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kalbenser Fliegenklatsche

Bd.02 "das Untergrundmagazin für von innen Tätowierte"

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Ich war nie sonderlich an Popmusik interessiert,<br />

ich hatte immer Besseres zu tun, und zu hören.<br />

Wahrscheinlich war die erste Begegnung deshalb<br />

so intensiv. Als wäre etwas vom Himmel gefallen,<br />

direkt auf meinen Kopf, und die Zeit blieb stehen.<br />

Vielleicht nicht so first sight, aber immerhin first<br />

night. War das wirklich die einzige Nacht, die wir<br />

zusammen verbrachten?<br />

Wir haben die ganze Zeit geredet, und in den Lücken<br />

zwischen den Wörtern stand noch viel mehr,<br />

unsagbares, unheimliches. Kennst Du das auch?<br />

Hast du das schon mal gehört? Unglaublich.<br />

Ich konnte es danach nie verstehen, dieses Bild,<br />

das sie von sich gezeichnet hat in der Öffentlichkeit.<br />

Können Äußeres und Inneres wirklich so weit<br />

auseinander klaffen? Was ist dazwischen? Wie weit<br />

müssen die Organe sich strecken, damit Schale<br />

und Kern noch zusammenhalten?<br />

Vielleicht hat sie doch überlegt bei mir zu bleiben.<br />

Aber nein, es wussten immer schon andere, die<br />

Typen im Hintergrund, was besser für sie wäre.<br />

Besser als was? Als Saft an der Nordsee, ein ruhiges<br />

Leben, vielleicht ab und zu ein Konzert auf<br />

einem Butterschiff?<br />

So ein Leben wollte sie nicht, aber ich bin mir bis<br />

heute nicht klar darüber, warum sie nicht einfach<br />

mal nein! gesagt hat, aufgestanden ist, die Show<br />

unterbrochen hat, ab ins Rehab.<br />

So einfach ist das nicht, hat sie gesagt, und dass<br />

sie auch gerne darüber lachen würde.<br />

Aber die unsichtbaren Fesseln tun auch weh, und<br />

die Ordnung am Tisch ist fixer, als Du glaubst.<br />

Ich bin aufgestanden, habe den Strandkorb<br />

verlassen: „Guck, so einfach ist das!“.<br />

Auch darüber hat sie nicht gelacht, nein, sie hat<br />

geschrien. Richtig beschimpft hat sie mich:<br />

„Du gefühllose Zwiebel, verstehst Du nicht, dass<br />

ich mich nicht einfach so schälen kann wie du? Das<br />

ist kein Faschingskostüm, das ich ablegen kann,<br />

und mich dann unter die glücklichen Partycocktails<br />

mischen! Natürlich geht es allen anderen mieser<br />

als mir, und meine Songs machen auch keine Hoffnung,<br />

aber das Schlimme daran ist, dass die Zeit<br />

so schnell vergeht!<br />

Und ich habe kein Land in Sicht, keinen Rückzugsraum.<br />

Safe Space, was soll das sein? Hast Du die<br />

letzte Folge gesehen?“<br />

Und als sie dann über den Strand wegrannte,<br />

musste ich trotzdem darüber lachen, dass sie ihre<br />

Stöckelschuhe nicht ausgezogen hatte, die ganze<br />

Zeit nicht, und jetzt im graunassen Sand versank.<br />

„So fix kann deine Rolle doch gar nicht sein!, rief<br />

ich ihr hinterher, Arnold Schwarzenegger hat sein<br />

Image auch geändert bekommen!“<br />

„Ich bin aber kein weißer reicher Österreicher, der<br />

alle für dumm verkauft, du Arschloch!“, brüllte sie<br />

aus der nebeligen Ferne. „Mein Image ist keine<br />

CD-Hülle zum Wegschmeißen!, ich hab das in mir<br />

Drinnen.“<br />

Und dann war sie verschwunden,<br />

in der Nacht oder im Meer.<br />

Ich habe mir ihre CD gekauft, und wäre gerne zu<br />

ihrer Beerdigung gegangen, um irgend jemandem<br />

eine runterzuhauen. Stattdessen habe ich einen<br />

Song geschrieben:<br />

Beate Körner<br />

Medienkünstlerin, *1987 in Weimar<br />

lebt und arbeitet in Reykjavík<br />

www.beatekoerner.de<br />

you. me. we. us. they. them. no.<br />

du ich wir uns, die euch? nein.<br />

Wenn ich nach Bindelücken suche<br />

finde ich nur Grenzen<br />

Ich versteh es nicht, dass schon ein Blick genügt,<br />

ein Verweis, das ist nicht mein Gebiet.<br />

Da sitzt schon du, und du bist euch, nicht ich und wir und uns.<br />

Lieber mal die Klappe halten, nicht wissen, was das soll.<br />

Der Weg zusammen endet hier, auch wenn er weiter rollt.<br />

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