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Festspielzeit Frühling 2016

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Die Kostümbildnerin Gesine<br />

Völlm begann mit einer<br />

Schneiderlehre. Wieviel<br />

Handwerk braucht eine Kostümbildnerin?<br />

OPER IM FESTSPIELHAUS<br />

Gesine Völlm: Mit 18 Jahren habe<br />

ich mich nicht getraut, auf die<br />

Kunstakademie zu gehen, denn<br />

ursprünglich wollte ich Malerin<br />

werden. Außerdem hätte ich gern<br />

Germanistik studiert, stellte mir<br />

dann aber vor, mit 300 Studenten im<br />

Hörsaal zu sitzen. Und wer braucht<br />

schon noch eine Lehrerin? Also habe<br />

ich aus Not beschlossen, eine Schneiderlehre<br />

zu machen, weil ich immer<br />

genäht und Dinge für mich hergestellt<br />

habe. Es gibt Kostümbildner,<br />

die brauchen gar kein Handwerk.<br />

Sie haben den Mut, völlig ohne handwerkliche<br />

Grundlage an Gestalten<br />

heranzugehen. Ich dagegen habe<br />

ein Hinterland, das mich aber auch<br />

manchmal einschränkt, weil ich so<br />

einen Respekt vor dem Handwerk<br />

habe. Deshalb kann ich auch nicht<br />

so leicht wieder etwas umwerfen.<br />

Gab es zu diesem Zeitpunkt schon<br />

den Wunsch, selbst zu entwerfen,<br />

und zwar für das Theater und nicht<br />

für den Laufsteg?<br />

Mode war für mich auch eine Möglichkeit,<br />

aber ich merkte schnell,<br />

dass ich in diese Welt nicht hineinpasse.<br />

Ich hatte damals einen<br />

Freund, der sich sein Studium als<br />

Bühnentechniker an der Staatsoper<br />

Stuttgart finanzierte. Er hat mich<br />

mitgenommen und ich stand auf<br />

der Seitenbühne. Fast jeden Abend<br />

habe ich mir auf diese Weise Stücke<br />

angehört und angeschaut. Bei<br />

Dornröschen in der Ausstattung von<br />

Jürgen Rose lief eine Fee mit einem<br />

Klingelkäppchen vorbei. Diese Feen<br />

mit ihren bestickten Tutus haben in<br />

mir etwas gezündet. Ich wusste ab<br />

diesem Moment: Genau das möchte<br />

ich machen und nichts anderes!<br />

An der Seite von Regisseur Olivier Tambosi begibt sich die Kostümbildnerin Gesine Völlm<br />

in die Welt von nächtlichen Geistererscheinungen und verräterischem Theaterspiel:<br />

Die Bregenzer Festspiele zeigen Franco Faccios »Hamlet« als Oper im Festspielhaus.<br />

Welche Rolle spielt das Zeichnen<br />

für die Arbeit? Kommen dort<br />

Gedanken nur zu Papier oder ist<br />

es ein Denkprozess?<br />

Wenn ich etwas zeichnen kann,<br />

stimmt es. Das heißt, wenn sich<br />

etwas noch nicht zeichnen lässt,<br />

ist es auch noch nicht so weit. Es<br />

gibt eine Art von innerer Form, die<br />

aufs Papier gebracht werden will.<br />

Beim Zeichnen entstehen Typen.<br />

Entweder schaue ich mir an, wie die<br />

Sänger in Wirklichkeit aussehen,<br />

oder ich erfinde die Typen, ohne die<br />

Menschen vorher zu kennen, was<br />

meistens beim Chor der Fall ist. Ich<br />

habe immer wieder die Erfahrung<br />

gemacht, dass die Chorsänger in<br />

den Typen konkrete Personen erkannt<br />

haben. Offensichtlich gibt es<br />

Charaktere, die man typisieren kann.<br />

Bei den Anproben halte ich mich daran<br />

fest, was ich Wochen und Monate<br />

vorher erfunden habe. Dann kommt<br />

aber der Charakter hinzu, der im<br />

Kostüm steckt und vielleicht etwas<br />

ganz anderes verlangt. Also da ist<br />

das Bild und dort die Wirklichkeit.<br />

Diese beiden übereinanderzuschieben,<br />

ist der Sinn der Anprobe.<br />

Je klarer eine Figurine ist, desto besser<br />

lässt sie sich auch modifizieren.<br />

22<br />

Was macht ein gutes Kostüm aus?<br />

Das ist schwierig zu sagen. Es muss<br />

Membran sein, die dem Darsteller<br />

noch Freiheiten gibt, die Rolle zu<br />

gestalten. Es muss ihm aber auch genügend<br />

Fassung geben. Es muss unbedingt<br />

mit dem Bühnenbild zu tun<br />

haben. Kostüme, Möbel, Requisiten,<br />

was auch immer auf der Bühne ist,<br />

muss ursächlich miteinander zu tun<br />

haben. Es muss in die Gesamtklammer,<br />

die man vorher als Regieteam<br />

beschlossen hat, hineinpassen.<br />

Ihre Kostüme kennzeichnen oft eine<br />

unglaubliche Phantasie und Opulenz,<br />

sie unterscheiden sich extrem von<br />

der Kleidung auf der Straße. Woher<br />

kommt die Inspiration?<br />

Manchmal beziehe ich mich auf eine<br />

geschichtliche Wirklichkeit. Wenn<br />

das Stück und die Inszenierung eine<br />

konkrete Zeit vorgeben, schaue ich<br />

mir Hunderte von Bildern aus dieser<br />

Epoche an und speichere sie auf<br />

meinem Computer. Ich gehe gern in<br />

die Lipperheidesche Kostümbibliothek<br />

in Berlin und mache tagelang<br />

dort Fotos. Dann sitze ich an meinem<br />

ovalen Zeichentisch und habe<br />

die Vorstellungen des Regisseurs<br />

von der Qualität der Kostüme, die

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