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Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2016

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14 / BUNTER MIX 15<br />

Vera und Josef Karner gehen bei der<br />

Isarkieselführung mit ihren Gästen<br />

auf Schatzsuche.<br />

Kleine Steine,<br />

große Schätze<br />

Wer etwas über Kieselsteine erfahren will, der schaut besser nicht in ein<br />

Lexikon. Der schaut lieber in ein Flussbett. Denn da liegen sie zu Tausenden<br />

und Abertausenden, keiner dem anderen gleich in Form, Farbe oder Größe.<br />

Ein Universum der Vielgestalt. „Jeder<br />

Kieselstein ist etwas ganz Eigenes –<br />

und aus vielen wird ein Zauberstein.“<br />

So sagt es uns einer, der sein Leben<br />

in diesem Universum verbringt. Josef Karner<br />

ist begeistert von Kieselsteinen, und diese<br />

Begeisterung ist ansteckend. Seine eigenen<br />

Schätze, zusammengetragen im Isartal, Karwendel<br />

und Wetterstein, sind auch Anschauungsmaterial<br />

für andere. Spätestens wenn<br />

er die kleinen, rund geschliffenen Steine in<br />

die Hand nimmt und zu erklären beginnt, ist<br />

klar: Wer denkt, dass Kiesel ganz gewöhnlich<br />

und unscheinbar sind, hat sich getäuscht. „Es<br />

gibt drei Grundarten von Gesteinen“, erklärt<br />

Karner. „Fossilien, die aus der Karwendelregion,<br />

also von den Kalkbergen stammen,<br />

kristalline Gesteine, die durch die Gletscher<br />

zu uns kamen, und sogenannte metamorphe,<br />

das heißt umgewandelte Steine.“ Zu<br />

der metamorphen Gruppe, die durch Druck<br />

und Temperatur umgewandelt wurde, zählen<br />

beispielsweise Buntbasalte.<br />

Lehrpfad „Steine des Alpenraums“<br />

Einen Einblick in die steinernen Schätze des<br />

gesamten Alpenraums bietet der geologische<br />

Lehrpfad „Steine des Alpenraums“ in<br />

Garmisch-Partenkirchen. „Es ist der größte<br />

in Bayern“, freut sich Initiator Heiko Düsterhöft<br />

vom Fremdenverkehrsverein Garmisch-<br />

Partenkirchen. „69 große und kleine Steine<br />

haben wir auf dem 1,6 Kilometer langen<br />

Weg zwischen der Bahnhofstraße und dem<br />

Olympia-Skistadion bisher ausgestellt“,<br />

sagt der Unternehmensberater. Da lässt es<br />

sich an der Partnach auch mit Kinderwagen<br />

gemütlich entlangspazieren und sozusagen<br />

im Vorübergehen jede Menge Wissen über<br />

den Alpenraum aufnehmen.<br />

Ob Schiefer oder Marmor, Muschelkalk<br />

oder Silberquarzit – die Vielfalt der Schätze<br />

auf dem Weg ist groß. Vom faustgroßen<br />

bis zum 3,5 Tonnen schweren Stein ist alles<br />

dabei. Auf den Lehrtafeln erfährt man „auf<br />

leicht wissenschaftlicher Basis“, wie Düsterhöft<br />

sagt, alles über Art und Entstehungsgeschichte,<br />

über Fundorte und geologische<br />

Zusammenhänge. Der älteste gezeigte Stein<br />

beispielsweise, ein Eklogit, entstand vor<br />

mehr als 290 Millionen Jahren in 35 Kilometer<br />

Tiefe. „Finanziert wurde der Lehrpfad,<br />

den auch Schulen sehr gern nutzen, nur<br />

durch Spenden“, so Düsterhöft. Für Kinder<br />

und Jugendliche sollen demnächst noch<br />

interaktive Stationen eingerichtet werden.<br />

„Ziel des Lehrpfads ist es auch, ein Gefühl<br />

für die Entstehung und die Schönheit des<br />

Alpenraums zu bekommen.“<br />

Der Anreiz, selbst einen Schatz zu finden,<br />

ist nach einem solch anregenden Einstieg<br />

ins Thema groß. Immer wieder macht sich<br />

daher der „Steineflüsterer“, wie Josef Karner<br />

auch genannt wird, mit Gruppen auf den<br />

Weg zu den Flussbetten in der Region. Und<br />

dann geht es ans Sammeln: Jung und Alt,<br />

Groß und Klein streifen über den Kies und<br />

greifen zu. Zehn Minuten lang dürfen sie<br />

nehmen, was sie wollen.<br />

English Summary<br />

Anyone who wants to discover the<br />

diversity of siliceous rocks should<br />

speak to Josef Karner. There are<br />

three types – fossils, crystalline and<br />

metamorphic rocks – and 69 of these<br />

ancient stones can be found over<br />

the 1.6 kilometres of the ‘stones of<br />

the Alpine region’ nature trail Karner<br />

looks after. Some of them weigh up<br />

to 3.5 tons and are as much as 290<br />

million years old. The trail is very<br />

popular with schools: once the kids<br />

have filled up their bags with stones,<br />

Karner explains what they collected,<br />

sometimes finding rarities such as<br />

fossilised cuttlefish or dinosaur teeth.<br />

Karner is also a stone grinder and<br />

transforms some of his rocks into<br />

little artworks. His main preoccupation,<br />

though, is that those stones have<br />

personal value and, by the nature of<br />

their discovery, ‘have their own story<br />

to tell’.<br />

Danach analysiert Karner die Fundstücke.<br />

Von jedem nimmt er zwei bis drei Exemplare,<br />

erklärt die Besonderheiten und um<br />

welche Gesteinsart es sich handelt. „Das<br />

machen wir drei oder vier Mal“, sagt der<br />

Experte. „Was hab ich da gefunden, was<br />

sind das für rote Punkte da?“ Solche Fragen<br />

beantwortet Karner geduldig und hilft auch,<br />

verborgene Schönheiten zu entdecken: „Ammoniten,<br />

also versteinerte Tintenfische, sind<br />

beispielsweise interessant. Sie sind nicht offen<br />

zu sehen, sondern stecken im Gestein“,<br />

verrät der Gesteinsforscher. „Damit sie nicht<br />

zerbrechen, mache ich einen Sägeschnitt.“<br />

Sammeln, bis die Hose rutscht<br />

Der Sammeleifer ist groß – die mitgebrachten<br />

Stofftaschen und Rucksäcke füllen sich<br />

bald. „Manche schleppen 20 bis 30 Kilo Kiesel<br />

mit. Anderen hat es schon die Hosen heruntergezogen,<br />

weil sie so viel in die Taschen<br />

gesteckt haben“, lacht Karner. Die Interessen<br />

sind ganz unterschiedlich: „Es gibt auch diejenigen,<br />

die gezielt nach Schmucksteinen<br />

suchen und deswegen nur eine Handvoll<br />

mitnehmen.“<br />

„Dass es immer tolle Überraschungen<br />

gibt“, freut den Kenner. „Das ist ja das Glück,<br />

dass der Laie einen Stein hochnimmt, an<br />

dem der Profi vielleicht vorbeigehen würde.<br />

Dann dreht man ihn um und findet ein tolles<br />

Muster oder schöne Ornamente darauf.“<br />

Ein Teilnehmer habe sogar einmal einen<br />

Saurierzahn gefunden. „Ich hätte ihm alles<br />

dafür gegeben“, erzählt Karner. Später habe<br />

ihm der Mann den Zahn einfach geschenkt.<br />

In der Schleifmaschine wird aus<br />

einem vielleicht unscheinbaren<br />

Stein ein echter Dekostein.<br />

Ob man die Steine mitnehmen darf, wird<br />

Karner oft gefragt, und bejaht das grundsätzlich.<br />

Nur in speziellen Fällen sei das verboten,<br />

werde dann aber auf Tafeln mitgeteilt.<br />

Er selbst hat einmal eine grüne Nephrit-<br />

Jade entdeckt, die aus der Uferböschung<br />

herausgefallen war. „Die habe ich anpoliert.<br />

Das war mein tollster Fund.“<br />

Auch dabei, wie „aus einem unscheinbaren<br />

Kiesel ein Dekostein wird“, kann man<br />

ihm über die Schulter schauen, wenn er ihn<br />

nämlich an der Schleifmaschine bearbeitet.<br />

Wer möchte, lässt seine gefundenen Schätze<br />

hier schleifen. Karner bietet dafür aber auch<br />

gesondert Kurse an. „Man kann in zwei<br />

Stunden keinen Geologen ausbilden“, meint<br />

der Steinliebhaber.<br />

Aber darum gehe es ihm auch gar nicht.<br />

Schließlich hat so ein Sammelstück öfter<br />

einen persönlichen als einen materiellen<br />

Wert. „Ein Stein, den der Opa gemeinsam<br />

mit seinem Enkel gefunden und poliert hat,<br />

ist doch etwas ganz Besonderes. Der hat<br />

seine eigene Geschichte.“<br />

<br />

Lucia Glahn<br />

Führungen<br />

Führungen auf den Lehrpfaden bietet<br />

Geo Trip an:<br />

+49 8825 562<br />

geo-trip.de

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