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Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2016

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herausdampfen. „Das ist unvergleichlich, das<br />

geht buchstäblich unter die Haut.“<br />

Entspannen im Heubad<br />

Das sehen auch Sandra und Hans Seeberger<br />

so. Die beiden haben die Wellness- und<br />

Kosmetiklinie „Almwell“ entwickelt, die<br />

Gäste in einigen Hotels der Zugspitz Arena<br />

Bayern-Tirol genießen können. Eines ihrer<br />

Produkte ist ein Heubad: „Es hat eine entgiftende<br />

und entschlackende Wirkung, es<br />

belebt, wirkt ausgleichend und steigert das<br />

allgemeine Wohlbefinden.“ Das an Kräutern<br />

und Heilpflanzen reiche Heu holen sie von<br />

ungedüngten und naturbelassenen Bergwiesen<br />

oberhalb der Kochelberg-Alm herunter.<br />

Ein einziger Schnitt per Hand zur Zeit der<br />

vollen Blüte und die schonende Trocknung<br />

und Lagerung sind dabei die Garanten für<br />

die besondere Qualität des Heus.<br />

Noch einmal ein Blick an den Anfang<br />

dieser Geschichte, zu den Bergwiesen rund<br />

um die Zugspitze. Damit sich die Fülle der<br />

Kräuter und Gräser dort entfaltet, ist der<br />

Bergbauer als Heger und Pfleger gefordert.<br />

Er muss Unkraut und wuchernde Hölzer fernhalten<br />

und darf den Weg nicht scheuen, der<br />

hinauf führt in die Höhe. Das braucht Energie,<br />

das braucht Zeit, das braucht ein gewisses<br />

Maß an Leidenschaft und Begeisterung,<br />

denn nur betriebswirtschaftlich darf man da<br />

nicht hinsehen.<br />

Nikolaus „Niklos“ Grasegger, Landwirt<br />

aus Grainau, schaut dafür umso genauer<br />

hin, dass „aus schönem Gras ein gutes Heu<br />

wird“. Die Wetterlage muss genau passen,<br />

wenn die Zeit für den Schnitt gekommen<br />

ist. „In die Mahd darf es nicht hineinregnen,<br />

sonst verliert das Heu an Nährwert“, erklärt<br />

er – und verrät ganz nebenbei, dass Heu für<br />

Pferde später geerntet wird als jenes für<br />

andere Tiere, damit es noch kräftiger ausfällt,<br />

weil die Gräser bereits blühen oder<br />

aussamen. Damit bekommt das Heu eine<br />

Struktur, die den Rossen nicht nur als Nahrung<br />

Freude macht, sondern auch als Zeitvertreib<br />

beim ausgiebigen Kauen.<br />

Einmal im Jahr geht‘s zur „Heimahd“<br />

Den Tag, an dem die Heuernte normalerweise<br />

beginnt, können sich vor allem<br />

Gourmets gut merken: Es ist der Johannitag,<br />

also das Hochfest von Johannes dem Täufer<br />

am 24. Juni. Traditionell endet an diesem<br />

Tag die Spargelsaison. „Wenn die Johanniswürmer<br />

glänzen, darfst Du richten Deine<br />

Sensen“, heißt der Appell zur Heumahd<br />

in einer alten Bauernregel. Wobei es noch<br />

einen zweiten Brückenschlag in die feine<br />

Küche zu konstatieren gilt. Nicht nur, dass<br />

Spannende Erlebnisse für<br />

Gourmets: Alpenkräuterschokolade<br />

und Heuschnaps.<br />

English Summary<br />

The first article in this issue of ‘<strong>Grenzenlos</strong>’<br />

looks at hay as a cultural object. Hay?<br />

Even its smell may be foreign to many<br />

city-dwellers, but here the plant’s sweet<br />

aroma wafts gently in the air all around<br />

the Zugspitze. Although hay cultivation is<br />

generally on the wane, farmers such as<br />

Thomas Koch have formed an association<br />

in Lermoos to counter the trend and keep<br />

a valuable tradition alive. Hay growing<br />

was once a complex matter demanding<br />

the attention of an entire family. The traditional<br />

hay harvest is extremely arduous,<br />

but much of it is done with machinery<br />

today, even if expert Ursula Höger stresses<br />

that the old-fashioned scythe is still the<br />

better tool. Parts of the Lermoos region<br />

still store the plant as in former times, as<br />

clean hay is essential for feeding animals<br />

– Thomas Koch knows just how much his<br />

goats appreciate good hay. But it’s not<br />

only good for our four-legged friends:<br />

humans, too, can benefit from the herbs<br />

it contains, as Ursula Höger explains.<br />

What’s more, it’s also beneficial to your<br />

skin, as Sandra and Hans Seeberger can<br />

testify. The couple offer a range of health<br />

and cosmetic services, for example hay<br />

bath treatments. Despite all its benefits,<br />

though, cultivating hay is a time-consuming<br />

process and demands a certain<br />

passion, as Nikolaus Grassegger knows<br />

very well. He explains, for example, that<br />

hay for horses must be harvested much<br />

later so that it’s not only easier to digest<br />

but can be chewed for longer. The hay harvest<br />

traditionally begins on 24 June – an<br />

easy date to remember, as it’s the feast<br />

of the Nativity of John the Baptist! Finally,<br />

those who prefer to indulge their palates<br />

can then try a meal containing hay as an<br />

ingredient at Steffen Koch’s restaurant<br />

or savour a hay eau de vie distilled by<br />

Wolfgang Rosen. There’s virtually no limit<br />

to what can be done with hay!<br />

Heumilchkäse gerade zur Delikatesse avanciert.<br />

Auch Spitzenköche wie Steffen Koch<br />

vom „koch’s“ in Garmisch-Partenkirchen<br />

haben schon vor geraumer Zeit das würzige,<br />

aromatische Heu als Zutat für ausgesuchte<br />

Gerichte entdeckt: „Eine charakteristische<br />

Spezialität aus der unmittelbaren Nähe,<br />

die hervorragend in unser Konzept einer<br />

modernen, regionalen Küche passt“, so sein<br />

Kommentar.<br />

Edle Brände aus Heu<br />

Nicht nur dorthin. Auch auf anderen Wegen<br />

darf das Heu überraschende Wirkung im<br />

Gaumen entfalten. Da wäre zum Beispiel<br />

der „Bergblumenheubrand“, den Wolfgang<br />

Rosen „Beim Schnapsbrenner in Berwang“<br />

kredenzt. Vor 15 Jahren ist er selbst auf<br />

den Heugeschmack gekommen, hat das<br />

intensive Aroma der Heublumen schätzen<br />

gelernt und ein Verfahren entwickelt,<br />

mit dem die zuckerfreien Blüten, die beim<br />

Pressen des Heus abfallen, zur Grundlage<br />

eines edlen Brands werden. „Wir sind keine<br />

Mediziner“, räumt er schmunzelnd ein, „aber<br />

zum innerlichen Einreiben ist dieser Brand<br />

Das Heu einzufahren ist<br />

beschwerlich, aber im<br />

Winter es zu raufen leicht<br />

und sehr ernährlich.<br />

hervorragend geeignet.“ Ein merklicher<br />

Anteil wilder Kamille mache ihn mild am<br />

Gaumen, die anderen Kräuter sorgten für<br />

einen intensiven Geschmack.<br />

Eine Eigenschaft, die sich der Schnaps mit<br />

der „Gapalade“ teilt. Die haben Franz, Irene<br />

und Linus Kässer von der Chocolaterie Amelie<br />

in Garmisch-Partenkirchen kreiert und ihr<br />

mit dem Besten aus dem Bergwiesenheu,<br />

mit getrockneten Alpenkräutern, nicht nur<br />

einen einzigartigen Geschmack verliehen,<br />

sondern auch eine überraschende Optik und<br />

ein spannendes Erlebnis auf der Zunge und<br />

im Gaumen. Heu eben, ein anregender Besucher<br />

unserer Sinne. <br />

<br />

Ulrich Pfaffenberger

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