04.12.2015 Aufrufe

Cruiser im Winter 2015/2016

Was macht eigentlich Soccer-Mom Sarah Palin? Und wie lebt es sich als Gay-Mann auf der Alp? Ausserdem: Cruiser war im Iran und guckte sich Persepolis an und...der neuste Skandal: Madonna altert!

Was macht eigentlich Soccer-Mom Sarah Palin? Und wie lebt es sich als Gay-Mann auf der Alp? Ausserdem: Cruiser war im Iran und guckte sich Persepolis an und...der neuste Skandal: Madonna altert!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

WINTER <strong>2015</strong> | <strong>2016</strong> CHF 7.50<br />

DAS GRÖSSTE<br />

SCHWEIZER<br />

GAY-MAGAZIN<br />

HALLELUJA!<br />

SIND HIV & AIDS<br />

ENDLICH BESIEGT?<br />

AB AUF DIE ALP<br />

Schwul sein in den Bergen<br />

OUTING IM VATIKAN<br />

Franziskus «not amused»<br />

MARGRET CHO<br />

«Ich bin eine Fag-Hag»


WIR SIND KLEIN UND<br />

HEADLINE<br />

Wir sind Lead und kein Laufttext. Wir halten uns kurz und zusammenfasst.<br />

Lor sedis eos ipsande mpores quis doluptia volupta dolore nostissit fugitib uscipsum<br />

siti berum ut vent as dolupta tinvend itatior rovidignisi restisi tatiis evellan daecea<br />

alisque volesecabo. Ria doluptis dus corror sit que rest, sam, netur mintis minulpa<br />

nempor rem es eum sitae por adistio. Odi dust, te elit opturit faccab ipsumque<br />

VON AUTOR<br />

Xvon Lauftext zum Schlusspunktsind<br />

wir Texte<br />

WIR SIND EINE BILDLEGENDE<br />

UCIENIS EOS EXCESSE ROREPUDAES<br />

DOLUPTATE DOLUPTAT MODITATE<br />

EXERNATIUR?<br />

EIN KURZES ZITAT UND<br />

KEIN LAUFTTEXT<br />

Das Leben lieben.<br />

Neben der Entwicklung hochwirksamer und innovativer HIV-Therapien engagiert<br />

sich ViiV Healthcare für Betroffene und unterstützt unter anderem Projekte, welche<br />

die Lebensqualität von älter werdenden Menschen mit HIV verbessern sollen.<br />

FOTOS: FOTOLIA (X)<br />

ViiV Healthcare GmbH, Talstrasse 3–5, 3053 Münchenbuchsee<br />

CH/HIV/0017/15/24.09.<strong>2015</strong>/09.<strong>2015</strong>


EDITORIAL<br />

3<br />

Lieber Leser<br />

Mit dieser Ausgabe ist es ja so eine Sache: Es ist nicht nur einfach eine Weihnachtsausgabe<br />

– es ist eine Doppelnummer und daher wird der vorliegende<br />

«<strong>Cruiser</strong>» auch noch den ganzen Januar aufliegen. Dieses Editorial darf<br />

deshalb nicht allzu weihnächtlich ausfallen. Immerhin haben wir uns in der nicht so ganz<br />

besinnlichen Adventszeit kreativ betätigt und einen Teil dieser Ausgabe mit Gl<strong>im</strong>merspray<br />

hübsch aufgepeppt. Das haben wir echt manuell gemacht! Die Idee dahinter: Jeder von uns<br />

sollte dabei ein bisschen meditieren. Das klappte genau 30 Sekunden lang und dann wurde<br />

wild losgeschnattert. Und nach 6000 «<strong>Cruiser</strong>»-Exemplaren war sowieso genug meditiert,<br />

weil der Gl<strong>im</strong>merspray alle war.<br />

Wenn dein «<strong>Cruiser</strong>» also gl<strong>im</strong>mert: Es ist unsere Low-Budget-Aber-Von-Herzen-Art, dir als<br />

Leser (und der einen Leserin) «Danke» zu sagen. Merci, dass du uns ein Jahr lang die Treue<br />

gehalten hast, und wir freuen uns auf ein weiteres Jahr mit dir!<br />

INHALT<br />

04 THEMA SCHUTZ VOR HIV AUS DER PILLENDOSE<br />

08 REPORTAGE ALS STRASSENVERKÄUFER UNTERWEGS<br />

10 KOLUMNE BÖTSCHI KLATSCHT<br />

12 NEWS NATIONAL & INTERNATIONAL<br />

14 SERIE SCHWUL AUF DER ALP<br />

16 SERIE CRUISER REIST<br />

17 KOLUMNE WEISSBERGS WARME WEIS(S)HEITEN<br />

18 KULTUR WENN DER WEIHNACHTMANN ZWEIMAL KLINGELT<br />

Herzlich, Haymo Empl<br />

CHEFREDAKTOR<br />

20 HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND<br />

LITERATUR: PERSEPOLIS<br />

23 KOLUMNE MICHI RÜEGG<br />

24 THEMA OUTING IM VATIKAN<br />

26 KOLUMNE PIA SPATZ<br />

27 RATGEBER AIDS-HILFE DR. GAY<br />

28 IKONEN VON DAMALS<br />

SARAH PALIN. BÖSE WIE EH UND JE.<br />

30 KOLUMNE THOMMEN MEINT<br />

31 THEMA LEUCHTENDE RED RIBBONS<br />

32 MANNSBILD – BERUFSBILD DER POLIZIST<br />

34 INTERVIEW MARGARET CHO<br />

36 PROMINENT DIE SKANDALE DER MADONNA<br />

38 KULTUR HAPE KERKELING<br />

IMPRESSUM<br />

FOTOS: FOTOLIA (2)<br />

CRUISER MAGAZIN PRINT<br />

Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />

Infos an die Redaktion: redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Chefredaktor Haymo Empl<br />

Bildredaktion Haymo Empl, Ana Lewisch<br />

Art Direktion Ana Lewisch<br />

Redaktion Print Vinicio Albani, Thomas Borgmann, Bruno Bötschi, Daniel Diriwächter,<br />

Andreas Empl, Martin Ender, Andreas Faessler, René Gerber, Moel Maphy,<br />

Michi Rüegg, Alain Sorel, Pia Spatz, Tanja & Jenny, Peter Thommen,<br />

Marianne Weissberg<br />

Lektorat<br />

Ursula Thüler<br />

Anzeigen Said Ramini, Telefon 043 300 68 28<br />

anzeigen@cruisermagazin.ch<br />

Auflage<br />

Druck<br />

12 000 Exemplare,<br />

WEMF beglaubigte Auflage: 11 539 Exemplare<br />

Druckerei Konstanz GmbH<br />

Wasserloses Druckverfahren<br />

REDAKTION UND VERLAGSADRESSE<br />

empl.media, Haymo Empl<br />

Welchogasse 6, Postfach 5539, 8050 Zürich<br />

redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Telefon 043 300 68 28, Telefax 043 300 68 21<br />

CRUISER MAGAZIN ONLINE<br />

Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />

Infos an die Online-Redaktion: online@cruisermagazin.ch<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


4<br />

THEMA<br />

PREP: SCHUTZ VOR HIV<br />

HIV: SCHUTZ AUS DER<br />

PILLENDOSE<br />

Es gibt tatsächlich eine Tablette, die vor einer HIV-Ansteckung schützt; eigentlich<br />

schon länger. Aber die Schutzwirkung vor einer Infektion ist erst vor wenigen<br />

Jahren entdeckt worden. In den USA wird das Medikament seit 2012 offiziell zur<br />

Prävention eingesetzt – dennoch sind noch viele Fragen ungeklärt.<br />

VON ANDREAS FAESSLER<br />

Wer in jüngerer Zeit in den<br />

USA unterwegs war und da<br />

bei Grindr, Scruff oder einer<br />

anderen Dating-App reingeschaut<br />

hat, dem dürfte ein- oder gar mehrmals<br />

der Begriff «PrEP» begegnet<br />

sein, vor allem <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit dem Wunsch nach Sex ohne Kondom.<br />

Was bei den Homosexuellen in<br />

Amerika in kurzer Zeit sehr populär<br />

geworden ist und jetzt richtig Schule<br />

macht, ist bei uns noch kaum Gesprächsthema.<br />

Noch. Eine Nachfrage<br />

bei der Aids-Hilfe Schweiz nämlich<br />

ergab, dass <strong>im</strong> vergangenen Jahr<br />

kaum Ratsuchende die sogenannte<br />

PrEP konkret angesprochen haben.<br />

Die Abkürzung steht für Präexpositionsprophylaxe,<br />

eine Art Pendant<br />

zur bereits seit längerem bekannten<br />

und angewandten «PEP», der Postexpositionsprophylaxe,<br />

welche vom<br />

Arzt kurz nach einem sexuellen Kontakt<br />

verabreicht wird, bei dem die<br />

Wahrscheinlichkeit besteht, dass man<br />

sich mit dem HI-Virus infiziert hat.<br />

Die PrEP ist an sich nichts anderes als<br />

ein Medikament, das HIV-Patien ten<br />

einnehmen, um ihre Infektion zu therapieren.<br />

Nehmen es gesunde Menschen<br />

regelmässig zu sich, kann es<br />

das Risiko einer Übertragung des Virus<br />

be<strong>im</strong> Kontakt mit einem infektiösen<br />

Sexual partner auf ein Min<strong>im</strong>um<br />

reduzieren – das heisst, die Gefahr einer<br />

Infektion ist dann sogar noch ge-<br />

HALLELUJA, ENDLICH EIN<br />

WIRKSAMES MEDIKAMENT,<br />

DAS VOR HIV UND SOMIT<br />

AIDS SCHÜTZT!<br />

ringer, als wenn ein Kondom benutzt<br />

wird. Das haben fundierte Studien ergeben.<br />

Kurz gefasst: Die PrEP ist eine<br />

wirksame medikamentöse Präventionsmethode<br />

für Menschen mit erhöhtem<br />

HIV-Ansteckungsrisiko.<br />

In den USA ist das Medikament –<br />

es handelt sich derzeit um Truvada<br />

aus dem Hause Gilead – bereits seit<br />

2012 für diesen Zweck zugelassen<br />

und wird auch benutzt. «PreP sorgt<br />

dafür, dass Sie HIV-negativ bleiben»,<br />

steht beispielsweise auf grossen Werbebannern<br />

in gewissen US-Regionen.<br />

Halleluja, endlich ein wirksames<br />

Medikament, das vor HIV und somit<br />

Aids schützt! Sollte da nicht auch in<br />

unseren Breitengraden ein Aufschrei<br />

der Begeisterung und Erleichterung<br />

durch die Menge schallen? Hätte<br />

sich das nicht mindestens bei den<br />

Schwulen wie ein Lauffeuer verbreiten<br />

sollen? Hat es aber nicht. Was <strong>im</strong><br />

ersten Moment nach der Lösung für<br />

alle Sorgen klingt, muss relativiert<br />

werden. Es gibt Gründe, warum die<br />

PrEP in Europa oder zumindest in<br />

der Schweiz und in Deutschland noch<br />

keine hohen Wellen geschlagen hat.<br />

Doch dazu kommen wir gleich noch.<br />

INFORMIEREN ALS WICHTIGSTE<br />

PRÄVENTIONSMASSNAHME<br />

Eines ist jedenfalls sicher: Die PrEP<br />

wirkt – wenn sie gewissenhaft eingenommen<br />

wird. Eine französische<br />

und eine englische Studie mit Paaren<br />

wurden aus ethischen Gründen sogar<br />

frühzeitig abgebrochen, weil die<br />

Wirksamkeit bereits nach kurzer Studiendauer<br />

völlig eindeutig war. «Wir<br />

setzen uns natürlich mit dem Thema<br />

auseinander», sagt Daniel Seiler, Geschäftsleiter<br />

der Aids-Hilfe Schweiz.<br />

Gemeinsam mit seinem Team arbeitet<br />

er derzeit an einer Infoschrift, welche<br />

die wichtigsten Punkte zur PrEP zusammenfasst.<br />

Den Grund, warum der<br />

Hype zumindest in der Schweiz bislang<br />

ausgeblieben ist – obwohl hier<br />

Ärzte das Medikament als «off label»<br />

verschreiben dürfen und es auch bereits<br />

einige Personen gibt, welche die<br />

PrEP nehmen – , sieht Daniel Seiler<br />

darin, dass das generelle Bedürfnis<br />

nach der PrEP <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />

USA um einiges geringer ist. «Dort<br />

herrschen epidemische Zustände,<br />

was HIV betrifft. Die «Centers for<br />

Disease Control and Prevention» in<br />

Atlanta propagieren als Schutz vor<br />

HIV Kondome in Kombination mit der<br />

FOTO: FOTOLIA<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


5<br />

PrEP», weiss Seiler. «In den Staaten<br />

sind auch viele Schwule nicht getestet,<br />

das heisst, sie kennen ihren Status<br />

nicht. Und HIV-Therapien für Infizierte<br />

werden von der Versicherung<br />

zwar bezahlt, viele jedoch sind gar<br />

nicht versichert. Das Gesundheitssystem<br />

in den USA funktioniert schlecht.<br />

Wir in der Schweiz setzen vor allem<br />

stark auf Information. Das ist in unseren<br />

Augen das A und O der Prävention.<br />

Abgesehen davon hat die Krankheit<br />

ihren Schrecken verloren, seit es<br />

die hochentwickelten, wirksamen und<br />

gut verträglichen Therapien gibt.»<br />

Seiler vermutet, dass unter den Homosexuellen<br />

hierzulande Verantwortungsbewusstsein<br />

vorhanden ist, was<br />

auch die Statistiken der letzten Jahre<br />

zeigen. «Tendenziell ist die Anzahl an<br />

Neuansteckungen nach wie vor rückläufig»,<br />

weiss Seiler. Auch würde heute<br />

merklich weniger ungeschützt Sex<br />

praktiziert als früher. «Die Präventionskampagnen<br />

haben viel gebracht.<br />

Die Leute lassen sich heute häufiger<br />

testen als früher. Auch Altinfektionen<br />

werden so entdeckt und können behandelt<br />

werden.»<br />

30 TABLETTEN<br />

FÜR 900 FRANKEN<br />

Seiler denkt nicht, dass die PrEP hier<br />

jemals so ein Hype wird wie in den<br />

USA. Ohnehin bleiben für ihn noch einige<br />

wichtige Fragezeichen stehen in<br />

Bezug auf ihren Einsatz. «Das ist nicht<br />

mit einem Aspirin zu vergleichen,<br />

das eben mal gegen Kopfweh hilft.<br />

Es ist ein verschreibungspflichtiges<br />

Medikament mit Nebenwirkungen.»<br />

Ausserdem stelle sich die Frage, für<br />

PREP: TEURE THERAPIE – MIT NOCH<br />

UNBEKANNTEN LANGZEITFOLGEN.<br />

wen die PrEP überhaupt konkret in<br />

Frage käme. «Ab wann ist man eine<br />

gefährdete Person, respektive in welchen<br />

Fällen würde eine Anwendung<br />

überhaupt Sinn machen? Und für wie<br />

lange will man die PrEP einnehmen?<br />

Alles Faktoren, die zu klären wären.»<br />

Ein weiterer, besonders gewichtiger<br />

Punkt sind die Kosten. Eine Monatspackung<br />

Truvada – man n<strong>im</strong>mt täglich<br />

eine Tablette ein – schlägt mit<br />

rund 900 Franken ordentlich zu Buche.<br />

Dass eine Schweizer Krankenkasse<br />

diese Kosten irgendeinmal tragen<br />

wird, ist aus Daniel Seilers Sicht<br />

so gut wie ausgeschlossen. «Wir haben<br />

in der Schweiz ein kuratives und<br />

kein präventives Gesundheitssystem.<br />

Schliesslich müssen die Frauen die<br />

Anti-Babypille deshalb auch selber<br />

berappen.» Die PEP hingegen wird<br />

in der Schweiz als Notfallbehandlung<br />

von der Grundversicherung bezahlt.<br />

In den USA ist das anders. Dort<br />

übernehmen Krankenversicherungen<br />

auch die Kosten für die PrEP, und<br />

wenn nicht, dann gibt es Hilfsprogramme,<br />

die einspringen.<br />

EINE TEMPORÄRE «KRÜCKE»<br />

Sowohl die Aids-Hilfe Schweiz als<br />

auch Gesundheitsorganisationen,<br />

Ver bände oder andere Fachgruppen<br />

beziehen eine neutrale Haltung<br />

bezüglich PrEP. Eine unter gewissen<br />

Voraussetzungen befürwortende<br />

Haltung kommt auch vom Positivrat<br />

ANZEIGE


6<br />

THEMA<br />

PREP: SCHUTZ VOR HIV<br />

EIN KONDOM SCHÜTZT VOR HIV<br />

UND AUCH VOR ANDEREN SEXUELL<br />

ÜBERTRAGBAREN KRANKHEITEN.<br />

Schweiz, einem Fachgremium, das<br />

sich für Menschen einbringt, die mit<br />

HIV und dessen Ko-Infektionen wie<br />

Hepatitis oder Tuberkulose leben.<br />

David Haerry vom Positivrat nennt<br />

als mögliche Zielgruppe für die PrEP<br />

Menschen, die ein exzessives Leben<br />

führen und nicht mehr <strong>im</strong>stande<br />

sind, dies unter Kontrolle zu haben.<br />

Präziser: Leute etwa, die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit Sex Drogen konsumieren<br />

und gleichzeitig ein reges Sexleben<br />

mit vielen wechselnden Partnern<br />

führen und keine Gummis benutzen.<br />

«Die PrEP würde dieser Hochrisikogruppe<br />

so lange als Hilfestellung dienen,<br />

bis sie ihr Leben wieder <strong>im</strong> Griff<br />

haben», sagt Haerry. «So lange sie<br />

diese Medikamente einnehmen, müssen<br />

sie aber von Fachpersonen beraten<br />

und begleitet werden.» Als Dauertherapie<br />

sieht Haerry die PrEP also<br />

nicht, sondern als eine Art «Krücke»<br />

für Leute, die sich momentan in unruhigen<br />

Gewässern befinden. «Die PrEP<br />

kann ihnen in dieser Phase die Angst<br />

vor einer Ansteckung nehmen und sie<br />

psychisch entlasten. Ähnlich wie bei<br />

Frauen, die Angst haben, schwanger<br />

zu werden.» Gelegentlich liest man,<br />

dass die PrEP auch für HIV-negative<br />

Personen in Frage komme, die mit<br />

einem HIV-positiven Partner zusammenleben.<br />

«Das macht aber keinen<br />

Sinn, falls der positive Partner therapiert<br />

wird», sagt David Haerry. Denn<br />

dann sei die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Ansteckung ohnehin so gut wie ausgeschlossen<br />

und eine PrEP hinfällig.<br />

«Wichtig dabei aber ist eine offene<br />

Gesprächskultur in Beziehungen. Erst<br />

recht, wenn die Partner auch Sex ausserhalb<br />

der Beziehung haben», fügt<br />

Haerry an.<br />

PREP «NUR FÜR PRIVILEGIERTE»<br />

Was die Kostenübernahme der PrEP<br />

durch die Krankenkassen betrifft, so<br />

hält David Haerry es <strong>im</strong>merhin für<br />

möglich, dass man in der Schweiz darüber<br />

diskutiert. «Je nachdem, was<br />

in Frankreich und England entschieden<br />

wird.» Haerry stört sich daran,<br />

dass die Behandlung etwas für Privilegierte<br />

bleibt, die sie sich finanziell<br />

leisten können. Billiger wäre die<br />

Anwendung der PrEP, wenn sie bei<br />

Bedarf eingesetzt und anstatt täglich<br />

nur gelegenheitsbezogen kurz vor<br />

und kurz nach einer Risikosituation<br />

eingenommen würde. Neben den<br />

geringeren Nebenwirkungen blieben<br />

die Schädigungen des Körpers durch<br />

Langzeiteinnahme aus oder wären<br />

zumindest kleiner. Die gesundheitlichen<br />

Risiken des PrEP-Medikaments<br />

«Truvada» für Knochen, Leber und<br />

Nieren sind nämlich auch für David<br />

Haerry ein Punkt, den es zu bedenken<br />

gilt. «2018 läuft das Patent für Truvada<br />

aus. Dann wird «TAF» auf den<br />

Markt kommen, eine erweiterte Form<br />

von Tenofovir, einem der Wirkstoffe<br />

in Truvada. Dieser neue Stoff wirkt<br />

intrazellulär, weshalb die genannten<br />

Nebenwirkungen nicht auftreten.<br />

Aber TAF wird möglicherweise teurer<br />

sein, und wenn nicht, wird Truvada<br />

wenigstens in der jetzigen Form generisch<br />

verfügbar.»<br />

Zusammengefasst sagt der Positivrat<br />

Schweiz ja zur PrEP, setzt aber voraus,<br />

dass dazu weiterhin Erfahrungen<br />

gesammelt werden müssen, ob<br />

und wie sie sich in der Praxis und auf<br />

die Anzahl Neuinfektionen auswirkt.<br />

Eine offizielle Zulassung von Truvada<br />

als PrEP kann allenfalls erteilt<br />

werden, sobald die Herstellerin – in<br />

diesem Fall also Gilead – bei Swissmedic<br />

einen entsprechenden Antrag<br />

stellt. Aber das hat die Firma bislang<br />

noch nicht getan. Man darf annehmen,<br />

dass sie auf eine Empfehlung<br />

NOCH FEHLEN<br />

DIE ERFAHRUNGEN<br />

der Eidgenössischen Kommission für<br />

sexuelle Gesundheit (EKSG) wartet.<br />

David Haerry hält es jedoch für möglich,<br />

dass Truvada bereits <strong>2016</strong> von<br />

der Swissmedic als PrEP zugelassen<br />

wird. Vor Kurzem – am 23. November<br />

– informierte die Aids-Hilfe Frankreich,<br />

dass in der Grande Nation die<br />

PrEP Anfang <strong>2016</strong> offiziell zugelassen<br />

wird – und von den Krankenkassen<br />

übernommen wird.<br />

Dass die PrEP Wirkung zeigt, daran<br />

gibt es nach dem aktuellen Wissensstand<br />

kaum mehr einen Zweifel. An<br />

der richtigen Stelle eingesetzt, könnte<br />

sie denn auch tatsächlich ein sinnvolles<br />

Instrument <strong>im</strong> Kampf gegen HIV<br />

sein und Menschen in schwierigen<br />

Lebenslagen helfen, sich vor der Immunschwächekrankheit<br />

zu schützen,<br />

für die es noch <strong>im</strong>mer keine Heilung<br />

gibt. Eines aber ist diese Präventionsmethode<br />

nicht, darf und kann sie nicht<br />

sein: ein erklärter Freischein für den<br />

ungeschützten Verkehr mit wechselnden<br />

und auch unbekannten Partnern.<br />

Vor Tripper, Syphilis, Chlamydien,<br />

Hepatitis, Herpes oder anderen Käfern<br />

schützt Truvada schliesslich nicht. <br />

FOTO: FOTOLIA<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


8<br />

REPORTAGE<br />

DISKRIMINIERUNG<br />

STRASSENVERKÄUFER IM<br />

SELBSTVERSUCH<br />

In fast allen Städten sieht man sie an jeder Ecke stehen: die Verkäufer<br />

des Strassenmagazins «Surprise». Wie schwierig ist es, das Heft<br />

loszubringen? Und wie wird man als schwuler Strassenverkäufer behandelt?<br />

Der <strong>Cruiser</strong>-Chefredaktor hat es ausprobiert. Mässig erfolgreich.<br />

VON HAYMO EMPL<br />

Wir seufzen oft ob der Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

homosexueller Menschen<br />

<strong>im</strong> Alltag. Die Sexualität<br />

ist in der Regel Privatsache, man<br />

ist damit in den meisten Fällen nicht<br />

der Masse ausgesetzt. Wie aber fühlt<br />

es sich an, wenn die Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

in aller Öffentlichkeit stattfindet, so<br />

wie es bei den Strassenverkäufern<br />

des Magazins «Surprise» der Fall<br />

ist? Wenn man quasi öffentlich sagt:<br />

«Ich bin arm»? Denn genau das tun<br />

diese Strassenverkäufer ja indirekt. –<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung einmal anders; der<br />

Selbstversuch war hart.<br />

GUT, STEHT NICHT AUCH<br />

NOCH «SCHWUL» AUF DER STIRN<br />

GESCHRIEBEN.<br />

10.00 UHR<br />

Ich betrete die «Surprise»-Verteilerzentrale<br />

<strong>im</strong> Kreis 4 und beginne<br />

gleich zu schwitzen. Am Telefon hat<br />

mir Koni – verantwortlich für den<br />

Vertrieb Stadt Zürich – eingeschärft,<br />

ich solle mich warm anziehen, denn<br />

das Herbstwetter könne gar garstig<br />

sein. Die Zentrale von «Surprise» ist<br />

alles andere als glamourös; an einem<br />

kleinen Tisch sitzen bereits drei<br />

Stras senverkäufer und rechnen ab.<br />

Das Verkaufsmodell ist s<strong>im</strong>pel, aber<br />

effektiv: Die Verkäufer nehmen die<br />

Hefte in Kommission, das Stück zu<br />

2.50 Franken. Verkauft wird es für 5<br />

Franken. Ich entscheide mich mutig<br />

für 30 Hefte. Koni runzelt die Stirn:<br />

«Da musst du aber ein verdammt<br />

guter Verkäufer sein.» Er klebt mein<br />

Passfoto auf den «Surprise»-Verkäuferpass<br />

und bietet mir einen Kaffee<br />

an. Ich lehne ab. «Ist aber gratis»,<br />

sagt er.<br />

10.30 UHR<br />

Ich mache mich betreffend «Surprise»-Verkaufsregeln<br />

schlau. Ich darf<br />

weder meine Kinder (auch keine<br />

Leihkinder!) an den Verkaufsplatz<br />

mitbringen (obschon der «Jööh-Effekt»<br />

vermutlich mehr Umsatz bringen<br />

würde) noch Haustiere oder Kollegen.<br />

Aggressives Verkaufen ist auch<br />

verboten. Ich habe verstanden. Jetzt<br />

gehts los: Mein Standplatz ist direkt<br />

vor der Bellevueapotheke. Ohgottogott,<br />

denke ich. Was, wenn mich irgend<br />

eine Null achtfünfzehn-Ex-T&M-<br />

Trulla sieht und erkennt?<br />

11.00 UHR<br />

«Suuurprise! Strassenmagazin!» brülle<br />

ich gut gelaunt den Passanten zu<br />

und halte in der linken Hand eines<br />

der 30 Magazine. Die restlichen sind<br />

in meinem Rucksack verstaut. Nichts<br />

passiert. Das Zürcher Fussvolk hetzt<br />

eilig an mir vorbei. Manche verlangsamen<br />

das Tempo, um mich unverhohlen<br />

anzuglotzen. Aha, ein Arbeitsloser!<br />

Ich gucke erst weg, entschliesse<br />

mich dann aber, den Glotzern Paroli<br />

zu bieten und starre zurück.<br />

11.30 UHR<br />

Seit 30 Minuten wedle ich mit dem<br />

Heft und versuche mein Bestes zu geben.<br />

Ans Angegafftwerden habe ich<br />

mich schon gewöhnt, allerdings muss<br />

«IRGENDETWAS STIMMT<br />

AN MEINER VERKAUFS-<br />

TAKTIK NICHT.»<br />

wohl etwas an meiner Verkaufstaktik<br />

nicht st<strong>im</strong>men, denn ich habe noch<br />

kein einziges Heft verkauft. Dafür fällt<br />

mir auf, dass die Bewohnerinnen dieser<br />

Stadt unglaublich oft etwas aus<br />

ihrer Handtasche kramen. Dauernd<br />

stoppen irgendwelche Frauen direkt<br />

vor mir und durchsuchen den Inhalt<br />

der Handtasche nach Handy, Lippenstift<br />

oder Taschentüchern. Nie aber<br />

nach Geld für mein Magazin. Manche<br />

kramen erst, finden den Gegenstand<br />

FOTOS: RETO OESCHGER, PD<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


9<br />

VIELLEICHT HÄTTE CRUISER<br />

CHEFREDAKTOR HAYMO EMPL MIT<br />

DIESER AUSGABE MEHR ERFOLG<br />

GEHABT. VIELLEICHT LAG ES ABER<br />

AUCH AN DER ETWAS HOLPRIGEN<br />

VERKAUFSTAKTIK.<br />

und lächeln mich dann an. Das nützt<br />

mir wenig, denn ich will kein Lächeln,<br />

ich will Bargeld sehen.<br />

Plötzlich, wie aus dem Nichts, steht<br />

ein Mann vor mir, so um die 50 Jahre<br />

alt. Er will wissen, ob ich Architekt<br />

sei und deutet aufs «Surprise»-Cover<br />

(ein Mann mit einem Haus <strong>im</strong> Hintergrund).<br />

Ich würde zu gerne ja sagen.<br />

Aber eben. Ich bin ja nicht Architekt.<br />

Ich nutze jedoch die Gelegenheit, dem<br />

potenziellen Kunden das Konzept des<br />

Strassenmagazins zu erklären, aber<br />

das interessiert den Herrn wenig. Er<br />

zischt grusslos ab.<br />

sonst schon so viel zu lesen.» Das<br />

finde ich irgendwie sehr respektlos.<br />

Ich identifiziere mich nämlich mittlerweile<br />

sehr mit dem Magazin und<br />

ich bin schliesslich nicht einfach ein<br />

Bettler, ich bin Verkäufer. Während<br />

ich gerade über diesen Unterschied<br />

nachdenke (und automatisiert weiterrufe),<br />

merke ich, dass ich nicht<br />

nur friere, sondern nun auch durstig<br />

bin. Ergo trinke ich aus meiner<br />

mitgebrachten Mineralwasserflasche<br />

und … da geschieht ein Wunder:<br />

Eine Gruppe Männer, so um<br />

die 20, glotzt erst, und dann schält<br />

sich einer aus dem Rudel und kauft<br />

ein Heft. Offenbar wirkt eine gesunde<br />

M<strong>im</strong>ik-Mischung aus Kälte-<br />

Durst-Schweigen-Frust verkaufsfördernd.<br />

12.30 UHR<br />

Mein Kälte-Durst-Schweigen-Frust-<br />

Gesichtsausdruck hilft, um gerade<br />

noch ein weiteres Magazin zu verkaufen.<br />

Ich versuche es zusätzlich<br />

mit einem Hauch Verzweiflung in der<br />

St<strong>im</strong>me «Suuuuuurprise! Straaassenmagazin!».<br />

Erfolglos.<br />

13.00 UHR<br />

Zwei Norweger (temperaturadäquater<br />

angezogen als ich) fragen mich<br />

nach dem Weg zum Bellevue. Ich<br />

ANZEIGE<br />

Studio 43<br />

Sauna Bar<br />

finde die Norweger (die sich als solche<br />

vorgestellt haben) und ihre Frage<br />

blöd, beantworte sie nicht, brülle dafür<br />

aber ein herzliches, lautes «Suuuurprise!»<br />

13.30 UHR<br />

Jetzt habe ich auch noch Hunger und<br />

sollte aufs Klo. Also breche ich die<br />

Aktion ab. Die nicht verkauften Hefte<br />

kann ich der Zentrale <strong>im</strong> Kreis 4<br />

zurückgeben. Am Abend denke ich<br />

über die vielen despektierlichen Blicke<br />

nach. Und schäme mich fast ein<br />

bisschen – denn wenn man an die<br />

Menschen denkt, die tagtäglich derart<br />

ums Überleben kämpfen müssen (und<br />

so mutig sind!) – dann sind meine Probleme<br />

in Bezug auf Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

irgendwie schon beinahe lächerlich.<br />

Die «Surprise»-Verkäufer sind für<br />

mich ab sofort die kleinen Helden des<br />

Alltags. Es braucht unglaublich viel<br />

Geduld, Charme, Wille und Mut, sich<br />

derart zu exponieren. Eigenschaften,<br />

die mir fehlen.<br />

Dieser Artikel ist in einer<br />

leicht gekürzten Version auch <strong>im</strong><br />

«Tagesanzeiger» erschienen.<br />

Die dürftigen Einnahmen der<br />

Verkaufsaktion sind vollumfänglich<br />

dem Strassenmagazin<br />

zugutegekommen.<br />

12.00 UHR<br />

Mittagszeit. Noch mehr Passanten.<br />

Meine «Suuurprise! Strassenmagazin!»-Verkaufsrufe<br />

klingen weniger<br />

enthusiastisch als vor einer halben<br />

Stunde – mittlerweile halte ich in<br />

jeder Hand zwei Magazine, lächle<br />

nicht mehr und friere. Dieser leicht<br />

desperate Gesichtsausdruck hilft: Ich<br />

verkaufe mein erstes Magazin. Beinahe.<br />

Denn der nette Herr drückt mir<br />

5 Franken in die Hand, will das Magazin<br />

aber nicht mitnehmen. «Ich habe<br />

Wir wünschen allen<br />

fröhliche Festtage<br />

und alles Gute<br />

<strong>im</strong> neuen Jahr.<br />

Wir danken<br />

unseren Gästen<br />

für ihre Treue.<br />

Studio 43<br />

Monbijoustr. 123, 3007 Bern<br />

Telefon 031 372 28 27<br />

Tram 9 (Richtung Wabern)<br />

Haltestelle Wander<br />

Öffnungszeiten:<br />

täglich 11–22 Uhr,<br />

www.studio43.ch


10<br />

KOLUMNE<br />

BÖTSCHI KLATSCHT<br />

SCHOTTENRÖCKE & NACKTE<br />

TATSACHEN<br />

Mann trägt wieder Kilt. Momoll, <strong>im</strong> zwinglianischen Zürich tragen sogar<br />

Direktoren Schottenröcke. – Die weiteren Themen in dieser Kolumne:<br />

eine Boutiquenkönigin, ein Leserbriefschreiber, ein Nachwuchsmusiker,<br />

ein It-Boy und Philipp Tingler (schon wieder!).<br />

VON BRUNO BÖTSCHI<br />

Jesses, meine letzte Kolumne, die<br />

über den Käseschnitten backenden<br />

Zürcher SP-Nationalrat, löste<br />

einen Sturm <strong>im</strong> Wasserglas aus. Leser<br />

Dominique S. aus Zürich schrieb:<br />

«Das ist ja unterste Schublade! So was<br />

Peinliches könnte ausser dir nur noch<br />

der Tingler (Philipp, Anmerkung der<br />

Redaktion) schreiben. Noch eine Kolumne<br />

von dir und mein <strong>Cruiser</strong>-Abo<br />

ist definitiv gekündigt …»<br />

Ich schrieb Dominique zurück:<br />

«Schade, dass du meine Schreibe<br />

nicht magst. Ich fände es aber doof,<br />

wenn du wegen mir das ‹<strong>Cruiser</strong>›-Abo<br />

kündigst. Ich habe eine bessere Idee:<br />

Ich könnte jeweils vor dem Versand<br />

deines persönlichen Exemplars meine<br />

Kolumne rausschneiden.»<br />

Dominique hat sich nicht mehr<br />

gemeldet. Ich muss also annehmen,<br />

dass dies die letzte «<strong>Cruiser</strong>»-Ausgabe<br />

ist, die er liest. Schade.<br />

Die bösen Leserbriefe schlugen<br />

mir auf den Magen. Ich stülpte meine<br />

Kopfhörer über und liess Musik rieseln:<br />

Ich hörte «I don’t want to fight<br />

anymore» von Marked. Ein Facebook-Kollege<br />

empfahl mir den deutschen<br />

Nachwuchsmusiker, der in<br />

Zürich lebt: «Ein Kandidat für deine<br />

Kolumne.» Ich antwortete, ich könne<br />

meine Machtposition nicht derart billig<br />

ausnutzen und einfach über jeden<br />

schwulen Jungmusiker schreiben.<br />

Ach, jetzt habe ich es doch getan ...<br />

Themenwechsel. Ende Sommer<br />

kaufte ich mir eine Karo-Hose <strong>im</strong><br />

«DIE BÖSEN LESER-<br />

BRIEFE SCHLUGEN MIR<br />

AUF DEN MAGEN.»<br />

Kleiderladen «Booster» in Zürich.<br />

Und was lese ich nun <strong>im</strong> gerade erschienen<br />

Modehandbuch «Chic»?<br />

«Karo ist <strong>im</strong>mer noch die bevorzugte<br />

Wahl von Männern, die sich als echte<br />

Kerle geben wollen.» Demnach traf<br />

ich in letzter Zeit viele Kerle. Mein<br />

Coiffeur trägt Karo-Kilt. Christoph<br />

Becker, Direktor des Zürcher Kunsthauses,<br />

präsentierte sich ebenfalls <strong>im</strong><br />

traditionsreichen Männerrock.<br />

Becker trug sein schwarz-dunkelgrünes<br />

Modell am Pink Monday, dem<br />

schwulen Oktoberfest, auf dem Zürcher<br />

Bauschänzli. Unter dem Rock<br />

trug Becker – nichts. Und das <strong>im</strong><br />

zwinglianischen Zürich! Be<strong>im</strong> Schottenrock<br />

gilt: Weniger ist mehr. Unter<br />

dem Kilt trägt der wahre Schotte<br />

nichts. So ist es seit Urzeiten. Ausser<br />

bei gemieteten Kilts, da empfiehlt die<br />

für die Wahrung der Kleiderordnung<br />

zuständige Organisation seit einigen<br />

Jahren, eine Unterhose zu tragen.<br />

«Kilt darf Mann überall tragen,<br />

sogar zum Opernball», sagt Katharina<br />

Blansjaar. In ihrem Handbuch<br />

«Chic» beschreibt sie modische Legenden<br />

– von A wie An<strong>im</strong>al Print über<br />

M wie Marineshirt und P wie Pailletten<br />

bis zu T wie Tanktop. 50 textile<br />

Entstehungsgeschichten hat die Autorin<br />

recherchiert und aufgeschrieben,<br />

überraschend, witzig und anregend.<br />

Meine Herren, falls ihr noch kein<br />

Geschenk für eure Lieblingsfreundin<br />

habt: «Chic» kann ich empfehlen. Übrigens:<br />

Die stilvollen Zeichnungen <strong>im</strong><br />

Buch hat mein ehemaliger Lieblingsnachbar<br />

kreiert, Illustrator Daniel<br />

Müller.<br />

Jetzt muss ich noch meinen Lieblings-It-Boy<br />

bashen: Der Reto Hanselmann<br />

wollte mich an seinem Oktoberfest<br />

namens «Hanselmann’s Wiesn»<br />

an einem «Abstelltisch» platzieren.<br />

Ich ging nicht hin. Reto’s Chose soll<br />

ziemlich langweilig gewesen sein,<br />

habe ich gehört. Am «Pink Monday»<br />

dagegen stieg sogar Klatschoma<br />

Hildegard Schwaninger auf eine<br />

Holzbank und hüpfte wie ein Rehli.<br />

www.brunoboetschi.ch<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


CRUISER<br />

WERBUNG<br />

HIER KÖNNTE<br />

IHR INSERAT<br />

STEHEN.<br />

ANZEIGE


12<br />

NEWS<br />

CRUISER<br />

CRUISER<br />

NEWS<br />

AMERIKA<br />

CHARLIE SHEEN<br />

IST HIV-POSITIV<br />

Schon länger wurde darüber<br />

gemunkelt, nun ist es offiziell.<br />

Charlie Sheen hat bekanntgeben,<br />

dass er HIV-positiv ist.<br />

«Ich bin heute hier um zu bestätigen,<br />

dass ich tatsächlich HIV-positiv bin»,<br />

sagte Charlie Sheen kürzlich in einem<br />

TV-Interview. Wo und wann er sich<br />

infiziert hat, weiss er selber nicht.<br />

Der ehemalige Star aus «Two and<br />

a Half Men» meinte weiter, dass er<br />

Frauen, mit denen er Affären hatte,<br />

bezahlt habe, damit sie nichts über<br />

seine Krankheit ausplaudern würden.<br />

Das kostete ihn eine Stange Geld: In<br />

den vergangenen vier Jahren soll er<br />

dafür Millionen hingeblättert haben.<br />

Seine Exfrauen Denise Richards<br />

und Brooke Mueller, mit denen er je<br />

zwei Kinder hat, wussten von Sheens<br />

Infektion.<br />

Zu seiner langen Frauenliste gehört<br />

auch Brett Rossi, ein Pornostar, mit<br />

der er 2014 verlobt war. Ginger Lynn<br />

oder Heather Hunter waren weitere<br />

Pornostars und Sternchen, mit denen<br />

er in der Vergangenheit zusammen<br />

war. Bereits 1995 heiratete der<br />

Schauspieler das erste Mal. Donna<br />

Peele hiess die damals Glückliche, die<br />

Ehe hielt aber nur ein halbes Jahr.<br />

Der Schauspieler beteuerte <strong>im</strong> Interview,<br />

dass es «unmöglich» sei,<br />

dass er weitere Personen angesteckt<br />

habe.<br />

IBM IST ERNEUT<br />

DER LGBT-FREUND-<br />

LICHSTE ARBEIT-<br />

GEBER DER WELT<br />

Der US-Konzern IBM ist zum<br />

zweiten Mal in Folge als<br />

LGBT-freundlichster grosser<br />

Arbeitgeber der Welt<br />

ausgezeichnet worden.<br />

Die in Amsterdam ansässige Stiftung<br />

«Workplace Pride Foundation» hat<br />

die amerikanische Technologiefirma<br />

IBM dieses wie auch schon letztes<br />

Jahr mit dem Preis als bester<br />

LGBT-Arbeitgeber ausgezeichnet.<br />

Die Stiftung hat zusammen mit<br />

der Universität Leiden einen «Global<br />

Benchmark»-Bericht entwickelt,<br />

der den Grad der Arbeitsplatz-Inklusion<br />

für Schwule, Lesben, Bi- und<br />

Trans*sexuelle beschreibt.<br />

In diesem Jahr hat die «Workplace<br />

Pride Foundation» in Fragebögen 21<br />

der weltweit grössten Konzerne befragt,<br />

welche Massnahmen und Initiativen<br />

für mehr Chancengleichheit<br />

von LGBT-Mitarbeitern angeboten<br />

werden. Diese Firmen beschäftigen<br />

insgesamt 2,4 Millionen Mitarbeiter<br />

in mehr als 100 Ländern.<br />

IBM lag mit 87,2 Prozent an erster<br />

Stelle vor der französischen Bank<br />

BNP Paribas (85,3 Prozent) und der<br />

niederländischen Mineralölfirma<br />

Shell (85,0 Prozent). Insgesamt befanden<br />

sich unter den Top Ten vier<br />

niederländische, drei amerikanische,<br />

zwei französische und eine deutsche<br />

Firma.<br />

DEUTSCHLAND<br />

«TATORT»-<br />

KOMMISSAR OUTET<br />

SICH ALS SCHWUL<br />

Seit 45 Jahren gibt es die<br />

ARD-Kr<strong>im</strong>ireihe «Tatort». Und<br />

plötzlich schleppt der neue<br />

Kr<strong>im</strong>inalkommissar en passant<br />

einen Mann ab.<br />

Robert Karow (Mark Waschke), der<br />

<strong>im</strong> März zum ersten Mal ermittelte<br />

und als Single eingeführt wurde, gab<br />

in der Tatort-Folge «Ätzend» ganz<br />

beiläufig sein Coming-out. In einer<br />

Kneipe lernt er einen anderen Mann<br />

kennen und n<strong>im</strong>mt ihn mit zu sich<br />

nach Hause. In der nächsten Szene<br />

sieht man den Ermittler dann mit<br />

freiem Oberkörper auf dem Balkon<br />

stehend, «bei der Zigarette danach.»<br />

«Ich finde, seine sexuelle Ausrichtung<br />

ist <strong>im</strong> 21. Jahrhundert in<br />

einer Stadt wie Berlin wohl nicht<br />

selten», kommentierte Drehbuchautor<br />

Stephan Wagner Karows überraschendes<br />

Coming-out gegenüber der<br />

«Bild»-Zeitung. «Und so hat auch ein<br />

Kommissar das Recht, seine Sexualität<br />

so auszuleben, wie er es will.»<br />

Der Lesben- und Schwulenverband<br />

begrüsste den männerliebenden «Tatort»-Ermittler:<br />

«Manche Mühlen mahlen<br />

halt langsam», meinte LSVD-Pressesprecher<br />

Markus Ulrich. «Es wäre<br />

natürlich schöner gewesen, wenn es<br />

FOTOS: FOTOLIA, PD (3)<br />

CRUISER DEZMBER <strong>2015</strong>


13<br />

schon vor zehn Jahren einen schwulen<br />

Tatort-Kommissar gegeben hätte.<br />

Aber es macht die Sache, dass es jetzt<br />

einen gibt, nicht schlechter.»<br />

NORWEGEN<br />

KIRCHE TRAUT<br />

HOMOSEXUELLE<br />

Die 12 Bischöfe der Bischofskonferenz<br />

haben einst<strong>im</strong>mig<br />

beschlossen, dass in Zukunft<br />

auch Schwule und Lesben<br />

kirchlich heiraten dürfen.<br />

Eine Kirchengruppe spricht<br />

von einem «historischen<br />

Durchbruch».<br />

In Norwegen hat die Organisation<br />

«Åpen folkekirke», also «Offene<br />

Volkskirche» erfolgreich dafür gekämpft,<br />

dass in Zukunft Schwule und<br />

Lesben kirchlich heiraten dürfen.<br />

Nun hat die norwegische Bischofskonferenz<br />

einst<strong>im</strong>mig beschlossen,<br />

dass alle Kirchen Trauungen anbieten<br />

sollen. Wenn ein Priester oder andere<br />

kirchliche Funktionäre nicht an der<br />

Zeremonie teilnehmen wollen, können<br />

sie das jedoch verweigern.<br />

Sturla Stålsett, der Vorsitzende der<br />

Organisation, sagte: «Wir sind sehr<br />

glücklich über diese Entscheidung. Es<br />

ist ein historischer Durchbruch, dass<br />

alle Bischöfe die gleichberechtigte<br />

Trauung empfehlen.»<br />

Norwegen gilt als sehr fortschrittliches<br />

Land, was die Gleichberechtigung<br />

Homosexueller angeht. Als<br />

erstes Land weltweit führte es 1981<br />

ein Antidiskr<strong>im</strong>inierungsgesetz ein<br />

und bereits 1993 konnten Schwule<br />

und Lesben ihre Partnerschaft eintragen<br />

lassen. Und nun wird aus der<br />

Segnung, die die norwegische Kirche<br />

bereits anbietet, die gleiche Ehe wie<br />

die von Heterosexuellen. Sturla Stålsett<br />

rechnet damit, dass die ersten<br />

Hochzeiten <strong>im</strong> Jahr 2017 stattfinden<br />

werden. Die norwegische Kirche ist<br />

die evangelisch-lutherische Volkskirche<br />

Norwegens. Rund 76 Prozent aller<br />

Norweger gehören ihr an. Auch<br />

die anderen skandinavischen Kirchen<br />

sind liberal gegenüber Homosexuellen:<br />

Die schwedische Kirche traut Homosexuelle<br />

seit 2009 genauso wie Heterosexuelle.<br />

In Dänemark sowie auf<br />

Island gibt es <strong>im</strong>merhin Segnungen.<br />

ANZEIGE<br />

ZURICH‘S LARGEST GAY WELLNESS<br />

FREE WIFI INTERNET - IPADS FOR USE - BAR&SNACKS - TWO FLOORS<br />

STEAM BATH - BIG WHIRLPOOL - CRUISING & DARKROOM - SOLARIUM - TV - LOUNGE<br />

BIO SAUNA - LARGE REST CABINS - MEN ONLY<br />

SPECIAL PRICE FOR YOUNGSTERS - AND MUCH MORE


14<br />

SERIE<br />

HOMOSEXUALITÄT AUF DEM LAND<br />

SCHWUL<br />

AUF DER ALP<br />

Der Kanton St. Gallen ist sozusagen ein weisser Fleck auf der Schwulenszene-<br />

Karte der Schweiz. Sogar in der Kantonshauptstadt sind sämtliche Versuche<br />

gescheitert, Schwulenbars über längere Zeit zu betreiben. «<strong>Cruiser</strong>» ist auf der<br />

Suche nach dem schwulen Landleben auf der Alp W<strong>im</strong>pfel fündig geworden.<br />

VON MARTIN ENDER<br />

Der Kanton St. Gallen ist mit<br />

495 000 Einwohnern (2014)<br />

bevölkerungsmässig der fünftgrösste<br />

Kanton der Schweiz nach Zürich,<br />

Bern, Waadt und Aargau. Von<br />

den fast 2000 Quadratkilometern<br />

Fläche werden 48 % landwirtschaftlich<br />

genutzt. 32 % sind bewaldet.<br />

Mehr als jedes zweite zum Wohnen<br />

genutzte Gebäude <strong>im</strong> Kanton St. Gallen<br />

ist ein Einfamilienhaus. Das Kantonsgebiet<br />

erstreckt sich vom oberen<br />

Zürichsee über den Walensee bis zum<br />

Kanton Graubünden – von da dem<br />

Rhein entlang bis zum Bodensee und<br />

über die Stadt St. Gallen wieder bis<br />

zur Zürcher Kantonsgrenze. Der Kanton<br />

umschliesst die beiden Appenzell<br />

(AI und AR). Der markanteste Berg –<br />

aber nicht der höchste <strong>im</strong> Kanton –<br />

ist der Säntis. Der ländlich geprägte<br />

Kanton hat in Sachen Bildung und<br />

Forschung die Nase überraschend<br />

weit vorne.<br />

Trotz eines Studentenstadt-Status,<br />

der normalerweise ein pulsierendes<br />

Nachtleben garantiert, konnte sich in<br />

St. Gallen nie wirklich eine Schwulenszene<br />

etablieren. Die Schwulenbars<br />

«Church» und «Yumbolino» gibt<br />

es längst nicht mehr. Die «Propeller<br />

Bar» hat dichtgemacht. Das «Nuts»,<br />

eine Bar für Schwule und Lesben,<br />

konnte sich als letzter Versuch auch<br />

nicht halten. Einzig die Sauna «manno-mann»<br />

ist noch ein Treffpunkt<br />

für Schwule. Sie feierte eben ihr<br />

10-jähriges Bestehen.<br />

MARC UND WERNER SIND<br />

SCHWULE ALPBEWIRTSCHAFTER.<br />

Auf der vergeblichen Suche<br />

nach schwulem Leben in der Stadt<br />

St. Gallen haben wir das Weite gesucht<br />

– und sind aufs Land raus.<br />

Genauer gesagt ins Toggenburg, in<br />

die Gemeinde Neckertal. Da liegt<br />

über dem Dörfchen Ebersol die Alp<br />

W<strong>im</strong>pfel. Ab Ebersol ist das Strässchen<br />

mit Fahrverbot belegt.<br />

Wer die beiden Alpbewirtschafter<br />

Marc Hasler und Werner Lüönd besuchen<br />

will, muss 30 bis 40 Minuten<br />

zu Fuss gehen. So auch ich. Es ist<br />

einer dieser noch aussergewöhnlich<br />

milden, sonnigen Novembertage.<br />

Alles wie aus dem Bilderbuch. Ausser<br />

der Bauer in Gummistiefeln und<br />

-schürze auf halbem Weg zur Alp. Er<br />

leert vor dem <strong>Winter</strong> die Jauchegrube<br />

und spritzt die Brühe volles Rohr<br />

in hohem Bogen auf den Wiesenabhang<br />

neben der Strasse. Ein kleiner<br />

Windstoss just auf gleicher Höhe und<br />

ich bekomme einen Sprühregen des<br />

Stallparfums ab. Kurz vor der Alp<br />

versperren noch einige Kühe den<br />

Weg. Gut zureden, streicheln, beiseite<br />

schieben und weiter gehts. Bald<br />

sitze ich bei den beiden Älplern an<br />

der wärmende Novembersonne vor<br />

der Alpstube. Ich stelle meine Frage:<br />

«Wie kommen zwei Schwule dazu,<br />

eine Alp zu bewirtschaften und wie<br />

lebt es sich als Schwuler da oben»?<br />

«Es lebt sich gut.» Ein zufriedener<br />

Ausdruck in beiden Gesichtern untermauert<br />

Werners Aussage. Er ergänzt:<br />

«Man darf einfach das Schwulsein<br />

nicht penetrant vor sich her tragen ...<br />

so hat man keine Probleme und man<br />

wird akzeptiert. Direkt fragt da oben<br />

aber auch keiner danach.»<br />

In der über 100-jährigen Geschichte<br />

der Alpgenossenschaft waren bisher<br />

insgesamt zwei Duzend Alphirte<br />

angestellt. Viele davon nur für einen<br />

Sommer. Meist einzelne Männer.<br />

Mitte der achtziger bis in die neunziger<br />

Jahre hielt es ein Ehepaar ganze<br />

13 Jahre aus da oben. Nun wollen<br />

Marc und Werner alle Rekorde brechen.<br />

In vier Jahren werden sie diesen<br />

zeitlichen Rekord gebrochen haben.<br />

Einzigartig sind sie bereits als<br />

schwules Paar. Ausserdem sie sind<br />

die ersten, die aus der Alp auch einen<br />

bewirtschafteten Ausflugsort gemacht<br />

haben. Mit Stolz erwähnen sie in diesem<br />

Zusammenhang, dass ihre Alpstube<br />

<strong>im</strong> Wanderbuch «Die schönsten<br />

Alpwirtschaften der Schweiz» auf<br />

der Titelseite steht.<br />

FOTOS: ZVG<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


15<br />

SO IDYLLISCH ES AUF DER ALP AUCH<br />

SEIN MAG – DIE ARBEIT IST HART UND<br />

EINE TÄGLICHE HERAUSFORDERUNG.<br />

Zur Alpgenossenschaft gehört die<br />

Liegenschaft mit Stall und Wohnhaus,<br />

in dem auch die «Alpstube» untergebracht<br />

ist, ca. 30 Hektaren Weidland<br />

und 26 Hektaren Wald.<br />

Im Sommer gilt es, 85 Rinder zu<br />

betreuen. Dafür wurde 2006 ein neuer<br />

Alphirt gesucht. Die beiden haben<br />

sich beworben und Marc als Verantwortlichen<br />

vorgeschlagen. Denn<br />

er ist gelernter Forstwart und hatte<br />

schon damals Alperfahrung. Der<br />

heute 35-jährige, <strong>im</strong> aargauischen<br />

Schmiedrued Aufgewachsene, war in<br />

den Jahren nach dem Lehrabschluss<br />

als Hirt tätig. Einen Sommer lang mit<br />

Geissen und Mutterkühen <strong>im</strong> Puschlav.<br />

Danach zweit Mal <strong>im</strong> Unterland<br />

auf der <strong>Winter</strong>weide. Dazwischen<br />

wieder als Schafhirt auf der Alp. Auf<br />

der <strong>Winter</strong>weide in Adliswil (weitab<br />

vom Zürcher Nachtleben) hat er den<br />

Bauernsohn Werner kennengelernt,<br />

mit dem er nun seit fünf Jahren in eingetragener<br />

Partnerschaft lebt.<br />

Bei der Anstellung für die Alp<br />

W<strong>im</strong>pfel hat das Thema schwul kaum<br />

interessiert. Einer der Verantwortlichen<br />

wusste davon und meinte, das<br />

sei Privatsache. Andere wiederum<br />

wussten es oder wollten es nicht wissen.<br />

Die Eintragung der Partnerschaft<br />

machte dann vieles klarer. Werner erzählt:<br />

«Ja, das war ein Anlass, der zu<br />

reden gab. Wir haben natürlich viele<br />

Leute eingeladen, die wir hier kennen.<br />

Es waren auch etliche Stammgäste<br />

dabei. Eine Absage bleibt uns<br />

BEI DER ANSTELLUNG<br />

HAT DAS THEMA SCHWUL<br />

KAUM INTERESSIERT.<br />

allerdings in Erinnerung: ‹Wir wollen<br />

und können nicht teilnehmen›.<br />

Ansonsten aber erleben wir viel Positives.<br />

Im ersten Jahr wollten etliche<br />

einfach schauen, wie zwei Schwule<br />

aussehen.» Marc lacht und ergänzt:<br />

«Ich denke mir manchmal, viele waren<br />

etwas enttäuscht.» Ja, die beiden<br />

wirken eben bodenständig und sind<br />

inzwischen mit der Gegend verwurzelt.<br />

Werner wollte man sogar <strong>im</strong><br />

Gemeinderat. Aber mehr Aufgaben<br />

können weder er noch Marc übernehmen.<br />

Auf die Frage, ob sie von ihrer Arbeit<br />

gut leben können, gibts eine kurze<br />

Antwort mit einer langen Ergänzung.<br />

«Ja wir können davon leben, weil wir<br />

viel arbeiten. Hauptaufgabe ist die<br />

Alp. Das beginnt <strong>im</strong> Frühling mit dem<br />

Einzäunen des ganzen Alpgebietes.<br />

Fünf Monate lang auf die anvertrauten<br />

Tiere aufpassen. Zusätzlich führen<br />

wir aber auch mit eigenen Kühen<br />

eine kleine, 10 Hektaren grosse Landwirtschaft.<br />

Wir haben ausserdem<br />

Schweine, Hühner und Gänse. Das<br />

ganze Jahr hindurch bewirten wir<br />

am Wochenede Gäste in der Alpstube.<br />

Marc geht <strong>im</strong> Herbst mosten, <strong>im</strong><br />

<strong>Winter</strong> holzen. Beide zusammen haben<br />

in Wattwil noch die Hauswartung<br />

von 110 Wohnungen übernommen.<br />

Werner arbeitet einmal in der Woche<br />

in Zürich in einem Projekt für schwer<br />

erziehbare Jugendliche. Er leitet jeweils<br />

drei von 30 Jungendlichen an,<br />

wie man für 30 Leute einen Mittagstisch<br />

macht. Werner ist gelernter<br />

Koch. Doch auf der Alp oben sind die<br />

Rollen anders verteilt. Da steht er am<br />

Wochenende vorne <strong>im</strong> Service und<br />

kümmert sich um die Gäste. Marc,<br />

der Introvertierte, steht in der Küche.<br />

«Bei unserem Angebot braucht<br />

es auch keinen gelernten Koch in der<br />

Küche. Es gibt kalte Plättli mit Fleisch<br />

und Käse. Oder Raclette, Fondue und<br />

Käseschnitten», erklärt Werner.<br />

Auf all die Nebentätigkeiten sind<br />

die beiden <strong>im</strong> Moment noch angewiesen.<br />

Werner erläutert: «Wir können<br />

zwar gar nicht viel Geld ausgeben<br />

für irgendwelche Vergnügen, da wir<br />

dafür keine Zeit haben. Aber wir haben<br />

viel investiert. Be<strong>im</strong> Einzug auf<br />

der Alp war das Haus leer. Auch für<br />

die Gaststube und die Küche mussten<br />

wir alles Mobiliar und die Apparate<br />

anschaffen. Und vor allem sämtliche<br />

Fahrzeuge und Maschinen, die es<br />

zur Bewirtschaftung der Alp, des<br />

Landwirtschaftbetriebes und zum<br />

Holzen braucht. Nicht zu vergessen,<br />

wir brauchen einen Schneepflug, um<br />

den Weg auch <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> offen halten<br />

zu können. Auf dieser Höhe kann es<br />

gut mal einen Meter Schnee geben.»<br />

Ob Sie je hier wegziehen würden?<br />

Nein sagen beide und Marc betont:<br />

«ich gehe erst, wenn sie mich rausund<br />

runtertragen.» Werner sieht es<br />

so: «Ich hoffe, dass sich in ein paar<br />

Jahren die Investitionen rechnen und<br />

wir die Nebenjobs nach und nach<br />

aufgeben können. Dann geniessen<br />

wir unsere Alp und Alpwirtschaft.»<br />

Man spürt es, trotz «chrampfen» und<br />

null Ferien sind die beiden mit ihrem<br />

Leben zufrieden.<br />

Sie lieben ihre Alp – und sich.<br />

SCHWUL AUF DEM LAND<br />

In unserer losen Serie stellen wir schwule<br />

Lebensentwürfe auch ausserhalb der<br />

grossen Ballungszentren vor. Wie lebt<br />

es sich schwul auf dem Land? «<strong>Cruiser</strong>»<br />

möchte es wissen. Schreib uns direkt an<br />

die Redaktion: haymo@cruisermagazin.ch<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


16<br />

SERIE<br />

«CRUISER» REIST<br />

«CRUISER» REIST:<br />

JOURNEYLICIOUS<br />

Jenny und Tanja gehen auf Weltreise. Die beiden sind für ein Jahr unterwegs und<br />

berichten regelmässig in unserer Rubrik «<strong>Cruiser</strong> reist». Bei Redaktionsschluss waren<br />

die beiden gerade <strong>im</strong> Flugzeug und dort fällt das Bloggen doch eher schwer –<br />

bzw. das Übermitteln des Textes.<br />

Der erste Stopp der Weltreise ist<br />

Singapur; die ersten Eindrücke gibts<br />

exklusiv auf www.cruiseronline.ch.<br />

FOTO: ZVG, FOTOLIA<br />

JENNY UND TANJA<br />

Jenny und Tanja berichten über ihre Reiseerlebnisse<br />

in unregelmässigen Abständen<br />

auf www.cruisermagazin.ch<br />

ANZEIGE<br />

DAS GRÖSSTE<br />

SCHWEIZER GAY-MAGAZIN<br />

STARK. STOLZ. SPANNEND.<br />

GRATIS AN ALLEN GAY TREFFPUNKTEN.<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


KOLUMNE<br />

WEISSBERGS WARME WEIS(S)HEITEN<br />

17<br />

WIESO MIR DAS CHRISTKINDLI ZU EINER<br />

NEIDNEUROSE VERHALF<br />

Kolumnistin Marianne Weissberg weiss, wie es ist, nie ganz dazu<br />

zu gehören. Und leidet drum unter einer Neidneurose. Wie es dazu<br />

kam, erzählt diese extra unfeierliche Feiertagskolumne.<br />

VON MARIANNE WEISSBERG<br />

FOTO: ZVG<br />

Unübersehbar, es ist wieder Feierzeit!<br />

Und stets bin ich schockiert,<br />

wie mein christliches<br />

Umfeld sich deswegen fertig macht.<br />

Ich muss in der «schönsten Zeit des<br />

Jahres» nicht hysterisch werden: Ich<br />

feiere «bloss» das jüdische Lichterfest<br />

Chanukka. Das kam so: 165 v. Chr.<br />

reichte ein munziges Fläschli Kerzenöl<br />

<strong>im</strong> jüdischen Tempel, den die<br />

Griechen belagerten, volle acht Tage<br />

lang. Daran erinnert heute der achtarmige<br />

Leuchter, an dem man jeden Tag<br />

eine weitere Kerze entzündet, und<br />

«KUPPELVERSUCHE, DEN<br />

SCHWULEN NEFFEN AN<br />

DIE EXTRA EINGELADENE<br />

SCHICKSE ZU BRINGEN,<br />

SCHLAGEN PEINLICH INS<br />

LEERE.»<br />

die viiiielen Geschenke, die man sich<br />

macht. Das Schönste an Chanukka ist<br />

natürlich das Kulinarische. Es duftet<br />

knoblauchig nach Gans, süsslich nach<br />

Rotkraut, die Hühnersuppe blubbert.<br />

Natürlich werde ich auch dieses<br />

Jahr von meiner christlichen Umgebung<br />

mitfühlend gefragt, was ich an<br />

Weihnachten so mache? Früher ging<br />

das bei meinen Schulfreundinnen so.<br />

Die: Was machst du an Weihnachten?,<br />

ich: Ich bin jüdisch, wir feiern<br />

Chanukka!, die: Hä, aber was macht<br />

ihr also an Weihnachten? Jüdisch<br />

sein war damals wie schwul sein, so<br />

was gab es nicht. Basta. Ich gab also<br />

klein bei und spielte be<strong>im</strong> Krippenspiel<br />

<strong>im</strong> gestärkten Nachthemd den<br />

Engel ganz hinten, durfte sogar falsch<br />

blockflöten, also war ich irgendwie<br />

auch dabei. Oder doch nicht? Denn<br />

be<strong>im</strong> mehrbesseren Hauptpersonal<br />

vorn an der Krippe durfte ich NIE<br />

mitmischen. Das gebar ein Neidgefühl,<br />

das nonstop in mir brennt. Alles<br />

wegen dem gojischen Christchindli,<br />

dem eingebildeten.<br />

Heutzutage muss ich gottlob nirgendwo<br />

mehr mitmachen und kann<br />

seelenruhig observieren, bei euch:<br />

Man ist depr<strong>im</strong>iert, wenn man eingeladen<br />

ist, weil man nicht gehen<br />

will, und wenn man nicht eingeladen<br />

wird, leidet man noch viel mehr und<br />

geniesst das nicht einmal ordentlich,<br />

so wie wir Juden/Jüdinnen das tun.<br />

Man fürchtet sich bei euch vor schönen<br />

Familienkrächen, weil Weihnachten<br />

ein Fest der Liebe sein muss.<br />

Schnarch. Solchen Schmarren gibt<br />

es bei uns nicht. Tränen und Kräche<br />

gelten als normal: Mutter in Kochschürze<br />

heult, Vater mit Fleck auf der<br />

Krawatte brüllt, Kinder kreischen.<br />

Kuppelversuche, den schwulen Neffen<br />

an die extra eingeladene Schickse<br />

zu bringen, schlagen peinlich ins Leere.<br />

Einmal entflammte in meinem Elternhaus<br />

der ganze Esstisch, auf dem<br />

mein Vater Dosenananas mit zu viel<br />

Schnaps flambierte. Ich liebte unser<br />

Chanukka-Chaos!<br />

Doch ich will ja nicht weiter auf<br />

Apartheid machen in Sachen Feiern.<br />

Wie wärs mit einer feinen Por-<br />

SO ENGELHAFT FEINGEMACHT<br />

SAH KLEIN FRAU WEISSBERG AUS<br />

AN CHANUKKA.<br />

tion Toleranz? In Amerika, wo sich<br />

die Ethnien gemixt haben, hat man<br />

längst alle falsche Hemmungen verloren,<br />

da feiert man gemeinsam Happy<br />

Weihnukka. Alle mit allen, egal, woran<br />

man glaubt, wer oder was man<br />

ist oder auch nicht. Und so haben alle<br />

etwas davon: Lametta und Leuchter.<br />

Dramatik und Depressionen. Gans<br />

und Turkey. Vielleicht mache ich so<br />

was heuer auch. Hier, bei mir. Denn<br />

<strong>im</strong>mer bloss neidisch sein, weil ich<br />

nicht dabei sein durfte, ist auch nicht<br />

so toll. In diesem Sinne, auch gleich<br />

noch ein gleichberechtigtes Happy<br />

New Year!!!<br />

MARIANNE WEISSBERG<br />

Ist Historikerin, Autorin & Inhaberin<br />

des Literaturlabels Edition VOLLREIF<br />

(www.vollreif.ch).<br />

Ihre Werke u. a. «Das letzte Zipfelchen<br />

der Macht» oder die Kolumnenkollektion<br />

«Tränen ins Tiramisu» sind mittlerweile<br />

schon fast Kult.<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


18<br />

KULTURTIPPS<br />

SCHWEIZ<br />

WENN DER WEIHNACHTSMANN<br />

ZWEIMAL KLINGELT<br />

KYLIE BEGLÜCKT<br />

ALLE FANS MIT EINEM<br />

WEIHNACHTSALBUM<br />

Am 13. November ist das<br />

neue Weihnachtsalbum «Kylie<br />

Christmas» des australischen<br />

Superstars Kylie Minogue<br />

erschienen. Auf dem Album<br />

finden sich hochkarätige<br />

Gäste wie z. B. die Rock-Ikone<br />

Iggy Pop.<br />

Dieses Jahr macht die australische<br />

Queen of Pop, Kylie Minogue, ihren<br />

treuen Fans ein ganz besonderes<br />

Weihnachtsgeschenk: Ein Weihnachtsalbum,<br />

das den Bogen von<br />

sinnlichen Stücken bis hin zu mitreissenden<br />

Disco-Nummern spannt. Ein<br />

toller Mix für jedes Weihnachtsfest.<br />

Fast alle Stücke auf «Kylie Christmas»<br />

wurden erneut von Steve Anderson<br />

produziert. Auf dem Album<br />

finden sich einige interessante Stücke,<br />

z. B. hat Kylie gemeinsam mit<br />

ihrer Schwester Dannii Minogue den<br />

Song «100 Degrees» aufgenommen,<br />

der ein potenzieller Weihnachts-Discoklassiker<br />

werden könnte. Oder<br />

den Evergreensong «Santa Claus is<br />

Coming to Town», bei dem die unsterbliche<br />

St<strong>im</strong>me von Frank Sinatra<br />

erklingt.<br />

Auf der Standard-Edition sind<br />

neben lieb gewonnenen Klassikern<br />

und handverlesenen Remakes drei<br />

brandneue Tracks vertreten. Auf der<br />

Deluxe-Edition sind noch drei weitere<br />

Exklusivsongs enthalten. Ein mit<br />

22 Songs prall gefülltes Doppelalbum,<br />

das man nicht nur Kylie Fans unter<br />

den Weihnachtsbaum legen kann. <br />

BEHAVE – ANYTHING<br />

BUT STRAIGHT<br />

Im Januar wird<br />

in Friedas Büxe gefeiert.<br />

Die Gay-Party <strong>im</strong> Club be<strong>im</strong> Albisriederplatz<br />

hat Tradition und erfreut<br />

sich grosser Beliebtheit. Dies dürfte<br />

zu einem grossen Teil auf die warme<br />

Atmosphäre <strong>im</strong> Club und die verspielte<br />

Dekoration zurückzuführen sein.<br />

So können <strong>im</strong> Club, <strong>im</strong> Ruheraum<br />

oder <strong>im</strong> Fumoir <strong>im</strong>mer wieder neue<br />

Sachen entdeckt werden. Aber auch<br />

musikalisch hebt sich die Party von<br />

den meisten anderen Gay-Partys ab.<br />

Mit ansprechendem Deep House von<br />

lokalen DJ-Grössen und internationalen<br />

Gästen beweist Behave, dass die<br />

Gay-Community auch heute noch am<br />

Puls der Zeit ist. Tante Frieda freut<br />

sich auf jeden Fall jetzt schon auf eine<br />

bunte Party!<br />

15. Januar <strong>2016</strong>, ab 23.00 Uhr<br />

Frieda’s Büxe<br />

Friedaustr. 23<br />

8003 Zürich<br />

PARADISE GARAGE –<br />

SUPERMARKET<br />

Lasst uns gemeinsam am<br />

Freitag, den 4. Dezember,<br />

gebührend den Paradise-<br />

Jahresabschluss feiern!!<br />

Benannt nach dem legendären und<br />

gleichnamigen New Yorker Club, notabene<br />

eine der Wiegen der Housemusic,<br />

gastiert das Label Paradise Garage<br />

jeweils einmal <strong>im</strong> Monat <strong>im</strong> Backsteingemäuer<br />

an der Geroldstras se, um<br />

den Geist seines berühmten Namensverwandten<br />

aus Übersee auferstehen<br />

zu lassen.<br />

Seit fast drei Jahren können die Angehörigen<br />

und Freunde der Gay-Community<br />

hier gemeinsam feiern und<br />

zwar wie zu 80’s-Pionierzeiten <strong>im</strong><br />

New Yorker Village. Eine Tradition,<br />

die auch in den kommenden Jahren<br />

gepflegt und gehegt werden wird.<br />

FOTOS: PD<br />

CRUISER DEZMBER <strong>2015</strong>


19<br />

Zudem sorgen diverse An<strong>im</strong>ationen<br />

für eine spannende Unterhaltung.<br />

Für Adam, Eva & friendly people. <br />

Um einen reduzierten Eintritt zu<br />

erhalten, schreibe einfach eine Message<br />

mit dem Keyword «Paradise»<br />

per WHATSAPP an 076 813 0 222<br />

oder per SMS an 079 807 10 30<br />

(ca. 10 Rp.) – zudem verlosen wir<br />

coole Preise!<br />

ENGLISCHE RUDER-<br />

MANNSCHAFT ZIEHT<br />

SICH FÜR EINEN<br />

GUTEN ZWECK AUS<br />

Nicht nur viel Aufsehen erregen,<br />

sondern auch etwas für<br />

einen guten Zweck tun, das<br />

erreicht jedes Jahr die mittlerweile<br />

über England hinaus<br />

bekannte Rudermannschaft<br />

der englischen Universität von<br />

Warwick mit ihrem Nackt-Kalender.<br />

«Wir haben mit dem Kalender angefangen,<br />

um Geld für unseren Club zu<br />

sammeln.» So beginnt der Clip, den<br />

die Ruderer der «Warwick Rowers»<br />

für ihren Kalender <strong>2016</strong> online gestellt<br />

haben. Sehr schnell merkte die<br />

Rudermannschaft, dass ihr Kalender<br />

nicht nur grossen Anklang bei Frauen<br />

fand, sondern auch in der Gay-Community.<br />

Und deshalb spendet diese<br />

sympathische Mannschaft auch 10<br />

Prozent der Gewinne vom Verkauf<br />

des Kalenders an die Initiative «Sport<br />

Allies», die sich gegen Homophobie<br />

<strong>im</strong> Sport einsetzt. <br />

Unter folgendem Link kann man<br />

den Trailer sehen und auch den<br />

Kalender bestellen: http://www.<br />

warwickrowers.org/new-for-<strong>2016</strong>/<br />

ANZEIGE<br />

Wir sagen Euch Danke, auch in diesem Jahr –<br />

und stossen an auf ein Neues in der ip- op-Bar.<br />

AUCH ÜBER DIE FESTTAGE SIND WIR VON DI BIS SA AB 18.30 FÜR EUCH DA.<br />

P E T R A<br />

’ S<br />

tip<br />

top<br />

bar<br />

DIENSTAGS BIS SAMSTAGS AB 18.30 UHR<br />

SEILERGRABEN 13 8001 ZÜRICH WWW.TIP-TOP-BAR.CH


20<br />

SERIE<br />

HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE<br />

UND LITERATUR<br />

DER SCHÖNE<br />

UND DAS BIEST<br />

Darius III war der stolze Perserkönig und baute sich mit Persepolis eine<br />

eigene Stadt. Zudem war er ein ausnehmend hübscher König. Das wusste<br />

auch Alexander der Grosse, der eine kurze Liaison mit dem Regenten einging.<br />

Und schliesslich Persepolis aus Eifersucht komplett abfackelte.<br />

PERSEPOLIS GEHÖRT<br />

ZUM UNESCO-WELTERBE


21<br />

DAS «TOR ZUR WELT».<br />

HIER MUSSTE SEINERZEIT AUCH<br />

ALEXANDER DURCHREITEN.<br />

JEDEN TAG STRÖMEN TAUSENDE<br />

NACH PERSEPOLIS. ZU SEHEN GIBTS<br />

PRIMÄR STEINE.<br />

VON MOEL MAPHY<br />

FOTOS: TEAM CRUISER<br />

Die altpersische Residenzstadt<br />

Persepolis war eine der Hauptstädte<br />

des antiken Perserreichs<br />

unter den Achämeniden und wurde<br />

520 v. Chr. von Dareios I. <strong>im</strong> Süden<br />

des heutigen Irans in der Region Persis<br />

gegründet. Der Name «Persepolis»<br />

stammt aus dem Griechischen<br />

und bedeutet «Stadt der Perser». Soweit<br />

also die allseits beliebte Wikipedia-Enzyklopädie.<br />

Guckt man sich<br />

die Ruinen an, sieht man eigentlich<br />

nicht viel mehr als Steine (wobei man<br />

ja von einer Ruine auch nichts anderes<br />

erwartet). Damals muss die Stätte<br />

aber ziemlich fantastisch ausgesehen<br />

haben. Denn Persepolis bestand aus<br />

über 14 Gebäuden und diese sind unter<br />

anderem von König Darius und<br />

seinen Nachfolgern Darius II und III<br />

errichtet worden. Die Geschichtsbücher<br />

wissen weiter, dass die Palaststadt<br />

330 v. Chr. durch Alexander den<br />

Grossen zerstört wurde. Nur, warum<br />

er das getan hat … darüber munkelt<br />

man noch heute und es gibt verschiedene<br />

Erklärungsversuche. Im Iran<br />

scheint aber ziemlich klar, was der<br />

Grund war.<br />

DARIUS III WAR EIN<br />

ÄUSSERST ATTRAKTIVER KÖNIG<br />

Darius III war – so viel weiss man –<br />

ein äusserst gut aussehender König.<br />

Alexander weniger. Dafür enorm<br />

mächtig und – auch das ist bekannt<br />

– mehr oder weniger offen schwul.<br />

KÖNIG DARIUS HATTE<br />

DIE SCHICKEREN OUTFITS<br />

ALS ALEXANDER.<br />

Im heutigen Iran geht die abgekürzte<br />

Version der ganzen (wirklich<br />

eeeeeeepischen Geschichte) rund um<br />

Persepolis in etwa so: Darius III und<br />

Alexander waren für kurze Zeit ein<br />

Paar, Darius III hatte zudem definitiv<br />

die tolleren Outfits und den besseren<br />

Look als Alexander. Darius III verliess<br />

HOMOSEXUALITÄT<br />

IN GESCHICHTE UND<br />

LITERATUR<br />

Mehr oder weniger versteckt findet sich<br />

das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte,<br />

der Politik, in antiken Sagen<br />

und traditionellen Märchen – in der<br />

Literatur ganz allgemein – <strong>im</strong>mer wieder.<br />

<strong>Cruiser</strong> greift einzelne Beispiele heraus,<br />

würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie<br />

in zeitgenössische Zusammenhänge und<br />

wünscht bei der Lektüre viel Spass –<br />

und hie und da auch neue oder zumindest<br />

aufgefrischte Erkenntnisse. Diese Folge<br />

befasst sich mit einem Freundespaar, das<br />

in einem Krieg mitmischt.<br />

Alexander, dieser war sauer und fackelte<br />

Persepolis aus Rache kurzerhand<br />

ab.<br />

DARIUS III WAR AUCH<br />

EIN NETTER KÖNIG<br />

Wikipedia stellt fest: «Ein Gutes hat<br />

der Brand bewirkt: Durch das Feuer<br />

wurden etwa 30 000 Tontafeln gehärtet<br />

und blieben über 2500 Jahre<br />

bestens erhalten. So können heutige<br />

Archäologen viele Details nachlesen,<br />

bis hin zur Buchhaltung der Stadtverwaltung.<br />

Von der Leibesbeziehung<br />

steht allerdings nichts auf diesen Täfelchen.»<br />

Immerhin. Darius war nicht<br />

nur ein hübscher König, sondern auch<br />

ein netter. Denn: Auf den Tontäfelchen<br />

steht klar geschrieben, dass Persepolis<br />

nicht durch Sklaven erbaut worden<br />

ist. Viele der Inschriften enthalten<br />

nämlich Notizen über Essensrationen<br />

und Vergütungen der Arbeiter, welche<br />

aus dem ganzen Land extra für dieses<br />

Riesenprojekt nach Persepolis bestellt<br />

worden waren. Und best<strong>im</strong>mt durfte<br />

der eine oder andere Arbeiter auch in<br />

Darius III Gemach (oder Gemächte?)<br />

übernachten.<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


22<br />

KOLUMNE<br />

MICHI RÜEGG<br />

KEVIN UND THIERRY –<br />

EINE HOMESTORY<br />

Der Schwule ist urban, wählt links und hat einen kreativen Beruf.<br />

Klischees wie diese sind der Grund, weshalb wir uns nicht<br />

aus unserem uns zugedachten gesellschaftlichen Korsett befreien<br />

können, findet Michi Rüegg. Und er holt aus.<br />

VON MICHI RÜEGG<br />

Schwulsein, so liest man hier und<br />

dort, soll ja heute in breiten Kreisen<br />

als normal gelten. Trotzdem<br />

beschleicht den durchschnittlichen<br />

«<strong>Cruiser</strong>»-Leser bei der Lektüre einer<br />

durchschnittlichen «<strong>Cruiser</strong>»-Ausgabe<br />

bisweilen das Gefühl, so etwas<br />

wie «normale Homosexuelle» gebe es<br />

nicht. Auch der Verfasser dieser Zeilen<br />

wehrt sich vehement gegen den<br />

Vorwurf, normal zu sein.<br />

Wir haben es aber nach monatelangen<br />

intensiven Recherchen gefunden:<br />

das ganz normale schwule<br />

Paar. Kevin und Thierry, beide Mitte<br />

Zwanzig, leben in einem ganz normalen<br />

Vorort von Zürich, in einer ganz<br />

normalen Wohnsiedlung mit Gartensitzplatz.<br />

Während sich Kevin mit<br />

Hingabe um die Begonien (sie blühten<br />

heuer besonders schön) kümmert,<br />

schwingt Thierry den Kochlöffel und<br />

bekommt mit dem Staubsauger wie<br />

kein Zweiter die engsten Ecken nicht<br />

nur sauber, sondern rein.<br />

Kein Mahagoniparkett, kein opulenter<br />

geschliffener Marmor ziert den<br />

Boden. Nein, schlichte Keramikplatten<br />

zeugen davon, dass praktisches<br />

Denken und häusliche Harmonie hier<br />

<strong>im</strong> Einklang zueinander stehen. Und<br />

das einzige Leder <strong>im</strong> ganzen Haushalt<br />

ist nicht schwarz, sondern die rote<br />

Couch von Möbel Schubiger <strong>im</strong> mit<br />

viel Liebe und lustigen Keramikfigurinchen<br />

dekorierten Wohnz<strong>im</strong>mer.<br />

Obschon Thierry und Kevin zu einem<br />

«DIE PASSEN DOCH NICHT<br />

HIERHER ZU UNS.»<br />

gewissen Grad einen Migrationshintergrund<br />

haben (Kevins Vater hat seine<br />

Mutter in einer Kontaktbar in Pattaya<br />

kennengelernt, Thierrys Vater<br />

floh als Kind aus Ungarn), fühlen sie<br />

sich als echte Schweizer. Als Halbasiate<br />

hat Kevin eh nicht so viele Haare<br />

am Körper, sein Schamhaar stutzt<br />

er jeweils auf anderthalb Zent<strong>im</strong>eter.<br />

Thierry rasiert sich ganz, lässt aber<br />

am Kinn einen neckischen Ziegenbart<br />

stehen, der – so ist der gelernte Elektromonteur<br />

sich sicher – ihm einen<br />

vernünftigen Heterolook verpasst.<br />

Sorgen bereitet den beiden, dass ihre<br />

Gemeinde in einer nahen Zivilschutzanlage<br />

Flüchtlinge unterbringen will.<br />

«Die passen doch nicht hierher zu<br />

uns», findet Thierry, und Kevin nickt.<br />

Er befürchtet, dass die Ausländer seinen<br />

Audi A3 mit Speziallackierung,<br />

den er aus Kostengründen nicht in<br />

der Tiefgarage, sondern in der blauen<br />

Zone parkt, beschädigen könnten.<br />

Überhaupt, findet Thierry, Kevin<br />

sei ja quasi als Halb-Thai eine grosse<br />

Ausnahme, denn eigentlich stehe er<br />

nur auf Weisse. Nein, den Eritreern<br />

und Syrern, die man ihnen da vors<br />

Haus setzt, denen würden sie sicher<br />

nicht nachschauen. Und wenn, dann<br />

nur um sicherzugehen, dass sie be<strong>im</strong><br />

Nachbarn nicht durchs offene Fenster<br />

steigen. Männern nachzusehen, das<br />

sei eh nicht so ihr Ding, finden die<br />

beiden. «Nur weil wir schwul sind,<br />

müssen wir ja nicht untreu sein», findet<br />

das Paar unisono. Das sei eines<br />

dieser Klischees der Szene, mit der<br />

sie sowieso nichts anfangen könnten.<br />

Auch Paraden wie die «Pride» seien<br />

nicht ihr Ding, wie sie versichern.<br />

«Was ist daran politisch, wenn man<br />

in bunten Kleidern ...» – Kevin wird<br />

von Thierry unterbrochen: «... oder<br />

ohne!» – «Oder ohne! Ohne Kleider für<br />

Rechte demonstriert.» Nein, nein, das<br />

würden die beiden nie tun. Viel eher<br />

sind sie stolz darauf, dass sie be<strong>im</strong><br />

Hearing <strong>im</strong> Gemeindehaus, bei dem<br />

es um die geplante Flüchtlingsunterkunft<br />

ging, aufstanden und erzählten,<br />

dass sie sich als Schwule nicht mehr<br />

sicher fühlen würden, wenn da überall<br />

Musl<strong>im</strong>e rumliefen.<br />

Mit ihrem Anderssein stossen sie<br />

jedoch just bei Schwulen auf Ablehnung.<br />

Etwa als Thierry sich weigerte,<br />

be<strong>im</strong> Betriebsausflug nach Köln<br />

einen schwulen Arbeitskollegen in<br />

eine Gaybar zu begleiten. Oder als<br />

sich eine Gruppe Tunten am Zürihorn<br />

darüber lustig machte, dass Kevin <strong>im</strong><br />

Jahr <strong>2015</strong> noch <strong>im</strong>mer Abercrombie<br />

& Fitch trägt. «Das ist so verletzend»,<br />

sagt er.<br />

Es ist bedenklich, um nicht zu sagen<br />

skandalös, dass ausgerechnet ein<br />

Paar, das die Normalität auf dermassen<br />

schwule Weise vorlebt, in den eigenen<br />

Reihen nichts als Ausgrenzung<br />

erfährt. <br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


Ich suche nicht irgendwen,<br />

daher suche ich auch nicht irgendwo.


24<br />

THEMA<br />

OUTING IM VATIKAN<br />

OUTING IM<br />

VATIKAN<br />

Papst Franziskus ist angetreten, die katholische Kirche zu reformieren.<br />

Auch wenn er offener und moderner ist als etliche Vorgänger, ist es fraglich, ob<br />

er als grosser Reformer in die Geschichte eingehen wird. Auf ein priesterliches<br />

Outing <strong>im</strong> Vatikan folgte unvermeidlich das Verdikt. Franziskus «was not amused».<br />

VON MARTIN ENDER<br />

FRANZISKUS VERSUCHT BESCHEIDENHEIT ZU LEBEN. WAS IN<br />

DEN RÄUMLICHKEITEN DES VATIKANS EHER SCHWIERIG SEIN DÜRFTE.<br />

Doch was interessiert das die<br />

Gay-Community? Nun, zweitausend<br />

Jahre christlicher Geschichte<br />

prägen uns alle – Gläubige<br />

und Ungläubige. Der Einfluss Roms<br />

auf die gesamte Gesellschaft ist nach<br />

wie vor gross. Eine offenere Kirche<br />

(auch jene anderer Religionen) führt<br />

zu einer offeneren Gesellschaft. In diesem<br />

Sinne interessiert es schon, wie<br />

Rom gedenkt, in Zukunft mit Homosexuellen<br />

umzugehen. Vor allem aber<br />

interessiert, wie die Kirche mit dem<br />

Outing eines Priesters <strong>im</strong> Innersten<br />

des Machtzentrums umgeht.<br />

Derzeit spürt der Papst einen starken<br />

Gegenwind. Die von ihm angepackte<br />

Kurienreform und die eben<br />

abgeschlossene Familiensynode machen<br />

einmal mehr deutlich, wie stark<br />

die konservativen Kräfte innerhalb<br />

der Kirche sind. Franziskus propagierte<br />

von Anfang an den Begriff einer<br />

«armen Kirche» und lebt die Bescheidenheit<br />

auch vor – <strong>im</strong> Gegensatz zum<br />

bisherigen Purpur- und Goldpomp <strong>im</strong><br />

Vatikan. Gerade mal ein gutes Jahr<br />

<strong>im</strong> Amt, musste er jedoch mitansehen,<br />

wie sich Bischof Tebartz-van<br />

Elst <strong>im</strong> deutschen L<strong>im</strong>burg sich seine<br />

Residenz für 31 Millionen ausbauen<br />

liess. Die Kurie, die Gesamtheit der<br />

päpstlichen Behörden, sträubt sich<br />

gegen Franziskus’ Reformen. Es geht<br />

um Macht, Geld und Privilegien. So<br />

sind denn auch seine scharfen Worte<br />

zu verstehen, die er Weihnachten<br />

2014 an die Kurienmitglieder richtete.<br />

Intrigen und Karrierestreben hätten<br />

die Kurie mit «geistlichem Alzhe<strong>im</strong>er»<br />

infiziert. Sie müsse sich ändern:<br />

«Eine Kurie, die sich nicht selbst hinterfragt,<br />

die sich nicht modernisiert,<br />

die sich nicht bessert, ist krank», sagte<br />

der Papst.<br />

Seine gelebte Bescheidenheit und<br />

der Versuch des Aufräumens in der<br />

Kirche, weckten Hoffnungen auf eine<br />

Modernisierung und eine Anpassung<br />

der Kirche an die heutige Lebensweise<br />

der Gläubigen. Mit der Bischofssynode<br />

wollte Franziskus zudem eine<br />

Diskussion anstossen zu den Themen<br />

Familie und Sexualethik. Dabei trat <strong>im</strong><br />

Vorfeld und in der Berichterstattung<br />

<strong>im</strong>mer wieder die Frage auf: Wird die<br />

katholische Kirche konzilian ter <strong>im</strong><br />

Umgang mit geschiedenen Gläubigen<br />

und mit Homosexuellen?<br />

Der zweite Teil der Bischofssynode<br />

in Rom hat die Hoffnungen, die <strong>im</strong><br />

ersten Teil geweckt wurden, begraben.<br />

Die deutschsprachigen Bischöfe<br />

kamen nicht gegen die konservativen<br />

Kräfte an. Manche Synodenteilnehmer<br />

trauten ihren Ohren nicht, als<br />

Kardinal Robert Sarah aus Guinea<br />

sagte: «Was Nazi-Faschismus und<br />

FOTOS: PD, FOTOLIA<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


25<br />

VIELLEICHT WIRDS JA IRGENDWANN DOCH ETWAS BUNTER IM VATIKAN.<br />

Kommunismus <strong>im</strong> 20. Jahrhundert<br />

waren, sind die westlichen Homosexuellen-<br />

und Abtreibungsideologien<br />

und der islamische Fanatismus heute.»<br />

Die einflussreiche Gruppe konservativ-traditionell<br />

Gesinnter befürchtet<br />

durch die neuen Impulse aus dem Vatikan<br />

ein Aufweichen der Lehre oder<br />

auch den Verlust von Privilegien.<br />

270 Bischöfe und Kardinäle, dazu<br />

ein paar Dutzend Experten, geladene<br />

Beobachter und katholische Ehepaare<br />

waren <strong>im</strong> Vatikan versammelt, um<br />

über Ehe, Familie und Sexualität zu<br />

diskutieren. Sie haben einen Schlussbericht<br />

verfasst und ihn an den Papst<br />

weitergereicht. Was der nun damit<br />

macht, steht in den Sternen. Denn<br />

über dieses Papier kann sich Franziskus<br />

hinwegsetzen. Anders als das<br />

Konzil, dessen Reformbeschlüsse<br />

verbindlich sind, ist eine Synode ein<br />

reines Beratungsorgan. Aber dieser<br />

Papst wird in diesen heiklen Punkten<br />

kaum ein entscheidendes Machtwort<br />

sprechen.<br />

Die Synode stand unter einem<br />

schlechten Stern. Kurz vor dem zweiten<br />

Teil der Synode stand die zweite<br />

Vatileaks-Affäre ins Haus. «Gehe<strong>im</strong>e»<br />

Dokumente tauchten auf und wurden<br />

in zwei Büchern veröffentlicht. Die<br />

Kirchenverwaltung wird darin einmal<br />

mehr als Schlangengrube und barocker<br />

Hofstaat beschrieben. Skandalös<br />

erscheinen auch die 501 000 Euro, die<br />

der australische Kardinal George Pell<br />

allein als Spesen in nur einem halben<br />

MEHR SCHEIN ALS SEIN:<br />

DIE ALLIANZ VATIKAN –<br />

GAY-COMMUNITY<br />

IST NACH WIE VOR EINE<br />

UNHEILIGE.<br />

Jahr in Rechnung gestellt hat. Der Vatikan<br />

reagierte nervös und liess zwei<br />

mögliche Informanten verhaften.<br />

Wie hält es die katholische Kirche<br />

mit wiederverheirateten Geschiedenen<br />

und mit Homosexuellen? Über<br />

diese Fragen sollte unter anderem<br />

an der Synode diskutiert werden.<br />

Kurz vor deren Beginn <strong>im</strong> Oktober<br />

platzte dann eine Bombe: Krzysztof<br />

Charamsa, ein hochrangiger Mitarbeiter<br />

der Glaubenskongregation <strong>im</strong><br />

Vatikan, outete sich als homosexuell.<br />

Er hatte den Termin bewusst gewählt<br />

und verlas an einer Pressekonferenz<br />

seine Liste von zehn Forderungen. Er<br />

appellierte an die Synode, mit ihrem<br />

«paranoiden Handeln» gegenüber sexuellen<br />

Minderheiten ein Ende zu setzen.<br />

Es sei «unmenschlich», von Homosexuellen<br />

«totale Abstinenz» und<br />

ein «Leben ohne Liebe» zu verlangen.<br />

Er wisse, dass der Klerus «überwiegend<br />

homosexuell» sei. Dass gleichzeitig<br />

die Homophobie in der Kirche<br />

so ausgeprägt sei, erklärte er mit der<br />

mangelnden Akzeptanz der eigenen<br />

sexuellen Orientierung. Nach seinem<br />

Coming-out kündigte Charamsa ein<br />

Buch über seine Erfahrungen in der<br />

römischen Kurie an.<br />

Das war für Rom zuviel. Vatikansprecher<br />

Federico Lombardi gab<br />

umgehend bekannt, dass Charamsa<br />

seine Tätigkeit als Mitarbeiter in der<br />

Glaubenskongregation sowie seine<br />

Lehrtätigkeiten an zwei päpstlichen<br />

Hochschulen in Rom aufgeben müsse.<br />

Für die disziplinarischen Konsequenzen<br />

sei der Bischof der polnischen<br />

Diözese zuständig, aus der Charamsa<br />

stammt. Dieser Bischof, Ryszard<br />

Kasyna, verwarnte alsbald den Abtrünnigen<br />

und forderte ihn auf, «zum<br />

Amt Christi» zurückzukehren. Charamsas<br />

Äusserungen stünden <strong>im</strong> Widerspruch<br />

zum Evangelium und zur<br />

Lehre der katholischen Kirche. Am<br />

17. Oktober wurde er schliesslich von<br />

Kasyna nach Ausbleiben einer Sühne<br />

als Priester suspendiert, womit ihm<br />

gleichzeitig verboten wurde, die für<br />

römisch-katholische Priester übliche<br />

Kleidung zu tragen. Der 43-jährige<br />

Priester ist Amt und Würde los.<br />

Ob das Outing von Charamsa der<br />

innerkirchlichen Diskussion zum Thema<br />

Homosexualität dienlich war, ist zu<br />

bezweifeln. Aber Krzysztof Charamsa<br />

wird sicherlich als Lanzenbrecher für<br />

das aus seiner Sicht grosse Heer von<br />

homosexuellen katholischen Priestern<br />

in die Geschichte eingehen.<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


26<br />

KOLUMNE<br />

PIA SPATZ<br />

JETZT<br />

ERST RECHT!<br />

Pia überlegt sich, was sie tun kann, um die Welt für<br />

die Festtage zu verbessern. Oder zumindest, wie man sie<br />

verschönern könnte.<br />

VON PIA SPATZ<br />

Ihr Lieben, es weihnachtet sehr –<br />

möchte ich gerne verlauten. Zumindest<br />

sollte es das. Aber derzeit<br />

kann ich durchaus verstehen, warum<br />

Rudolf das Rentier mit ’nem Schuss<br />

durch den H<strong>im</strong>mel düst! Nicht nur,<br />

weil es den alten Karren ziehen muss.<br />

– Aber ziehen müssen wir nun alle am<br />

gleichen Strang. Jetzt erst recht. Augen<br />

auf und mit dem Zeigefinger dort<br />

drücken, wo es weh tut (bei den vielen<br />

Kosmetik-Freaks unter euch ist das ja<br />

machbar, nicht?).<br />

Beginnen wir gleich vor der Haustür,<br />

besser gesagt, in der schmucken<br />

Zürcher Bar «Les Garçons», deren<br />

kleine Bühne mir jüngst den Beginn<br />

ANZEIGE<br />

EIN INSERAT<br />

IM CRUISER<br />

WIRD GESEHEN<br />

zur Weltkarriere als neue Madonna<br />

ebnen sollte, aber statt Glamour gab<br />

es fiese Attacken von «vermummten<br />

Schwulenhassern» (Zitat «Blick»).<br />

Gewalt und zerbrochenes Mobiliar<br />

waren die Folge – und es verlief noch<br />

relativ gl<strong>im</strong>pflich! Das sollen oder<br />

dürfen wir uns nicht gefallen lassen.<br />

Falsche Scham gilt nicht. In meiner<br />

letzten Kolumne schrieb ich von<br />

all dem homophoben Mist, der uns<br />

um die Ohren knallt. Es ist daher kein<br />

Zufall, dass der «Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch»<br />

am 17. Dezember das Thema<br />

«Homo- und trans*phobe Gewalt»<br />

zur Sprache bringt. Die Pink-Cops<br />

präsentieren dort eine neue Studie<br />

über die Gewalterfahrung von uns<br />

Schwulen, Lesben oder Trans*menschen<br />

– aber auch über unsere Erfahrungen<br />

mit der Polizei. Sicher können<br />

mir die uniformierten Männer dort<br />

helfen, meine Wut zu dämmen. Denn<br />

oft möchte ich mich mit einer Armada<br />

von Schmutzlis zur Wehr setzen.<br />

Aber Rache steht niemandem,<br />

mir schon gar nicht. Ich vertraue<br />

schlussendlich der (Nächsten-)Liebe<br />

und selbstverständlich meiner Schokoladenseite,<br />

die bis Ende Dezember<br />

mit Sicherheit zulegen wird.<br />

An Angeboten mangelt es jedenfalls<br />

nicht, um sich in den nächsten<br />

Tagen für ein paar Stunden von der<br />

Realität abzusetzen, ohne dabei «The<br />

big Picture» aus den Augen zu verlieren.<br />

Purer Luxus, den wir uns leisten<br />

können, nicht? Die besinnliche Zeit ist<br />

bekanntlich auch als «Party- Saison»<br />

verschrien. Oder anderes formuliert:<br />

«LIBERTÉ, ÉGALITÉ,<br />

FRATERNITÉ!»<br />

Aus den Augen – aus dem Sinn? Kein<br />

Problem: Wer bei Lucie-Glitzer und<br />

Weihnachtsdrinks sämtliche Hemmungen<br />

verliert und seine Rute nicht<br />

mehr <strong>im</strong> Griff hat, der kann auch <strong>im</strong><br />

Dezember den «Checkpoint» aufsuchen.<br />

Die lieben Weihnachtselfen<br />

dort sorgen für die richtige Behandlung.<br />

Beispielsweise bei einem Filmoder/und<br />

Gummiriss. Denn eine<br />

HIV-Postexpositions-Prophylaxe, in<br />

der Umgangssprache PEP genannt,<br />

kann helfen, das Risiko einer allfälligen<br />

Übertragung von HIV zu senken.<br />

Und warten lohnt sich nicht! Eine PEP<br />

muss innerhalb von 48 Stunden nach<br />

der Risikosituation begonnen werden.<br />

Danach gibts vier Wochen lang<br />

antiretrovirale Medikamente. Und<br />

wer nun denkt, er könne sich eine<br />

dringend benötigte PEP ob all dem<br />

Shoppingstress nicht leisten, dem sei<br />

gesagt, dass die Krankenkasse die<br />

Kosten übern<strong>im</strong>mt – Ehrenwort!<br />

Wie ihr seht, wir sind in guten<br />

Händen. Es kann und muss also weihnachten.<br />

Und vielleicht darf das Rentier<br />

Rudolf den Weihnachtsmann bald<br />

wieder etwas gemächlicher kutschieren<br />

– zu gönnen wäre es ihm. Zu guter<br />

Letzt: Liberté, Égalité, Fraternité!<br />

Frohe Festtage wünscht euch Pia.


RATGEBER AIDS-HILFE 27<br />

DR.GAY<br />

Dr. Gay<br />

IST EIN BRIEF<br />

ETWAS ÜBERTRIEBEN?<br />

Ich habe <strong>im</strong> Ausgang einen 30jährigen<br />

Mann kennengelernt und mich sofort<br />

verliebt. Seither haben wir uns schon<br />

ein paar Mal gesehen. Er ist ein sehr<br />

offener und kommunikativer Typ, ich<br />

dagegen bin eher ruhig. Leider ist es<br />

schwierig, mit ihm abzumachen, da<br />

er <strong>im</strong>mer so viel um die Ohren hat.<br />

Ich möchte ihm einfach mitteilen,<br />

was ich für ihn empfinde, am liebsten<br />

mit einem Brief. Allerdings habe<br />

ich Bedenken, dass er das vielleicht<br />

nicht gut oder sogar lächerlich findet.<br />

Das Schl<strong>im</strong>mste wäre, wenn er sich<br />

gar nicht mehr melden würde. Was<br />

meinst du? Ist ein Brief nicht etwas<br />

übertrieben? Michael (41)<br />

Hallo Michael<br />

Wichtig ist, was du selber von einem<br />

Brief hältst. Wenn du ihm einen Brief<br />

schreiben möchtest, dann tue es. Das<br />

ist o.k. Sollte er das blöd finden, dann<br />

ist es eben so. Ich glaube kaum, dass<br />

eure gemeinsame Zukunft nur von<br />

einem Brief abhängt. Ich persönlich<br />

finde einen Brief zu schreiben herzig<br />

und ich würde mich gerade <strong>im</strong> Zeitalter<br />

von SMS und E-Mails darüber<br />

freuen und geschmeichelt fühlen. Vor<br />

allem, wenn er handgeschrieben ist.<br />

Aber das ist nur meine persönliche<br />

Meinung. Also: Deine Entscheidung,<br />

ob du ihm einen Brief schreibst, sollte<br />

nicht davon abhängen, ob er das gut<br />

findet oder nicht. Mache das, was du<br />

für richtig hältst und verstelle dich<br />

nicht ihm zuliebe. Du fährst dann am<br />

besten, wenn du dir selber treu bleibst<br />

und möglichst authentisch auftrittst.<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

FÜR MICH<br />

GING DIE WELT UNTER<br />

Ich habe mich über einen Chat mit<br />

einem Escort getroffen. Wir haben<br />

vor dem Treff alles abgemacht und<br />

er hat mir auch versichert, gesund<br />

zu sein. Wir haben uns gegenseitig<br />

gewichst, er hat mich ger<strong>im</strong>mt und<br />

mich mit Gummi geblasen. Dabei hat<br />

er sich selber befriedigt, gekommen<br />

ist er aber nicht. Ich habe ihm dann<br />

auf sein Gesicht gespritzt. Danach<br />

hat er mich weiter intensiv ger<strong>im</strong>mt<br />

und steckte mir einen Finger rein.<br />

Er hat mich dann nochmal geblasen,<br />

diesmal ohne Gummi und bis zum Abspritzen.<br />

Zehn Tage später meldete<br />

er sich und schrieb, dass er HIV-positiv<br />

ist, aber unter Therapie. Für mich<br />

ging die Welt unter. Jetzt habe ich<br />

Panik, mich mit HIV angesteckt zu<br />

haben. Habe dann gleich einen anonymen<br />

Schnelltest gemacht, Resultat<br />

negativ. Aber hat hier überhaupt ein<br />

HIV-Risiko bestanden? Richard (33)<br />

Hallo Richard<br />

Ich kann dich beruhigen, du bist hier<br />

kein HIV-Risiko eingegangen. Nur<br />

weil du jetzt weisst, dass dein Sexpartner<br />

HIV-positiv ist, geht weder<br />

die Welt unter noch ist das Risiko<br />

grösser. Im Gegenteil, denn wenn<br />

er unter wirksamer antiretroviraler<br />

Therapie (ART) ist, ist er nicht infektiös.<br />

Im Grunde ist es egal, ob dein Sexpartner<br />

HIV-positiv oder -negativ ist:<br />

Solange du die Safer-Sex-Regeln befolgst<br />

(Ficken nur mit Kondom, kein<br />

Sperma in den Mund), musst du dir<br />

über HIV keine Sorgen machen. Mit<br />

grosser Wahrscheinlichkeit hattest<br />

du in Vergangenheit schon öfter Sex<br />

mit HIV-positiven Männern, ohne es<br />

zu wissen. Das Wissen darüber ändert<br />

eigentlich nichts, findest du nicht<br />

auch?<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

DR. GAY<br />

Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />

Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />

auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />

druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />

online gestellt werden.<br />

ANZEIGE<br />

UNSERE TERMINE ÜBER DIE FESTTAGE<br />

DAS PACKT DER<br />

SAMICHLAUS<br />

GERNE FÜR DICH AUS!<br />

SA. 5. DEZEMBER<br />

SAMICHLAUS-<br />

PARTY<br />

MIT CHLAUS-BESUCH<br />

21 – 3 UHR<br />

SA. 19. DEZEMBER<br />

SWISS RUBBER MAN<br />

21 – 3 UHR<br />

SO. 20. DEZEMBER<br />

X-MAS NIGHT<br />

SHOPPING<br />

MIT APÉRO-TIME IN DER BAR<br />

16 – 23 UHR<br />

DO. 24. DEZEMBER<br />

SHOP 12 – 16 UHR<br />

BAR GESCHLOSSEN<br />

FR. 25. DEZEMBER<br />

SA 26. DEZEMBER<br />

MÄNNERZONE<br />

WEIHNACHTEN<br />

22 – 3 UHR<br />

DO. 31. DEZEMBER<br />

SHOP 12 – 17 UHR<br />

BAR GESCHLOSSEN<br />

FR. 1. JANUAR<br />

BIS DO. 7. JANUAR <strong>2016</strong><br />

BETRIEBSFERIEN!<br />

SHOP UND BAR GESCHLOSSEN<br />

MAENNERZONE.COM


28<br />

SERIE<br />

PERSÖNLICHKEITEN<br />

IKONEN VON DAMALS<br />

SARAH PALIN<br />

In unserer Serie stellen wir Ikonen und Persönlichkeiten aus vergangenen Dekaden<br />

vor, berichten über gefallene Helden und hoffnungsvolle Skandalsternchen,<br />

aber auch über mutige Vorkämpfer. Sarah Palin – leidenschaftliche Schwulenhasserin<br />

– war und ist irgendwie nichts davon.<br />

VON HAYMO EMPL<br />

Fast hätte sie die Weltgeschichte<br />

geprägt. «Wikipedia» fasst ihren<br />

Werdegang so zusammen: «Sarah<br />

Louise Palin (…) ist eine US-amerikanische<br />

Politikerin. Sie ist Mitglied<br />

der Republikanischen Partei. Palin<br />

war von Dezember 2006 bis Juli 2009<br />

Gouverneurin des US-Bundesstaates<br />

Alaska und damit die erste Frau in<br />

«WIE EIN KÖNIGSLACHS<br />

AN LAND, DER NACH LUFT<br />

SCHNAPPT ...»<br />

diesem Amt. Bei der Präsidentschaftswahl<br />

2008 war sie vom republikanischen<br />

Kandidaten John McCain als<br />

Kandidatin für die Vizepräsidentschaft<br />

an seiner Seite berufen worden.»<br />

Tja, und damit hätte dann eigentlich<br />

eine tolle Karriere beginnen sollen.<br />

Ihre Ansichten ultrarechts, ihre<br />

Meinung zu den Schwulen völlig unterirdisch.<br />

Doch schon <strong>im</strong> Wahlkampf<br />

HINTER DEM HARMLOSEN LÄCHELN<br />

VERBIRGT SICH EINE EISKALTE<br />

LADY. OFFIZIELLES PRESSEBILD<br />

VON PALIN.<br />

FOTOS: PD


29<br />

entpuppte sich Palin als Luftnummer.<br />

Nach der Niederlage konnte sie ihre<br />

Infamie anfangs noch gut vermarkten<br />

mit den Bestseller-Memoiren «Going<br />

Rogue» und, für eine Million Dollar<br />

pro Jahr, als Gift sprühender Talking<br />

Head be<strong>im</strong> konservativen TV-Sender<br />

Fox News. Selbstverständlich nutzte<br />

sie auch weiterhin jede Gelegenheit,<br />

sich gegen die Schwulenehe (und das<br />

«Schwulsein» an sich) einzusetzen.<br />

Nur hört ihr kaum mehr einer zu.<br />

PALIN SUCHT IMMER<br />

WÜRDELOSERE WEGE, SICH IM<br />

GESPRÄCH ZU HALTEN<br />

Der «Spiegel» schreibt treffend: «Wie<br />

ein Königslachs an Land, der nach<br />

Luft schnappt, sucht Palin <strong>im</strong>mer<br />

würdelosere Wege, sich <strong>im</strong> Gespräch<br />

zu halten.» Sie moderierte beispielsweise<br />

die kurzlebigen Dokusoaps<br />

«Sarah Palin's Alaska» und «Amazing<br />

America». Sie feuerte Tochter Bristol<br />

in der Tanzshow «Dancing With The<br />

Stars» an. Sie gründete ihren eigenen<br />

Internetkanal, auf dem sie Kochrezepte<br />

und Schiessanleitungen anbietet<br />

und <strong>im</strong>mer wieder für Obamas<br />

Impeachment, also ein Amtsenthebungsverfahren,<br />

wirbt.<br />

In diesem Herbst dann der Palin-Eklat.<br />

Der «Spiegel» weiss: «Es<br />

begann als doppelte Geburtstagsparty.<br />

Mit einem Strassenfest feierten die<br />

Zwillinge Matt und Marc McKenna ihren<br />

Vierzigsten, Dutzende beteiligten<br />

sich an der feuchtfröhlichen Runde in<br />

Anchorage, der grössten Stadt Alaskas.<br />

Viele Gäste waren Veteranen des<br />

legendär harten Iron-Dog-Schneemobilrennens,<br />

das Marc schon viermal<br />

gewonnen hatte.»<br />

Das wollten sich auch die Palins<br />

nicht entgehen lassen. In einer Grossrauml<strong>im</strong>ousine<br />

fuhren sie vor: Sarah<br />

und Gatte Todd – seinerseits vierfacher<br />

Iron-Dog-Champion – nebst<br />

Sohn Track, Tochter Bristol und En-<br />

SARAH PALIN SIEHT HARMLOS AUS.<br />

IHRE POLITISCHE EINSTELLUNG IST<br />

ABER GEFÄHRLICH.<br />

SARAH PALIN ALS SCHÖNHEITS-<br />

KÖNIGIN UND MIT SICHTLICH<br />

FLACHEREN BRÜSTEN<br />

kel Tripp. Die frühere Kandidatin für<br />

das zweithöchste US-Amt trug patriotische<br />

Turnschuhe mit aufgesticktem<br />

Sternenbanner.<br />

«WISST IHR NICHT,<br />

WER ICH BIN?»<br />

Kurz darauf war der Teufel los: Eine<br />

blutige Schlägerei brach aus zwischen<br />

den Palins und einer anderen Gruppe.<br />

Auslöser war Zeugen zufolge eine<br />

Konfrontation zwischen Track Palin<br />

und einem Ex-Freund seiner Schwester<br />

Willow. Selbst die Ex-Gouverneurin<br />

habe sich handgreiflich beteiligt:<br />

«Wisst ihr nicht, wer ich bin?»<br />

Sarah Palin ist sich für nichts mehr<br />

zu schade, Hauptsache Schlagzeilen.<br />

Sechs Jahre nach ihrem desaströsen<br />

Wahlkampf an der Seite des Republikaners<br />

John McCain ist sie zwar aus<br />

«GUT, IST ALASKA SO<br />

WEIT WEG. IST ES DOCH,<br />

ODER?»<br />

dem Bewusstsein vieler Amerikaner<br />

– und dem ihrer Partei – verschwunden.<br />

Politisch irrelevant, sucht sie<br />

trotzdem weiter das Rampenlicht –<br />

auf <strong>im</strong>mer schrillere Weise, mit Dokusoaps,<br />

Facebook-Pöbeleien und,<br />

nun ja, der Open-Air-Rauferei Anfang<br />

September.<br />

Ein tiefer Sturz. In diesem Fall sicher<br />

nichts Schlechtes. Gut, ist Alaska<br />

so weit weg. Ist es doch, oder?


30<br />

KOLUMNE<br />

THOMMEN MEINT<br />

AUS DER WEIHNACHT<br />

GEFALLEN<br />

Als kleiner Junge bin ich darüber informiert worden, dass es das «Christkind»<br />

gar nicht gebe und es die Erwachsenen seien, die Geschenke vorbereiten.<br />

Das war anlässlich einer öffentlichen Feier, damals <strong>im</strong> Dorf. Da musste man warten,<br />

bis der Vorhang oder die Tür aufging ...<br />

VON PETER THOMMEN<br />

In Basel ist es seit Jahrzehnten Tradition,<br />

dass Beizen für Schwule und<br />

Lesben an den hohen christlichen<br />

Feiertagen offen gehalten werden.<br />

Denn «die armen Warmen» mussten<br />

ja auch irgendwohin, wenn sie schon<br />

keine eigene Familie hatten. Die traditionellen<br />

Homophilenclubs organisierten<br />

regelmässig Weihnachtsfeiern für<br />

uns, meist kurz vor dem eigentlichen<br />

Weihnachtsfest. Der Isola-Club tat das<br />

mit Beteiligung einer Pfarrersfamilie<br />

über lange Jahre hinweg. Da wurden<br />

Predigten gehalten und Weihnachtslieder<br />

gesungen ...<br />

An Weihnachten forderten heterosexuelle<br />

Familien <strong>im</strong>mer ein vollständiges<br />

Beisammensein am Tisch oder<br />

so ähnlich. Die Partner der homosexuellen<br />

Söhne waren dabei jedoch weniger<br />

gefragt. So nahm manch einer <strong>im</strong><br />

ersten Teil des Abends den «Familientürk»<br />

auf sich, um sich später dann<br />

mit seinem Liebhaber in der Schwulenbar<br />

zu treffen. Oder vielleicht als<br />

Single dort «den Mann fürs Leben»<br />

zu finden. Einsam sucht zweisam. Die<br />

einen entflohen vor ihrer eigenen Fa-<br />

milie und andere hatten quasi keinen<br />

Zutritt zu ihr an diesem Tag.<br />

Aus Heiligabend, dem 25. Dezember<br />

oder dem Stephanstag konnten<br />

sehr interessante Nächte werden.<br />

Mit alten Bekannten und neuen Unbekannten.<br />

Auch <strong>im</strong> Park traf sich<br />

die «andere Familie» und wir haben<br />

schon Glühwein oder Kaffee ausgeschenkt<br />

bei Minusgraden.<br />

Vor 26 Jahren entschloss sich Ronny<br />

in Basel, am Abend des Weihnachtstages<br />

den «Tuntenball» einzuführen, um<br />

der besinnlichen Zeit einen Schubs zu<br />

versetzen. Seine Idee war erfolgreich.<br />

Dieses Jahr hat er beschlossen, eine<br />

kreative Pause einzulegen.<br />

Manch einer hat wohl in den langen<br />

Jahrzehnten schon davon geträumt,<br />

mit seinem geliebten Partner den<br />

Weihnachtsbaum zu schmücken, mit<br />

Kindern Geschenke auszupacken und<br />

zur Mitternachtsmesse zu gehen. Wir<br />

PETER THOMMEN<br />

Peter Thommen (65), von Jugend an<br />

ausgeprägt gleichgeschlechtlich orientiert<br />

und späterhin eine Art Dokumentarist<br />

der schwulen Szene in Basel und anderswo,<br />

hat einen rosa Blick auf Geschichte<br />

und Tagesaktualitäten. Er hat <strong>im</strong> letzten<br />

Jahrhundert auch schwule Radiosendungen<br />

produziert. Trotzdem er <strong>im</strong> Kopf<br />

<strong>im</strong>mer mal den Briefkasten mit dem<br />

Papierkorb verwechselt, hat er sich fleissig<br />

durchs schwule Leben geschrieben und<br />

findet auch in alten Büchern <strong>im</strong>mer wieder<br />

überraschend Aktuelles.<br />

WER BIETET MÄNNER-<br />

LIEBENDEN MÄNNERN AN<br />

DEN FEIERTAGEN AN-<br />

REGENDE GEDANKEN AN?<br />

sind heue nah dran, viele haben diese<br />

Träume schon in die Realität umgesetzt<br />

und die christlichen oder bürgerlichen<br />

Feiertage mit ihren Ritualen<br />

gefüllt. Aber keinem käme es wohl in<br />

den Sinn, mit seiner Hetero-Familie<br />

eine Gaybar aufzusuchen, um die persönliche<br />

Freude mit denen zu teilen,<br />

die ein anderes Leben führen!<br />

Wer bietet männerliebenden Männern<br />

am heterosexuellsten christlichen<br />

Feiertag irgendwo anregende<br />

Gedanken an? Wer erklärt ihnen,<br />

dass der Dezember ursprünglich einfach<br />

ein Licht der Hoffnung auf den<br />

wiederkehrenden Frühling enthielt,<br />

und dass niemand weiss, wann der<br />

Held genau geboren worden ist? Dass<br />

die «Könige» Magier waren, die dem<br />

Stern folgten, und dass kein Könige je<br />

ohne Armee unterwegs gewesen ist?<br />

Dass die Geschenke am Dre<strong>im</strong>agiertag<br />

<strong>im</strong> Januar verteilt werden sollten,<br />

wie es in anderen Bekenntnisgruppen<br />

üblich ist? Wann endlich predigt ein<br />

heterosexueller Theologe am Heiligabend<br />

über die Liebe zwischen David<br />

und Jonathan? (1. Sam. 20, 30/41;<br />

2. Sam.1, 26 – Zürcher Übersetzung.<br />

Amen.<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


EXTERNER BEITRAG<br />

VIIV HEALTHCARE<br />

31<br />

LEUCHTENDE<br />

RED RIBBONS<br />

In Zürich und Lausanne werden anlässlich des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember<br />

Lichtprojektionen gezeigt. Die Aktionen setzen ein Zeichen der Solidarität mit<br />

Menschen mit HIV und Aids. Damit HIV und Aids nicht vergessen gehen, wird<br />

jeweils ab 18 Uhr ein riesiges Red Ribbon die Fassade des Schweizerhofs Zürich<br />

und des Tour Edipresse Lausanne erleuchten.<br />

TOUR EDIPRESSE LAUSANNE<br />

HOTEL SCHWEIZERHOF ZÜRICH<br />

UNGLEICHE VERHÄLTNISSE<br />

In der Schweiz leben rund 25 000<br />

HIV-positive Menschen. Die Neuinfektionen<br />

bewegen sich inzwischen<br />

auf tiefem Niveau und der Zugang zu<br />

HIV-Therapien ist für alle gewährleistet.<br />

Weltweit sind aber <strong>im</strong>mer noch<br />

35 Millionen Menschen von HIV betroffen.<br />

Ganze 37 Prozent davon erhielten<br />

<strong>im</strong> Jahr 2013 eine HIV-Therapie. 1 Besonders<br />

in ressourceschwachen Ländern<br />

ist die lückenlose Versorgung mit<br />

Medikamenten oft nicht gewährleistet.<br />

90-90-90-ZIELE VON UNAIDS<br />

Zur besseren Bekämpfung von HIV<br />

bis 2020 setzt UNAIDS deshalb auf<br />

drei Ebenen an: Ziel Nummer eins<br />

ist, dass 90 Prozent der HIV-positiven<br />

Menschen weltweit ihren Status<br />

kennen. 2 Von dieser Gruppe sollen<br />

90 Prozent Zugang zu einer adäquaten<br />

Therapie erhalten. 2 Das Ziel für<br />

Personen unter Therapie ist, dass<br />

90 Prozent eine nicht nachweisbare<br />

Virenlast erreichen. 2 Von diesen Zielen<br />

ist man weltweit jedoch noch meilenweit<br />

entfernt. Die Aufmerksamkeit<br />

am Welt-Aids-Tag ist somit eine gute<br />

Gelegenheit, ein Zeichen für Solidarität<br />

mit HIV-Betroffenen und der Zuwendung<br />

für Erkrankte zu setzen.<br />

EINMALIGE AKTION<br />

IN DER SCHWEIZ<br />

Es sind alle herzlich eingeladen, mit<br />

einem Besuch der Lichtprojektion die<br />

1 Joint United Nations Programme on HIV/<br />

AIDS (UNAIDS). 90-90-90 An ambitious<br />

treatment target to help end AIDS epidemic,<br />

2014, www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/90-90-90_en_0.pdf<br />

2 Joint United Nations Programme on HIV/<br />

AIDS (UNAIDS). Global Statistics, Fact Sheet<br />

2014, www.unaids.org/sites/default/files/en/<br />

media/unaids/contentassets/documents/factsheet/2014/20140716_FactSheet_en.pdf<br />

Solidaritätsaktion zu unterstützen.<br />

Die Red-Ribbon-Projektion in Zürich<br />

und Lausanne ist nur am 1. Dezember<br />

von 18.00 bis 22.00 Uhr zu sehen.<br />

Es lohnt sich also, bei einer kurzen<br />

Pause die einmalige Lichtprojektion<br />

anzuschauen. Der Anlass wird von<br />

Life Science Communication organisiert<br />

und vom Hotel Schweizerhof,<br />

Edipresse Groupe, Stagelight und<br />

ViiV Healthcare unterstützt.<br />

Veranstaltungsorte:<br />

Projektion Zürich:<br />

Hotel Schweizerhof<br />

Bahnhofplatz 7<br />

8001 Zürich<br />

Projektion Lausanne:<br />

Tour Edipresse<br />

av. de la Gare 33<br />

1003 Lausanne<br />

FOTOS: ZVG<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


32<br />

SERIE<br />

MANNSBILD – BERUFSBILD<br />

DER FREUND<br />

UND HELFER<br />

Auf der Dienststelle der Polizei ist ein Coming-out wohl nicht weniger mutig als auf<br />

dem Fussballplatz. Schwule werden in diesem von Männern dominierten Beruf kaum<br />

vermutet, entsprechend hoch scheinen die Hürden für eine Akzeptanz. Dass eine<br />

Karriere dennoch möglich ist, hat Jörg Hallmann erlebt. Der 46-jährige Polizist<br />

aus Nürnberg hat sich schon vor zwanzig Jahren geoutet – und ist damit gut gefahren.<br />

VON THOMAS BORGMANN<br />

Obwohl längst auch Frauen diesen<br />

Beruf ausüben, gilt ein Job<br />

bei der Polizei meist noch als<br />

«Macho-Beruf». Durchsetzungsstärke,<br />

Härte und Unerschrockenheit sind<br />

nach gängiger Ansicht Voraussetzung<br />

für diesen Job – Attribute, die schwulen<br />

Männern häufig abgesprochen<br />

werden. Jörg Hallmann passt nicht<br />

nur mit seiner grossen, muskulösen<br />

Statur schon vom Aussehen gut in<br />

dieses Bild. Als er seine berufliche<br />

Laufbahn Anfang der 1990er-Jahre<br />

begann, entsprach auch sein Lebenswandel<br />

mit Ehefrau und zwei Söhnen<br />

voll und ganz dem traditionellen Bild<br />

vom Gesetzeshüter. Niemand seiner<br />

Kollegen vermutete, dass er schwul<br />

sein könnte. Doch dann spürte er <strong>im</strong>mer<br />

mehr, dass er auf Männer steht.<br />

«Ich habe meine Frau geliebt, aber irgendwann<br />

hab ich gemerkt, dass ich<br />

mal was mit einem Mann haben will»,<br />

erklärt Jörg rückblickend.<br />

Erste Kontaktmöglichkeiten in der<br />

Sauna eines Freizeitbads schrecken<br />

ihn eher ab, doch dann lernt er Klaus<br />

kennen, mit dem mehr möglich ist.<br />

Mit seiner Frau redet er offen darüber,<br />

die das so lange akzeptiert, bis<br />

sie spürt, dass Jörg nur noch Sex mit<br />

Männern sucht. Beide entscheiden<br />

sich für klare Verhältnisse. Noch am<br />

selben Tag, an dem sie die Trennung<br />

beschliessen, informieren sie auch<br />

seine und ihre Eltern über die Gründe<br />

für diesen Schritt.<br />

Mit seinem Lover will Jörg seinen<br />

schwulen Befreiungsschlag geniessen.<br />

Doch das Zusammensein wird schwierig.<br />

Klaus ist nicht geoutet und hat<br />

Angst, an der Seite von Jörg und in der<br />

Szene entlarvt zu werden. Das führt<br />

zu Spannungen, denn zu einem neuen<br />

Versteckspiel ist Jörg nicht mehr bereit.<br />

«So wie der Klaus wollte ich nicht<br />

leben», bilanziert er. Auch an seinem<br />

Arbeitsplatz will er bald für klare Verhältnisse<br />

sorgen, bevor es dort Gerede<br />

gibt. Drei Monate später informiert er<br />

seinen Vorgesetzten über die Gründe<br />

für die Trennung von seiner Frau. Der<br />

reagiert vorbildlich und will seinem<br />

Chef den Sachverhalt schildern, ohne<br />

dabei Jörgs Namen zu nennen. Welche<br />

Folgen ein Outing in der Branche hat,<br />

kann Jörg schlecht abschätzen. Mitte<br />

der Neunzigerjahre ist ihm kein einziger<br />

offen schwuler Polizist in Bayern<br />

bekannt.<br />

COMING-OUT IN UNIFORM<br />

Sein Outing ist also Pionierarbeit,<br />

und der nächste Schritt auf diesem<br />

Weg lässt nicht lange auf sich warten.<br />

Bei einem Blutspendetermin, zu<br />

dem er mit zwanzig Kollegen fährt,<br />

muss jeder Teilnehmer wegen des<br />

Ausschlusses von Spenderblut homosexueller<br />

Männer in einem Fragebogen<br />

versichern, dass er keiner<br />

HIV-Risikogruppe angehört. Als die<br />

Kollegen fragen, warum Jörg auf den<br />

Aderlass verzichtet, erklärt er ihnen<br />

unumwunden den Grund dafür. Zurück<br />

auf der Dienststelle, macht das<br />

Thema schon die Runde. Sein Chef<br />

ermuntert Jörg, sich jetzt der ganzen<br />

Mannschaft zu stellen und kündigt an,<br />

dass «Jörg zum Abschluss noch was<br />

zu sagen hat».<br />

150 Kollegen schauen gespannt<br />

auf ihn, als der mit nervöser St<strong>im</strong>me<br />

beginnt: «Ihr wisst, dass ich geschieden<br />

bin. Grund für die Trennung<br />

war keine andere Frau, sondern ein<br />

Mann. Ich bin schwul, hab das aber<br />

erst während meiner Ehe entdeckt.<br />

Für mich ist das okay, ich hoffe für<br />

euch auch. Wenn nicht, sprecht bitte<br />

mit mir darüber.» Totenstille, manche<br />

Kollegen sind verlegen. «Niemand<br />

von euch muss jetzt befürchten,<br />

be<strong>im</strong> Sport oder Duschen von<br />

mir angemacht zu werden», erklärt<br />

Jörg weiter. «Für mich ändert sich<br />

nichts. Wenn ich Sex will, geh ich in<br />

eine schwule Kneipe. Da gibts so viele<br />

geile Kerle, und manche sehen besser<br />

aus als ihr.» Damit löst sich die<br />

Spannung, einige lachen. Nach zwei<br />

Wochen wagen erste Kollegen, mehr<br />

aus seinem schwulen Leben zu erfragen.<br />

Manche wollen sogar mal mit<br />

in die Szene. Nur zwei Kollegen gehen<br />

ihm aus dem Weg und sprechen<br />

kaum noch ein Wort mit ihm. Doch zu<br />

denen war der Kontakt auch früher<br />

schon distanziert.<br />

Ganz ohne Widerstand verläuft seine<br />

Karriere bei der Polizei nach dem<br />

FOTOS: JÖRG HALLMANN<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


33<br />

«SO WIE DER<br />

KLAUS WOLLTE ICH<br />

NICHT LEBEN.»<br />

COMING-OUT IN UNIFORM. JÖRG<br />

HAT SICH VOR ZWANZIG JAHREN<br />

ALS SCHWULER POLIZIST GEOUTET.<br />

SEINER BERUFLICHEN LAUFBAHN HAT<br />

DAS NICHT GESCHADET.<br />

Outing allerdings nicht. Als Jörg sich<br />

zwei Jahre später für eine Position bei<br />

einem anderen Unterstützungskommando<br />

bewirbt, dauert das Gespräch<br />

ungewöhnlich lang. Statt nach seiner<br />

fachlichen Qualifikation wird er vor<br />

allem zu seinem schwulen Leben befragt<br />

– etwa, ob er seinen Partner in<br />

der Öffentlichkeit küssen würde und<br />

seit wann er wisse, dass er schwul<br />

ist. Unsicherheit herrscht, ob Jörg als<br />

schwuler Mann überhaupt eine Körperkontrolle<br />

an einem anderen Mann<br />

durchführen darf; schliesslich dürfen<br />

heterosexuelle Polizisten das bei<br />

Frauen auch nicht. Auch fürchten einzelne,<br />

dass er die Atmosphäre in einer<br />

Einheit stören könne. Die Bewerbung<br />

endet unentschieden. Zwei Einheiten<br />

wollen ihn als Kollegen, zwei andere<br />

entscheiden sich gegen ihn.<br />

VON DEN KOLLEGEN<br />

RESPEKTIERT<br />

Heute gehört Jörg als Polizeihauptmeister<br />

selbst zur Führungsgruppe.<br />

Statt wie früher Castor-Transporte zu<br />

schützen oder für die Sicherheit bei<br />

Grossveranstaltungen wie Fussballoder<br />

Eishockeyspielen, Demonstrationen,<br />

be<strong>im</strong> Public-Viewing oder bei<br />

Parteitagungen zu sorgen, arbeitet er<br />

jetzt <strong>im</strong> Anzeigenbüro des Unterstützungskommandos<br />

<strong>im</strong> Tagesdienst.<br />

Wie sehr ihn seine Kollegen inzwischen<br />

akzeptieren und schätzen, hat<br />

er vor fünf Jahren erlebt, als er seinen<br />

Partner Michael geheiratet hat. 36 Polizisten<br />

in Uniform standen vor dem<br />

Standesamt Spalier; normalerweise<br />

kommen zehn, wenn ein Kollege heiratet.<br />

Jörg hatte mit keinem einzigen<br />

gerechnet, denn sein damaliger Chef<br />

fürchtete um den Ruf der Polizei und<br />

bat ihn zuvor, auf dieses Ritual in der<br />

Öffentlichkeit zu verzichten. Aber alle<br />

Kollegen wollten dabei sein, als ihr Polizeihauptmeister<br />

einen Mann heiratete.<br />

Eine unglaubliche Wertschätzung,<br />

die ihm die Tränen in die Augen trieb.<br />

Nicht <strong>im</strong>mer läuft ein Outing bei der<br />

Polizei so reibungslos ab. Offene Anfeindungen<br />

sind selten und auch nicht<br />

erlaubt, aber deplatzierte Witze oder<br />

Gerede hinterm Rücken sind auf der<br />

Dienststelle nach wie vor nicht ausgeschlossen,<br />

obwohl der Vorgesetzte<br />

das unterbinden muss. «Je mehr<br />

ein schwuler Kollege seine Identität<br />

hinter einer heterosexuellen Fassade<br />

verbirgt, desto mehr macht er sich<br />

angreifbar», ist sich Jörg sicher. «Die<br />

Akzeptanz bei meinen Kollegen ist<br />

deshalb so gross, weil ich selbst offen<br />

und selbstverständlich mit meinem<br />

Schwulsein umgehe», so sein Fazit.<br />

Ein einsamer Kämpfer <strong>im</strong> Corps ist er<br />

ohnehin nicht mehr, weiss er heute.<br />

Laut einer Statistik des Vereins lesbischer<br />

und schwuler Polizeibediensteter<br />

«VelsPol», dem deutschen Pendant<br />

zum Schweizer Verein «PinkCop»,<br />

ist etwa jeder zehnte Polizist schwul,<br />

wenngleich natürlich nicht jeder das<br />

offen lebt. Die Quote lesbischer Kolleginnen<br />

sei noch sehr viel höher, heisst<br />

es – und das ist wohl tatsächlich kein<br />

Klischee.<br />

BERUFSBILD<br />

<strong>Cruiser</strong> zeigt Männer <strong>im</strong> Berufsalltag.<br />

Dass Sexualität nichts mit der Berufswahl<br />

zu tun haben muss, beweisen unsere gestandenen<br />

Männer und aktuell auch<br />

Frauen. Bisher portraitiert: Schiffbauingenieur,<br />

Maschinenbauer, Seelsorger,<br />

Farben- und Lackkaufmann, Elektroniker<br />

und Feinmechanikerin.<br />

Hast du einen spannenden Beruf?<br />

Mail uns: redaktion@cruisermagazin.ch<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


34<br />

INTERVIEW<br />

MARGARET CHO<br />

«ICH BIN EINE<br />

FAG-HAG!»<br />

Sie n<strong>im</strong>mt kein Blatt vor den Mund und ist weit mehr als eine «Drop Dead Diva».<br />

Sie hat ein Herz aus Gold und eine verbale Klinge aus Eisen: Ladies and Gentleman<br />

– Margaret Cho! Mit ihrer «psyCHO»-Tour macht sie <strong>im</strong> Dezember Halt in Zürich.<br />

VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />

Die Schauspielerin, Sängerin und<br />

Stand-up-Komödiantin Margaret<br />

Cho (46) besucht am 14. Dezember<br />

die L<strong>im</strong>matstadt und wird bereits<br />

zum zweiten Mal auf der Bühne<br />

des Bernhard-Theaters zeigen, was<br />

eine bisexuelle Amerikanerin mit koreanischer<br />

Abstammung über Gott<br />

und die Welt denkt. Wir wollten aber<br />

schon vorher wissen, was der «Drop<br />

Dead Diva»-Star gerade zu sagen hat.<br />

<strong>Cruiser</strong>: Margaret Cho, <strong>im</strong> Dezember<br />

kommen Sie zum zweiten Mal ins<br />

Bernhard-Theater. Wie erinnern Sie<br />

sich an Ihren ersten Besuch in Zürich?<br />

Margaret Cho: Damals war ich nur<br />

für einen Tag in Zürich und ich erinnere<br />

mich, dass ich nach der Vorstellung<br />

sehr hungrig war. In meinem<br />

Hotel-Guide suchte ich vergeblich<br />

nach der Z<strong>im</strong>merservice-Nummer,<br />

aber dafür fiel ein Säckchen Kokain<br />

raus! Ich schätze, das Personal hatte<br />

andere Vorstellungen von meinem<br />

«Hunger» (lacht).<br />

Abgesehen davon, was fällt Ihnen zu<br />

Zürich und der Schweiz sonst ein?<br />

Neutralität, hübsche, gebildete und<br />

mitfühlende Menschen, natürlich die<br />

Uhrenhersteller, Fondue und begleitete<br />

Selbstmorde.<br />

Bitte bereiten Sie uns für ihren «psy-<br />

CHO»-Abend vor – welches sind die<br />

Themen?<br />

Gewalt jeglicher Art, von Terrorismus<br />

bis zur Vergewaltigung, auch davon,<br />

wie es ist, durch Wut geheilt und als<br />

Opfer zur Überlebenden zu werden.<br />

Natürlich rede ich auch über Sex<br />

und nochmals Sex, Rassismus, die<br />

«DAS EIGENE<br />

GESCHLECHT, DIE EIGE-<br />

NEN GEFÜHLE KÖNNEN<br />

UNENDLICH SEIN.»<br />

Gay-Community und ihre Welt, auch<br />

über Joan Rivers und Robin Williams<br />

sowie über das Leben und den Tod an<br />

sich.<br />

Das sind viele Themen!<br />

Meine Show ändert sich ja jeden<br />

Abend. Gerade weil ich auch die Politik<br />

mit einbeziehe. In diesen Tagen<br />

zerbreche ich mir den Kopf über<br />

den Terror von Beirut und Paris.<br />

Aber auch die entsetzliche Präsidentschaftswahl<br />

in den Staaten, und<br />

wie Kandidat Donald Trump St<strong>im</strong>men<br />

durch die Gräueltaten des Islamischen<br />

Staates generiert, beschäftigt<br />

mich. Ich bin überzeugt, Donald<br />

Trump ist doch die ISIS! Beide profitieren<br />

voneinander – dass kann kein<br />

Zufall sein (lacht bitterernst).<br />

Sie sind auch dafür bekannt, dass<br />

Ihre Shows sexuell aufgeladen sind.<br />

Nun, ich hatte ja auch viel Sex in meinem<br />

Leben, wenn auch nicht <strong>im</strong>mer<br />

gewollt. Nachdem ich als Kind von<br />

meinem Onkel misshandelt wurde,<br />

musste ich von zuhause wegrennen<br />

und Komödiantin werden, denn auf<br />

der Bühne war ich geschützt. Später<br />

wurde ich für kurze Zeit Prostituierte,<br />

weil ich von den Vergewaltigungen so<br />

abgestumpft war, dass ich wenigstens<br />

Geld mit Sex verdienen wollte, um<br />

meine Kunst weiter zu verfolgen. Als<br />

Erwachsene war ich dann trotzdem<br />

neugierig darauf, wie es ist, Spass<br />

am Sex zu bekommen. Und es hat geklappt!<br />

Ich ging meinen Weg und bezeichne<br />

mich heute als bisexuell. Das<br />

eigene Geschlecht, die eigenen Gefühle<br />

können unendlich sein.<br />

Macht es Ihnen nichts aus, über die<br />

Misshandlungen zu sprechen?<br />

Meine Sexualität wurde durch die<br />

Misshandlungen gekillt, aber durch<br />

Neugierde und Überzeugung konnte<br />

ich ihr wieder Leben einhauchen.<br />

Nicht zuletzt durch meinen offenen<br />

Umgang damit. Als Sängerin etwa<br />

veröffentlichte ich vor kurzem ein Video<br />

mit dem Titel «I want to kill my<br />

Rapist».<br />

FOTO: FMARY TAYLOR<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


35<br />

MARGARET CHO GILT IN DEN STAATEN<br />

ALS ÄUSSERST KONTROVERS.<br />

Ihre Shows müssen gerade in den<br />

Staaten sehr kontrovers ankommen,<br />

nicht?<br />

Tatsächlich werden meine Shows und<br />

politischen Ansichten drüben überaus<br />

kontrovers aufgenommen. Aber niemand<br />

kann die Wahrheit ernsthaft in<br />

Abrede stellen. Ich erhalte auch viele<br />

Morddrohungen und erlebte bereits<br />

zwei Einbrüche in mein Haus! Gestohlen<br />

wurde nichts, aber in einem<br />

Fall wurden alle meine Gartenblumen<br />

<strong>im</strong> Essz<strong>im</strong>mer verteilt. Man wollte<br />

mir bewusst Angst einjagen – was<br />

aber nicht erreicht wurde. Ich fühle<br />

mich sehr sicher, kenne Vergeltung<br />

und neige zur Selbstjustiz.<br />

Wie denken Sie über das Schweizer<br />

Publikum? Sind wir offener?<br />

Jedes Publikum ist anders, je nach<br />

Land und Region. Ich denke, dass die<br />

Schweizer Gäste sehr fair sind. Das<br />

muss an der politischen Neutralität<br />

liegen. Und mein Publikum hier wird<br />

schnell verlegen – ich liebe das! Es ist<br />

so unschuldig und süss.<br />

In der Schweiz kennt man Sie auch<br />

durch die US-Serie «Drop Dead Diva».<br />

Hatten Sie Einfluss auf die Rolle?<br />

Ja, die Autoren schrieben mir die Rolle<br />

der Anwaltsgehilfin Teri direkt auf<br />

den Leib. Es machte Spass, diese Rolle<br />

sieben Jahre lang in einer Serie zu<br />

spielen, welche die innere Schönheit<br />

zelebrierte. Mit der Zeit wurde ich zu<br />

Teri und Teri zu Margaret. Am Ende<br />

der Serie wird sie sogar Rock-Sängerin<br />

– ich liebe diese Vorstellung!<br />

Auf der Bühne sprechen Sie direkt ins<br />

Herz der Gay-Community – wie erleben<br />

Sie diese?<br />

Wir in der sogenannten Gay-Community<br />

wurden und werden unterdrückt<br />

und gerade deshalb lieben wir die<br />

Schönheit dieser Welt so sehr. Wir<br />

haben so viel Schreckliches gesehen<br />

und erlebt, auch oft in der eigenen<br />

Familie, dass wir dadurch zu Genies<br />

wurden. Unsere Bandbreite an Kreativität<br />

wächst und wächst, weil wir<br />

vieles ertragen müssen.<br />

Wir hörten, dass Sie gerne als «Fag-<br />

Hag», also als «Schwulenmutti», bezeichnet<br />

werden?<br />

Weil ich eine bin! Aber ich mag das<br />

Wort «fag» nicht. Wie auch <strong>im</strong>mer,<br />

ich war schon als kleines Mädchen<br />

eine Schwulenmutti. Schwule Männer<br />

waren <strong>im</strong>mer diejenigen, die mich beschützt<br />

und alles Wissenswerte über<br />

das Leben gelehrt haben. Dafür bin<br />

ich sehr dankbar.<br />

Liebe Margaret Cho, vielen Dank und<br />

toi, toi, toi für Ihren Auftritt in Zürich!<br />

Margaret Cho, The psyCHO Tour<br />

14. Dezember, 20 Uhr, Bernhard-<br />

Theater, Zürich. Wir verlosen 1x2<br />

Karten! Einfach eine E-mail mit dem<br />

Vermerk «Margaret Cho» und der<br />

Adresse bis am 6. Dezember an<br />

info@cruiser.ch senden!<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


36<br />

PROMINENT<br />

DIE SKANDALE DER MADONNA<br />

DIE SKANDALE DER<br />

MADONNA<br />

Die Meisterin der Provokation kommt mit ihrer «Rebel Heart»-Tour nach Zürich –<br />

ihr rebellisches Herz schlägt noch <strong>im</strong>mer eindringlich laut. Jüngst setzte<br />

sie an einem Konzert gar ein Zeichen gegen den IS-Terror. Mit Wehmut blicken<br />

wir deshalb chronologisch auf ihre zehn grössten – und in Anbetracht ihres jüngsten<br />

Mutes – harmlosen Skandale zurück – mit Ausnahme von Nr. 10.<br />

VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />

MADONNA – NOCH IMMER<br />

EINE MEISTERIN DER SKANDALE<br />

es wurde von Verführung Minderjähriger<br />

gesprochen. Und auch die Feministinnen<br />

meldeten sich zu Wort:<br />

Madonna würde die Frauenbewegung<br />

um Jahre zurückwerfen.<br />

1. LIKE A VIRGIN, 1984<br />

Madonnas Durchbruch: Die freche<br />

Göre, die vor mehr als 30 Jahren<br />

plötzlich mit BH, Kreuzen und einem<br />

«Boy Toy»-Gürtel bekleidet in der Musikwelt<br />

auftauchte, hatte tatsächlich<br />

den Mut, bei den ersten MTV-Awards<br />

<strong>im</strong> weissen Hochzeitskleid aus einer<br />

Torte zu springen und sich lasziv am<br />

Boden zu wälzen – obwohl sie offensichtlich<br />

keine Jungfrau mehr war.<br />

Ihr Manager sprach vom jähen Ende<br />

– es war erst der Anfang. Viele Jahre<br />

später erklärte Madonna, sie hätte<br />

ganz einfach ihren Pumps unter der<br />

Schleppe verloren.<br />

2. PAPA DON’T PREACH, 1986<br />

Die «schwangere» Madonna: Im Song<br />

«Papa don’t preach» sowie <strong>im</strong> dazugehörigen<br />

Video spielte Madonna einen<br />

schwangeren Teenager, der sein<br />

Kind behalten wollte (Anm. der Red:<br />

Madonna war damals schon fast 30).<br />

Ein Aufschrei ging durch die Medien:<br />

Es hiess, Madonna würde Mädchen<br />

dazu an<strong>im</strong>ieren, ein Baby zu kriegen.<br />

3. OPEN YOUR HEART, 1987<br />

Madonnas «Rache»: Im sogenannten<br />

«Peep-Show»-Video gab Madonna<br />

eine Tänzerin vor einer Meute<br />

von Journalisten, die alles für einen<br />

Schnappschuss tun. Ein klarer Hinweis<br />

auf die unerträglichen Paparazzi.<br />

Ein kleiner Junge vor dem Gebäude<br />

hingegen symbolisierte die wahren<br />

Fans. Diese Message ging unter, denn<br />

4. LIKE A PRAYER, 1989<br />

Die «göttliche» Madonna: Der Jahrhundert-Hit<br />

provozierte mit seinem<br />

Video vermeintlich so sehr, dass auch<br />

hier die eigentliche Botschaft flöten<br />

ging. Was als Angriff auf Rassismus<br />

und den Ku-Klux-Klan gedacht war<br />

(schwarzer Jesus, brennende Kreuze)<br />

wurde als Gotteslästerung empfunden.<br />

Selbst der Vatikan sprach von<br />

einer Exkommunion und Pepsi kündigte<br />

den gerade erst abgeschlossenen<br />

Werbevertrag mit Madonna.<br />

5. BLOND AMBITION, 1990<br />

Die masturbierende Madonna: Die<br />

Blond-Ambition-Tour gilt bis anhin<br />

als beste Tournee von Madonna.<br />

Nicht nur, dass Jean-Paul Gaultier ihr<br />

die ikonischen Kegel-BH’s verpasste,<br />

Madonna s<strong>im</strong>ulierte auch pure Selbstbefriedigung<br />

zu «Like a Virgin» <strong>im</strong><br />

Red-Light-Ambiente (um in der Dramaturgie<br />

der Show kurz darauf vor<br />

Gott zu stehen). In Kanada reagierte<br />

die Polizei mit der Drohung einer<br />

Festnahme.<br />

6. JUSTIFY MY LOVE, 1990<br />

Die sexuelle Madonna: Die Ära der<br />

sexuellen Madonna begann mit der<br />

Single zu ihrer ersten Best-of-Schei-<br />

FOTO: PD<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


37<br />

DER GRÖSSTE SKANDAL:<br />

MADONNA ALTERT<br />

be «The Immaculate Collection». In<br />

der Folge tat Madonna alles, um das<br />

«Unbefleckte» zu ruinieren. Das Video<br />

zu «Justify my Love» wurde wegen<br />

expliziter sexueller Darstellungen <strong>im</strong><br />

Pariser Hotel Ritz von MTV verbannt.<br />

Madonna veröffentlichte es daraufhin<br />

als VHS-Kassette(!) – es verkaufte sich<br />

millionenfach.<br />

7. SEX, 1992<br />

Die nackte Madonna: Selbst ihre Fans<br />

wurden nun skeptisch: Mit der Scheibe<br />

«Erotica», dem Film «Body of Evidence»<br />

und dem ziemlich pornografischen<br />

Bildband «Sex», drehte sich alles nur<br />

noch um den Austausch von Körperflüssigkeiten<br />

in allen Variationen.<br />

8. AMERICAN LIFE, 2003<br />

Die politische Madonna: Nach dem<br />

«Sex»-Desaster gab Madonna die<br />

(mehr oder weniger) brave Künstlerin<br />

und Ehefrau, spielte Evita Peron, widmete<br />

sich mit grossem Erfolg sphärischen<br />

Klängen und wurde zweifache<br />

Mutter. Doch mit George W. Bush’s<br />

Irak-Offensive war Schluss mit lustig –<br />

das Video zur Single «American Live»<br />

kritisierte die US-Regierung so stark,<br />

dass Madonna höchstpersönlich das<br />

Video nach wenigen Stunden aus<br />

dem Umlauf nahm – zum Wohle und<br />

Schutz ihrer Familie. Zu spät: «American<br />

Life» markierte den Beginn einer<br />

Durststrecke des Erfolgs in den Staaten<br />

und Madonna hatte ihren ersten<br />

politischen Skandal.<br />

9. MDNA, 2012<br />

Für echte Empörung sorgte Madonna<br />

mit einer Videoprojektion in ihrer<br />

MDNA-Tour, welche der Chefin der<br />

französischen Front National, Marine<br />

le Pen, für Bruchteile einer Sekunde<br />

ein Hakenkreuz auf die Stirn und ein<br />

Hitlerschnäuzchen verpasste. In der<br />

Folge gab Madonna be<strong>im</strong> zweiten Konzert<br />

in Frankreich dem Druck nach<br />

und verzichtete auf die Provokation.<br />

10. REBEL HEART<br />

Die «alte» Madonna: Tatsächlich schuf<br />

Sie mit ihren mehr als 30 Jahren <strong>im</strong><br />

Showbusiness sowie 57 Lebensjahren<br />

ihren grössten «Skandal»: Sie altert.<br />

Nichts scheint für manche Menschen<br />

genussvoller zu sein, als über Madonnas<br />

Alter herzuziehen. Wenn sie<br />

dann noch von der Bühne stürzt (so<br />

geschehen <strong>im</strong> Februar bei den Brit-<br />

Awards), ist die Schadenfreude gross.<br />

Der «älteren Frau in Leggins», wie<br />

«20 Minuten» noch vor drei Jahren<br />

schrieb, ist das aber schnurzpiepegal.<br />

Noch <strong>im</strong>mer füllt sie mit der «Rebel<br />

Heart»-Tour die Hallen.<br />

Madonna, The Rebel Heart Tour<br />

12. Dezember, Hallenstadion Zürich<br />

ANZEIGE<br />

Nacht SauNa<br />

Jeden Freitag und Samstag sowie vor<br />

gesetzlichen Feiertagen bis 7 Uhr früh.<br />

Earlybird/latEbird<br />

Vor 13.30 Uhr oder nach 20 Uhr<br />

(an Tagen mit Nachtsauna erst ab<br />

3 Uhr früh) bezahlst du weniger.<br />

JugENdlichE/<br />

auSzubildENdE<br />

Jugendliche bis 25 bezahlen weniger.<br />

Auszubildende bis 30 erhalten eine<br />

Reduktion.<br />

JEdEN diENStag:<br />

PartNErtag<br />

Zu zweit kommen, nur einmal bezahlen.<br />

WEEkENd-tickEt<br />

Ein Ticket zum Spezialpreis.<br />

Gültig am Freitag, Samstag und<br />

Sonntag inkl. Nachtsauna.<br />

gratiS rE-ENtry<br />

Kommen und Gehen so oft du willst<br />

am gleichen Betriebstag (wenn<br />

voller Eintrittspreis bezahlt wurde).<br />

Neu auch gültig in der<br />

Mann-O-Mann Sauna St. Gallen<br />

Täglich offen ab 11.30 Uhr<br />

Freitag und Samstag<br />

Nachtsauna bis 7 Uhr früh.<br />

Moustache Sauna<br />

Engelstrasse 4, 8004 Zürich<br />

Tel: +41 44 241 10 80<br />

info@moustache.ch<br />

www.moustache.ch<br />

FEiErtagS<br />

tickEt<br />

zwischen 14. dez.<br />

und 3. Jan.<br />

7 Eintritte nur<br />

chF 138.00<br />

3 Eintritte nur<br />

chF 69.00<br />

Auch gültig in der<br />

Mann-O-Mann Sauna<br />

St. Gallen.


38<br />

KULTUR<br />

HAPE KERKELING<br />

HAPE KERKELING MUSS<br />

WIEDER WEG<br />

An Heiligabend startet <strong>im</strong> Kino mit «Ich bin dann mal weg» die Verfilmung<br />

von Hape Kerkelings gleichnamigem ersten Buch. Ein gewaltiger Erfolg, der ihn<br />

kaum los lässt.<br />

VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />

Horst Schlämmer oder Uschi<br />

Blum sind Geschichte, wie Hape<br />

Kerkeling (50) vor einem Monat<br />

in Zürich auf der Pfauenbühne erklärte.<br />

Und er schaute dabei in traurige<br />

Gesichter. Nicht, dass es nicht schon<br />

bekannt wäre, dass Kerkeling dem<br />

TV-Geschäft den Rücken kehrt – und<br />

damit auch seinen lieb gewonnen Figuren.<br />

Aber wahrhaben wollte es das<br />

Publikum trotzdem nur sehr schwer.<br />

«Diese Charaktere wurden mit der<br />

Zeit zu gross, und die künstlerische<br />

Freiheit damit zu klein», wie der deutsche<br />

Entertrainer noch beifügte.<br />

Kerkeling war Ende Oktober zu<br />

Gast in Zürich. Mit <strong>im</strong> Gepäck sein<br />

zweites Buch «Der Junge muss an die<br />

frische Luft», das bereits <strong>im</strong> Frühling<br />

veröffentlicht wurde. Darin beschreibt<br />

Kerkeling seine ersten zwölf<br />

Lebensjahre, vom «Spiegel» als Kindheitsroman<br />

bezeichnet, die darlegen,<br />

wie Kerkeling zu dem wurde, was er<br />

heute ist. Dieses jüngste Werk steht<br />

aber <strong>im</strong> Schatten seiner anderen Erfolge,<br />

wie Kerkeling wohl selber bemerkt<br />

hat. Und sein neues Buch ist<br />

sehr viel anders als sein Erstling «Ich<br />

bin dann mal weg», seine Erlebnisse<br />

auf dem Jakobsweg nach Santiago de<br />

Compostela.<br />

AUF DEM JAKOBSWEG<br />

Kerkelings Pilgerreise auf dem Camino<br />

Francés darf als bahnbrechend bezeichnet<br />

werden – zumindest, was die<br />

Version auf Papier anbelangt.<br />

Wie aus seinem Pilgertagebuch ein<br />

Bestseller wurde, dürfte auch Kerkeling<br />

überrascht haben. Er schuf mit<br />

HAPE KERKELING WIRD IM FILM<br />

VON DEVID STIESOW VERKÖRPERT.<br />

dem charmanten Reisebericht quasi<br />

sein Magnus Opus, unerreichbar für<br />

Kerkelings weitere Arbeiten – beinahe<br />

auch unantastbar für den Menschen<br />

hinter den Zeilen selbst. Logisch,<br />

dass es nur eine Frage der Zeit<br />

war, bis sich die Filmindustrie des<br />

Stoffs annahm.<br />

«ICH SITZE HALT GERNE»<br />

Dank dem Produzenten Nico Hofmann<br />

(«Der Medicus») und der Regisseurin<br />

Julia von Heinz («Hannas Reise»)<br />

kommt nun Kerkelings Jakobsweg<br />

an Heiligabend in die Kinos. Die vermeintlich<br />

grosse Überraschung: Nicht<br />

der Entertainer pilgert nochmals<br />

durch Spanien, sondern Schauspieler<br />

Devid Striesow übern<strong>im</strong>mt dankbar<br />

die Rolle des Protagonisten. Und das<br />

hat seinen berechtigten Grund. Wie<br />

Kerkeling ebenfalls in Zürich erwähnte,<br />

ging er den Jakobsweg bereits vor<br />

14 Jahren. Es wäre schlicht nicht<br />

glaubhaft, wenn er heute mit 50 Jahren<br />

nochmals mit dem Pilgerstab unterwegs<br />

wäre – nicht ohne ironischen<br />

Verweis auf sein Übergewicht sowie<br />

dem Satz «Ich sitze halt gerne».<br />

HAPES<br />

NEUSTART MIT 50<br />

DIE FLUCHT NACH VORNE<br />

Der neue Film ist auch eine Erklärung<br />

von Kerkeling, warum er so ist<br />

wie er ist, aber ohne Firlefanz oder<br />

irgendwelche abgehobenen Ereignisse.<br />

Viel eher ist es die Geschichte eines<br />

bodenständigen Jungen aus dem<br />

Ruhrgebiet, der am frühen Tod seiner<br />

Mutter nicht zerbrach, sondern zwei<br />

Grossmütter – wahre Heldinnen des<br />

Alltags – zum Schutz und Seelenwohl<br />

an seiner Seite zählte. Kerkeling schildert<br />

diese ersten Lebensjahre ohne<br />

Pathos und trotzdem mit viel Liebe.<br />

Am Ende war eine Erklärung<br />

«über» Kerkeling nie nötig. Schliesslich<br />

soll man Schönes nicht ständig<br />

hinterfragen. Da sich Kerkeling aber<br />

von der grossen Bühne zurückziehen<br />

wird und die Geschichten über seine<br />

Kindheit, insbesondere jene mit seiner<br />

Mutter, nun erzählt sind, mutet<br />

sein zweites Buch wie eine Flucht<br />

nach vorne an. Es markiert das Ende<br />

eines Kapitels und einen Neustart mit<br />

50 Jahren. In Italien wird das sein,<br />

wie Kerkeling hoffnungsvoll erzählt.<br />

Fast so, als würde er nochmals sagen:<br />

«Ich bin dann mal weg». Und da ist er<br />

wieder – der Jakobsweg.<br />

«Ich bin dann mal weg»,<br />

Warner Bros.<br />

Im Kino ab 24. Dezember<br />

«Der Junge muss an die frische<br />

Luft» Piper Verlag GmbH, München<br />

Im Handel erhältlich.<br />

FOTO: © WARNER BROS<br />

CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>


JEDEN FREITAG<br />

BIS 1 UHR:<br />

YOUNGSTER<br />

NIGHT<br />

ALLE BIS 30<br />

ZAHLEN NUR CHF 15.-<br />

INKL. 1 GETRÄNK.<br />

(ohne Spirituosen gem.<br />

Alkoholgesetz)<br />

FINNISHE SAUNA<br />

BIO-SAUNA<br />

VIDEO-DAMPFBAD<br />

WHIRLPOOL<br />

REGENBAD<br />

SCHAUMBAD<br />

RELAXBEREICH<br />

DARK & PLAYROOM<br />

VIDEOKABINEN<br />

BAR & SNACKS<br />

RAUCHERLOUNGE<br />

LESERAUM<br />

GRATIS WIFI<br />

TÄGLICH GEÖFFNET<br />

VON 14.00 BIS<br />

MINDESTENS<br />

23.30 UHR<br />

FR UND SA BIS<br />

01.00 UHR<br />

GRATIS RE-ENTRY<br />

Kommen und Gehen so<br />

oft du willst am gleichen<br />

Betriebstag (wenn voller<br />

Eintrittspreis bezahlt<br />

wurde).<br />

Neu auch gültig in der<br />

Moustache Sauna Zürich<br />

Mann-o-Mann Sauna<br />

St. Jakob Strasse 91<br />

CH-9000 St. Gallen<br />

+41 (0)71 244 54 64<br />

info@mann-o-mann.ch<br />

www.mann-o-mann.ch<br />

mann-o-mann<br />

WO MÄNNER SPIELEN


WÜNSCHT DIR<br />

EIN BOMBASTISCHES <strong>2016</strong>!<br />

FOTO: FOTOLIA (1)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!