Cruiser im Winter 2015/2016
Was macht eigentlich Soccer-Mom Sarah Palin? Und wie lebt es sich als Gay-Mann auf der Alp? Ausserdem: Cruiser war im Iran und guckte sich Persepolis an und...der neuste Skandal: Madonna altert!
Was macht eigentlich Soccer-Mom Sarah Palin? Und wie lebt es sich als Gay-Mann auf der Alp? Ausserdem: Cruiser war im Iran und guckte sich Persepolis an und...der neuste Skandal: Madonna altert!
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WINTER <strong>2015</strong> | <strong>2016</strong> CHF 7.50<br />
DAS GRÖSSTE<br />
SCHWEIZER<br />
GAY-MAGAZIN<br />
HALLELUJA!<br />
SIND HIV & AIDS<br />
ENDLICH BESIEGT?<br />
AB AUF DIE ALP<br />
Schwul sein in den Bergen<br />
OUTING IM VATIKAN<br />
Franziskus «not amused»<br />
MARGRET CHO<br />
«Ich bin eine Fag-Hag»
WIR SIND KLEIN UND<br />
HEADLINE<br />
Wir sind Lead und kein Laufttext. Wir halten uns kurz und zusammenfasst.<br />
Lor sedis eos ipsande mpores quis doluptia volupta dolore nostissit fugitib uscipsum<br />
siti berum ut vent as dolupta tinvend itatior rovidignisi restisi tatiis evellan daecea<br />
alisque volesecabo. Ria doluptis dus corror sit que rest, sam, netur mintis minulpa<br />
nempor rem es eum sitae por adistio. Odi dust, te elit opturit faccab ipsumque<br />
VON AUTOR<br />
Xvon Lauftext zum Schlusspunktsind<br />
wir Texte<br />
WIR SIND EINE BILDLEGENDE<br />
UCIENIS EOS EXCESSE ROREPUDAES<br />
DOLUPTATE DOLUPTAT MODITATE<br />
EXERNATIUR?<br />
EIN KURZES ZITAT UND<br />
KEIN LAUFTTEXT<br />
Das Leben lieben.<br />
Neben der Entwicklung hochwirksamer und innovativer HIV-Therapien engagiert<br />
sich ViiV Healthcare für Betroffene und unterstützt unter anderem Projekte, welche<br />
die Lebensqualität von älter werdenden Menschen mit HIV verbessern sollen.<br />
FOTOS: FOTOLIA (X)<br />
ViiV Healthcare GmbH, Talstrasse 3–5, 3053 Münchenbuchsee<br />
CH/HIV/0017/15/24.09.<strong>2015</strong>/09.<strong>2015</strong>
EDITORIAL<br />
3<br />
Lieber Leser<br />
Mit dieser Ausgabe ist es ja so eine Sache: Es ist nicht nur einfach eine Weihnachtsausgabe<br />
– es ist eine Doppelnummer und daher wird der vorliegende<br />
«<strong>Cruiser</strong>» auch noch den ganzen Januar aufliegen. Dieses Editorial darf<br />
deshalb nicht allzu weihnächtlich ausfallen. Immerhin haben wir uns in der nicht so ganz<br />
besinnlichen Adventszeit kreativ betätigt und einen Teil dieser Ausgabe mit Gl<strong>im</strong>merspray<br />
hübsch aufgepeppt. Das haben wir echt manuell gemacht! Die Idee dahinter: Jeder von uns<br />
sollte dabei ein bisschen meditieren. Das klappte genau 30 Sekunden lang und dann wurde<br />
wild losgeschnattert. Und nach 6000 «<strong>Cruiser</strong>»-Exemplaren war sowieso genug meditiert,<br />
weil der Gl<strong>im</strong>merspray alle war.<br />
Wenn dein «<strong>Cruiser</strong>» also gl<strong>im</strong>mert: Es ist unsere Low-Budget-Aber-Von-Herzen-Art, dir als<br />
Leser (und der einen Leserin) «Danke» zu sagen. Merci, dass du uns ein Jahr lang die Treue<br />
gehalten hast, und wir freuen uns auf ein weiteres Jahr mit dir!<br />
INHALT<br />
04 THEMA SCHUTZ VOR HIV AUS DER PILLENDOSE<br />
08 REPORTAGE ALS STRASSENVERKÄUFER UNTERWEGS<br />
10 KOLUMNE BÖTSCHI KLATSCHT<br />
12 NEWS NATIONAL & INTERNATIONAL<br />
14 SERIE SCHWUL AUF DER ALP<br />
16 SERIE CRUISER REIST<br />
17 KOLUMNE WEISSBERGS WARME WEIS(S)HEITEN<br />
18 KULTUR WENN DER WEIHNACHTMANN ZWEIMAL KLINGELT<br />
Herzlich, Haymo Empl<br />
CHEFREDAKTOR<br />
20 HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND<br />
LITERATUR: PERSEPOLIS<br />
23 KOLUMNE MICHI RÜEGG<br />
24 THEMA OUTING IM VATIKAN<br />
26 KOLUMNE PIA SPATZ<br />
27 RATGEBER AIDS-HILFE DR. GAY<br />
28 IKONEN VON DAMALS<br />
SARAH PALIN. BÖSE WIE EH UND JE.<br />
30 KOLUMNE THOMMEN MEINT<br />
31 THEMA LEUCHTENDE RED RIBBONS<br />
32 MANNSBILD – BERUFSBILD DER POLIZIST<br />
34 INTERVIEW MARGARET CHO<br />
36 PROMINENT DIE SKANDALE DER MADONNA<br />
38 KULTUR HAPE KERKELING<br />
IMPRESSUM<br />
FOTOS: FOTOLIA (2)<br />
CRUISER MAGAZIN PRINT<br />
Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />
Infos an die Redaktion: redaktion@cruisermagazin.ch<br />
Chefredaktor Haymo Empl<br />
Bildredaktion Haymo Empl, Ana Lewisch<br />
Art Direktion Ana Lewisch<br />
Redaktion Print Vinicio Albani, Thomas Borgmann, Bruno Bötschi, Daniel Diriwächter,<br />
Andreas Empl, Martin Ender, Andreas Faessler, René Gerber, Moel Maphy,<br />
Michi Rüegg, Alain Sorel, Pia Spatz, Tanja & Jenny, Peter Thommen,<br />
Marianne Weissberg<br />
Lektorat<br />
Ursula Thüler<br />
Anzeigen Said Ramini, Telefon 043 300 68 28<br />
anzeigen@cruisermagazin.ch<br />
Auflage<br />
Druck<br />
12 000 Exemplare,<br />
WEMF beglaubigte Auflage: 11 539 Exemplare<br />
Druckerei Konstanz GmbH<br />
Wasserloses Druckverfahren<br />
REDAKTION UND VERLAGSADRESSE<br />
empl.media, Haymo Empl<br />
Welchogasse 6, Postfach 5539, 8050 Zürich<br />
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CRUISER MAGAZIN ONLINE<br />
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CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
4<br />
THEMA<br />
PREP: SCHUTZ VOR HIV<br />
HIV: SCHUTZ AUS DER<br />
PILLENDOSE<br />
Es gibt tatsächlich eine Tablette, die vor einer HIV-Ansteckung schützt; eigentlich<br />
schon länger. Aber die Schutzwirkung vor einer Infektion ist erst vor wenigen<br />
Jahren entdeckt worden. In den USA wird das Medikament seit 2012 offiziell zur<br />
Prävention eingesetzt – dennoch sind noch viele Fragen ungeklärt.<br />
VON ANDREAS FAESSLER<br />
Wer in jüngerer Zeit in den<br />
USA unterwegs war und da<br />
bei Grindr, Scruff oder einer<br />
anderen Dating-App reingeschaut<br />
hat, dem dürfte ein- oder gar mehrmals<br />
der Begriff «PrEP» begegnet<br />
sein, vor allem <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem Wunsch nach Sex ohne Kondom.<br />
Was bei den Homosexuellen in<br />
Amerika in kurzer Zeit sehr populär<br />
geworden ist und jetzt richtig Schule<br />
macht, ist bei uns noch kaum Gesprächsthema.<br />
Noch. Eine Nachfrage<br />
bei der Aids-Hilfe Schweiz nämlich<br />
ergab, dass <strong>im</strong> vergangenen Jahr<br />
kaum Ratsuchende die sogenannte<br />
PrEP konkret angesprochen haben.<br />
Die Abkürzung steht für Präexpositionsprophylaxe,<br />
eine Art Pendant<br />
zur bereits seit längerem bekannten<br />
und angewandten «PEP», der Postexpositionsprophylaxe,<br />
welche vom<br />
Arzt kurz nach einem sexuellen Kontakt<br />
verabreicht wird, bei dem die<br />
Wahrscheinlichkeit besteht, dass man<br />
sich mit dem HI-Virus infiziert hat.<br />
Die PrEP ist an sich nichts anderes als<br />
ein Medikament, das HIV-Patien ten<br />
einnehmen, um ihre Infektion zu therapieren.<br />
Nehmen es gesunde Menschen<br />
regelmässig zu sich, kann es<br />
das Risiko einer Übertragung des Virus<br />
be<strong>im</strong> Kontakt mit einem infektiösen<br />
Sexual partner auf ein Min<strong>im</strong>um<br />
reduzieren – das heisst, die Gefahr einer<br />
Infektion ist dann sogar noch ge-<br />
HALLELUJA, ENDLICH EIN<br />
WIRKSAMES MEDIKAMENT,<br />
DAS VOR HIV UND SOMIT<br />
AIDS SCHÜTZT!<br />
ringer, als wenn ein Kondom benutzt<br />
wird. Das haben fundierte Studien ergeben.<br />
Kurz gefasst: Die PrEP ist eine<br />
wirksame medikamentöse Präventionsmethode<br />
für Menschen mit erhöhtem<br />
HIV-Ansteckungsrisiko.<br />
In den USA ist das Medikament –<br />
es handelt sich derzeit um Truvada<br />
aus dem Hause Gilead – bereits seit<br />
2012 für diesen Zweck zugelassen<br />
und wird auch benutzt. «PreP sorgt<br />
dafür, dass Sie HIV-negativ bleiben»,<br />
steht beispielsweise auf grossen Werbebannern<br />
in gewissen US-Regionen.<br />
Halleluja, endlich ein wirksames<br />
Medikament, das vor HIV und somit<br />
Aids schützt! Sollte da nicht auch in<br />
unseren Breitengraden ein Aufschrei<br />
der Begeisterung und Erleichterung<br />
durch die Menge schallen? Hätte<br />
sich das nicht mindestens bei den<br />
Schwulen wie ein Lauffeuer verbreiten<br />
sollen? Hat es aber nicht. Was <strong>im</strong><br />
ersten Moment nach der Lösung für<br />
alle Sorgen klingt, muss relativiert<br />
werden. Es gibt Gründe, warum die<br />
PrEP in Europa oder zumindest in<br />
der Schweiz und in Deutschland noch<br />
keine hohen Wellen geschlagen hat.<br />
Doch dazu kommen wir gleich noch.<br />
INFORMIEREN ALS WICHTIGSTE<br />
PRÄVENTIONSMASSNAHME<br />
Eines ist jedenfalls sicher: Die PrEP<br />
wirkt – wenn sie gewissenhaft eingenommen<br />
wird. Eine französische<br />
und eine englische Studie mit Paaren<br />
wurden aus ethischen Gründen sogar<br />
frühzeitig abgebrochen, weil die<br />
Wirksamkeit bereits nach kurzer Studiendauer<br />
völlig eindeutig war. «Wir<br />
setzen uns natürlich mit dem Thema<br />
auseinander», sagt Daniel Seiler, Geschäftsleiter<br />
der Aids-Hilfe Schweiz.<br />
Gemeinsam mit seinem Team arbeitet<br />
er derzeit an einer Infoschrift, welche<br />
die wichtigsten Punkte zur PrEP zusammenfasst.<br />
Den Grund, warum der<br />
Hype zumindest in der Schweiz bislang<br />
ausgeblieben ist – obwohl hier<br />
Ärzte das Medikament als «off label»<br />
verschreiben dürfen und es auch bereits<br />
einige Personen gibt, welche die<br />
PrEP nehmen – , sieht Daniel Seiler<br />
darin, dass das generelle Bedürfnis<br />
nach der PrEP <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />
USA um einiges geringer ist. «Dort<br />
herrschen epidemische Zustände,<br />
was HIV betrifft. Die «Centers for<br />
Disease Control and Prevention» in<br />
Atlanta propagieren als Schutz vor<br />
HIV Kondome in Kombination mit der<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
5<br />
PrEP», weiss Seiler. «In den Staaten<br />
sind auch viele Schwule nicht getestet,<br />
das heisst, sie kennen ihren Status<br />
nicht. Und HIV-Therapien für Infizierte<br />
werden von der Versicherung<br />
zwar bezahlt, viele jedoch sind gar<br />
nicht versichert. Das Gesundheitssystem<br />
in den USA funktioniert schlecht.<br />
Wir in der Schweiz setzen vor allem<br />
stark auf Information. Das ist in unseren<br />
Augen das A und O der Prävention.<br />
Abgesehen davon hat die Krankheit<br />
ihren Schrecken verloren, seit es<br />
die hochentwickelten, wirksamen und<br />
gut verträglichen Therapien gibt.»<br />
Seiler vermutet, dass unter den Homosexuellen<br />
hierzulande Verantwortungsbewusstsein<br />
vorhanden ist, was<br />
auch die Statistiken der letzten Jahre<br />
zeigen. «Tendenziell ist die Anzahl an<br />
Neuansteckungen nach wie vor rückläufig»,<br />
weiss Seiler. Auch würde heute<br />
merklich weniger ungeschützt Sex<br />
praktiziert als früher. «Die Präventionskampagnen<br />
haben viel gebracht.<br />
Die Leute lassen sich heute häufiger<br />
testen als früher. Auch Altinfektionen<br />
werden so entdeckt und können behandelt<br />
werden.»<br />
30 TABLETTEN<br />
FÜR 900 FRANKEN<br />
Seiler denkt nicht, dass die PrEP hier<br />
jemals so ein Hype wird wie in den<br />
USA. Ohnehin bleiben für ihn noch einige<br />
wichtige Fragezeichen stehen in<br />
Bezug auf ihren Einsatz. «Das ist nicht<br />
mit einem Aspirin zu vergleichen,<br />
das eben mal gegen Kopfweh hilft.<br />
Es ist ein verschreibungspflichtiges<br />
Medikament mit Nebenwirkungen.»<br />
Ausserdem stelle sich die Frage, für<br />
PREP: TEURE THERAPIE – MIT NOCH<br />
UNBEKANNTEN LANGZEITFOLGEN.<br />
wen die PrEP überhaupt konkret in<br />
Frage käme. «Ab wann ist man eine<br />
gefährdete Person, respektive in welchen<br />
Fällen würde eine Anwendung<br />
überhaupt Sinn machen? Und für wie<br />
lange will man die PrEP einnehmen?<br />
Alles Faktoren, die zu klären wären.»<br />
Ein weiterer, besonders gewichtiger<br />
Punkt sind die Kosten. Eine Monatspackung<br />
Truvada – man n<strong>im</strong>mt täglich<br />
eine Tablette ein – schlägt mit<br />
rund 900 Franken ordentlich zu Buche.<br />
Dass eine Schweizer Krankenkasse<br />
diese Kosten irgendeinmal tragen<br />
wird, ist aus Daniel Seilers Sicht<br />
so gut wie ausgeschlossen. «Wir haben<br />
in der Schweiz ein kuratives und<br />
kein präventives Gesundheitssystem.<br />
Schliesslich müssen die Frauen die<br />
Anti-Babypille deshalb auch selber<br />
berappen.» Die PEP hingegen wird<br />
in der Schweiz als Notfallbehandlung<br />
von der Grundversicherung bezahlt.<br />
In den USA ist das anders. Dort<br />
übernehmen Krankenversicherungen<br />
auch die Kosten für die PrEP, und<br />
wenn nicht, dann gibt es Hilfsprogramme,<br />
die einspringen.<br />
EINE TEMPORÄRE «KRÜCKE»<br />
Sowohl die Aids-Hilfe Schweiz als<br />
auch Gesundheitsorganisationen,<br />
Ver bände oder andere Fachgruppen<br />
beziehen eine neutrale Haltung<br />
bezüglich PrEP. Eine unter gewissen<br />
Voraussetzungen befürwortende<br />
Haltung kommt auch vom Positivrat<br />
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6<br />
THEMA<br />
PREP: SCHUTZ VOR HIV<br />
EIN KONDOM SCHÜTZT VOR HIV<br />
UND AUCH VOR ANDEREN SEXUELL<br />
ÜBERTRAGBAREN KRANKHEITEN.<br />
Schweiz, einem Fachgremium, das<br />
sich für Menschen einbringt, die mit<br />
HIV und dessen Ko-Infektionen wie<br />
Hepatitis oder Tuberkulose leben.<br />
David Haerry vom Positivrat nennt<br />
als mögliche Zielgruppe für die PrEP<br />
Menschen, die ein exzessives Leben<br />
führen und nicht mehr <strong>im</strong>stande<br />
sind, dies unter Kontrolle zu haben.<br />
Präziser: Leute etwa, die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit Sex Drogen konsumieren<br />
und gleichzeitig ein reges Sexleben<br />
mit vielen wechselnden Partnern<br />
führen und keine Gummis benutzen.<br />
«Die PrEP würde dieser Hochrisikogruppe<br />
so lange als Hilfestellung dienen,<br />
bis sie ihr Leben wieder <strong>im</strong> Griff<br />
haben», sagt Haerry. «So lange sie<br />
diese Medikamente einnehmen, müssen<br />
sie aber von Fachpersonen beraten<br />
und begleitet werden.» Als Dauertherapie<br />
sieht Haerry die PrEP also<br />
nicht, sondern als eine Art «Krücke»<br />
für Leute, die sich momentan in unruhigen<br />
Gewässern befinden. «Die PrEP<br />
kann ihnen in dieser Phase die Angst<br />
vor einer Ansteckung nehmen und sie<br />
psychisch entlasten. Ähnlich wie bei<br />
Frauen, die Angst haben, schwanger<br />
zu werden.» Gelegentlich liest man,<br />
dass die PrEP auch für HIV-negative<br />
Personen in Frage komme, die mit<br />
einem HIV-positiven Partner zusammenleben.<br />
«Das macht aber keinen<br />
Sinn, falls der positive Partner therapiert<br />
wird», sagt David Haerry. Denn<br />
dann sei die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Ansteckung ohnehin so gut wie ausgeschlossen<br />
und eine PrEP hinfällig.<br />
«Wichtig dabei aber ist eine offene<br />
Gesprächskultur in Beziehungen. Erst<br />
recht, wenn die Partner auch Sex ausserhalb<br />
der Beziehung haben», fügt<br />
Haerry an.<br />
PREP «NUR FÜR PRIVILEGIERTE»<br />
Was die Kostenübernahme der PrEP<br />
durch die Krankenkassen betrifft, so<br />
hält David Haerry es <strong>im</strong>merhin für<br />
möglich, dass man in der Schweiz darüber<br />
diskutiert. «Je nachdem, was<br />
in Frankreich und England entschieden<br />
wird.» Haerry stört sich daran,<br />
dass die Behandlung etwas für Privilegierte<br />
bleibt, die sie sich finanziell<br />
leisten können. Billiger wäre die<br />
Anwendung der PrEP, wenn sie bei<br />
Bedarf eingesetzt und anstatt täglich<br />
nur gelegenheitsbezogen kurz vor<br />
und kurz nach einer Risikosituation<br />
eingenommen würde. Neben den<br />
geringeren Nebenwirkungen blieben<br />
die Schädigungen des Körpers durch<br />
Langzeiteinnahme aus oder wären<br />
zumindest kleiner. Die gesundheitlichen<br />
Risiken des PrEP-Medikaments<br />
«Truvada» für Knochen, Leber und<br />
Nieren sind nämlich auch für David<br />
Haerry ein Punkt, den es zu bedenken<br />
gilt. «2018 läuft das Patent für Truvada<br />
aus. Dann wird «TAF» auf den<br />
Markt kommen, eine erweiterte Form<br />
von Tenofovir, einem der Wirkstoffe<br />
in Truvada. Dieser neue Stoff wirkt<br />
intrazellulär, weshalb die genannten<br />
Nebenwirkungen nicht auftreten.<br />
Aber TAF wird möglicherweise teurer<br />
sein, und wenn nicht, wird Truvada<br />
wenigstens in der jetzigen Form generisch<br />
verfügbar.»<br />
Zusammengefasst sagt der Positivrat<br />
Schweiz ja zur PrEP, setzt aber voraus,<br />
dass dazu weiterhin Erfahrungen<br />
gesammelt werden müssen, ob<br />
und wie sie sich in der Praxis und auf<br />
die Anzahl Neuinfektionen auswirkt.<br />
Eine offizielle Zulassung von Truvada<br />
als PrEP kann allenfalls erteilt<br />
werden, sobald die Herstellerin – in<br />
diesem Fall also Gilead – bei Swissmedic<br />
einen entsprechenden Antrag<br />
stellt. Aber das hat die Firma bislang<br />
noch nicht getan. Man darf annehmen,<br />
dass sie auf eine Empfehlung<br />
NOCH FEHLEN<br />
DIE ERFAHRUNGEN<br />
der Eidgenössischen Kommission für<br />
sexuelle Gesundheit (EKSG) wartet.<br />
David Haerry hält es jedoch für möglich,<br />
dass Truvada bereits <strong>2016</strong> von<br />
der Swissmedic als PrEP zugelassen<br />
wird. Vor Kurzem – am 23. November<br />
– informierte die Aids-Hilfe Frankreich,<br />
dass in der Grande Nation die<br />
PrEP Anfang <strong>2016</strong> offiziell zugelassen<br />
wird – und von den Krankenkassen<br />
übernommen wird.<br />
Dass die PrEP Wirkung zeigt, daran<br />
gibt es nach dem aktuellen Wissensstand<br />
kaum mehr einen Zweifel. An<br />
der richtigen Stelle eingesetzt, könnte<br />
sie denn auch tatsächlich ein sinnvolles<br />
Instrument <strong>im</strong> Kampf gegen HIV<br />
sein und Menschen in schwierigen<br />
Lebenslagen helfen, sich vor der Immunschwächekrankheit<br />
zu schützen,<br />
für die es noch <strong>im</strong>mer keine Heilung<br />
gibt. Eines aber ist diese Präventionsmethode<br />
nicht, darf und kann sie nicht<br />
sein: ein erklärter Freischein für den<br />
ungeschützten Verkehr mit wechselnden<br />
und auch unbekannten Partnern.<br />
Vor Tripper, Syphilis, Chlamydien,<br />
Hepatitis, Herpes oder anderen Käfern<br />
schützt Truvada schliesslich nicht. <br />
FOTO: FOTOLIA<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
8<br />
REPORTAGE<br />
DISKRIMINIERUNG<br />
STRASSENVERKÄUFER IM<br />
SELBSTVERSUCH<br />
In fast allen Städten sieht man sie an jeder Ecke stehen: die Verkäufer<br />
des Strassenmagazins «Surprise». Wie schwierig ist es, das Heft<br />
loszubringen? Und wie wird man als schwuler Strassenverkäufer behandelt?<br />
Der <strong>Cruiser</strong>-Chefredaktor hat es ausprobiert. Mässig erfolgreich.<br />
VON HAYMO EMPL<br />
Wir seufzen oft ob der Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
homosexueller Menschen<br />
<strong>im</strong> Alltag. Die Sexualität<br />
ist in der Regel Privatsache, man<br />
ist damit in den meisten Fällen nicht<br />
der Masse ausgesetzt. Wie aber fühlt<br />
es sich an, wenn die Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
in aller Öffentlichkeit stattfindet, so<br />
wie es bei den Strassenverkäufern<br />
des Magazins «Surprise» der Fall<br />
ist? Wenn man quasi öffentlich sagt:<br />
«Ich bin arm»? Denn genau das tun<br />
diese Strassenverkäufer ja indirekt. –<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung einmal anders; der<br />
Selbstversuch war hart.<br />
GUT, STEHT NICHT AUCH<br />
NOCH «SCHWUL» AUF DER STIRN<br />
GESCHRIEBEN.<br />
10.00 UHR<br />
Ich betrete die «Surprise»-Verteilerzentrale<br />
<strong>im</strong> Kreis 4 und beginne<br />
gleich zu schwitzen. Am Telefon hat<br />
mir Koni – verantwortlich für den<br />
Vertrieb Stadt Zürich – eingeschärft,<br />
ich solle mich warm anziehen, denn<br />
das Herbstwetter könne gar garstig<br />
sein. Die Zentrale von «Surprise» ist<br />
alles andere als glamourös; an einem<br />
kleinen Tisch sitzen bereits drei<br />
Stras senverkäufer und rechnen ab.<br />
Das Verkaufsmodell ist s<strong>im</strong>pel, aber<br />
effektiv: Die Verkäufer nehmen die<br />
Hefte in Kommission, das Stück zu<br />
2.50 Franken. Verkauft wird es für 5<br />
Franken. Ich entscheide mich mutig<br />
für 30 Hefte. Koni runzelt die Stirn:<br />
«Da musst du aber ein verdammt<br />
guter Verkäufer sein.» Er klebt mein<br />
Passfoto auf den «Surprise»-Verkäuferpass<br />
und bietet mir einen Kaffee<br />
an. Ich lehne ab. «Ist aber gratis»,<br />
sagt er.<br />
10.30 UHR<br />
Ich mache mich betreffend «Surprise»-Verkaufsregeln<br />
schlau. Ich darf<br />
weder meine Kinder (auch keine<br />
Leihkinder!) an den Verkaufsplatz<br />
mitbringen (obschon der «Jööh-Effekt»<br />
vermutlich mehr Umsatz bringen<br />
würde) noch Haustiere oder Kollegen.<br />
Aggressives Verkaufen ist auch<br />
verboten. Ich habe verstanden. Jetzt<br />
gehts los: Mein Standplatz ist direkt<br />
vor der Bellevueapotheke. Ohgottogott,<br />
denke ich. Was, wenn mich irgend<br />
eine Null achtfünfzehn-Ex-T&M-<br />
Trulla sieht und erkennt?<br />
11.00 UHR<br />
«Suuurprise! Strassenmagazin!» brülle<br />
ich gut gelaunt den Passanten zu<br />
und halte in der linken Hand eines<br />
der 30 Magazine. Die restlichen sind<br />
in meinem Rucksack verstaut. Nichts<br />
passiert. Das Zürcher Fussvolk hetzt<br />
eilig an mir vorbei. Manche verlangsamen<br />
das Tempo, um mich unverhohlen<br />
anzuglotzen. Aha, ein Arbeitsloser!<br />
Ich gucke erst weg, entschliesse<br />
mich dann aber, den Glotzern Paroli<br />
zu bieten und starre zurück.<br />
11.30 UHR<br />
Seit 30 Minuten wedle ich mit dem<br />
Heft und versuche mein Bestes zu geben.<br />
Ans Angegafftwerden habe ich<br />
mich schon gewöhnt, allerdings muss<br />
«IRGENDETWAS STIMMT<br />
AN MEINER VERKAUFS-<br />
TAKTIK NICHT.»<br />
wohl etwas an meiner Verkaufstaktik<br />
nicht st<strong>im</strong>men, denn ich habe noch<br />
kein einziges Heft verkauft. Dafür fällt<br />
mir auf, dass die Bewohnerinnen dieser<br />
Stadt unglaublich oft etwas aus<br />
ihrer Handtasche kramen. Dauernd<br />
stoppen irgendwelche Frauen direkt<br />
vor mir und durchsuchen den Inhalt<br />
der Handtasche nach Handy, Lippenstift<br />
oder Taschentüchern. Nie aber<br />
nach Geld für mein Magazin. Manche<br />
kramen erst, finden den Gegenstand<br />
FOTOS: RETO OESCHGER, PD<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
9<br />
VIELLEICHT HÄTTE CRUISER<br />
CHEFREDAKTOR HAYMO EMPL MIT<br />
DIESER AUSGABE MEHR ERFOLG<br />
GEHABT. VIELLEICHT LAG ES ABER<br />
AUCH AN DER ETWAS HOLPRIGEN<br />
VERKAUFSTAKTIK.<br />
und lächeln mich dann an. Das nützt<br />
mir wenig, denn ich will kein Lächeln,<br />
ich will Bargeld sehen.<br />
Plötzlich, wie aus dem Nichts, steht<br />
ein Mann vor mir, so um die 50 Jahre<br />
alt. Er will wissen, ob ich Architekt<br />
sei und deutet aufs «Surprise»-Cover<br />
(ein Mann mit einem Haus <strong>im</strong> Hintergrund).<br />
Ich würde zu gerne ja sagen.<br />
Aber eben. Ich bin ja nicht Architekt.<br />
Ich nutze jedoch die Gelegenheit, dem<br />
potenziellen Kunden das Konzept des<br />
Strassenmagazins zu erklären, aber<br />
das interessiert den Herrn wenig. Er<br />
zischt grusslos ab.<br />
sonst schon so viel zu lesen.» Das<br />
finde ich irgendwie sehr respektlos.<br />
Ich identifiziere mich nämlich mittlerweile<br />
sehr mit dem Magazin und<br />
ich bin schliesslich nicht einfach ein<br />
Bettler, ich bin Verkäufer. Während<br />
ich gerade über diesen Unterschied<br />
nachdenke (und automatisiert weiterrufe),<br />
merke ich, dass ich nicht<br />
nur friere, sondern nun auch durstig<br />
bin. Ergo trinke ich aus meiner<br />
mitgebrachten Mineralwasserflasche<br />
und … da geschieht ein Wunder:<br />
Eine Gruppe Männer, so um<br />
die 20, glotzt erst, und dann schält<br />
sich einer aus dem Rudel und kauft<br />
ein Heft. Offenbar wirkt eine gesunde<br />
M<strong>im</strong>ik-Mischung aus Kälte-<br />
Durst-Schweigen-Frust verkaufsfördernd.<br />
12.30 UHR<br />
Mein Kälte-Durst-Schweigen-Frust-<br />
Gesichtsausdruck hilft, um gerade<br />
noch ein weiteres Magazin zu verkaufen.<br />
Ich versuche es zusätzlich<br />
mit einem Hauch Verzweiflung in der<br />
St<strong>im</strong>me «Suuuuuurprise! Straaassenmagazin!».<br />
Erfolglos.<br />
13.00 UHR<br />
Zwei Norweger (temperaturadäquater<br />
angezogen als ich) fragen mich<br />
nach dem Weg zum Bellevue. Ich<br />
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Studio 43<br />
Sauna Bar<br />
finde die Norweger (die sich als solche<br />
vorgestellt haben) und ihre Frage<br />
blöd, beantworte sie nicht, brülle dafür<br />
aber ein herzliches, lautes «Suuuurprise!»<br />
13.30 UHR<br />
Jetzt habe ich auch noch Hunger und<br />
sollte aufs Klo. Also breche ich die<br />
Aktion ab. Die nicht verkauften Hefte<br />
kann ich der Zentrale <strong>im</strong> Kreis 4<br />
zurückgeben. Am Abend denke ich<br />
über die vielen despektierlichen Blicke<br />
nach. Und schäme mich fast ein<br />
bisschen – denn wenn man an die<br />
Menschen denkt, die tagtäglich derart<br />
ums Überleben kämpfen müssen (und<br />
so mutig sind!) – dann sind meine Probleme<br />
in Bezug auf Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
irgendwie schon beinahe lächerlich.<br />
Die «Surprise»-Verkäufer sind für<br />
mich ab sofort die kleinen Helden des<br />
Alltags. Es braucht unglaublich viel<br />
Geduld, Charme, Wille und Mut, sich<br />
derart zu exponieren. Eigenschaften,<br />
die mir fehlen.<br />
Dieser Artikel ist in einer<br />
leicht gekürzten Version auch <strong>im</strong><br />
«Tagesanzeiger» erschienen.<br />
Die dürftigen Einnahmen der<br />
Verkaufsaktion sind vollumfänglich<br />
dem Strassenmagazin<br />
zugutegekommen.<br />
12.00 UHR<br />
Mittagszeit. Noch mehr Passanten.<br />
Meine «Suuurprise! Strassenmagazin!»-Verkaufsrufe<br />
klingen weniger<br />
enthusiastisch als vor einer halben<br />
Stunde – mittlerweile halte ich in<br />
jeder Hand zwei Magazine, lächle<br />
nicht mehr und friere. Dieser leicht<br />
desperate Gesichtsausdruck hilft: Ich<br />
verkaufe mein erstes Magazin. Beinahe.<br />
Denn der nette Herr drückt mir<br />
5 Franken in die Hand, will das Magazin<br />
aber nicht mitnehmen. «Ich habe<br />
Wir wünschen allen<br />
fröhliche Festtage<br />
und alles Gute<br />
<strong>im</strong> neuen Jahr.<br />
Wir danken<br />
unseren Gästen<br />
für ihre Treue.<br />
Studio 43<br />
Monbijoustr. 123, 3007 Bern<br />
Telefon 031 372 28 27<br />
Tram 9 (Richtung Wabern)<br />
Haltestelle Wander<br />
Öffnungszeiten:<br />
täglich 11–22 Uhr,<br />
www.studio43.ch
10<br />
KOLUMNE<br />
BÖTSCHI KLATSCHT<br />
SCHOTTENRÖCKE & NACKTE<br />
TATSACHEN<br />
Mann trägt wieder Kilt. Momoll, <strong>im</strong> zwinglianischen Zürich tragen sogar<br />
Direktoren Schottenröcke. – Die weiteren Themen in dieser Kolumne:<br />
eine Boutiquenkönigin, ein Leserbriefschreiber, ein Nachwuchsmusiker,<br />
ein It-Boy und Philipp Tingler (schon wieder!).<br />
VON BRUNO BÖTSCHI<br />
Jesses, meine letzte Kolumne, die<br />
über den Käseschnitten backenden<br />
Zürcher SP-Nationalrat, löste<br />
einen Sturm <strong>im</strong> Wasserglas aus. Leser<br />
Dominique S. aus Zürich schrieb:<br />
«Das ist ja unterste Schublade! So was<br />
Peinliches könnte ausser dir nur noch<br />
der Tingler (Philipp, Anmerkung der<br />
Redaktion) schreiben. Noch eine Kolumne<br />
von dir und mein <strong>Cruiser</strong>-Abo<br />
ist definitiv gekündigt …»<br />
Ich schrieb Dominique zurück:<br />
«Schade, dass du meine Schreibe<br />
nicht magst. Ich fände es aber doof,<br />
wenn du wegen mir das ‹<strong>Cruiser</strong>›-Abo<br />
kündigst. Ich habe eine bessere Idee:<br />
Ich könnte jeweils vor dem Versand<br />
deines persönlichen Exemplars meine<br />
Kolumne rausschneiden.»<br />
Dominique hat sich nicht mehr<br />
gemeldet. Ich muss also annehmen,<br />
dass dies die letzte «<strong>Cruiser</strong>»-Ausgabe<br />
ist, die er liest. Schade.<br />
Die bösen Leserbriefe schlugen<br />
mir auf den Magen. Ich stülpte meine<br />
Kopfhörer über und liess Musik rieseln:<br />
Ich hörte «I don’t want to fight<br />
anymore» von Marked. Ein Facebook-Kollege<br />
empfahl mir den deutschen<br />
Nachwuchsmusiker, der in<br />
Zürich lebt: «Ein Kandidat für deine<br />
Kolumne.» Ich antwortete, ich könne<br />
meine Machtposition nicht derart billig<br />
ausnutzen und einfach über jeden<br />
schwulen Jungmusiker schreiben.<br />
Ach, jetzt habe ich es doch getan ...<br />
Themenwechsel. Ende Sommer<br />
kaufte ich mir eine Karo-Hose <strong>im</strong><br />
«DIE BÖSEN LESER-<br />
BRIEFE SCHLUGEN MIR<br />
AUF DEN MAGEN.»<br />
Kleiderladen «Booster» in Zürich.<br />
Und was lese ich nun <strong>im</strong> gerade erschienen<br />
Modehandbuch «Chic»?<br />
«Karo ist <strong>im</strong>mer noch die bevorzugte<br />
Wahl von Männern, die sich als echte<br />
Kerle geben wollen.» Demnach traf<br />
ich in letzter Zeit viele Kerle. Mein<br />
Coiffeur trägt Karo-Kilt. Christoph<br />
Becker, Direktor des Zürcher Kunsthauses,<br />
präsentierte sich ebenfalls <strong>im</strong><br />
traditionsreichen Männerrock.<br />
Becker trug sein schwarz-dunkelgrünes<br />
Modell am Pink Monday, dem<br />
schwulen Oktoberfest, auf dem Zürcher<br />
Bauschänzli. Unter dem Rock<br />
trug Becker – nichts. Und das <strong>im</strong><br />
zwinglianischen Zürich! Be<strong>im</strong> Schottenrock<br />
gilt: Weniger ist mehr. Unter<br />
dem Kilt trägt der wahre Schotte<br />
nichts. So ist es seit Urzeiten. Ausser<br />
bei gemieteten Kilts, da empfiehlt die<br />
für die Wahrung der Kleiderordnung<br />
zuständige Organisation seit einigen<br />
Jahren, eine Unterhose zu tragen.<br />
«Kilt darf Mann überall tragen,<br />
sogar zum Opernball», sagt Katharina<br />
Blansjaar. In ihrem Handbuch<br />
«Chic» beschreibt sie modische Legenden<br />
– von A wie An<strong>im</strong>al Print über<br />
M wie Marineshirt und P wie Pailletten<br />
bis zu T wie Tanktop. 50 textile<br />
Entstehungsgeschichten hat die Autorin<br />
recherchiert und aufgeschrieben,<br />
überraschend, witzig und anregend.<br />
Meine Herren, falls ihr noch kein<br />
Geschenk für eure Lieblingsfreundin<br />
habt: «Chic» kann ich empfehlen. Übrigens:<br />
Die stilvollen Zeichnungen <strong>im</strong><br />
Buch hat mein ehemaliger Lieblingsnachbar<br />
kreiert, Illustrator Daniel<br />
Müller.<br />
Jetzt muss ich noch meinen Lieblings-It-Boy<br />
bashen: Der Reto Hanselmann<br />
wollte mich an seinem Oktoberfest<br />
namens «Hanselmann’s Wiesn»<br />
an einem «Abstelltisch» platzieren.<br />
Ich ging nicht hin. Reto’s Chose soll<br />
ziemlich langweilig gewesen sein,<br />
habe ich gehört. Am «Pink Monday»<br />
dagegen stieg sogar Klatschoma<br />
Hildegard Schwaninger auf eine<br />
Holzbank und hüpfte wie ein Rehli.<br />
www.brunoboetschi.ch<br />
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12<br />
NEWS<br />
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NEWS<br />
AMERIKA<br />
CHARLIE SHEEN<br />
IST HIV-POSITIV<br />
Schon länger wurde darüber<br />
gemunkelt, nun ist es offiziell.<br />
Charlie Sheen hat bekanntgeben,<br />
dass er HIV-positiv ist.<br />
«Ich bin heute hier um zu bestätigen,<br />
dass ich tatsächlich HIV-positiv bin»,<br />
sagte Charlie Sheen kürzlich in einem<br />
TV-Interview. Wo und wann er sich<br />
infiziert hat, weiss er selber nicht.<br />
Der ehemalige Star aus «Two and<br />
a Half Men» meinte weiter, dass er<br />
Frauen, mit denen er Affären hatte,<br />
bezahlt habe, damit sie nichts über<br />
seine Krankheit ausplaudern würden.<br />
Das kostete ihn eine Stange Geld: In<br />
den vergangenen vier Jahren soll er<br />
dafür Millionen hingeblättert haben.<br />
Seine Exfrauen Denise Richards<br />
und Brooke Mueller, mit denen er je<br />
zwei Kinder hat, wussten von Sheens<br />
Infektion.<br />
Zu seiner langen Frauenliste gehört<br />
auch Brett Rossi, ein Pornostar, mit<br />
der er 2014 verlobt war. Ginger Lynn<br />
oder Heather Hunter waren weitere<br />
Pornostars und Sternchen, mit denen<br />
er in der Vergangenheit zusammen<br />
war. Bereits 1995 heiratete der<br />
Schauspieler das erste Mal. Donna<br />
Peele hiess die damals Glückliche, die<br />
Ehe hielt aber nur ein halbes Jahr.<br />
Der Schauspieler beteuerte <strong>im</strong> Interview,<br />
dass es «unmöglich» sei,<br />
dass er weitere Personen angesteckt<br />
habe.<br />
IBM IST ERNEUT<br />
DER LGBT-FREUND-<br />
LICHSTE ARBEIT-<br />
GEBER DER WELT<br />
Der US-Konzern IBM ist zum<br />
zweiten Mal in Folge als<br />
LGBT-freundlichster grosser<br />
Arbeitgeber der Welt<br />
ausgezeichnet worden.<br />
Die in Amsterdam ansässige Stiftung<br />
«Workplace Pride Foundation» hat<br />
die amerikanische Technologiefirma<br />
IBM dieses wie auch schon letztes<br />
Jahr mit dem Preis als bester<br />
LGBT-Arbeitgeber ausgezeichnet.<br />
Die Stiftung hat zusammen mit<br />
der Universität Leiden einen «Global<br />
Benchmark»-Bericht entwickelt,<br />
der den Grad der Arbeitsplatz-Inklusion<br />
für Schwule, Lesben, Bi- und<br />
Trans*sexuelle beschreibt.<br />
In diesem Jahr hat die «Workplace<br />
Pride Foundation» in Fragebögen 21<br />
der weltweit grössten Konzerne befragt,<br />
welche Massnahmen und Initiativen<br />
für mehr Chancengleichheit<br />
von LGBT-Mitarbeitern angeboten<br />
werden. Diese Firmen beschäftigen<br />
insgesamt 2,4 Millionen Mitarbeiter<br />
in mehr als 100 Ländern.<br />
IBM lag mit 87,2 Prozent an erster<br />
Stelle vor der französischen Bank<br />
BNP Paribas (85,3 Prozent) und der<br />
niederländischen Mineralölfirma<br />
Shell (85,0 Prozent). Insgesamt befanden<br />
sich unter den Top Ten vier<br />
niederländische, drei amerikanische,<br />
zwei französische und eine deutsche<br />
Firma.<br />
DEUTSCHLAND<br />
«TATORT»-<br />
KOMMISSAR OUTET<br />
SICH ALS SCHWUL<br />
Seit 45 Jahren gibt es die<br />
ARD-Kr<strong>im</strong>ireihe «Tatort». Und<br />
plötzlich schleppt der neue<br />
Kr<strong>im</strong>inalkommissar en passant<br />
einen Mann ab.<br />
Robert Karow (Mark Waschke), der<br />
<strong>im</strong> März zum ersten Mal ermittelte<br />
und als Single eingeführt wurde, gab<br />
in der Tatort-Folge «Ätzend» ganz<br />
beiläufig sein Coming-out. In einer<br />
Kneipe lernt er einen anderen Mann<br />
kennen und n<strong>im</strong>mt ihn mit zu sich<br />
nach Hause. In der nächsten Szene<br />
sieht man den Ermittler dann mit<br />
freiem Oberkörper auf dem Balkon<br />
stehend, «bei der Zigarette danach.»<br />
«Ich finde, seine sexuelle Ausrichtung<br />
ist <strong>im</strong> 21. Jahrhundert in<br />
einer Stadt wie Berlin wohl nicht<br />
selten», kommentierte Drehbuchautor<br />
Stephan Wagner Karows überraschendes<br />
Coming-out gegenüber der<br />
«Bild»-Zeitung. «Und so hat auch ein<br />
Kommissar das Recht, seine Sexualität<br />
so auszuleben, wie er es will.»<br />
Der Lesben- und Schwulenverband<br />
begrüsste den männerliebenden «Tatort»-Ermittler:<br />
«Manche Mühlen mahlen<br />
halt langsam», meinte LSVD-Pressesprecher<br />
Markus Ulrich. «Es wäre<br />
natürlich schöner gewesen, wenn es<br />
FOTOS: FOTOLIA, PD (3)<br />
CRUISER DEZMBER <strong>2015</strong>
13<br />
schon vor zehn Jahren einen schwulen<br />
Tatort-Kommissar gegeben hätte.<br />
Aber es macht die Sache, dass es jetzt<br />
einen gibt, nicht schlechter.»<br />
NORWEGEN<br />
KIRCHE TRAUT<br />
HOMOSEXUELLE<br />
Die 12 Bischöfe der Bischofskonferenz<br />
haben einst<strong>im</strong>mig<br />
beschlossen, dass in Zukunft<br />
auch Schwule und Lesben<br />
kirchlich heiraten dürfen.<br />
Eine Kirchengruppe spricht<br />
von einem «historischen<br />
Durchbruch».<br />
In Norwegen hat die Organisation<br />
«Åpen folkekirke», also «Offene<br />
Volkskirche» erfolgreich dafür gekämpft,<br />
dass in Zukunft Schwule und<br />
Lesben kirchlich heiraten dürfen.<br />
Nun hat die norwegische Bischofskonferenz<br />
einst<strong>im</strong>mig beschlossen,<br />
dass alle Kirchen Trauungen anbieten<br />
sollen. Wenn ein Priester oder andere<br />
kirchliche Funktionäre nicht an der<br />
Zeremonie teilnehmen wollen, können<br />
sie das jedoch verweigern.<br />
Sturla Stålsett, der Vorsitzende der<br />
Organisation, sagte: «Wir sind sehr<br />
glücklich über diese Entscheidung. Es<br />
ist ein historischer Durchbruch, dass<br />
alle Bischöfe die gleichberechtigte<br />
Trauung empfehlen.»<br />
Norwegen gilt als sehr fortschrittliches<br />
Land, was die Gleichberechtigung<br />
Homosexueller angeht. Als<br />
erstes Land weltweit führte es 1981<br />
ein Antidiskr<strong>im</strong>inierungsgesetz ein<br />
und bereits 1993 konnten Schwule<br />
und Lesben ihre Partnerschaft eintragen<br />
lassen. Und nun wird aus der<br />
Segnung, die die norwegische Kirche<br />
bereits anbietet, die gleiche Ehe wie<br />
die von Heterosexuellen. Sturla Stålsett<br />
rechnet damit, dass die ersten<br />
Hochzeiten <strong>im</strong> Jahr 2017 stattfinden<br />
werden. Die norwegische Kirche ist<br />
die evangelisch-lutherische Volkskirche<br />
Norwegens. Rund 76 Prozent aller<br />
Norweger gehören ihr an. Auch<br />
die anderen skandinavischen Kirchen<br />
sind liberal gegenüber Homosexuellen:<br />
Die schwedische Kirche traut Homosexuelle<br />
seit 2009 genauso wie Heterosexuelle.<br />
In Dänemark sowie auf<br />
Island gibt es <strong>im</strong>merhin Segnungen.<br />
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14<br />
SERIE<br />
HOMOSEXUALITÄT AUF DEM LAND<br />
SCHWUL<br />
AUF DER ALP<br />
Der Kanton St. Gallen ist sozusagen ein weisser Fleck auf der Schwulenszene-<br />
Karte der Schweiz. Sogar in der Kantonshauptstadt sind sämtliche Versuche<br />
gescheitert, Schwulenbars über längere Zeit zu betreiben. «<strong>Cruiser</strong>» ist auf der<br />
Suche nach dem schwulen Landleben auf der Alp W<strong>im</strong>pfel fündig geworden.<br />
VON MARTIN ENDER<br />
Der Kanton St. Gallen ist mit<br />
495 000 Einwohnern (2014)<br />
bevölkerungsmässig der fünftgrösste<br />
Kanton der Schweiz nach Zürich,<br />
Bern, Waadt und Aargau. Von<br />
den fast 2000 Quadratkilometern<br />
Fläche werden 48 % landwirtschaftlich<br />
genutzt. 32 % sind bewaldet.<br />
Mehr als jedes zweite zum Wohnen<br />
genutzte Gebäude <strong>im</strong> Kanton St. Gallen<br />
ist ein Einfamilienhaus. Das Kantonsgebiet<br />
erstreckt sich vom oberen<br />
Zürichsee über den Walensee bis zum<br />
Kanton Graubünden – von da dem<br />
Rhein entlang bis zum Bodensee und<br />
über die Stadt St. Gallen wieder bis<br />
zur Zürcher Kantonsgrenze. Der Kanton<br />
umschliesst die beiden Appenzell<br />
(AI und AR). Der markanteste Berg –<br />
aber nicht der höchste <strong>im</strong> Kanton –<br />
ist der Säntis. Der ländlich geprägte<br />
Kanton hat in Sachen Bildung und<br />
Forschung die Nase überraschend<br />
weit vorne.<br />
Trotz eines Studentenstadt-Status,<br />
der normalerweise ein pulsierendes<br />
Nachtleben garantiert, konnte sich in<br />
St. Gallen nie wirklich eine Schwulenszene<br />
etablieren. Die Schwulenbars<br />
«Church» und «Yumbolino» gibt<br />
es längst nicht mehr. Die «Propeller<br />
Bar» hat dichtgemacht. Das «Nuts»,<br />
eine Bar für Schwule und Lesben,<br />
konnte sich als letzter Versuch auch<br />
nicht halten. Einzig die Sauna «manno-mann»<br />
ist noch ein Treffpunkt<br />
für Schwule. Sie feierte eben ihr<br />
10-jähriges Bestehen.<br />
MARC UND WERNER SIND<br />
SCHWULE ALPBEWIRTSCHAFTER.<br />
Auf der vergeblichen Suche<br />
nach schwulem Leben in der Stadt<br />
St. Gallen haben wir das Weite gesucht<br />
– und sind aufs Land raus.<br />
Genauer gesagt ins Toggenburg, in<br />
die Gemeinde Neckertal. Da liegt<br />
über dem Dörfchen Ebersol die Alp<br />
W<strong>im</strong>pfel. Ab Ebersol ist das Strässchen<br />
mit Fahrverbot belegt.<br />
Wer die beiden Alpbewirtschafter<br />
Marc Hasler und Werner Lüönd besuchen<br />
will, muss 30 bis 40 Minuten<br />
zu Fuss gehen. So auch ich. Es ist<br />
einer dieser noch aussergewöhnlich<br />
milden, sonnigen Novembertage.<br />
Alles wie aus dem Bilderbuch. Ausser<br />
der Bauer in Gummistiefeln und<br />
-schürze auf halbem Weg zur Alp. Er<br />
leert vor dem <strong>Winter</strong> die Jauchegrube<br />
und spritzt die Brühe volles Rohr<br />
in hohem Bogen auf den Wiesenabhang<br />
neben der Strasse. Ein kleiner<br />
Windstoss just auf gleicher Höhe und<br />
ich bekomme einen Sprühregen des<br />
Stallparfums ab. Kurz vor der Alp<br />
versperren noch einige Kühe den<br />
Weg. Gut zureden, streicheln, beiseite<br />
schieben und weiter gehts. Bald<br />
sitze ich bei den beiden Älplern an<br />
der wärmende Novembersonne vor<br />
der Alpstube. Ich stelle meine Frage:<br />
«Wie kommen zwei Schwule dazu,<br />
eine Alp zu bewirtschaften und wie<br />
lebt es sich als Schwuler da oben»?<br />
«Es lebt sich gut.» Ein zufriedener<br />
Ausdruck in beiden Gesichtern untermauert<br />
Werners Aussage. Er ergänzt:<br />
«Man darf einfach das Schwulsein<br />
nicht penetrant vor sich her tragen ...<br />
so hat man keine Probleme und man<br />
wird akzeptiert. Direkt fragt da oben<br />
aber auch keiner danach.»<br />
In der über 100-jährigen Geschichte<br />
der Alpgenossenschaft waren bisher<br />
insgesamt zwei Duzend Alphirte<br />
angestellt. Viele davon nur für einen<br />
Sommer. Meist einzelne Männer.<br />
Mitte der achtziger bis in die neunziger<br />
Jahre hielt es ein Ehepaar ganze<br />
13 Jahre aus da oben. Nun wollen<br />
Marc und Werner alle Rekorde brechen.<br />
In vier Jahren werden sie diesen<br />
zeitlichen Rekord gebrochen haben.<br />
Einzigartig sind sie bereits als<br />
schwules Paar. Ausserdem sie sind<br />
die ersten, die aus der Alp auch einen<br />
bewirtschafteten Ausflugsort gemacht<br />
haben. Mit Stolz erwähnen sie in diesem<br />
Zusammenhang, dass ihre Alpstube<br />
<strong>im</strong> Wanderbuch «Die schönsten<br />
Alpwirtschaften der Schweiz» auf<br />
der Titelseite steht.<br />
FOTOS: ZVG<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
15<br />
SO IDYLLISCH ES AUF DER ALP AUCH<br />
SEIN MAG – DIE ARBEIT IST HART UND<br />
EINE TÄGLICHE HERAUSFORDERUNG.<br />
Zur Alpgenossenschaft gehört die<br />
Liegenschaft mit Stall und Wohnhaus,<br />
in dem auch die «Alpstube» untergebracht<br />
ist, ca. 30 Hektaren Weidland<br />
und 26 Hektaren Wald.<br />
Im Sommer gilt es, 85 Rinder zu<br />
betreuen. Dafür wurde 2006 ein neuer<br />
Alphirt gesucht. Die beiden haben<br />
sich beworben und Marc als Verantwortlichen<br />
vorgeschlagen. Denn<br />
er ist gelernter Forstwart und hatte<br />
schon damals Alperfahrung. Der<br />
heute 35-jährige, <strong>im</strong> aargauischen<br />
Schmiedrued Aufgewachsene, war in<br />
den Jahren nach dem Lehrabschluss<br />
als Hirt tätig. Einen Sommer lang mit<br />
Geissen und Mutterkühen <strong>im</strong> Puschlav.<br />
Danach zweit Mal <strong>im</strong> Unterland<br />
auf der <strong>Winter</strong>weide. Dazwischen<br />
wieder als Schafhirt auf der Alp. Auf<br />
der <strong>Winter</strong>weide in Adliswil (weitab<br />
vom Zürcher Nachtleben) hat er den<br />
Bauernsohn Werner kennengelernt,<br />
mit dem er nun seit fünf Jahren in eingetragener<br />
Partnerschaft lebt.<br />
Bei der Anstellung für die Alp<br />
W<strong>im</strong>pfel hat das Thema schwul kaum<br />
interessiert. Einer der Verantwortlichen<br />
wusste davon und meinte, das<br />
sei Privatsache. Andere wiederum<br />
wussten es oder wollten es nicht wissen.<br />
Die Eintragung der Partnerschaft<br />
machte dann vieles klarer. Werner erzählt:<br />
«Ja, das war ein Anlass, der zu<br />
reden gab. Wir haben natürlich viele<br />
Leute eingeladen, die wir hier kennen.<br />
Es waren auch etliche Stammgäste<br />
dabei. Eine Absage bleibt uns<br />
BEI DER ANSTELLUNG<br />
HAT DAS THEMA SCHWUL<br />
KAUM INTERESSIERT.<br />
allerdings in Erinnerung: ‹Wir wollen<br />
und können nicht teilnehmen›.<br />
Ansonsten aber erleben wir viel Positives.<br />
Im ersten Jahr wollten etliche<br />
einfach schauen, wie zwei Schwule<br />
aussehen.» Marc lacht und ergänzt:<br />
«Ich denke mir manchmal, viele waren<br />
etwas enttäuscht.» Ja, die beiden<br />
wirken eben bodenständig und sind<br />
inzwischen mit der Gegend verwurzelt.<br />
Werner wollte man sogar <strong>im</strong><br />
Gemeinderat. Aber mehr Aufgaben<br />
können weder er noch Marc übernehmen.<br />
Auf die Frage, ob sie von ihrer Arbeit<br />
gut leben können, gibts eine kurze<br />
Antwort mit einer langen Ergänzung.<br />
«Ja wir können davon leben, weil wir<br />
viel arbeiten. Hauptaufgabe ist die<br />
Alp. Das beginnt <strong>im</strong> Frühling mit dem<br />
Einzäunen des ganzen Alpgebietes.<br />
Fünf Monate lang auf die anvertrauten<br />
Tiere aufpassen. Zusätzlich führen<br />
wir aber auch mit eigenen Kühen<br />
eine kleine, 10 Hektaren grosse Landwirtschaft.<br />
Wir haben ausserdem<br />
Schweine, Hühner und Gänse. Das<br />
ganze Jahr hindurch bewirten wir<br />
am Wochenede Gäste in der Alpstube.<br />
Marc geht <strong>im</strong> Herbst mosten, <strong>im</strong><br />
<strong>Winter</strong> holzen. Beide zusammen haben<br />
in Wattwil noch die Hauswartung<br />
von 110 Wohnungen übernommen.<br />
Werner arbeitet einmal in der Woche<br />
in Zürich in einem Projekt für schwer<br />
erziehbare Jugendliche. Er leitet jeweils<br />
drei von 30 Jungendlichen an,<br />
wie man für 30 Leute einen Mittagstisch<br />
macht. Werner ist gelernter<br />
Koch. Doch auf der Alp oben sind die<br />
Rollen anders verteilt. Da steht er am<br />
Wochenende vorne <strong>im</strong> Service und<br />
kümmert sich um die Gäste. Marc,<br />
der Introvertierte, steht in der Küche.<br />
«Bei unserem Angebot braucht<br />
es auch keinen gelernten Koch in der<br />
Küche. Es gibt kalte Plättli mit Fleisch<br />
und Käse. Oder Raclette, Fondue und<br />
Käseschnitten», erklärt Werner.<br />
Auf all die Nebentätigkeiten sind<br />
die beiden <strong>im</strong> Moment noch angewiesen.<br />
Werner erläutert: «Wir können<br />
zwar gar nicht viel Geld ausgeben<br />
für irgendwelche Vergnügen, da wir<br />
dafür keine Zeit haben. Aber wir haben<br />
viel investiert. Be<strong>im</strong> Einzug auf<br />
der Alp war das Haus leer. Auch für<br />
die Gaststube und die Küche mussten<br />
wir alles Mobiliar und die Apparate<br />
anschaffen. Und vor allem sämtliche<br />
Fahrzeuge und Maschinen, die es<br />
zur Bewirtschaftung der Alp, des<br />
Landwirtschaftbetriebes und zum<br />
Holzen braucht. Nicht zu vergessen,<br />
wir brauchen einen Schneepflug, um<br />
den Weg auch <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> offen halten<br />
zu können. Auf dieser Höhe kann es<br />
gut mal einen Meter Schnee geben.»<br />
Ob Sie je hier wegziehen würden?<br />
Nein sagen beide und Marc betont:<br />
«ich gehe erst, wenn sie mich rausund<br />
runtertragen.» Werner sieht es<br />
so: «Ich hoffe, dass sich in ein paar<br />
Jahren die Investitionen rechnen und<br />
wir die Nebenjobs nach und nach<br />
aufgeben können. Dann geniessen<br />
wir unsere Alp und Alpwirtschaft.»<br />
Man spürt es, trotz «chrampfen» und<br />
null Ferien sind die beiden mit ihrem<br />
Leben zufrieden.<br />
Sie lieben ihre Alp – und sich.<br />
SCHWUL AUF DEM LAND<br />
In unserer losen Serie stellen wir schwule<br />
Lebensentwürfe auch ausserhalb der<br />
grossen Ballungszentren vor. Wie lebt<br />
es sich schwul auf dem Land? «<strong>Cruiser</strong>»<br />
möchte es wissen. Schreib uns direkt an<br />
die Redaktion: haymo@cruisermagazin.ch<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
16<br />
SERIE<br />
«CRUISER» REIST<br />
«CRUISER» REIST:<br />
JOURNEYLICIOUS<br />
Jenny und Tanja gehen auf Weltreise. Die beiden sind für ein Jahr unterwegs und<br />
berichten regelmässig in unserer Rubrik «<strong>Cruiser</strong> reist». Bei Redaktionsschluss waren<br />
die beiden gerade <strong>im</strong> Flugzeug und dort fällt das Bloggen doch eher schwer –<br />
bzw. das Übermitteln des Textes.<br />
Der erste Stopp der Weltreise ist<br />
Singapur; die ersten Eindrücke gibts<br />
exklusiv auf www.cruiseronline.ch.<br />
FOTO: ZVG, FOTOLIA<br />
JENNY UND TANJA<br />
Jenny und Tanja berichten über ihre Reiseerlebnisse<br />
in unregelmässigen Abständen<br />
auf www.cruisermagazin.ch<br />
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CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
KOLUMNE<br />
WEISSBERGS WARME WEIS(S)HEITEN<br />
17<br />
WIESO MIR DAS CHRISTKINDLI ZU EINER<br />
NEIDNEUROSE VERHALF<br />
Kolumnistin Marianne Weissberg weiss, wie es ist, nie ganz dazu<br />
zu gehören. Und leidet drum unter einer Neidneurose. Wie es dazu<br />
kam, erzählt diese extra unfeierliche Feiertagskolumne.<br />
VON MARIANNE WEISSBERG<br />
FOTO: ZVG<br />
Unübersehbar, es ist wieder Feierzeit!<br />
Und stets bin ich schockiert,<br />
wie mein christliches<br />
Umfeld sich deswegen fertig macht.<br />
Ich muss in der «schönsten Zeit des<br />
Jahres» nicht hysterisch werden: Ich<br />
feiere «bloss» das jüdische Lichterfest<br />
Chanukka. Das kam so: 165 v. Chr.<br />
reichte ein munziges Fläschli Kerzenöl<br />
<strong>im</strong> jüdischen Tempel, den die<br />
Griechen belagerten, volle acht Tage<br />
lang. Daran erinnert heute der achtarmige<br />
Leuchter, an dem man jeden Tag<br />
eine weitere Kerze entzündet, und<br />
«KUPPELVERSUCHE, DEN<br />
SCHWULEN NEFFEN AN<br />
DIE EXTRA EINGELADENE<br />
SCHICKSE ZU BRINGEN,<br />
SCHLAGEN PEINLICH INS<br />
LEERE.»<br />
die viiiielen Geschenke, die man sich<br />
macht. Das Schönste an Chanukka ist<br />
natürlich das Kulinarische. Es duftet<br />
knoblauchig nach Gans, süsslich nach<br />
Rotkraut, die Hühnersuppe blubbert.<br />
Natürlich werde ich auch dieses<br />
Jahr von meiner christlichen Umgebung<br />
mitfühlend gefragt, was ich an<br />
Weihnachten so mache? Früher ging<br />
das bei meinen Schulfreundinnen so.<br />
Die: Was machst du an Weihnachten?,<br />
ich: Ich bin jüdisch, wir feiern<br />
Chanukka!, die: Hä, aber was macht<br />
ihr also an Weihnachten? Jüdisch<br />
sein war damals wie schwul sein, so<br />
was gab es nicht. Basta. Ich gab also<br />
klein bei und spielte be<strong>im</strong> Krippenspiel<br />
<strong>im</strong> gestärkten Nachthemd den<br />
Engel ganz hinten, durfte sogar falsch<br />
blockflöten, also war ich irgendwie<br />
auch dabei. Oder doch nicht? Denn<br />
be<strong>im</strong> mehrbesseren Hauptpersonal<br />
vorn an der Krippe durfte ich NIE<br />
mitmischen. Das gebar ein Neidgefühl,<br />
das nonstop in mir brennt. Alles<br />
wegen dem gojischen Christchindli,<br />
dem eingebildeten.<br />
Heutzutage muss ich gottlob nirgendwo<br />
mehr mitmachen und kann<br />
seelenruhig observieren, bei euch:<br />
Man ist depr<strong>im</strong>iert, wenn man eingeladen<br />
ist, weil man nicht gehen<br />
will, und wenn man nicht eingeladen<br />
wird, leidet man noch viel mehr und<br />
geniesst das nicht einmal ordentlich,<br />
so wie wir Juden/Jüdinnen das tun.<br />
Man fürchtet sich bei euch vor schönen<br />
Familienkrächen, weil Weihnachten<br />
ein Fest der Liebe sein muss.<br />
Schnarch. Solchen Schmarren gibt<br />
es bei uns nicht. Tränen und Kräche<br />
gelten als normal: Mutter in Kochschürze<br />
heult, Vater mit Fleck auf der<br />
Krawatte brüllt, Kinder kreischen.<br />
Kuppelversuche, den schwulen Neffen<br />
an die extra eingeladene Schickse<br />
zu bringen, schlagen peinlich ins Leere.<br />
Einmal entflammte in meinem Elternhaus<br />
der ganze Esstisch, auf dem<br />
mein Vater Dosenananas mit zu viel<br />
Schnaps flambierte. Ich liebte unser<br />
Chanukka-Chaos!<br />
Doch ich will ja nicht weiter auf<br />
Apartheid machen in Sachen Feiern.<br />
Wie wärs mit einer feinen Por-<br />
SO ENGELHAFT FEINGEMACHT<br />
SAH KLEIN FRAU WEISSBERG AUS<br />
AN CHANUKKA.<br />
tion Toleranz? In Amerika, wo sich<br />
die Ethnien gemixt haben, hat man<br />
längst alle falsche Hemmungen verloren,<br />
da feiert man gemeinsam Happy<br />
Weihnukka. Alle mit allen, egal, woran<br />
man glaubt, wer oder was man<br />
ist oder auch nicht. Und so haben alle<br />
etwas davon: Lametta und Leuchter.<br />
Dramatik und Depressionen. Gans<br />
und Turkey. Vielleicht mache ich so<br />
was heuer auch. Hier, bei mir. Denn<br />
<strong>im</strong>mer bloss neidisch sein, weil ich<br />
nicht dabei sein durfte, ist auch nicht<br />
so toll. In diesem Sinne, auch gleich<br />
noch ein gleichberechtigtes Happy<br />
New Year!!!<br />
MARIANNE WEISSBERG<br />
Ist Historikerin, Autorin & Inhaberin<br />
des Literaturlabels Edition VOLLREIF<br />
(www.vollreif.ch).<br />
Ihre Werke u. a. «Das letzte Zipfelchen<br />
der Macht» oder die Kolumnenkollektion<br />
«Tränen ins Tiramisu» sind mittlerweile<br />
schon fast Kult.<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
18<br />
KULTURTIPPS<br />
SCHWEIZ<br />
WENN DER WEIHNACHTSMANN<br />
ZWEIMAL KLINGELT<br />
KYLIE BEGLÜCKT<br />
ALLE FANS MIT EINEM<br />
WEIHNACHTSALBUM<br />
Am 13. November ist das<br />
neue Weihnachtsalbum «Kylie<br />
Christmas» des australischen<br />
Superstars Kylie Minogue<br />
erschienen. Auf dem Album<br />
finden sich hochkarätige<br />
Gäste wie z. B. die Rock-Ikone<br />
Iggy Pop.<br />
Dieses Jahr macht die australische<br />
Queen of Pop, Kylie Minogue, ihren<br />
treuen Fans ein ganz besonderes<br />
Weihnachtsgeschenk: Ein Weihnachtsalbum,<br />
das den Bogen von<br />
sinnlichen Stücken bis hin zu mitreissenden<br />
Disco-Nummern spannt. Ein<br />
toller Mix für jedes Weihnachtsfest.<br />
Fast alle Stücke auf «Kylie Christmas»<br />
wurden erneut von Steve Anderson<br />
produziert. Auf dem Album<br />
finden sich einige interessante Stücke,<br />
z. B. hat Kylie gemeinsam mit<br />
ihrer Schwester Dannii Minogue den<br />
Song «100 Degrees» aufgenommen,<br />
der ein potenzieller Weihnachts-Discoklassiker<br />
werden könnte. Oder<br />
den Evergreensong «Santa Claus is<br />
Coming to Town», bei dem die unsterbliche<br />
St<strong>im</strong>me von Frank Sinatra<br />
erklingt.<br />
Auf der Standard-Edition sind<br />
neben lieb gewonnenen Klassikern<br />
und handverlesenen Remakes drei<br />
brandneue Tracks vertreten. Auf der<br />
Deluxe-Edition sind noch drei weitere<br />
Exklusivsongs enthalten. Ein mit<br />
22 Songs prall gefülltes Doppelalbum,<br />
das man nicht nur Kylie Fans unter<br />
den Weihnachtsbaum legen kann. <br />
BEHAVE – ANYTHING<br />
BUT STRAIGHT<br />
Im Januar wird<br />
in Friedas Büxe gefeiert.<br />
Die Gay-Party <strong>im</strong> Club be<strong>im</strong> Albisriederplatz<br />
hat Tradition und erfreut<br />
sich grosser Beliebtheit. Dies dürfte<br />
zu einem grossen Teil auf die warme<br />
Atmosphäre <strong>im</strong> Club und die verspielte<br />
Dekoration zurückzuführen sein.<br />
So können <strong>im</strong> Club, <strong>im</strong> Ruheraum<br />
oder <strong>im</strong> Fumoir <strong>im</strong>mer wieder neue<br />
Sachen entdeckt werden. Aber auch<br />
musikalisch hebt sich die Party von<br />
den meisten anderen Gay-Partys ab.<br />
Mit ansprechendem Deep House von<br />
lokalen DJ-Grössen und internationalen<br />
Gästen beweist Behave, dass die<br />
Gay-Community auch heute noch am<br />
Puls der Zeit ist. Tante Frieda freut<br />
sich auf jeden Fall jetzt schon auf eine<br />
bunte Party!<br />
15. Januar <strong>2016</strong>, ab 23.00 Uhr<br />
Frieda’s Büxe<br />
Friedaustr. 23<br />
8003 Zürich<br />
PARADISE GARAGE –<br />
SUPERMARKET<br />
Lasst uns gemeinsam am<br />
Freitag, den 4. Dezember,<br />
gebührend den Paradise-<br />
Jahresabschluss feiern!!<br />
Benannt nach dem legendären und<br />
gleichnamigen New Yorker Club, notabene<br />
eine der Wiegen der Housemusic,<br />
gastiert das Label Paradise Garage<br />
jeweils einmal <strong>im</strong> Monat <strong>im</strong> Backsteingemäuer<br />
an der Geroldstras se, um<br />
den Geist seines berühmten Namensverwandten<br />
aus Übersee auferstehen<br />
zu lassen.<br />
Seit fast drei Jahren können die Angehörigen<br />
und Freunde der Gay-Community<br />
hier gemeinsam feiern und<br />
zwar wie zu 80’s-Pionierzeiten <strong>im</strong><br />
New Yorker Village. Eine Tradition,<br />
die auch in den kommenden Jahren<br />
gepflegt und gehegt werden wird.<br />
FOTOS: PD<br />
CRUISER DEZMBER <strong>2015</strong>
19<br />
Zudem sorgen diverse An<strong>im</strong>ationen<br />
für eine spannende Unterhaltung.<br />
Für Adam, Eva & friendly people. <br />
Um einen reduzierten Eintritt zu<br />
erhalten, schreibe einfach eine Message<br />
mit dem Keyword «Paradise»<br />
per WHATSAPP an 076 813 0 222<br />
oder per SMS an 079 807 10 30<br />
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ENGLISCHE RUDER-<br />
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SICH FÜR EINEN<br />
GUTEN ZWECK AUS<br />
Nicht nur viel Aufsehen erregen,<br />
sondern auch etwas für<br />
einen guten Zweck tun, das<br />
erreicht jedes Jahr die mittlerweile<br />
über England hinaus<br />
bekannte Rudermannschaft<br />
der englischen Universität von<br />
Warwick mit ihrem Nackt-Kalender.<br />
«Wir haben mit dem Kalender angefangen,<br />
um Geld für unseren Club zu<br />
sammeln.» So beginnt der Clip, den<br />
die Ruderer der «Warwick Rowers»<br />
für ihren Kalender <strong>2016</strong> online gestellt<br />
haben. Sehr schnell merkte die<br />
Rudermannschaft, dass ihr Kalender<br />
nicht nur grossen Anklang bei Frauen<br />
fand, sondern auch in der Gay-Community.<br />
Und deshalb spendet diese<br />
sympathische Mannschaft auch 10<br />
Prozent der Gewinne vom Verkauf<br />
des Kalenders an die Initiative «Sport<br />
Allies», die sich gegen Homophobie<br />
<strong>im</strong> Sport einsetzt. <br />
Unter folgendem Link kann man<br />
den Trailer sehen und auch den<br />
Kalender bestellen: http://www.<br />
warwickrowers.org/new-for-<strong>2016</strong>/<br />
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Wir sagen Euch Danke, auch in diesem Jahr –<br />
und stossen an auf ein Neues in der ip- op-Bar.<br />
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20<br />
SERIE<br />
HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE<br />
UND LITERATUR<br />
DER SCHÖNE<br />
UND DAS BIEST<br />
Darius III war der stolze Perserkönig und baute sich mit Persepolis eine<br />
eigene Stadt. Zudem war er ein ausnehmend hübscher König. Das wusste<br />
auch Alexander der Grosse, der eine kurze Liaison mit dem Regenten einging.<br />
Und schliesslich Persepolis aus Eifersucht komplett abfackelte.<br />
PERSEPOLIS GEHÖRT<br />
ZUM UNESCO-WELTERBE
21<br />
DAS «TOR ZUR WELT».<br />
HIER MUSSTE SEINERZEIT AUCH<br />
ALEXANDER DURCHREITEN.<br />
JEDEN TAG STRÖMEN TAUSENDE<br />
NACH PERSEPOLIS. ZU SEHEN GIBTS<br />
PRIMÄR STEINE.<br />
VON MOEL MAPHY<br />
FOTOS: TEAM CRUISER<br />
Die altpersische Residenzstadt<br />
Persepolis war eine der Hauptstädte<br />
des antiken Perserreichs<br />
unter den Achämeniden und wurde<br />
520 v. Chr. von Dareios I. <strong>im</strong> Süden<br />
des heutigen Irans in der Region Persis<br />
gegründet. Der Name «Persepolis»<br />
stammt aus dem Griechischen<br />
und bedeutet «Stadt der Perser». Soweit<br />
also die allseits beliebte Wikipedia-Enzyklopädie.<br />
Guckt man sich<br />
die Ruinen an, sieht man eigentlich<br />
nicht viel mehr als Steine (wobei man<br />
ja von einer Ruine auch nichts anderes<br />
erwartet). Damals muss die Stätte<br />
aber ziemlich fantastisch ausgesehen<br />
haben. Denn Persepolis bestand aus<br />
über 14 Gebäuden und diese sind unter<br />
anderem von König Darius und<br />
seinen Nachfolgern Darius II und III<br />
errichtet worden. Die Geschichtsbücher<br />
wissen weiter, dass die Palaststadt<br />
330 v. Chr. durch Alexander den<br />
Grossen zerstört wurde. Nur, warum<br />
er das getan hat … darüber munkelt<br />
man noch heute und es gibt verschiedene<br />
Erklärungsversuche. Im Iran<br />
scheint aber ziemlich klar, was der<br />
Grund war.<br />
DARIUS III WAR EIN<br />
ÄUSSERST ATTRAKTIVER KÖNIG<br />
Darius III war – so viel weiss man –<br />
ein äusserst gut aussehender König.<br />
Alexander weniger. Dafür enorm<br />
mächtig und – auch das ist bekannt<br />
– mehr oder weniger offen schwul.<br />
KÖNIG DARIUS HATTE<br />
DIE SCHICKEREN OUTFITS<br />
ALS ALEXANDER.<br />
Im heutigen Iran geht die abgekürzte<br />
Version der ganzen (wirklich<br />
eeeeeeepischen Geschichte) rund um<br />
Persepolis in etwa so: Darius III und<br />
Alexander waren für kurze Zeit ein<br />
Paar, Darius III hatte zudem definitiv<br />
die tolleren Outfits und den besseren<br />
Look als Alexander. Darius III verliess<br />
HOMOSEXUALITÄT<br />
IN GESCHICHTE UND<br />
LITERATUR<br />
Mehr oder weniger versteckt findet sich<br />
das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte,<br />
der Politik, in antiken Sagen<br />
und traditionellen Märchen – in der<br />
Literatur ganz allgemein – <strong>im</strong>mer wieder.<br />
<strong>Cruiser</strong> greift einzelne Beispiele heraus,<br />
würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie<br />
in zeitgenössische Zusammenhänge und<br />
wünscht bei der Lektüre viel Spass –<br />
und hie und da auch neue oder zumindest<br />
aufgefrischte Erkenntnisse. Diese Folge<br />
befasst sich mit einem Freundespaar, das<br />
in einem Krieg mitmischt.<br />
Alexander, dieser war sauer und fackelte<br />
Persepolis aus Rache kurzerhand<br />
ab.<br />
DARIUS III WAR AUCH<br />
EIN NETTER KÖNIG<br />
Wikipedia stellt fest: «Ein Gutes hat<br />
der Brand bewirkt: Durch das Feuer<br />
wurden etwa 30 000 Tontafeln gehärtet<br />
und blieben über 2500 Jahre<br />
bestens erhalten. So können heutige<br />
Archäologen viele Details nachlesen,<br />
bis hin zur Buchhaltung der Stadtverwaltung.<br />
Von der Leibesbeziehung<br />
steht allerdings nichts auf diesen Täfelchen.»<br />
Immerhin. Darius war nicht<br />
nur ein hübscher König, sondern auch<br />
ein netter. Denn: Auf den Tontäfelchen<br />
steht klar geschrieben, dass Persepolis<br />
nicht durch Sklaven erbaut worden<br />
ist. Viele der Inschriften enthalten<br />
nämlich Notizen über Essensrationen<br />
und Vergütungen der Arbeiter, welche<br />
aus dem ganzen Land extra für dieses<br />
Riesenprojekt nach Persepolis bestellt<br />
worden waren. Und best<strong>im</strong>mt durfte<br />
der eine oder andere Arbeiter auch in<br />
Darius III Gemach (oder Gemächte?)<br />
übernachten.<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
22<br />
KOLUMNE<br />
MICHI RÜEGG<br />
KEVIN UND THIERRY –<br />
EINE HOMESTORY<br />
Der Schwule ist urban, wählt links und hat einen kreativen Beruf.<br />
Klischees wie diese sind der Grund, weshalb wir uns nicht<br />
aus unserem uns zugedachten gesellschaftlichen Korsett befreien<br />
können, findet Michi Rüegg. Und er holt aus.<br />
VON MICHI RÜEGG<br />
Schwulsein, so liest man hier und<br />
dort, soll ja heute in breiten Kreisen<br />
als normal gelten. Trotzdem<br />
beschleicht den durchschnittlichen<br />
«<strong>Cruiser</strong>»-Leser bei der Lektüre einer<br />
durchschnittlichen «<strong>Cruiser</strong>»-Ausgabe<br />
bisweilen das Gefühl, so etwas<br />
wie «normale Homosexuelle» gebe es<br />
nicht. Auch der Verfasser dieser Zeilen<br />
wehrt sich vehement gegen den<br />
Vorwurf, normal zu sein.<br />
Wir haben es aber nach monatelangen<br />
intensiven Recherchen gefunden:<br />
das ganz normale schwule<br />
Paar. Kevin und Thierry, beide Mitte<br />
Zwanzig, leben in einem ganz normalen<br />
Vorort von Zürich, in einer ganz<br />
normalen Wohnsiedlung mit Gartensitzplatz.<br />
Während sich Kevin mit<br />
Hingabe um die Begonien (sie blühten<br />
heuer besonders schön) kümmert,<br />
schwingt Thierry den Kochlöffel und<br />
bekommt mit dem Staubsauger wie<br />
kein Zweiter die engsten Ecken nicht<br />
nur sauber, sondern rein.<br />
Kein Mahagoniparkett, kein opulenter<br />
geschliffener Marmor ziert den<br />
Boden. Nein, schlichte Keramikplatten<br />
zeugen davon, dass praktisches<br />
Denken und häusliche Harmonie hier<br />
<strong>im</strong> Einklang zueinander stehen. Und<br />
das einzige Leder <strong>im</strong> ganzen Haushalt<br />
ist nicht schwarz, sondern die rote<br />
Couch von Möbel Schubiger <strong>im</strong> mit<br />
viel Liebe und lustigen Keramikfigurinchen<br />
dekorierten Wohnz<strong>im</strong>mer.<br />
Obschon Thierry und Kevin zu einem<br />
«DIE PASSEN DOCH NICHT<br />
HIERHER ZU UNS.»<br />
gewissen Grad einen Migrationshintergrund<br />
haben (Kevins Vater hat seine<br />
Mutter in einer Kontaktbar in Pattaya<br />
kennengelernt, Thierrys Vater<br />
floh als Kind aus Ungarn), fühlen sie<br />
sich als echte Schweizer. Als Halbasiate<br />
hat Kevin eh nicht so viele Haare<br />
am Körper, sein Schamhaar stutzt<br />
er jeweils auf anderthalb Zent<strong>im</strong>eter.<br />
Thierry rasiert sich ganz, lässt aber<br />
am Kinn einen neckischen Ziegenbart<br />
stehen, der – so ist der gelernte Elektromonteur<br />
sich sicher – ihm einen<br />
vernünftigen Heterolook verpasst.<br />
Sorgen bereitet den beiden, dass ihre<br />
Gemeinde in einer nahen Zivilschutzanlage<br />
Flüchtlinge unterbringen will.<br />
«Die passen doch nicht hierher zu<br />
uns», findet Thierry, und Kevin nickt.<br />
Er befürchtet, dass die Ausländer seinen<br />
Audi A3 mit Speziallackierung,<br />
den er aus Kostengründen nicht in<br />
der Tiefgarage, sondern in der blauen<br />
Zone parkt, beschädigen könnten.<br />
Überhaupt, findet Thierry, Kevin<br />
sei ja quasi als Halb-Thai eine grosse<br />
Ausnahme, denn eigentlich stehe er<br />
nur auf Weisse. Nein, den Eritreern<br />
und Syrern, die man ihnen da vors<br />
Haus setzt, denen würden sie sicher<br />
nicht nachschauen. Und wenn, dann<br />
nur um sicherzugehen, dass sie be<strong>im</strong><br />
Nachbarn nicht durchs offene Fenster<br />
steigen. Männern nachzusehen, das<br />
sei eh nicht so ihr Ding, finden die<br />
beiden. «Nur weil wir schwul sind,<br />
müssen wir ja nicht untreu sein», findet<br />
das Paar unisono. Das sei eines<br />
dieser Klischees der Szene, mit der<br />
sie sowieso nichts anfangen könnten.<br />
Auch Paraden wie die «Pride» seien<br />
nicht ihr Ding, wie sie versichern.<br />
«Was ist daran politisch, wenn man<br />
in bunten Kleidern ...» – Kevin wird<br />
von Thierry unterbrochen: «... oder<br />
ohne!» – «Oder ohne! Ohne Kleider für<br />
Rechte demonstriert.» Nein, nein, das<br />
würden die beiden nie tun. Viel eher<br />
sind sie stolz darauf, dass sie be<strong>im</strong><br />
Hearing <strong>im</strong> Gemeindehaus, bei dem<br />
es um die geplante Flüchtlingsunterkunft<br />
ging, aufstanden und erzählten,<br />
dass sie sich als Schwule nicht mehr<br />
sicher fühlen würden, wenn da überall<br />
Musl<strong>im</strong>e rumliefen.<br />
Mit ihrem Anderssein stossen sie<br />
jedoch just bei Schwulen auf Ablehnung.<br />
Etwa als Thierry sich weigerte,<br />
be<strong>im</strong> Betriebsausflug nach Köln<br />
einen schwulen Arbeitskollegen in<br />
eine Gaybar zu begleiten. Oder als<br />
sich eine Gruppe Tunten am Zürihorn<br />
darüber lustig machte, dass Kevin <strong>im</strong><br />
Jahr <strong>2015</strong> noch <strong>im</strong>mer Abercrombie<br />
& Fitch trägt. «Das ist so verletzend»,<br />
sagt er.<br />
Es ist bedenklich, um nicht zu sagen<br />
skandalös, dass ausgerechnet ein<br />
Paar, das die Normalität auf dermassen<br />
schwule Weise vorlebt, in den eigenen<br />
Reihen nichts als Ausgrenzung<br />
erfährt. <br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
Ich suche nicht irgendwen,<br />
daher suche ich auch nicht irgendwo.
24<br />
THEMA<br />
OUTING IM VATIKAN<br />
OUTING IM<br />
VATIKAN<br />
Papst Franziskus ist angetreten, die katholische Kirche zu reformieren.<br />
Auch wenn er offener und moderner ist als etliche Vorgänger, ist es fraglich, ob<br />
er als grosser Reformer in die Geschichte eingehen wird. Auf ein priesterliches<br />
Outing <strong>im</strong> Vatikan folgte unvermeidlich das Verdikt. Franziskus «was not amused».<br />
VON MARTIN ENDER<br />
FRANZISKUS VERSUCHT BESCHEIDENHEIT ZU LEBEN. WAS IN<br />
DEN RÄUMLICHKEITEN DES VATIKANS EHER SCHWIERIG SEIN DÜRFTE.<br />
Doch was interessiert das die<br />
Gay-Community? Nun, zweitausend<br />
Jahre christlicher Geschichte<br />
prägen uns alle – Gläubige<br />
und Ungläubige. Der Einfluss Roms<br />
auf die gesamte Gesellschaft ist nach<br />
wie vor gross. Eine offenere Kirche<br />
(auch jene anderer Religionen) führt<br />
zu einer offeneren Gesellschaft. In diesem<br />
Sinne interessiert es schon, wie<br />
Rom gedenkt, in Zukunft mit Homosexuellen<br />
umzugehen. Vor allem aber<br />
interessiert, wie die Kirche mit dem<br />
Outing eines Priesters <strong>im</strong> Innersten<br />
des Machtzentrums umgeht.<br />
Derzeit spürt der Papst einen starken<br />
Gegenwind. Die von ihm angepackte<br />
Kurienreform und die eben<br />
abgeschlossene Familiensynode machen<br />
einmal mehr deutlich, wie stark<br />
die konservativen Kräfte innerhalb<br />
der Kirche sind. Franziskus propagierte<br />
von Anfang an den Begriff einer<br />
«armen Kirche» und lebt die Bescheidenheit<br />
auch vor – <strong>im</strong> Gegensatz zum<br />
bisherigen Purpur- und Goldpomp <strong>im</strong><br />
Vatikan. Gerade mal ein gutes Jahr<br />
<strong>im</strong> Amt, musste er jedoch mitansehen,<br />
wie sich Bischof Tebartz-van<br />
Elst <strong>im</strong> deutschen L<strong>im</strong>burg sich seine<br />
Residenz für 31 Millionen ausbauen<br />
liess. Die Kurie, die Gesamtheit der<br />
päpstlichen Behörden, sträubt sich<br />
gegen Franziskus’ Reformen. Es geht<br />
um Macht, Geld und Privilegien. So<br />
sind denn auch seine scharfen Worte<br />
zu verstehen, die er Weihnachten<br />
2014 an die Kurienmitglieder richtete.<br />
Intrigen und Karrierestreben hätten<br />
die Kurie mit «geistlichem Alzhe<strong>im</strong>er»<br />
infiziert. Sie müsse sich ändern:<br />
«Eine Kurie, die sich nicht selbst hinterfragt,<br />
die sich nicht modernisiert,<br />
die sich nicht bessert, ist krank», sagte<br />
der Papst.<br />
Seine gelebte Bescheidenheit und<br />
der Versuch des Aufräumens in der<br />
Kirche, weckten Hoffnungen auf eine<br />
Modernisierung und eine Anpassung<br />
der Kirche an die heutige Lebensweise<br />
der Gläubigen. Mit der Bischofssynode<br />
wollte Franziskus zudem eine<br />
Diskussion anstossen zu den Themen<br />
Familie und Sexualethik. Dabei trat <strong>im</strong><br />
Vorfeld und in der Berichterstattung<br />
<strong>im</strong>mer wieder die Frage auf: Wird die<br />
katholische Kirche konzilian ter <strong>im</strong><br />
Umgang mit geschiedenen Gläubigen<br />
und mit Homosexuellen?<br />
Der zweite Teil der Bischofssynode<br />
in Rom hat die Hoffnungen, die <strong>im</strong><br />
ersten Teil geweckt wurden, begraben.<br />
Die deutschsprachigen Bischöfe<br />
kamen nicht gegen die konservativen<br />
Kräfte an. Manche Synodenteilnehmer<br />
trauten ihren Ohren nicht, als<br />
Kardinal Robert Sarah aus Guinea<br />
sagte: «Was Nazi-Faschismus und<br />
FOTOS: PD, FOTOLIA<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
25<br />
VIELLEICHT WIRDS JA IRGENDWANN DOCH ETWAS BUNTER IM VATIKAN.<br />
Kommunismus <strong>im</strong> 20. Jahrhundert<br />
waren, sind die westlichen Homosexuellen-<br />
und Abtreibungsideologien<br />
und der islamische Fanatismus heute.»<br />
Die einflussreiche Gruppe konservativ-traditionell<br />
Gesinnter befürchtet<br />
durch die neuen Impulse aus dem Vatikan<br />
ein Aufweichen der Lehre oder<br />
auch den Verlust von Privilegien.<br />
270 Bischöfe und Kardinäle, dazu<br />
ein paar Dutzend Experten, geladene<br />
Beobachter und katholische Ehepaare<br />
waren <strong>im</strong> Vatikan versammelt, um<br />
über Ehe, Familie und Sexualität zu<br />
diskutieren. Sie haben einen Schlussbericht<br />
verfasst und ihn an den Papst<br />
weitergereicht. Was der nun damit<br />
macht, steht in den Sternen. Denn<br />
über dieses Papier kann sich Franziskus<br />
hinwegsetzen. Anders als das<br />
Konzil, dessen Reformbeschlüsse<br />
verbindlich sind, ist eine Synode ein<br />
reines Beratungsorgan. Aber dieser<br />
Papst wird in diesen heiklen Punkten<br />
kaum ein entscheidendes Machtwort<br />
sprechen.<br />
Die Synode stand unter einem<br />
schlechten Stern. Kurz vor dem zweiten<br />
Teil der Synode stand die zweite<br />
Vatileaks-Affäre ins Haus. «Gehe<strong>im</strong>e»<br />
Dokumente tauchten auf und wurden<br />
in zwei Büchern veröffentlicht. Die<br />
Kirchenverwaltung wird darin einmal<br />
mehr als Schlangengrube und barocker<br />
Hofstaat beschrieben. Skandalös<br />
erscheinen auch die 501 000 Euro, die<br />
der australische Kardinal George Pell<br />
allein als Spesen in nur einem halben<br />
MEHR SCHEIN ALS SEIN:<br />
DIE ALLIANZ VATIKAN –<br />
GAY-COMMUNITY<br />
IST NACH WIE VOR EINE<br />
UNHEILIGE.<br />
Jahr in Rechnung gestellt hat. Der Vatikan<br />
reagierte nervös und liess zwei<br />
mögliche Informanten verhaften.<br />
Wie hält es die katholische Kirche<br />
mit wiederverheirateten Geschiedenen<br />
und mit Homosexuellen? Über<br />
diese Fragen sollte unter anderem<br />
an der Synode diskutiert werden.<br />
Kurz vor deren Beginn <strong>im</strong> Oktober<br />
platzte dann eine Bombe: Krzysztof<br />
Charamsa, ein hochrangiger Mitarbeiter<br />
der Glaubenskongregation <strong>im</strong><br />
Vatikan, outete sich als homosexuell.<br />
Er hatte den Termin bewusst gewählt<br />
und verlas an einer Pressekonferenz<br />
seine Liste von zehn Forderungen. Er<br />
appellierte an die Synode, mit ihrem<br />
«paranoiden Handeln» gegenüber sexuellen<br />
Minderheiten ein Ende zu setzen.<br />
Es sei «unmenschlich», von Homosexuellen<br />
«totale Abstinenz» und<br />
ein «Leben ohne Liebe» zu verlangen.<br />
Er wisse, dass der Klerus «überwiegend<br />
homosexuell» sei. Dass gleichzeitig<br />
die Homophobie in der Kirche<br />
so ausgeprägt sei, erklärte er mit der<br />
mangelnden Akzeptanz der eigenen<br />
sexuellen Orientierung. Nach seinem<br />
Coming-out kündigte Charamsa ein<br />
Buch über seine Erfahrungen in der<br />
römischen Kurie an.<br />
Das war für Rom zuviel. Vatikansprecher<br />
Federico Lombardi gab<br />
umgehend bekannt, dass Charamsa<br />
seine Tätigkeit als Mitarbeiter in der<br />
Glaubenskongregation sowie seine<br />
Lehrtätigkeiten an zwei päpstlichen<br />
Hochschulen in Rom aufgeben müsse.<br />
Für die disziplinarischen Konsequenzen<br />
sei der Bischof der polnischen<br />
Diözese zuständig, aus der Charamsa<br />
stammt. Dieser Bischof, Ryszard<br />
Kasyna, verwarnte alsbald den Abtrünnigen<br />
und forderte ihn auf, «zum<br />
Amt Christi» zurückzukehren. Charamsas<br />
Äusserungen stünden <strong>im</strong> Widerspruch<br />
zum Evangelium und zur<br />
Lehre der katholischen Kirche. Am<br />
17. Oktober wurde er schliesslich von<br />
Kasyna nach Ausbleiben einer Sühne<br />
als Priester suspendiert, womit ihm<br />
gleichzeitig verboten wurde, die für<br />
römisch-katholische Priester übliche<br />
Kleidung zu tragen. Der 43-jährige<br />
Priester ist Amt und Würde los.<br />
Ob das Outing von Charamsa der<br />
innerkirchlichen Diskussion zum Thema<br />
Homosexualität dienlich war, ist zu<br />
bezweifeln. Aber Krzysztof Charamsa<br />
wird sicherlich als Lanzenbrecher für<br />
das aus seiner Sicht grosse Heer von<br />
homosexuellen katholischen Priestern<br />
in die Geschichte eingehen.<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
26<br />
KOLUMNE<br />
PIA SPATZ<br />
JETZT<br />
ERST RECHT!<br />
Pia überlegt sich, was sie tun kann, um die Welt für<br />
die Festtage zu verbessern. Oder zumindest, wie man sie<br />
verschönern könnte.<br />
VON PIA SPATZ<br />
Ihr Lieben, es weihnachtet sehr –<br />
möchte ich gerne verlauten. Zumindest<br />
sollte es das. Aber derzeit<br />
kann ich durchaus verstehen, warum<br />
Rudolf das Rentier mit ’nem Schuss<br />
durch den H<strong>im</strong>mel düst! Nicht nur,<br />
weil es den alten Karren ziehen muss.<br />
– Aber ziehen müssen wir nun alle am<br />
gleichen Strang. Jetzt erst recht. Augen<br />
auf und mit dem Zeigefinger dort<br />
drücken, wo es weh tut (bei den vielen<br />
Kosmetik-Freaks unter euch ist das ja<br />
machbar, nicht?).<br />
Beginnen wir gleich vor der Haustür,<br />
besser gesagt, in der schmucken<br />
Zürcher Bar «Les Garçons», deren<br />
kleine Bühne mir jüngst den Beginn<br />
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EIN INSERAT<br />
IM CRUISER<br />
WIRD GESEHEN<br />
zur Weltkarriere als neue Madonna<br />
ebnen sollte, aber statt Glamour gab<br />
es fiese Attacken von «vermummten<br />
Schwulenhassern» (Zitat «Blick»).<br />
Gewalt und zerbrochenes Mobiliar<br />
waren die Folge – und es verlief noch<br />
relativ gl<strong>im</strong>pflich! Das sollen oder<br />
dürfen wir uns nicht gefallen lassen.<br />
Falsche Scham gilt nicht. In meiner<br />
letzten Kolumne schrieb ich von<br />
all dem homophoben Mist, der uns<br />
um die Ohren knallt. Es ist daher kein<br />
Zufall, dass der «Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch»<br />
am 17. Dezember das Thema<br />
«Homo- und trans*phobe Gewalt»<br />
zur Sprache bringt. Die Pink-Cops<br />
präsentieren dort eine neue Studie<br />
über die Gewalterfahrung von uns<br />
Schwulen, Lesben oder Trans*menschen<br />
– aber auch über unsere Erfahrungen<br />
mit der Polizei. Sicher können<br />
mir die uniformierten Männer dort<br />
helfen, meine Wut zu dämmen. Denn<br />
oft möchte ich mich mit einer Armada<br />
von Schmutzlis zur Wehr setzen.<br />
Aber Rache steht niemandem,<br />
mir schon gar nicht. Ich vertraue<br />
schlussendlich der (Nächsten-)Liebe<br />
und selbstverständlich meiner Schokoladenseite,<br />
die bis Ende Dezember<br />
mit Sicherheit zulegen wird.<br />
An Angeboten mangelt es jedenfalls<br />
nicht, um sich in den nächsten<br />
Tagen für ein paar Stunden von der<br />
Realität abzusetzen, ohne dabei «The<br />
big Picture» aus den Augen zu verlieren.<br />
Purer Luxus, den wir uns leisten<br />
können, nicht? Die besinnliche Zeit ist<br />
bekanntlich auch als «Party- Saison»<br />
verschrien. Oder anderes formuliert:<br />
«LIBERTÉ, ÉGALITÉ,<br />
FRATERNITÉ!»<br />
Aus den Augen – aus dem Sinn? Kein<br />
Problem: Wer bei Lucie-Glitzer und<br />
Weihnachtsdrinks sämtliche Hemmungen<br />
verliert und seine Rute nicht<br />
mehr <strong>im</strong> Griff hat, der kann auch <strong>im</strong><br />
Dezember den «Checkpoint» aufsuchen.<br />
Die lieben Weihnachtselfen<br />
dort sorgen für die richtige Behandlung.<br />
Beispielsweise bei einem Filmoder/und<br />
Gummiriss. Denn eine<br />
HIV-Postexpositions-Prophylaxe, in<br />
der Umgangssprache PEP genannt,<br />
kann helfen, das Risiko einer allfälligen<br />
Übertragung von HIV zu senken.<br />
Und warten lohnt sich nicht! Eine PEP<br />
muss innerhalb von 48 Stunden nach<br />
der Risikosituation begonnen werden.<br />
Danach gibts vier Wochen lang<br />
antiretrovirale Medikamente. Und<br />
wer nun denkt, er könne sich eine<br />
dringend benötigte PEP ob all dem<br />
Shoppingstress nicht leisten, dem sei<br />
gesagt, dass die Krankenkasse die<br />
Kosten übern<strong>im</strong>mt – Ehrenwort!<br />
Wie ihr seht, wir sind in guten<br />
Händen. Es kann und muss also weihnachten.<br />
Und vielleicht darf das Rentier<br />
Rudolf den Weihnachtsmann bald<br />
wieder etwas gemächlicher kutschieren<br />
– zu gönnen wäre es ihm. Zu guter<br />
Letzt: Liberté, Égalité, Fraternité!<br />
Frohe Festtage wünscht euch Pia.
RATGEBER AIDS-HILFE 27<br />
DR.GAY<br />
Dr. Gay<br />
IST EIN BRIEF<br />
ETWAS ÜBERTRIEBEN?<br />
Ich habe <strong>im</strong> Ausgang einen 30jährigen<br />
Mann kennengelernt und mich sofort<br />
verliebt. Seither haben wir uns schon<br />
ein paar Mal gesehen. Er ist ein sehr<br />
offener und kommunikativer Typ, ich<br />
dagegen bin eher ruhig. Leider ist es<br />
schwierig, mit ihm abzumachen, da<br />
er <strong>im</strong>mer so viel um die Ohren hat.<br />
Ich möchte ihm einfach mitteilen,<br />
was ich für ihn empfinde, am liebsten<br />
mit einem Brief. Allerdings habe<br />
ich Bedenken, dass er das vielleicht<br />
nicht gut oder sogar lächerlich findet.<br />
Das Schl<strong>im</strong>mste wäre, wenn er sich<br />
gar nicht mehr melden würde. Was<br />
meinst du? Ist ein Brief nicht etwas<br />
übertrieben? Michael (41)<br />
Hallo Michael<br />
Wichtig ist, was du selber von einem<br />
Brief hältst. Wenn du ihm einen Brief<br />
schreiben möchtest, dann tue es. Das<br />
ist o.k. Sollte er das blöd finden, dann<br />
ist es eben so. Ich glaube kaum, dass<br />
eure gemeinsame Zukunft nur von<br />
einem Brief abhängt. Ich persönlich<br />
finde einen Brief zu schreiben herzig<br />
und ich würde mich gerade <strong>im</strong> Zeitalter<br />
von SMS und E-Mails darüber<br />
freuen und geschmeichelt fühlen. Vor<br />
allem, wenn er handgeschrieben ist.<br />
Aber das ist nur meine persönliche<br />
Meinung. Also: Deine Entscheidung,<br />
ob du ihm einen Brief schreibst, sollte<br />
nicht davon abhängen, ob er das gut<br />
findet oder nicht. Mache das, was du<br />
für richtig hältst und verstelle dich<br />
nicht ihm zuliebe. Du fährst dann am<br />
besten, wenn du dir selber treu bleibst<br />
und möglichst authentisch auftrittst.<br />
Alles Gute, Dr. Gay<br />
FÜR MICH<br />
GING DIE WELT UNTER<br />
Ich habe mich über einen Chat mit<br />
einem Escort getroffen. Wir haben<br />
vor dem Treff alles abgemacht und<br />
er hat mir auch versichert, gesund<br />
zu sein. Wir haben uns gegenseitig<br />
gewichst, er hat mich ger<strong>im</strong>mt und<br />
mich mit Gummi geblasen. Dabei hat<br />
er sich selber befriedigt, gekommen<br />
ist er aber nicht. Ich habe ihm dann<br />
auf sein Gesicht gespritzt. Danach<br />
hat er mich weiter intensiv ger<strong>im</strong>mt<br />
und steckte mir einen Finger rein.<br />
Er hat mich dann nochmal geblasen,<br />
diesmal ohne Gummi und bis zum Abspritzen.<br />
Zehn Tage später meldete<br />
er sich und schrieb, dass er HIV-positiv<br />
ist, aber unter Therapie. Für mich<br />
ging die Welt unter. Jetzt habe ich<br />
Panik, mich mit HIV angesteckt zu<br />
haben. Habe dann gleich einen anonymen<br />
Schnelltest gemacht, Resultat<br />
negativ. Aber hat hier überhaupt ein<br />
HIV-Risiko bestanden? Richard (33)<br />
Hallo Richard<br />
Ich kann dich beruhigen, du bist hier<br />
kein HIV-Risiko eingegangen. Nur<br />
weil du jetzt weisst, dass dein Sexpartner<br />
HIV-positiv ist, geht weder<br />
die Welt unter noch ist das Risiko<br />
grösser. Im Gegenteil, denn wenn<br />
er unter wirksamer antiretroviraler<br />
Therapie (ART) ist, ist er nicht infektiös.<br />
Im Grunde ist es egal, ob dein Sexpartner<br />
HIV-positiv oder -negativ ist:<br />
Solange du die Safer-Sex-Regeln befolgst<br />
(Ficken nur mit Kondom, kein<br />
Sperma in den Mund), musst du dir<br />
über HIV keine Sorgen machen. Mit<br />
grosser Wahrscheinlichkeit hattest<br />
du in Vergangenheit schon öfter Sex<br />
mit HIV-positiven Männern, ohne es<br />
zu wissen. Das Wissen darüber ändert<br />
eigentlich nichts, findest du nicht<br />
auch?<br />
Alles Gute, Dr. Gay<br />
DR. GAY<br />
Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />
Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />
auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />
druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />
online gestellt werden.<br />
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28<br />
SERIE<br />
PERSÖNLICHKEITEN<br />
IKONEN VON DAMALS<br />
SARAH PALIN<br />
In unserer Serie stellen wir Ikonen und Persönlichkeiten aus vergangenen Dekaden<br />
vor, berichten über gefallene Helden und hoffnungsvolle Skandalsternchen,<br />
aber auch über mutige Vorkämpfer. Sarah Palin – leidenschaftliche Schwulenhasserin<br />
– war und ist irgendwie nichts davon.<br />
VON HAYMO EMPL<br />
Fast hätte sie die Weltgeschichte<br />
geprägt. «Wikipedia» fasst ihren<br />
Werdegang so zusammen: «Sarah<br />
Louise Palin (…) ist eine US-amerikanische<br />
Politikerin. Sie ist Mitglied<br />
der Republikanischen Partei. Palin<br />
war von Dezember 2006 bis Juli 2009<br />
Gouverneurin des US-Bundesstaates<br />
Alaska und damit die erste Frau in<br />
«WIE EIN KÖNIGSLACHS<br />
AN LAND, DER NACH LUFT<br />
SCHNAPPT ...»<br />
diesem Amt. Bei der Präsidentschaftswahl<br />
2008 war sie vom republikanischen<br />
Kandidaten John McCain als<br />
Kandidatin für die Vizepräsidentschaft<br />
an seiner Seite berufen worden.»<br />
Tja, und damit hätte dann eigentlich<br />
eine tolle Karriere beginnen sollen.<br />
Ihre Ansichten ultrarechts, ihre<br />
Meinung zu den Schwulen völlig unterirdisch.<br />
Doch schon <strong>im</strong> Wahlkampf<br />
HINTER DEM HARMLOSEN LÄCHELN<br />
VERBIRGT SICH EINE EISKALTE<br />
LADY. OFFIZIELLES PRESSEBILD<br />
VON PALIN.<br />
FOTOS: PD
29<br />
entpuppte sich Palin als Luftnummer.<br />
Nach der Niederlage konnte sie ihre<br />
Infamie anfangs noch gut vermarkten<br />
mit den Bestseller-Memoiren «Going<br />
Rogue» und, für eine Million Dollar<br />
pro Jahr, als Gift sprühender Talking<br />
Head be<strong>im</strong> konservativen TV-Sender<br />
Fox News. Selbstverständlich nutzte<br />
sie auch weiterhin jede Gelegenheit,<br />
sich gegen die Schwulenehe (und das<br />
«Schwulsein» an sich) einzusetzen.<br />
Nur hört ihr kaum mehr einer zu.<br />
PALIN SUCHT IMMER<br />
WÜRDELOSERE WEGE, SICH IM<br />
GESPRÄCH ZU HALTEN<br />
Der «Spiegel» schreibt treffend: «Wie<br />
ein Königslachs an Land, der nach<br />
Luft schnappt, sucht Palin <strong>im</strong>mer<br />
würdelosere Wege, sich <strong>im</strong> Gespräch<br />
zu halten.» Sie moderierte beispielsweise<br />
die kurzlebigen Dokusoaps<br />
«Sarah Palin's Alaska» und «Amazing<br />
America». Sie feuerte Tochter Bristol<br />
in der Tanzshow «Dancing With The<br />
Stars» an. Sie gründete ihren eigenen<br />
Internetkanal, auf dem sie Kochrezepte<br />
und Schiessanleitungen anbietet<br />
und <strong>im</strong>mer wieder für Obamas<br />
Impeachment, also ein Amtsenthebungsverfahren,<br />
wirbt.<br />
In diesem Herbst dann der Palin-Eklat.<br />
Der «Spiegel» weiss: «Es<br />
begann als doppelte Geburtstagsparty.<br />
Mit einem Strassenfest feierten die<br />
Zwillinge Matt und Marc McKenna ihren<br />
Vierzigsten, Dutzende beteiligten<br />
sich an der feuchtfröhlichen Runde in<br />
Anchorage, der grössten Stadt Alaskas.<br />
Viele Gäste waren Veteranen des<br />
legendär harten Iron-Dog-Schneemobilrennens,<br />
das Marc schon viermal<br />
gewonnen hatte.»<br />
Das wollten sich auch die Palins<br />
nicht entgehen lassen. In einer Grossrauml<strong>im</strong>ousine<br />
fuhren sie vor: Sarah<br />
und Gatte Todd – seinerseits vierfacher<br />
Iron-Dog-Champion – nebst<br />
Sohn Track, Tochter Bristol und En-<br />
SARAH PALIN SIEHT HARMLOS AUS.<br />
IHRE POLITISCHE EINSTELLUNG IST<br />
ABER GEFÄHRLICH.<br />
SARAH PALIN ALS SCHÖNHEITS-<br />
KÖNIGIN UND MIT SICHTLICH<br />
FLACHEREN BRÜSTEN<br />
kel Tripp. Die frühere Kandidatin für<br />
das zweithöchste US-Amt trug patriotische<br />
Turnschuhe mit aufgesticktem<br />
Sternenbanner.<br />
«WISST IHR NICHT,<br />
WER ICH BIN?»<br />
Kurz darauf war der Teufel los: Eine<br />
blutige Schlägerei brach aus zwischen<br />
den Palins und einer anderen Gruppe.<br />
Auslöser war Zeugen zufolge eine<br />
Konfrontation zwischen Track Palin<br />
und einem Ex-Freund seiner Schwester<br />
Willow. Selbst die Ex-Gouverneurin<br />
habe sich handgreiflich beteiligt:<br />
«Wisst ihr nicht, wer ich bin?»<br />
Sarah Palin ist sich für nichts mehr<br />
zu schade, Hauptsache Schlagzeilen.<br />
Sechs Jahre nach ihrem desaströsen<br />
Wahlkampf an der Seite des Republikaners<br />
John McCain ist sie zwar aus<br />
«GUT, IST ALASKA SO<br />
WEIT WEG. IST ES DOCH,<br />
ODER?»<br />
dem Bewusstsein vieler Amerikaner<br />
– und dem ihrer Partei – verschwunden.<br />
Politisch irrelevant, sucht sie<br />
trotzdem weiter das Rampenlicht –<br />
auf <strong>im</strong>mer schrillere Weise, mit Dokusoaps,<br />
Facebook-Pöbeleien und,<br />
nun ja, der Open-Air-Rauferei Anfang<br />
September.<br />
Ein tiefer Sturz. In diesem Fall sicher<br />
nichts Schlechtes. Gut, ist Alaska<br />
so weit weg. Ist es doch, oder?
30<br />
KOLUMNE<br />
THOMMEN MEINT<br />
AUS DER WEIHNACHT<br />
GEFALLEN<br />
Als kleiner Junge bin ich darüber informiert worden, dass es das «Christkind»<br />
gar nicht gebe und es die Erwachsenen seien, die Geschenke vorbereiten.<br />
Das war anlässlich einer öffentlichen Feier, damals <strong>im</strong> Dorf. Da musste man warten,<br />
bis der Vorhang oder die Tür aufging ...<br />
VON PETER THOMMEN<br />
In Basel ist es seit Jahrzehnten Tradition,<br />
dass Beizen für Schwule und<br />
Lesben an den hohen christlichen<br />
Feiertagen offen gehalten werden.<br />
Denn «die armen Warmen» mussten<br />
ja auch irgendwohin, wenn sie schon<br />
keine eigene Familie hatten. Die traditionellen<br />
Homophilenclubs organisierten<br />
regelmässig Weihnachtsfeiern für<br />
uns, meist kurz vor dem eigentlichen<br />
Weihnachtsfest. Der Isola-Club tat das<br />
mit Beteiligung einer Pfarrersfamilie<br />
über lange Jahre hinweg. Da wurden<br />
Predigten gehalten und Weihnachtslieder<br />
gesungen ...<br />
An Weihnachten forderten heterosexuelle<br />
Familien <strong>im</strong>mer ein vollständiges<br />
Beisammensein am Tisch oder<br />
so ähnlich. Die Partner der homosexuellen<br />
Söhne waren dabei jedoch weniger<br />
gefragt. So nahm manch einer <strong>im</strong><br />
ersten Teil des Abends den «Familientürk»<br />
auf sich, um sich später dann<br />
mit seinem Liebhaber in der Schwulenbar<br />
zu treffen. Oder vielleicht als<br />
Single dort «den Mann fürs Leben»<br />
zu finden. Einsam sucht zweisam. Die<br />
einen entflohen vor ihrer eigenen Fa-<br />
milie und andere hatten quasi keinen<br />
Zutritt zu ihr an diesem Tag.<br />
Aus Heiligabend, dem 25. Dezember<br />
oder dem Stephanstag konnten<br />
sehr interessante Nächte werden.<br />
Mit alten Bekannten und neuen Unbekannten.<br />
Auch <strong>im</strong> Park traf sich<br />
die «andere Familie» und wir haben<br />
schon Glühwein oder Kaffee ausgeschenkt<br />
bei Minusgraden.<br />
Vor 26 Jahren entschloss sich Ronny<br />
in Basel, am Abend des Weihnachtstages<br />
den «Tuntenball» einzuführen, um<br />
der besinnlichen Zeit einen Schubs zu<br />
versetzen. Seine Idee war erfolgreich.<br />
Dieses Jahr hat er beschlossen, eine<br />
kreative Pause einzulegen.<br />
Manch einer hat wohl in den langen<br />
Jahrzehnten schon davon geträumt,<br />
mit seinem geliebten Partner den<br />
Weihnachtsbaum zu schmücken, mit<br />
Kindern Geschenke auszupacken und<br />
zur Mitternachtsmesse zu gehen. Wir<br />
PETER THOMMEN<br />
Peter Thommen (65), von Jugend an<br />
ausgeprägt gleichgeschlechtlich orientiert<br />
und späterhin eine Art Dokumentarist<br />
der schwulen Szene in Basel und anderswo,<br />
hat einen rosa Blick auf Geschichte<br />
und Tagesaktualitäten. Er hat <strong>im</strong> letzten<br />
Jahrhundert auch schwule Radiosendungen<br />
produziert. Trotzdem er <strong>im</strong> Kopf<br />
<strong>im</strong>mer mal den Briefkasten mit dem<br />
Papierkorb verwechselt, hat er sich fleissig<br />
durchs schwule Leben geschrieben und<br />
findet auch in alten Büchern <strong>im</strong>mer wieder<br />
überraschend Aktuelles.<br />
WER BIETET MÄNNER-<br />
LIEBENDEN MÄNNERN AN<br />
DEN FEIERTAGEN AN-<br />
REGENDE GEDANKEN AN?<br />
sind heue nah dran, viele haben diese<br />
Träume schon in die Realität umgesetzt<br />
und die christlichen oder bürgerlichen<br />
Feiertage mit ihren Ritualen<br />
gefüllt. Aber keinem käme es wohl in<br />
den Sinn, mit seiner Hetero-Familie<br />
eine Gaybar aufzusuchen, um die persönliche<br />
Freude mit denen zu teilen,<br />
die ein anderes Leben führen!<br />
Wer bietet männerliebenden Männern<br />
am heterosexuellsten christlichen<br />
Feiertag irgendwo anregende<br />
Gedanken an? Wer erklärt ihnen,<br />
dass der Dezember ursprünglich einfach<br />
ein Licht der Hoffnung auf den<br />
wiederkehrenden Frühling enthielt,<br />
und dass niemand weiss, wann der<br />
Held genau geboren worden ist? Dass<br />
die «Könige» Magier waren, die dem<br />
Stern folgten, und dass kein Könige je<br />
ohne Armee unterwegs gewesen ist?<br />
Dass die Geschenke am Dre<strong>im</strong>agiertag<br />
<strong>im</strong> Januar verteilt werden sollten,<br />
wie es in anderen Bekenntnisgruppen<br />
üblich ist? Wann endlich predigt ein<br />
heterosexueller Theologe am Heiligabend<br />
über die Liebe zwischen David<br />
und Jonathan? (1. Sam. 20, 30/41;<br />
2. Sam.1, 26 – Zürcher Übersetzung.<br />
Amen.<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
EXTERNER BEITRAG<br />
VIIV HEALTHCARE<br />
31<br />
LEUCHTENDE<br />
RED RIBBONS<br />
In Zürich und Lausanne werden anlässlich des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember<br />
Lichtprojektionen gezeigt. Die Aktionen setzen ein Zeichen der Solidarität mit<br />
Menschen mit HIV und Aids. Damit HIV und Aids nicht vergessen gehen, wird<br />
jeweils ab 18 Uhr ein riesiges Red Ribbon die Fassade des Schweizerhofs Zürich<br />
und des Tour Edipresse Lausanne erleuchten.<br />
TOUR EDIPRESSE LAUSANNE<br />
HOTEL SCHWEIZERHOF ZÜRICH<br />
UNGLEICHE VERHÄLTNISSE<br />
In der Schweiz leben rund 25 000<br />
HIV-positive Menschen. Die Neuinfektionen<br />
bewegen sich inzwischen<br />
auf tiefem Niveau und der Zugang zu<br />
HIV-Therapien ist für alle gewährleistet.<br />
Weltweit sind aber <strong>im</strong>mer noch<br />
35 Millionen Menschen von HIV betroffen.<br />
Ganze 37 Prozent davon erhielten<br />
<strong>im</strong> Jahr 2013 eine HIV-Therapie. 1 Besonders<br />
in ressourceschwachen Ländern<br />
ist die lückenlose Versorgung mit<br />
Medikamenten oft nicht gewährleistet.<br />
90-90-90-ZIELE VON UNAIDS<br />
Zur besseren Bekämpfung von HIV<br />
bis 2020 setzt UNAIDS deshalb auf<br />
drei Ebenen an: Ziel Nummer eins<br />
ist, dass 90 Prozent der HIV-positiven<br />
Menschen weltweit ihren Status<br />
kennen. 2 Von dieser Gruppe sollen<br />
90 Prozent Zugang zu einer adäquaten<br />
Therapie erhalten. 2 Das Ziel für<br />
Personen unter Therapie ist, dass<br />
90 Prozent eine nicht nachweisbare<br />
Virenlast erreichen. 2 Von diesen Zielen<br />
ist man weltweit jedoch noch meilenweit<br />
entfernt. Die Aufmerksamkeit<br />
am Welt-Aids-Tag ist somit eine gute<br />
Gelegenheit, ein Zeichen für Solidarität<br />
mit HIV-Betroffenen und der Zuwendung<br />
für Erkrankte zu setzen.<br />
EINMALIGE AKTION<br />
IN DER SCHWEIZ<br />
Es sind alle herzlich eingeladen, mit<br />
einem Besuch der Lichtprojektion die<br />
1 Joint United Nations Programme on HIV/<br />
AIDS (UNAIDS). 90-90-90 An ambitious<br />
treatment target to help end AIDS epidemic,<br />
2014, www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/90-90-90_en_0.pdf<br />
2 Joint United Nations Programme on HIV/<br />
AIDS (UNAIDS). Global Statistics, Fact Sheet<br />
2014, www.unaids.org/sites/default/files/en/<br />
media/unaids/contentassets/documents/factsheet/2014/20140716_FactSheet_en.pdf<br />
Solidaritätsaktion zu unterstützen.<br />
Die Red-Ribbon-Projektion in Zürich<br />
und Lausanne ist nur am 1. Dezember<br />
von 18.00 bis 22.00 Uhr zu sehen.<br />
Es lohnt sich also, bei einer kurzen<br />
Pause die einmalige Lichtprojektion<br />
anzuschauen. Der Anlass wird von<br />
Life Science Communication organisiert<br />
und vom Hotel Schweizerhof,<br />
Edipresse Groupe, Stagelight und<br />
ViiV Healthcare unterstützt.<br />
Veranstaltungsorte:<br />
Projektion Zürich:<br />
Hotel Schweizerhof<br />
Bahnhofplatz 7<br />
8001 Zürich<br />
Projektion Lausanne:<br />
Tour Edipresse<br />
av. de la Gare 33<br />
1003 Lausanne<br />
FOTOS: ZVG<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
32<br />
SERIE<br />
MANNSBILD – BERUFSBILD<br />
DER FREUND<br />
UND HELFER<br />
Auf der Dienststelle der Polizei ist ein Coming-out wohl nicht weniger mutig als auf<br />
dem Fussballplatz. Schwule werden in diesem von Männern dominierten Beruf kaum<br />
vermutet, entsprechend hoch scheinen die Hürden für eine Akzeptanz. Dass eine<br />
Karriere dennoch möglich ist, hat Jörg Hallmann erlebt. Der 46-jährige Polizist<br />
aus Nürnberg hat sich schon vor zwanzig Jahren geoutet – und ist damit gut gefahren.<br />
VON THOMAS BORGMANN<br />
Obwohl längst auch Frauen diesen<br />
Beruf ausüben, gilt ein Job<br />
bei der Polizei meist noch als<br />
«Macho-Beruf». Durchsetzungsstärke,<br />
Härte und Unerschrockenheit sind<br />
nach gängiger Ansicht Voraussetzung<br />
für diesen Job – Attribute, die schwulen<br />
Männern häufig abgesprochen<br />
werden. Jörg Hallmann passt nicht<br />
nur mit seiner grossen, muskulösen<br />
Statur schon vom Aussehen gut in<br />
dieses Bild. Als er seine berufliche<br />
Laufbahn Anfang der 1990er-Jahre<br />
begann, entsprach auch sein Lebenswandel<br />
mit Ehefrau und zwei Söhnen<br />
voll und ganz dem traditionellen Bild<br />
vom Gesetzeshüter. Niemand seiner<br />
Kollegen vermutete, dass er schwul<br />
sein könnte. Doch dann spürte er <strong>im</strong>mer<br />
mehr, dass er auf Männer steht.<br />
«Ich habe meine Frau geliebt, aber irgendwann<br />
hab ich gemerkt, dass ich<br />
mal was mit einem Mann haben will»,<br />
erklärt Jörg rückblickend.<br />
Erste Kontaktmöglichkeiten in der<br />
Sauna eines Freizeitbads schrecken<br />
ihn eher ab, doch dann lernt er Klaus<br />
kennen, mit dem mehr möglich ist.<br />
Mit seiner Frau redet er offen darüber,<br />
die das so lange akzeptiert, bis<br />
sie spürt, dass Jörg nur noch Sex mit<br />
Männern sucht. Beide entscheiden<br />
sich für klare Verhältnisse. Noch am<br />
selben Tag, an dem sie die Trennung<br />
beschliessen, informieren sie auch<br />
seine und ihre Eltern über die Gründe<br />
für diesen Schritt.<br />
Mit seinem Lover will Jörg seinen<br />
schwulen Befreiungsschlag geniessen.<br />
Doch das Zusammensein wird schwierig.<br />
Klaus ist nicht geoutet und hat<br />
Angst, an der Seite von Jörg und in der<br />
Szene entlarvt zu werden. Das führt<br />
zu Spannungen, denn zu einem neuen<br />
Versteckspiel ist Jörg nicht mehr bereit.<br />
«So wie der Klaus wollte ich nicht<br />
leben», bilanziert er. Auch an seinem<br />
Arbeitsplatz will er bald für klare Verhältnisse<br />
sorgen, bevor es dort Gerede<br />
gibt. Drei Monate später informiert er<br />
seinen Vorgesetzten über die Gründe<br />
für die Trennung von seiner Frau. Der<br />
reagiert vorbildlich und will seinem<br />
Chef den Sachverhalt schildern, ohne<br />
dabei Jörgs Namen zu nennen. Welche<br />
Folgen ein Outing in der Branche hat,<br />
kann Jörg schlecht abschätzen. Mitte<br />
der Neunzigerjahre ist ihm kein einziger<br />
offen schwuler Polizist in Bayern<br />
bekannt.<br />
COMING-OUT IN UNIFORM<br />
Sein Outing ist also Pionierarbeit,<br />
und der nächste Schritt auf diesem<br />
Weg lässt nicht lange auf sich warten.<br />
Bei einem Blutspendetermin, zu<br />
dem er mit zwanzig Kollegen fährt,<br />
muss jeder Teilnehmer wegen des<br />
Ausschlusses von Spenderblut homosexueller<br />
Männer in einem Fragebogen<br />
versichern, dass er keiner<br />
HIV-Risikogruppe angehört. Als die<br />
Kollegen fragen, warum Jörg auf den<br />
Aderlass verzichtet, erklärt er ihnen<br />
unumwunden den Grund dafür. Zurück<br />
auf der Dienststelle, macht das<br />
Thema schon die Runde. Sein Chef<br />
ermuntert Jörg, sich jetzt der ganzen<br />
Mannschaft zu stellen und kündigt an,<br />
dass «Jörg zum Abschluss noch was<br />
zu sagen hat».<br />
150 Kollegen schauen gespannt<br />
auf ihn, als der mit nervöser St<strong>im</strong>me<br />
beginnt: «Ihr wisst, dass ich geschieden<br />
bin. Grund für die Trennung<br />
war keine andere Frau, sondern ein<br />
Mann. Ich bin schwul, hab das aber<br />
erst während meiner Ehe entdeckt.<br />
Für mich ist das okay, ich hoffe für<br />
euch auch. Wenn nicht, sprecht bitte<br />
mit mir darüber.» Totenstille, manche<br />
Kollegen sind verlegen. «Niemand<br />
von euch muss jetzt befürchten,<br />
be<strong>im</strong> Sport oder Duschen von<br />
mir angemacht zu werden», erklärt<br />
Jörg weiter. «Für mich ändert sich<br />
nichts. Wenn ich Sex will, geh ich in<br />
eine schwule Kneipe. Da gibts so viele<br />
geile Kerle, und manche sehen besser<br />
aus als ihr.» Damit löst sich die<br />
Spannung, einige lachen. Nach zwei<br />
Wochen wagen erste Kollegen, mehr<br />
aus seinem schwulen Leben zu erfragen.<br />
Manche wollen sogar mal mit<br />
in die Szene. Nur zwei Kollegen gehen<br />
ihm aus dem Weg und sprechen<br />
kaum noch ein Wort mit ihm. Doch zu<br />
denen war der Kontakt auch früher<br />
schon distanziert.<br />
Ganz ohne Widerstand verläuft seine<br />
Karriere bei der Polizei nach dem<br />
FOTOS: JÖRG HALLMANN<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
33<br />
«SO WIE DER<br />
KLAUS WOLLTE ICH<br />
NICHT LEBEN.»<br />
COMING-OUT IN UNIFORM. JÖRG<br />
HAT SICH VOR ZWANZIG JAHREN<br />
ALS SCHWULER POLIZIST GEOUTET.<br />
SEINER BERUFLICHEN LAUFBAHN HAT<br />
DAS NICHT GESCHADET.<br />
Outing allerdings nicht. Als Jörg sich<br />
zwei Jahre später für eine Position bei<br />
einem anderen Unterstützungskommando<br />
bewirbt, dauert das Gespräch<br />
ungewöhnlich lang. Statt nach seiner<br />
fachlichen Qualifikation wird er vor<br />
allem zu seinem schwulen Leben befragt<br />
– etwa, ob er seinen Partner in<br />
der Öffentlichkeit küssen würde und<br />
seit wann er wisse, dass er schwul<br />
ist. Unsicherheit herrscht, ob Jörg als<br />
schwuler Mann überhaupt eine Körperkontrolle<br />
an einem anderen Mann<br />
durchführen darf; schliesslich dürfen<br />
heterosexuelle Polizisten das bei<br />
Frauen auch nicht. Auch fürchten einzelne,<br />
dass er die Atmosphäre in einer<br />
Einheit stören könne. Die Bewerbung<br />
endet unentschieden. Zwei Einheiten<br />
wollen ihn als Kollegen, zwei andere<br />
entscheiden sich gegen ihn.<br />
VON DEN KOLLEGEN<br />
RESPEKTIERT<br />
Heute gehört Jörg als Polizeihauptmeister<br />
selbst zur Führungsgruppe.<br />
Statt wie früher Castor-Transporte zu<br />
schützen oder für die Sicherheit bei<br />
Grossveranstaltungen wie Fussballoder<br />
Eishockeyspielen, Demonstrationen,<br />
be<strong>im</strong> Public-Viewing oder bei<br />
Parteitagungen zu sorgen, arbeitet er<br />
jetzt <strong>im</strong> Anzeigenbüro des Unterstützungskommandos<br />
<strong>im</strong> Tagesdienst.<br />
Wie sehr ihn seine Kollegen inzwischen<br />
akzeptieren und schätzen, hat<br />
er vor fünf Jahren erlebt, als er seinen<br />
Partner Michael geheiratet hat. 36 Polizisten<br />
in Uniform standen vor dem<br />
Standesamt Spalier; normalerweise<br />
kommen zehn, wenn ein Kollege heiratet.<br />
Jörg hatte mit keinem einzigen<br />
gerechnet, denn sein damaliger Chef<br />
fürchtete um den Ruf der Polizei und<br />
bat ihn zuvor, auf dieses Ritual in der<br />
Öffentlichkeit zu verzichten. Aber alle<br />
Kollegen wollten dabei sein, als ihr Polizeihauptmeister<br />
einen Mann heiratete.<br />
Eine unglaubliche Wertschätzung,<br />
die ihm die Tränen in die Augen trieb.<br />
Nicht <strong>im</strong>mer läuft ein Outing bei der<br />
Polizei so reibungslos ab. Offene Anfeindungen<br />
sind selten und auch nicht<br />
erlaubt, aber deplatzierte Witze oder<br />
Gerede hinterm Rücken sind auf der<br />
Dienststelle nach wie vor nicht ausgeschlossen,<br />
obwohl der Vorgesetzte<br />
das unterbinden muss. «Je mehr<br />
ein schwuler Kollege seine Identität<br />
hinter einer heterosexuellen Fassade<br />
verbirgt, desto mehr macht er sich<br />
angreifbar», ist sich Jörg sicher. «Die<br />
Akzeptanz bei meinen Kollegen ist<br />
deshalb so gross, weil ich selbst offen<br />
und selbstverständlich mit meinem<br />
Schwulsein umgehe», so sein Fazit.<br />
Ein einsamer Kämpfer <strong>im</strong> Corps ist er<br />
ohnehin nicht mehr, weiss er heute.<br />
Laut einer Statistik des Vereins lesbischer<br />
und schwuler Polizeibediensteter<br />
«VelsPol», dem deutschen Pendant<br />
zum Schweizer Verein «PinkCop»,<br />
ist etwa jeder zehnte Polizist schwul,<br />
wenngleich natürlich nicht jeder das<br />
offen lebt. Die Quote lesbischer Kolleginnen<br />
sei noch sehr viel höher, heisst<br />
es – und das ist wohl tatsächlich kein<br />
Klischee.<br />
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Dass Sexualität nichts mit der Berufswahl<br />
zu tun haben muss, beweisen unsere gestandenen<br />
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CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
34<br />
INTERVIEW<br />
MARGARET CHO<br />
«ICH BIN EINE<br />
FAG-HAG!»<br />
Sie n<strong>im</strong>mt kein Blatt vor den Mund und ist weit mehr als eine «Drop Dead Diva».<br />
Sie hat ein Herz aus Gold und eine verbale Klinge aus Eisen: Ladies and Gentleman<br />
– Margaret Cho! Mit ihrer «psyCHO»-Tour macht sie <strong>im</strong> Dezember Halt in Zürich.<br />
VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />
Die Schauspielerin, Sängerin und<br />
Stand-up-Komödiantin Margaret<br />
Cho (46) besucht am 14. Dezember<br />
die L<strong>im</strong>matstadt und wird bereits<br />
zum zweiten Mal auf der Bühne<br />
des Bernhard-Theaters zeigen, was<br />
eine bisexuelle Amerikanerin mit koreanischer<br />
Abstammung über Gott<br />
und die Welt denkt. Wir wollten aber<br />
schon vorher wissen, was der «Drop<br />
Dead Diva»-Star gerade zu sagen hat.<br />
<strong>Cruiser</strong>: Margaret Cho, <strong>im</strong> Dezember<br />
kommen Sie zum zweiten Mal ins<br />
Bernhard-Theater. Wie erinnern Sie<br />
sich an Ihren ersten Besuch in Zürich?<br />
Margaret Cho: Damals war ich nur<br />
für einen Tag in Zürich und ich erinnere<br />
mich, dass ich nach der Vorstellung<br />
sehr hungrig war. In meinem<br />
Hotel-Guide suchte ich vergeblich<br />
nach der Z<strong>im</strong>merservice-Nummer,<br />
aber dafür fiel ein Säckchen Kokain<br />
raus! Ich schätze, das Personal hatte<br />
andere Vorstellungen von meinem<br />
«Hunger» (lacht).<br />
Abgesehen davon, was fällt Ihnen zu<br />
Zürich und der Schweiz sonst ein?<br />
Neutralität, hübsche, gebildete und<br />
mitfühlende Menschen, natürlich die<br />
Uhrenhersteller, Fondue und begleitete<br />
Selbstmorde.<br />
Bitte bereiten Sie uns für ihren «psy-<br />
CHO»-Abend vor – welches sind die<br />
Themen?<br />
Gewalt jeglicher Art, von Terrorismus<br />
bis zur Vergewaltigung, auch davon,<br />
wie es ist, durch Wut geheilt und als<br />
Opfer zur Überlebenden zu werden.<br />
Natürlich rede ich auch über Sex<br />
und nochmals Sex, Rassismus, die<br />
«DAS EIGENE<br />
GESCHLECHT, DIE EIGE-<br />
NEN GEFÜHLE KÖNNEN<br />
UNENDLICH SEIN.»<br />
Gay-Community und ihre Welt, auch<br />
über Joan Rivers und Robin Williams<br />
sowie über das Leben und den Tod an<br />
sich.<br />
Das sind viele Themen!<br />
Meine Show ändert sich ja jeden<br />
Abend. Gerade weil ich auch die Politik<br />
mit einbeziehe. In diesen Tagen<br />
zerbreche ich mir den Kopf über<br />
den Terror von Beirut und Paris.<br />
Aber auch die entsetzliche Präsidentschaftswahl<br />
in den Staaten, und<br />
wie Kandidat Donald Trump St<strong>im</strong>men<br />
durch die Gräueltaten des Islamischen<br />
Staates generiert, beschäftigt<br />
mich. Ich bin überzeugt, Donald<br />
Trump ist doch die ISIS! Beide profitieren<br />
voneinander – dass kann kein<br />
Zufall sein (lacht bitterernst).<br />
Sie sind auch dafür bekannt, dass<br />
Ihre Shows sexuell aufgeladen sind.<br />
Nun, ich hatte ja auch viel Sex in meinem<br />
Leben, wenn auch nicht <strong>im</strong>mer<br />
gewollt. Nachdem ich als Kind von<br />
meinem Onkel misshandelt wurde,<br />
musste ich von zuhause wegrennen<br />
und Komödiantin werden, denn auf<br />
der Bühne war ich geschützt. Später<br />
wurde ich für kurze Zeit Prostituierte,<br />
weil ich von den Vergewaltigungen so<br />
abgestumpft war, dass ich wenigstens<br />
Geld mit Sex verdienen wollte, um<br />
meine Kunst weiter zu verfolgen. Als<br />
Erwachsene war ich dann trotzdem<br />
neugierig darauf, wie es ist, Spass<br />
am Sex zu bekommen. Und es hat geklappt!<br />
Ich ging meinen Weg und bezeichne<br />
mich heute als bisexuell. Das<br />
eigene Geschlecht, die eigenen Gefühle<br />
können unendlich sein.<br />
Macht es Ihnen nichts aus, über die<br />
Misshandlungen zu sprechen?<br />
Meine Sexualität wurde durch die<br />
Misshandlungen gekillt, aber durch<br />
Neugierde und Überzeugung konnte<br />
ich ihr wieder Leben einhauchen.<br />
Nicht zuletzt durch meinen offenen<br />
Umgang damit. Als Sängerin etwa<br />
veröffentlichte ich vor kurzem ein Video<br />
mit dem Titel «I want to kill my<br />
Rapist».<br />
FOTO: FMARY TAYLOR<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
35<br />
MARGARET CHO GILT IN DEN STAATEN<br />
ALS ÄUSSERST KONTROVERS.<br />
Ihre Shows müssen gerade in den<br />
Staaten sehr kontrovers ankommen,<br />
nicht?<br />
Tatsächlich werden meine Shows und<br />
politischen Ansichten drüben überaus<br />
kontrovers aufgenommen. Aber niemand<br />
kann die Wahrheit ernsthaft in<br />
Abrede stellen. Ich erhalte auch viele<br />
Morddrohungen und erlebte bereits<br />
zwei Einbrüche in mein Haus! Gestohlen<br />
wurde nichts, aber in einem<br />
Fall wurden alle meine Gartenblumen<br />
<strong>im</strong> Essz<strong>im</strong>mer verteilt. Man wollte<br />
mir bewusst Angst einjagen – was<br />
aber nicht erreicht wurde. Ich fühle<br />
mich sehr sicher, kenne Vergeltung<br />
und neige zur Selbstjustiz.<br />
Wie denken Sie über das Schweizer<br />
Publikum? Sind wir offener?<br />
Jedes Publikum ist anders, je nach<br />
Land und Region. Ich denke, dass die<br />
Schweizer Gäste sehr fair sind. Das<br />
muss an der politischen Neutralität<br />
liegen. Und mein Publikum hier wird<br />
schnell verlegen – ich liebe das! Es ist<br />
so unschuldig und süss.<br />
In der Schweiz kennt man Sie auch<br />
durch die US-Serie «Drop Dead Diva».<br />
Hatten Sie Einfluss auf die Rolle?<br />
Ja, die Autoren schrieben mir die Rolle<br />
der Anwaltsgehilfin Teri direkt auf<br />
den Leib. Es machte Spass, diese Rolle<br />
sieben Jahre lang in einer Serie zu<br />
spielen, welche die innere Schönheit<br />
zelebrierte. Mit der Zeit wurde ich zu<br />
Teri und Teri zu Margaret. Am Ende<br />
der Serie wird sie sogar Rock-Sängerin<br />
– ich liebe diese Vorstellung!<br />
Auf der Bühne sprechen Sie direkt ins<br />
Herz der Gay-Community – wie erleben<br />
Sie diese?<br />
Wir in der sogenannten Gay-Community<br />
wurden und werden unterdrückt<br />
und gerade deshalb lieben wir die<br />
Schönheit dieser Welt so sehr. Wir<br />
haben so viel Schreckliches gesehen<br />
und erlebt, auch oft in der eigenen<br />
Familie, dass wir dadurch zu Genies<br />
wurden. Unsere Bandbreite an Kreativität<br />
wächst und wächst, weil wir<br />
vieles ertragen müssen.<br />
Wir hörten, dass Sie gerne als «Fag-<br />
Hag», also als «Schwulenmutti», bezeichnet<br />
werden?<br />
Weil ich eine bin! Aber ich mag das<br />
Wort «fag» nicht. Wie auch <strong>im</strong>mer,<br />
ich war schon als kleines Mädchen<br />
eine Schwulenmutti. Schwule Männer<br />
waren <strong>im</strong>mer diejenigen, die mich beschützt<br />
und alles Wissenswerte über<br />
das Leben gelehrt haben. Dafür bin<br />
ich sehr dankbar.<br />
Liebe Margaret Cho, vielen Dank und<br />
toi, toi, toi für Ihren Auftritt in Zürich!<br />
Margaret Cho, The psyCHO Tour<br />
14. Dezember, 20 Uhr, Bernhard-<br />
Theater, Zürich. Wir verlosen 1x2<br />
Karten! Einfach eine E-mail mit dem<br />
Vermerk «Margaret Cho» und der<br />
Adresse bis am 6. Dezember an<br />
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CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
36<br />
PROMINENT<br />
DIE SKANDALE DER MADONNA<br />
DIE SKANDALE DER<br />
MADONNA<br />
Die Meisterin der Provokation kommt mit ihrer «Rebel Heart»-Tour nach Zürich –<br />
ihr rebellisches Herz schlägt noch <strong>im</strong>mer eindringlich laut. Jüngst setzte<br />
sie an einem Konzert gar ein Zeichen gegen den IS-Terror. Mit Wehmut blicken<br />
wir deshalb chronologisch auf ihre zehn grössten – und in Anbetracht ihres jüngsten<br />
Mutes – harmlosen Skandale zurück – mit Ausnahme von Nr. 10.<br />
VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />
MADONNA – NOCH IMMER<br />
EINE MEISTERIN DER SKANDALE<br />
es wurde von Verführung Minderjähriger<br />
gesprochen. Und auch die Feministinnen<br />
meldeten sich zu Wort:<br />
Madonna würde die Frauenbewegung<br />
um Jahre zurückwerfen.<br />
1. LIKE A VIRGIN, 1984<br />
Madonnas Durchbruch: Die freche<br />
Göre, die vor mehr als 30 Jahren<br />
plötzlich mit BH, Kreuzen und einem<br />
«Boy Toy»-Gürtel bekleidet in der Musikwelt<br />
auftauchte, hatte tatsächlich<br />
den Mut, bei den ersten MTV-Awards<br />
<strong>im</strong> weissen Hochzeitskleid aus einer<br />
Torte zu springen und sich lasziv am<br />
Boden zu wälzen – obwohl sie offensichtlich<br />
keine Jungfrau mehr war.<br />
Ihr Manager sprach vom jähen Ende<br />
– es war erst der Anfang. Viele Jahre<br />
später erklärte Madonna, sie hätte<br />
ganz einfach ihren Pumps unter der<br />
Schleppe verloren.<br />
2. PAPA DON’T PREACH, 1986<br />
Die «schwangere» Madonna: Im Song<br />
«Papa don’t preach» sowie <strong>im</strong> dazugehörigen<br />
Video spielte Madonna einen<br />
schwangeren Teenager, der sein<br />
Kind behalten wollte (Anm. der Red:<br />
Madonna war damals schon fast 30).<br />
Ein Aufschrei ging durch die Medien:<br />
Es hiess, Madonna würde Mädchen<br />
dazu an<strong>im</strong>ieren, ein Baby zu kriegen.<br />
3. OPEN YOUR HEART, 1987<br />
Madonnas «Rache»: Im sogenannten<br />
«Peep-Show»-Video gab Madonna<br />
eine Tänzerin vor einer Meute<br />
von Journalisten, die alles für einen<br />
Schnappschuss tun. Ein klarer Hinweis<br />
auf die unerträglichen Paparazzi.<br />
Ein kleiner Junge vor dem Gebäude<br />
hingegen symbolisierte die wahren<br />
Fans. Diese Message ging unter, denn<br />
4. LIKE A PRAYER, 1989<br />
Die «göttliche» Madonna: Der Jahrhundert-Hit<br />
provozierte mit seinem<br />
Video vermeintlich so sehr, dass auch<br />
hier die eigentliche Botschaft flöten<br />
ging. Was als Angriff auf Rassismus<br />
und den Ku-Klux-Klan gedacht war<br />
(schwarzer Jesus, brennende Kreuze)<br />
wurde als Gotteslästerung empfunden.<br />
Selbst der Vatikan sprach von<br />
einer Exkommunion und Pepsi kündigte<br />
den gerade erst abgeschlossenen<br />
Werbevertrag mit Madonna.<br />
5. BLOND AMBITION, 1990<br />
Die masturbierende Madonna: Die<br />
Blond-Ambition-Tour gilt bis anhin<br />
als beste Tournee von Madonna.<br />
Nicht nur, dass Jean-Paul Gaultier ihr<br />
die ikonischen Kegel-BH’s verpasste,<br />
Madonna s<strong>im</strong>ulierte auch pure Selbstbefriedigung<br />
zu «Like a Virgin» <strong>im</strong><br />
Red-Light-Ambiente (um in der Dramaturgie<br />
der Show kurz darauf vor<br />
Gott zu stehen). In Kanada reagierte<br />
die Polizei mit der Drohung einer<br />
Festnahme.<br />
6. JUSTIFY MY LOVE, 1990<br />
Die sexuelle Madonna: Die Ära der<br />
sexuellen Madonna begann mit der<br />
Single zu ihrer ersten Best-of-Schei-<br />
FOTO: PD<br />
CRUISER DEZEMBER <strong>2015</strong>
37<br />
DER GRÖSSTE SKANDAL:<br />
MADONNA ALTERT<br />
be «The Immaculate Collection». In<br />
der Folge tat Madonna alles, um das<br />
«Unbefleckte» zu ruinieren. Das Video<br />
zu «Justify my Love» wurde wegen<br />
expliziter sexueller Darstellungen <strong>im</strong><br />
Pariser Hotel Ritz von MTV verbannt.<br />
Madonna veröffentlichte es daraufhin<br />
als VHS-Kassette(!) – es verkaufte sich<br />
millionenfach.<br />
7. SEX, 1992<br />
Die nackte Madonna: Selbst ihre Fans<br />
wurden nun skeptisch: Mit der Scheibe<br />
«Erotica», dem Film «Body of Evidence»<br />
und dem ziemlich pornografischen<br />
Bildband «Sex», drehte sich alles nur<br />
noch um den Austausch von Körperflüssigkeiten<br />
in allen Variationen.<br />
8. AMERICAN LIFE, 2003<br />
Die politische Madonna: Nach dem<br />
«Sex»-Desaster gab Madonna die<br />
(mehr oder weniger) brave Künstlerin<br />
und Ehefrau, spielte Evita Peron, widmete<br />
sich mit grossem Erfolg sphärischen<br />
Klängen und wurde zweifache<br />
Mutter. Doch mit George W. Bush’s<br />
Irak-Offensive war Schluss mit lustig –<br />
das Video zur Single «American Live»<br />
kritisierte die US-Regierung so stark,<br />
dass Madonna höchstpersönlich das<br />
Video nach wenigen Stunden aus<br />
dem Umlauf nahm – zum Wohle und<br />
Schutz ihrer Familie. Zu spät: «American<br />
Life» markierte den Beginn einer<br />
Durststrecke des Erfolgs in den Staaten<br />
und Madonna hatte ihren ersten<br />
politischen Skandal.<br />
9. MDNA, 2012<br />
Für echte Empörung sorgte Madonna<br />
mit einer Videoprojektion in ihrer<br />
MDNA-Tour, welche der Chefin der<br />
französischen Front National, Marine<br />
le Pen, für Bruchteile einer Sekunde<br />
ein Hakenkreuz auf die Stirn und ein<br />
Hitlerschnäuzchen verpasste. In der<br />
Folge gab Madonna be<strong>im</strong> zweiten Konzert<br />
in Frankreich dem Druck nach<br />
und verzichtete auf die Provokation.<br />
10. REBEL HEART<br />
Die «alte» Madonna: Tatsächlich schuf<br />
Sie mit ihren mehr als 30 Jahren <strong>im</strong><br />
Showbusiness sowie 57 Lebensjahren<br />
ihren grössten «Skandal»: Sie altert.<br />
Nichts scheint für manche Menschen<br />
genussvoller zu sein, als über Madonnas<br />
Alter herzuziehen. Wenn sie<br />
dann noch von der Bühne stürzt (so<br />
geschehen <strong>im</strong> Februar bei den Brit-<br />
Awards), ist die Schadenfreude gross.<br />
Der «älteren Frau in Leggins», wie<br />
«20 Minuten» noch vor drei Jahren<br />
schrieb, ist das aber schnurzpiepegal.<br />
Noch <strong>im</strong>mer füllt sie mit der «Rebel<br />
Heart»-Tour die Hallen.<br />
Madonna, The Rebel Heart Tour<br />
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38<br />
KULTUR<br />
HAPE KERKELING<br />
HAPE KERKELING MUSS<br />
WIEDER WEG<br />
An Heiligabend startet <strong>im</strong> Kino mit «Ich bin dann mal weg» die Verfilmung<br />
von Hape Kerkelings gleichnamigem ersten Buch. Ein gewaltiger Erfolg, der ihn<br />
kaum los lässt.<br />
VON DANIEL DIRIWÄCHTER<br />
Horst Schlämmer oder Uschi<br />
Blum sind Geschichte, wie Hape<br />
Kerkeling (50) vor einem Monat<br />
in Zürich auf der Pfauenbühne erklärte.<br />
Und er schaute dabei in traurige<br />
Gesichter. Nicht, dass es nicht schon<br />
bekannt wäre, dass Kerkeling dem<br />
TV-Geschäft den Rücken kehrt – und<br />
damit auch seinen lieb gewonnen Figuren.<br />
Aber wahrhaben wollte es das<br />
Publikum trotzdem nur sehr schwer.<br />
«Diese Charaktere wurden mit der<br />
Zeit zu gross, und die künstlerische<br />
Freiheit damit zu klein», wie der deutsche<br />
Entertrainer noch beifügte.<br />
Kerkeling war Ende Oktober zu<br />
Gast in Zürich. Mit <strong>im</strong> Gepäck sein<br />
zweites Buch «Der Junge muss an die<br />
frische Luft», das bereits <strong>im</strong> Frühling<br />
veröffentlicht wurde. Darin beschreibt<br />
Kerkeling seine ersten zwölf<br />
Lebensjahre, vom «Spiegel» als Kindheitsroman<br />
bezeichnet, die darlegen,<br />
wie Kerkeling zu dem wurde, was er<br />
heute ist. Dieses jüngste Werk steht<br />
aber <strong>im</strong> Schatten seiner anderen Erfolge,<br />
wie Kerkeling wohl selber bemerkt<br />
hat. Und sein neues Buch ist<br />
sehr viel anders als sein Erstling «Ich<br />
bin dann mal weg», seine Erlebnisse<br />
auf dem Jakobsweg nach Santiago de<br />
Compostela.<br />
AUF DEM JAKOBSWEG<br />
Kerkelings Pilgerreise auf dem Camino<br />
Francés darf als bahnbrechend bezeichnet<br />
werden – zumindest, was die<br />
Version auf Papier anbelangt.<br />
Wie aus seinem Pilgertagebuch ein<br />
Bestseller wurde, dürfte auch Kerkeling<br />
überrascht haben. Er schuf mit<br />
HAPE KERKELING WIRD IM FILM<br />
VON DEVID STIESOW VERKÖRPERT.<br />
dem charmanten Reisebericht quasi<br />
sein Magnus Opus, unerreichbar für<br />
Kerkelings weitere Arbeiten – beinahe<br />
auch unantastbar für den Menschen<br />
hinter den Zeilen selbst. Logisch,<br />
dass es nur eine Frage der Zeit<br />
war, bis sich die Filmindustrie des<br />
Stoffs annahm.<br />
«ICH SITZE HALT GERNE»<br />
Dank dem Produzenten Nico Hofmann<br />
(«Der Medicus») und der Regisseurin<br />
Julia von Heinz («Hannas Reise»)<br />
kommt nun Kerkelings Jakobsweg<br />
an Heiligabend in die Kinos. Die vermeintlich<br />
grosse Überraschung: Nicht<br />
der Entertainer pilgert nochmals<br />
durch Spanien, sondern Schauspieler<br />
Devid Striesow übern<strong>im</strong>mt dankbar<br />
die Rolle des Protagonisten. Und das<br />
hat seinen berechtigten Grund. Wie<br />
Kerkeling ebenfalls in Zürich erwähnte,<br />
ging er den Jakobsweg bereits vor<br />
14 Jahren. Es wäre schlicht nicht<br />
glaubhaft, wenn er heute mit 50 Jahren<br />
nochmals mit dem Pilgerstab unterwegs<br />
wäre – nicht ohne ironischen<br />
Verweis auf sein Übergewicht sowie<br />
dem Satz «Ich sitze halt gerne».<br />
HAPES<br />
NEUSTART MIT 50<br />
DIE FLUCHT NACH VORNE<br />
Der neue Film ist auch eine Erklärung<br />
von Kerkeling, warum er so ist<br />
wie er ist, aber ohne Firlefanz oder<br />
irgendwelche abgehobenen Ereignisse.<br />
Viel eher ist es die Geschichte eines<br />
bodenständigen Jungen aus dem<br />
Ruhrgebiet, der am frühen Tod seiner<br />
Mutter nicht zerbrach, sondern zwei<br />
Grossmütter – wahre Heldinnen des<br />
Alltags – zum Schutz und Seelenwohl<br />
an seiner Seite zählte. Kerkeling schildert<br />
diese ersten Lebensjahre ohne<br />
Pathos und trotzdem mit viel Liebe.<br />
Am Ende war eine Erklärung<br />
«über» Kerkeling nie nötig. Schliesslich<br />
soll man Schönes nicht ständig<br />
hinterfragen. Da sich Kerkeling aber<br />
von der grossen Bühne zurückziehen<br />
wird und die Geschichten über seine<br />
Kindheit, insbesondere jene mit seiner<br />
Mutter, nun erzählt sind, mutet<br />
sein zweites Buch wie eine Flucht<br />
nach vorne an. Es markiert das Ende<br />
eines Kapitels und einen Neustart mit<br />
50 Jahren. In Italien wird das sein,<br />
wie Kerkeling hoffnungsvoll erzählt.<br />
Fast so, als würde er nochmals sagen:<br />
«Ich bin dann mal weg». Und da ist er<br />
wieder – der Jakobsweg.<br />
«Ich bin dann mal weg»,<br />
Warner Bros.<br />
Im Kino ab 24. Dezember<br />
«Der Junge muss an die frische<br />
Luft» Piper Verlag GmbH, München<br />
Im Handel erhältlich.<br />
FOTO: © WARNER BROS<br />
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