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FFP-2016-end-dr_FFP_2012_3
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ForschungsForum Paderborn<br />
Abb. 4: Ida Applebroog,<br />
I see by<br />
your Fingernails<br />
that you are my<br />
Brother (2012),<br />
Installation View,<br />
Museum Fridericianum,<br />
Documenta<br />
13 (2012).<br />
Quelle: Museum Fridericianum, Documenta 13 (2012)<br />
und visuell inszeniert (Abbildung 4).<br />
Wie aber schreiben sich ephemere Materialien,<br />
Alltagsdinge, flüchtige Ereignisse der erlebten<br />
Realität in Kunstwerke ein? Inwiefern stellen aktuelle<br />
kollaborative Praktiken und installative<br />
Tendenzen und Ausdrucksformen die Frage nach<br />
einer gesteigerten Zeit- und Aufmerksamkeitsökonomie<br />
zur Disposition? Welche kulturkritische und<br />
diagnostische Funktion übernehmen dabei besonders<br />
ästhetische Miniaturformate im Kontext<br />
global zirkulierender Biennalen und Großkunstausstellungen?<br />
Das „Spiel mit der Maßstäblichkeit“<br />
besitzt dabei auch eine grundlegende<br />
wirkungs- und rezeptionsästhetische Funktion, die<br />
erstmals in den Blick genommen werden soll und<br />
zur Profilierung des Verhältnisses von Kunst und<br />
Erfahrung, aber auch von Zeige- und Schaupraktiken<br />
beitragen kann. Eine Hypothese zur Funktionsbestimmung<br />
kleiner Formate in den Künsten<br />
lautet, dass Modelle und Miniaturen als Schwellenphänomene<br />
betrachtet werden können, die<br />
dazu beitragen, Erfahrungen der Beschleunigung<br />
am Ort und vor bzw. mit dem Gegenstand erfahrbar<br />
zu machen – auch, indem sie ein paradoxes<br />
Spiel von Zeigen, Schauen und Sichtbarkeitsentzug<br />
in Szene setzen. Künstlerische Miniaturen und<br />
Modelle, die das Verhältnis zwischen der an eine<br />
Öffentlichkeit adressierten Repräsentanz und der<br />
ästhetischen Präsenz des künstlerischen Materials<br />
in den Blick nehmen, weisen oftmals Strukturanalogien<br />
zu textuellen Schauanordnungen von<br />
Schriftbildlichkeit auf.<br />
Die Literatur der Moderne und Nachmoderne<br />
experimentiert mit der Anordnung von Wortmaterial<br />
(Montage, Collage), mit dem Schreibgerät<br />
(Bleistift, Feder, Kugelschreiber, Tastatur), der<br />
Formgebung des Schreibmaterials (etwa durch<br />
Schnitte, Fragmentierung) und der Form der<br />
Erzählung. An die Stelle der linearen Struktur des<br />
klassischen Romans treten narrative Strategien<br />
der Serialität, Zirkulation, Kombinatorik, Fragmen-<br />
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Universität Paderborn