Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
20 / BUNTER MIX 21<br />
Zu sich selbst wandern<br />
Vielleicht sollte man es auf dieser Tour mit Buddha halten, dessen Spruch am Weg<br />
zu lesen ist: „Du lächelst, und die Welt verändert sich.“ Lächelnd geht bekanntlich<br />
alles leichter. Denn der 15 Kilometer lange Meditationsweg „Gedanken bergauf!“<br />
hat es in sich und ist eine Herausforderung für Geist und Körper.<br />
Etwa vier Stunden sollte sich der<br />
geübte Wanderer für den Meditationsweg<br />
„Gedanken bergauf!“ Zeit<br />
nehmen, der 1.300 Höhenmeter vom<br />
Parkplatz der Hausbergbahn bis zum Osterfelderkopf<br />
führt. Gute Kondition ist dafür nötig.<br />
Man kann ihn aber auch von oben nach<br />
unten oder in Etappen gehen. Die Hauptsache<br />
dabei: „In sich gehen, sich besinnen, zur<br />
Ruhe kommen“, sagt Heiko Düsterhöft, der<br />
die Idee für den Meditationsweg hatte. Bei<br />
so einem Weg gehe es darum, „auch einmal<br />
stehen zu bleiben, die wunderschöne Natur<br />
zu genießen, und nicht einfach nur vorbeizueilen“,<br />
so der Garmischer Unternehmensberater,<br />
der auf der anspruchsvollen Strecke<br />
selbst gerne wandert. „Aber von oben nach<br />
unten“, wie er lächelnd anmerkt.<br />
Inspirationen und Gelegenheiten zur<br />
Besinnung und zum Nachdenken gibt es<br />
auf dem seit sechs Jahren bestehenden<br />
Pilgerweg viele: „An acht großen Kreuzen<br />
haben wir mit dem evangelischen und katholischen<br />
Pfarrer Bibeltexte ausgewählt“,<br />
Einen Menschen lieben,<br />
heißt, ihn so zu sehen, wie<br />
Gott ihn gemacht hat.<br />
Fjodor Dostojewski<br />
erklärt Düsterhöft. Sie sind auf Deutsch<br />
und Englisch zu lesen. Neben sechs großen<br />
Stationen direkt am Weg gibt es noch 20<br />
Zwischenstationen, um Kraft zu tanken und<br />
neuen Gedanken nachzugehen.<br />
46 Tafeln zum Nachdenken<br />
Es sollten nicht nur kirchlich geprägte<br />
Sprüche sein, meint Düsterhöft. Die Texte<br />
auf den insgesamt 46 kleineren Tafeln auf<br />
English Summary<br />
The ‘Gedanken Bergauf!’ meditation<br />
trail is ideal for anyone who wants<br />
to relax and find some inner peace.<br />
Taking around four hours to cover 15<br />
kilometres, hikers can enjoy nature<br />
in a spirit of self-contemplation at an<br />
altitude of 1,300 metres. The trail is<br />
marked by eight crosses along the<br />
way presenting selected passages<br />
from the Bible in German and English,<br />
as well as 46 boards on which quotes<br />
from philosophers and authors as<br />
diverse as Dostoyevsky and Gandhi<br />
provide ample food for thought. The<br />
themes of the six main waypoints are<br />
‘encountering God’, ‘in the care of angels<br />
wherever you go’, ‘out and about’,<br />
‘the desire for more’, ‘God opens up<br />
new space’ and ‘refuge and protection’.<br />
Since 2010, the popular trail has been<br />
an ideal way for young and old alike<br />
to indulge in a moment of reflection:<br />
as Buddha said, ‘you smile, and the<br />
world changes’.<br />
Ich bin Christ, Hindu,<br />
Moslem und Jude.<br />
Mahatma Gandhi<br />
der Route stammen daher aus allen großen<br />
Weltreligionen, aber auch von Philosophen,<br />
Schriftstellern, Künstlern und Theologen.<br />
Der Meditationsweg, den Düsterhöft mit<br />
den Pfarrern der evangelischen und katholischen<br />
Kirche Garmisch entwickelte, wurde<br />
vom Fremdenverkehrsverein Garmisch-<br />
Partenkirchen finanziert. „Wir haben die<br />
Erfahrung gemacht, dass Menschen am Berg<br />
oft Fragen stellen, die so in der Kirche nicht<br />
gestellt werden“, sagte der evangelische<br />
Pfarrer Stefan Blumtritt bei der Einweihung<br />
im Jahr 2010.<br />
Die Gedanken sind frei<br />
Die Titel der Stationen sind offen formuliert<br />
und lassen den Gedanken viel Freiraum.<br />
Zu Beginn des Wegs hinter dem Bichlerhof<br />
Richtung Kochelberg trifft der Wanderer auf<br />
die erste Station „Gottesbegegnung“. Nachdem<br />
er durch den Mischwald und die Bergwiesen<br />
zur Partnachalm weitergewandert<br />
ist, stößt er südlich der Alm auf das zweite<br />
Kreuz „Behütet auf allen Wegen“. Nach dem<br />
Bayernhaus kommt man zum Speichersee<br />
und dem Ort „Unterwegs sein.“ Weiter geht<br />
es Richtung Garmischer Haus. Am Kreuz<br />
der Kreuzalm ist die vierte Station „Lust auf<br />
mehr“. Die Route führt dann zur Hochalm.<br />
Dort steht das Kreuz „Gott öffnet Räume“,<br />
passend zu der Aussicht auf das Isartal. Von<br />
der Hochalm wandert man anschließend<br />
weiter zur Bergstation der Alpspitzbahn und<br />
dann zum Osterfelderkopf, dem Ziel oder<br />
Ausgangspunkt des Meditationswegs und<br />
der Station sechs „Zuflucht und Schutz“.<br />
Viele der Texte, die auf der meditativen<br />
Strecke zu lesen sind, bleiben beim Gehen<br />
hängen, wirken nach, etwa der Spruch von<br />
Dostojewski: „Einen Menschen lieben, heißt,<br />
ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemacht<br />
hat.“ Oder die Erkenntnis der Schauspielerin<br />
Hanna Schygulla: „Das Leben ist eine Reise,<br />
je weniger Gepäck man dabei hat, desto<br />
mehr Eindrücke kann man mitnehmen.“ Gut<br />
gefällt Düsterhöft auch Gandhis Spruch: „Ich<br />
bin Christ, Hindu, Moslem und Jude.“<br />
Das Interesse am Meditationsweg „Gedanken<br />
bergauf!“ ist groß. „Die Flyer mit der<br />
Wegbeschreibung, die es in der Tourist Information<br />
und in den Hotels gibt, sind sehr gefragt“,<br />
weiß Düsterhöft. Sogar mit Kindern ist<br />
eine Etappe lohnend, wie eine Wandererin<br />
berichtet. Sie hatte mit ihren Mädchen die<br />
erste Strecke „Gottesbegegnung“ von der<br />
Tal station über die Kochelbergalm bis zur<br />
Partnach alm ausprobiert. „Die Kinder machen<br />
sich ja keine schweren Gedanken“,<br />
stellte sie fest. Aber genossen haben es alle<br />
drei trotzdem, jede auf ihre Weise.<br />
Neben der Etappe vom Hausberg zur<br />
Partnach alm bietet sich für weniger Geübte<br />
beispielsweise auch die Strecke vom Kreuzeck<br />
zum Osterfelderkopf an. Und da zum<br />
Pilgern und Meditieren die Freude gehört,<br />
gibt es auch heitere, tiefgründige Aussagen,<br />
die den Wanderer begleiten. Etwa jener<br />
jüdische Spruch: „Eine glückliche Ehe ist eine<br />
größere Wundertat Gottes als die Teilung<br />
des Schilfmeeres.“ <br />
<br />
Lucia Glahn