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Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2016

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20 / BUNTER MIX 21<br />

Zu sich selbst wandern<br />

Vielleicht sollte man es auf dieser Tour mit Buddha halten, dessen Spruch am Weg<br />

zu lesen ist: „Du lächelst, und die Welt verändert sich.“ Lächelnd geht bekanntlich<br />

alles leichter. Denn der 15 Kilometer lange Meditationsweg „Gedanken bergauf!“<br />

hat es in sich und ist eine Herausforderung für Geist und Körper.<br />

Etwa vier Stunden sollte sich der<br />

geübte Wanderer für den Meditationsweg<br />

„Gedanken bergauf!“ Zeit<br />

nehmen, der 1.300 Höhenmeter vom<br />

Parkplatz der Hausbergbahn bis zum Osterfelderkopf<br />

führt. Gute Kondition ist dafür nötig.<br />

Man kann ihn aber auch von oben nach<br />

unten oder in Etappen gehen. Die Hauptsache<br />

dabei: „In sich gehen, sich besinnen, zur<br />

Ruhe kommen“, sagt Heiko Düsterhöft, der<br />

die Idee für den Meditationsweg hatte. Bei<br />

so einem Weg gehe es darum, „auch einmal<br />

stehen zu bleiben, die wunderschöne Natur<br />

zu genießen, und nicht einfach nur vorbeizueilen“,<br />

so der Garmischer Unternehmensberater,<br />

der auf der anspruchsvollen Strecke<br />

selbst gerne wandert. „Aber von oben nach<br />

unten“, wie er lächelnd anmerkt.<br />

Inspirationen und Gelegenheiten zur<br />

Besinnung und zum Nachdenken gibt es<br />

auf dem seit sechs Jahren bestehenden<br />

Pilgerweg viele: „An acht großen Kreuzen<br />

haben wir mit dem evangelischen und katholischen<br />

Pfarrer Bibeltexte ausgewählt“,<br />

Einen Menschen lieben,<br />

heißt, ihn so zu sehen, wie<br />

Gott ihn gemacht hat.<br />

Fjodor Dostojewski<br />

erklärt Düsterhöft. Sie sind auf Deutsch<br />

und Englisch zu lesen. Neben sechs großen<br />

Stationen direkt am Weg gibt es noch 20<br />

Zwischenstationen, um Kraft zu tanken und<br />

neuen Gedanken nachzugehen.<br />

46 Tafeln zum Nachdenken<br />

Es sollten nicht nur kirchlich geprägte<br />

Sprüche sein, meint Düsterhöft. Die Texte<br />

auf den insgesamt 46 kleineren Tafeln auf<br />

English Summary<br />

The ‘Gedanken Bergauf!’ meditation<br />

trail is ideal for anyone who wants<br />

to relax and find some inner peace.<br />

Taking around four hours to cover 15<br />

kilometres, hikers can enjoy nature<br />

in a spirit of self-contemplation at an<br />

altitude of 1,300 metres. The trail is<br />

marked by eight crosses along the<br />

way presenting selected passages<br />

from the Bible in German and English,<br />

as well as 46 boards on which quotes<br />

from philosophers and authors as<br />

diverse as Dostoyevsky and Gandhi<br />

provide ample food for thought. The<br />

themes of the six main waypoints are<br />

‘encountering God’, ‘in the care of angels<br />

wherever you go’, ‘out and about’,<br />

‘the desire for more’, ‘God opens up<br />

new space’ and ‘refuge and protection’.<br />

Since 2010, the popular trail has been<br />

an ideal way for young and old alike<br />

to indulge in a moment of reflection:<br />

as Buddha said, ‘you smile, and the<br />

world changes’.<br />

Ich bin Christ, Hindu,<br />

Moslem und Jude.<br />

Mahatma Gandhi<br />

der Route stammen daher aus allen großen<br />

Weltreligionen, aber auch von Philosophen,<br />

Schriftstellern, Künstlern und Theologen.<br />

Der Meditationsweg, den Düsterhöft mit<br />

den Pfarrern der evangelischen und katholischen<br />

Kirche Garmisch entwickelte, wurde<br />

vom Fremdenverkehrsverein Garmisch-<br />

Partenkirchen finanziert. „Wir haben die<br />

Erfahrung gemacht, dass Menschen am Berg<br />

oft Fragen stellen, die so in der Kirche nicht<br />

gestellt werden“, sagte der evangelische<br />

Pfarrer Stefan Blumtritt bei der Einweihung<br />

im Jahr 2010.<br />

Die Gedanken sind frei<br />

Die Titel der Stationen sind offen formuliert<br />

und lassen den Gedanken viel Freiraum.<br />

Zu Beginn des Wegs hinter dem Bichlerhof<br />

Richtung Kochelberg trifft der Wanderer auf<br />

die erste Station „Gottesbegegnung“. Nachdem<br />

er durch den Mischwald und die Bergwiesen<br />

zur Partnachalm weitergewandert<br />

ist, stößt er südlich der Alm auf das zweite<br />

Kreuz „Behütet auf allen Wegen“. Nach dem<br />

Bayernhaus kommt man zum Speichersee<br />

und dem Ort „Unterwegs sein.“ Weiter geht<br />

es Richtung Garmischer Haus. Am Kreuz<br />

der Kreuzalm ist die vierte Station „Lust auf<br />

mehr“. Die Route führt dann zur Hochalm.<br />

Dort steht das Kreuz „Gott öffnet Räume“,<br />

passend zu der Aussicht auf das Isartal. Von<br />

der Hochalm wandert man anschließend<br />

weiter zur Bergstation der Alpspitzbahn und<br />

dann zum Osterfelderkopf, dem Ziel oder<br />

Ausgangspunkt des Meditationswegs und<br />

der Station sechs „Zuflucht und Schutz“.<br />

Viele der Texte, die auf der meditativen<br />

Strecke zu lesen sind, bleiben beim Gehen<br />

hängen, wirken nach, etwa der Spruch von<br />

Dostojewski: „Einen Menschen lieben, heißt,<br />

ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemacht<br />

hat.“ Oder die Erkenntnis der Schauspielerin<br />

Hanna Schygulla: „Das Leben ist eine Reise,<br />

je weniger Gepäck man dabei hat, desto<br />

mehr Eindrücke kann man mitnehmen.“ Gut<br />

gefällt Düsterhöft auch Gandhis Spruch: „Ich<br />

bin Christ, Hindu, Moslem und Jude.“<br />

Das Interesse am Meditationsweg „Gedanken<br />

bergauf!“ ist groß. „Die Flyer mit der<br />

Wegbeschreibung, die es in der Tourist Information<br />

und in den Hotels gibt, sind sehr gefragt“,<br />

weiß Düsterhöft. Sogar mit Kindern ist<br />

eine Etappe lohnend, wie eine Wandererin<br />

berichtet. Sie hatte mit ihren Mädchen die<br />

erste Strecke „Gottesbegegnung“ von der<br />

Tal station über die Kochelbergalm bis zur<br />

Partnach alm ausprobiert. „Die Kinder machen<br />

sich ja keine schweren Gedanken“,<br />

stellte sie fest. Aber genossen haben es alle<br />

drei trotzdem, jede auf ihre Weise.<br />

Neben der Etappe vom Hausberg zur<br />

Partnach alm bietet sich für weniger Geübte<br />

beispielsweise auch die Strecke vom Kreuzeck<br />

zum Osterfelderkopf an. Und da zum<br />

Pilgern und Meditieren die Freude gehört,<br />

gibt es auch heitere, tiefgründige Aussagen,<br />

die den Wanderer begleiten. Etwa jener<br />

jüdische Spruch: „Eine glückliche Ehe ist eine<br />

größere Wundertat Gottes als die Teilung<br />

des Schilfmeeres.“ <br />

<br />

Lucia Glahn

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