Herdern Magazin
ET 24.10.2015
ET 24.10.2015
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INTERVIEW<br />
Stadtmagazin: Wie könnte das konkret<br />
aussehen?<br />
Nausikaa Schirilla: Es müsste eigentlich<br />
immer eine Prüfung stattfinden, ob es zu<br />
schwerwiegenden Folgen für die Kinder<br />
kommen kann. Das Jugendamt müsste<br />
bei jeder Abschiebung mit einbezogen<br />
werden, damit es nicht nur um ausländerrechtliche<br />
Belange geht, sondern auch<br />
um das Kindeswohl.<br />
Stadtmagazin: Liegt hier nicht auch eine<br />
Chance, wenn man die Kinder frühzeitig<br />
im Sinne des Kindeswohls mit einbezieht?<br />
Nausikaa Schirilla: Das ist richtig. Jugendliche,<br />
die geduldet sind, aber schon<br />
länger in Deutschland leben und hier<br />
eine Ausbildung machen, können zum<br />
Beispiel ein Bleiberecht bekommen. Unter<br />
Umständen auch ihre Eltern.<br />
Stadtmagazin: Aber bekommen sie überhaupt<br />
einen Ausbildungsplatz, wenn sie<br />
nur geduldet sind?<br />
Nausikaa Schirilla: Das ändert sich langsam.<br />
Mittlerweile ist es eben auch möglich<br />
mit einer Duldung in Ausbildung zu gehen.<br />
In dieser Richtung müssten die gesetzlichen<br />
Entwicklungen weiter ausgebaut werden<br />
Der Fachkräftemangel in Deutschland<br />
spielt da auch eine Rolle.<br />
Stadtmagazin: Ist es aber nicht ein enormer<br />
Unterschied, ob Familien und Kinder<br />
sich aufgehoben oder eben als Geduldete<br />
auf dem Abschiebeast fühlen? Inwieweit<br />
ist da Integration überhaupt möglich?<br />
Nausikaa Schirilla: Das ist ganz entscheidend.<br />
Es gibt Studien, die zeigen, dass<br />
Katholische Hochschule Freiburg<br />
Lehre und Forschung<br />
Staatlich anerkannte Hochschule für<br />
Sozial- und Gesundheitswesen in<br />
kirchlicher Trägerschaft., mit rund 1800<br />
Studierenden. „Tag der offenen Tür“<br />
mit offenen Lehrveranstaltungen am<br />
18. November von 9 bis 16 Uhr. Weitere<br />
Infos: www.kh-freiburg.de<br />
Familien, die nicht wissen, ob sie hier<br />
bleiben können, extreme Energie aufwenden<br />
müssen, um sich zu integrieren.<br />
Stadtmagazin: Die Zahl der Flüchtlinge,<br />
die wieder abgeschoben werden, wird<br />
hoch sein, zumal weitere Länder als<br />
sichere Herkunftsländer um deklariert<br />
werden sollen.<br />
Nausikaa Schirilla: Im Umgang damit<br />
gibt es zwei Möglichkeiten im Umgang:<br />
Einmal eine verbesserte Rückkehrberatung,<br />
beziehungsweise legale Möglichkeiten<br />
der Arbeitsaufnahme zu verbessern.<br />
Oder mehr auf die psychischen und<br />
psychosozialen, brutalen Folgen einer<br />
Abschiebung einzugehen.<br />
Stadtmagazin: Neben dem humanitären<br />
Gedanken gibt es ja auch wirtschaftliche<br />
Faktoren, die für die Aufnahme von<br />
Flüchtlingen sprechen.<br />
Nausikaa Schirilla: Deutschland braucht<br />
Zuwanderung aufgrund des demografischen<br />
Wandels. Es gibt Studien, unter<br />
anderem eine neue von der Bertelsmann-Stiftung,<br />
wonach Deutschland<br />
400 000 bis 500 000 Zuwanderungen<br />
pro Jahr braucht, um das Verhältnis von<br />
Erwerbspersonen und in Rente gegangenen<br />
Personen zu erhalten.<br />
Stadtmagazin: Es gibt ja noch eine Generation,<br />
die als Kind den Krieg oder Flucht<br />
erlebt hat. Da müsste es ja eigentlich<br />
noch ein besonderes Verständnis für<br />
die Flüchtlinge geben, die jetzt zu uns<br />
kommen?<br />
Nausikaa Schirilla: Dieses Thema war ja<br />
auch oft tabuisiert. Zwischen 1945 und<br />
1949 kamen über zwölf Millionen Vertriebene<br />
hierher, alles deutsche Flüchtlinge.<br />
Und Deutschland hat es damals<br />
auch geschafft, diese zu integrieren. Die<br />
Vertriebenen von damals berichten von<br />
ähnlich ablehnenden Reaktionen, wie<br />
sie heutige Flüchtlinge teilweise erleben.<br />
Sie sprachen zwar Deutsch, aber<br />
sie waren dennoch in vielen Dingen<br />
fremd. Sie kamen aus anderen sozialen<br />
Gefügen, brachten andere Berufe mit<br />
und hatten andere politische Erfahrungen<br />
gemacht. Es ist interessant noch<br />
einmal genauer auf diese Periode zu<br />
schauen, wo die Integration letztlich ja<br />
gelungen ist. Und davon hat Deutschland<br />
ja profitiert.<br />
Stadtmagazin: Jüngere Menschen in<br />
Deutschland haben dagegen keinerlei<br />
derartige Erfahrungen gemacht.…<br />
Nausikaa Schirilla: Laut der neuen<br />
Shell-Studie denken Jugendliche in<br />
Gleichheitskategorien. Die anderen sind<br />
Menschen wie wir, denen muss man<br />
helfen, wenn sie nicht die gleichen Voraussetzungen<br />
haben, unabhängig von<br />
ihrem Pass.<br />
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