Lobbyisten hinter- treiben Mindestlöhne - Carsten Zinn
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Ambulante Pflegedienste:<br />
Kein Auskommen mit dem Einkommen<br />
Zweitjobs keine Seltenheit<br />
Doris K. (Name geändert) ist mit Leib und Seele Pflegerin. Die Berlinerin<br />
ist seit vielen Jahren bei einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt.<br />
Sie versteht ihre Arbeit am Menschen nicht als Job, sondern als<br />
Aufgabe. Aber mit ihren Arbeitsbedingungen ist die 50-Jährige ganz<br />
und gar nicht zufrieden. »Schön, inzwischen gibt es den Mindestlohn<br />
von 8,50 Euro pro Stunde, doch ich habe nur einen 30-Stunden-<br />
Vertrag, so dass ich damit gerade einmal auf knapp über 1.000 Euro<br />
brutto käme. Also muss ich mehr arbeiten oder bin auf ergänzende<br />
Sozialleistungen angewiesen.«<br />
Doris K. hat sich für die Mehrarbeit entschieden. Auf 57 Wochenstunden<br />
kommt die ausgebildete Pflegehelferin zeitweise. »Der<br />
Arbeit geber verrechnet unzulässiger Weise einen Teil meiner Mehrarbeitsstunden<br />
mit Urlaubs- und Krankheitstagen. Dagegen habe ich<br />
inzwischen geklagt. Es geht immerhin um mehrere tausend Euro.«<br />
Der Arbeitgeber ist hellauf empört, zumal Doris K. nun auch noch<br />
mit anderen Kolleg/-innen eine Betriebsratswahl vorbereitet. »Wer<br />
den Mund aufmacht, bekommt Ärger. Denn in unserer Pflegeeinrichtung<br />
versteht sich der Chef als absoluter Herrscher. Er entscheidet,<br />
wer den Mindestlohn erhält und wer nicht. Weitere Lohnerhöhungen<br />
oder Kostenerstattungen für Benzin oder Fahrkarten lehnt er rundheraus<br />
ab.«<br />
Unter diesen Umständen gedeiht in dem Betrieb ein Klima der Angst.<br />
Zudem ist die Fluktuation enorm hoch, was sich wiederum negativ<br />
auf die Pflege auswirkt. Doris K.: »Es gibt pflegebedürftige Menschen,<br />
die in zwei Jahren zwischen 30 und 40 Pflegekräfte kennen lernen<br />
müssen. Da lässt sich weder ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen<br />
noch ein würdevoller Umgang aufrechterhalten.«<br />
Ein Mindestlohn verbessert die Löhne von vielen Menschen.<br />
Bessere Arbeitsbedingungen sind Voraussetzung für eine höhere<br />
Arbeitsmotivation. Das ist gerade in Berufen notwendig, die mit<br />
Menschen zu tun haben.<br />
Angesichts der Verantwortung und hohen Belastung in ihrem Beruf<br />
hält Doris K. den Mindestlohn für ein erstes positives Signal. Allerdings<br />
müssten die 8,50 Euro tatsächlich im Wortsinn ein Minimum<br />
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