dr. Hahnemann, „war<br />

die Richtigkeit in den Ausdrücken, vorzüglich alles dessen, was<br />

ihm sein Gedächtnis aus Schriften in allerlei Zungen darreichen<br />

musste, vorzüglich alles dessen, was er sich in seiner Jugend zu<br />

eigen gemacht hatte.“…<br />

„Es zeugt dieses Gemisch von seinen außerordentlich<br />

mannigfaltigen Kenntnissen, vielleicht aber auch von einer<br />

Begierde, hierdurch zu glänzen, sowie dadurch, dass er sich<br />

VIELER VERTRAUTER BEKANNTSCHAFTEN MIT SEHR<br />

VORNEHMEN PERSONEN RÜHMTE, von welcher er auch in<br />

gesunden Tagen nicht frei war. Er zerstückelte in jener Periode<br />

alles, was ihm vorkam, unter anderem auch sein Clavier, das<br />

er wieder sonderbar zusammensetzte, um, wie er sagte, jenen<br />

alten Ergänzungston, dem Proslambanoomeenon, zu finden.<br />

Mitten in diesem Zustande schrieb er sich, so wenig er sonst von<br />

Körperkrankheit wissen wollte, einst ein gleich zu verfertigendes<br />

Rezept, dessen seltene Ingredienzien, nach Hahnemanns<br />

Zeugnis, so ausgesucht zusammenpassten und so schicklich<br />

zur Kur eines Wahnsinnigen dieser Art kalkuliert waren, dass<br />

er ihn in diesem Augenblicke fast für einen sehr unterrichteten<br />

Arzt gehalten hätte, wenn nicht die lächerliche Signatur des<br />

Rezeptes und die Verordnung, womit es einzunehmen sei, von<br />

Verwirrung gezeugt hätten. Aber auf welche Art, da er nichts von<br />

BHN 2/03<br />

Büchern in seiner Gewalt<br />

hatte, so fährt Hahnemann<br />

fort, orientierte sich dieser<br />

mitten im Orkan der<br />

stürmendsten Phantasie<br />

Umnebelte und maß-<br />

und steuerlose Geist<br />

für ihn, so manchem<br />

Arzte unbekanntes,<br />

treffliches Heilmittel des<br />

Wahnsinns; wie kam<br />

er auf den Gedanken,<br />

es sich zu verordnen<br />

in der schicklichsten<br />

Form und Gabe? Fast<br />

ebenso bedenklich war<br />

der Umstand, dass er in<br />

der höchsten Periode der<br />

Verstandesverwirrung auf<br />

Befragen, nicht nur den<br />

genauen Monatstag (das<br />

war, so wenig er einen<br />

Kalender hatte, noch<br />

wohl begreiflich) sondern<br />

auch immer die richtige<br />

Stunde bei Tag und Nacht<br />

mit erstaunenswürdiger<br />

Genauigkeit sagen<br />

konnte. So wie er sich zu<br />

bessern anfing, ward diese<br />

Divinationsgabe immer<br />

schwankender und trügender, bis er endlich bei vollkommener<br />

Rückkehr seines Verstandes, nicht mehr, nicht weniger davon<br />

mit Gewissheit zu sagen wusste, als jeder andere Mensch. Da<br />

er völlig wieder hergestellt war, drang ich einmal freundschaftlich<br />

in ihn, mir doch dieses Rätsel zu lösen, oder wenigstens die<br />

Empfindung zu beschreiben, die ihn dieses jedes Mal gelehrt<br />

habe. „Es schaudert mir“, antwortete er, “über den ganzen Leib<br />

und läuft mir kalt über, wenn ich daran denken will; ich bitte Sie,<br />

erinnern Sie mich nicht an diese Sache…“<br />

Hahnemanns Verdienst um Klockenbring war klar und eindeutig.<br />

Er hatte es – sicherlich unter idealen Bedingungen- fertig<br />

gebracht, dem armen Klockenbring, der ihm „oft unter Tränen<br />

die Reste der Schwielen von Stricken, deren sich seine vorigen<br />

Wärter bedient hatten“, zeigte, einen Raum für dessen Wahnsinn<br />

zu geben. Er beobachtete<br />

ihn, er studiert Klockenbrings<br />

Wahnsinn und dessen<br />

Ausdruck, er forschte diesen<br />

Ausdrücken nach und war<br />

davon tief beeindruckt. Und<br />

Klockenbring, der Umnebelte?<br />

Dieser Wahnsinnige spürte<br />

immer mehr, dass ihm da<br />

einer gegenüber war, der ihn<br />

in diesem Wahn annahm,<br />

der wirklich half. Dieses<br />

beiderseitige Vertrauen<br />

war es letztendlich, das es<br />

Klockenbring ermöglichte,<br />

wieder in die Realität,<br />

wenn auch vorerst nur in<br />

die des Hahnemannschen<br />

Institutes, zu kommen. Die<br />

Pflegemutter der Natur ist<br />

Ruhe, sagt Shakespeare, und<br />

Hahnemann handelte danach.<br />

Er ließ Klockenbring in Ruhe<br />

wieder zu sich kommen. Es ist<br />

nicht viel von Medikamenten<br />

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