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ForschungsForum Paderborn<br />

Quelle: Karsten Bott<br />

Abb. 5: Karsten Bott, Von Jedem Eins (1993), Installation View, Offenes Kulturhaus Linz.<br />

tierung und Kontextualisierung. Gerade hier zeichnet<br />

sich ab, dass Formen der massenmedialen<br />

Informationstechnologie Modelle literarischen<br />

Schreibens nachhaltig verändern und prägen,<br />

dass aber auch umgekehrt das System Literatur<br />

kleine Formen der Darstellbarkeit und Erzählbarkeit<br />

von Leben ausbildet. Kleine literarische<br />

Formate – sie reichen vom Aphorismus über den<br />

Witz, von der Anekdote bis zur Erzählung in einem<br />

Satz (Microrrelatos) – bilden ein gewisses Potenzial<br />

an Widerständigkeit aus, indem sie Sinn stiftende,<br />

kausale Erzählzusammenhänge zugunsten von<br />

Augenblickskonstellationen und ereignishaften<br />

Segmenten durchkreuzen. Verfahren der Serialisierung<br />

und Konstellierung lassen sich wiederum<br />

als Ergebnisse eines medienkulturellen Transformationsprozesses<br />

der Moderne lesen, der<br />

vorführt, dass in der kleinsten Veränderung und<br />

Abweichung der Keim zu einer Neuordnung und<br />

Umdeutung der Verhältnisse liegen kann.<br />

Das Kleine denken, archivieren, schreiben,<br />

zeigen – Erscheinungsweisen des Kleinen, des<br />

Randständigen, Marginalen und Rudimentären,<br />

Mikroskopischen und begegnen uns abhängig von<br />

den Kulturen, die wir historisch betrachten, schon<br />

seit vielen Jahrhunderten. Programmatische Äußerungen<br />

allerdings, theoretische Reflexionen und<br />

Standortbestimmungen, die kleine Phänomene,<br />

Formate und Formen aufwerten und ihnen eine<br />

besondere Signifikanz zusprechen, treten erst im<br />

Zuge von Modernisierungsprozessen seit der<br />

Frühen Neuzeit auf. Für diese Entwicklung sind<br />

zum einen naturwissenschaftliche Paradigmen der<br />

Weltbetrachtung verantwortlich: Hier kommt dem<br />

mikroskopischen Blick eine besondere Bedeutung<br />

zu. Zum anderen etabliert sich im späten 19. Jahrhundert<br />

in den Humanwissenschaften das, was<br />

Carlo Ginzburg „Indizienparadigma“ genannt hat:<br />

Eine sich, wie Ginzburg am Beispiel der Kunstgeschichte,<br />

der Kriminalistik und der Psychoanalyse<br />

zeigt, herausbildende Epistemologie der Spurensuche,<br />

für die das kleinste Faktum, das Detail<br />

wichtig werden. Im 20. und 21. Jahrhundert<br />

schließlich befördern mehrere Faktoren den<br />

Bedeutungszuwachs des Kleinen, so dass es legitim<br />

ist, von sich entwickelnden „Kulturen des Kleinen“<br />

zu sprechen: Eine sich im Zuge alltags-(pop-)<br />

kultureller Entwicklungen etablierende Trivialästhetik<br />

wertet subjektive Handlungsfelder und<br />

private Objektbereiche auf, die für Literatur, Kunst<br />

Universität Paderborn<br />

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