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14 / BUNTER MIX 15<br />
Vera und Josef Karner gehen bei der<br />
Isarkieselführung mit ihren Gästen<br />
auf Schatzsuche.<br />
Kleine Steine,<br />
große Schätze<br />
Wer etwas über Kieselsteine erfahren will, der schaut besser nicht in ein<br />
Lexikon. Der schaut lieber in ein Flussbett. Denn da liegen sie zu Tausenden<br />
und Abertausenden, keiner dem anderen gleich in Form, Farbe oder Größe.<br />
Ein Universum der Vielgestalt. „Jeder<br />
Kieselstein ist etwas ganz Eigenes –<br />
und aus vielen wird ein Zauberstein.“<br />
So sagt es uns einer, der sein Leben<br />
in diesem Universum verbringt. Josef Karner<br />
ist begeistert von Kieselsteinen, und diese<br />
Begeisterung ist ansteckend. Seine eigenen<br />
Schätze, zusammengetragen im Isartal, Karwendel<br />
und Wetterstein, sind auch Anschauungsmaterial<br />
für andere. Spätestens wenn<br />
er die kleinen, rund geschliffenen Steine in<br />
die Hand nimmt und zu erklären beginnt, ist<br />
klar: Wer denkt, dass Kiesel ganz gewöhnlich<br />
und unscheinbar sind, hat sich getäuscht. „Es<br />
gibt drei Grundarten von Gesteinen“, erklärt<br />
Karner. „Fossilien, die aus der Karwendelregion,<br />
also von den Kalkbergen stammen,<br />
kristalline Gesteine, die durch die Gletscher<br />
zu uns kamen, und sogenannte metamorphe,<br />
das heißt umgewandelte Steine.“ Zu<br />
der metamorphen Gruppe, die durch Druck<br />
und Temperatur umgewandelt wurde, zählen<br />
beispielsweise Buntbasalte.<br />
Lehrpfad „Steine des Alpenraums“<br />
Einen Einblick in die steinernen Schätze des<br />
gesamten Alpenraums bietet der geologische<br />
Lehrpfad „Steine des Alpenraums“ in<br />
Garmisch-Partenkirchen. „Es ist der größte<br />
in Bayern“, freut sich Initiator Heiko Düsterhöft<br />
vom Fremdenverkehrsverein Garmisch-<br />
Partenkirchen. „69 große und kleine Steine<br />
haben wir auf dem 1,6 Kilometer langen<br />
Weg zwischen der Bahnhofstraße und dem<br />
Olympia-Skistadion bisher ausgestellt“,<br />
sagt der Unternehmensberater. Da lässt es<br />
sich an der Partnach auch mit Kinderwagen<br />
gemütlich entlangspazieren und sozusagen<br />
im Vorübergehen jede Menge Wissen über<br />
den Alpenraum aufnehmen.<br />
Ob Schiefer oder Marmor, Muschelkalk<br />
oder Silberquarzit – die Vielfalt der Schätze<br />
auf dem Weg ist groß. Vom faustgroßen<br />
bis zum 3,5 Tonnen schweren Stein ist alles<br />
dabei. Auf den Lehrtafeln erfährt man „auf<br />
leicht wissenschaftlicher Basis“, wie Düsterhöft<br />
sagt, alles über Art und Entstehungsgeschichte,<br />
über Fundorte und geologische<br />
Zusammenhänge. Der älteste gezeigte Stein<br />
beispielsweise, ein Eklogit, entstand vor<br />
mehr als 290 Millionen Jahren in 35 Kilometer<br />
Tiefe. „Finanziert wurde der Lehrpfad,<br />
den auch Schulen sehr gern nutzen, nur<br />
durch Spenden“, so Düsterhöft. Für Kinder<br />
und Jugendliche sollen demnächst noch<br />
interaktive Stationen eingerichtet werden.<br />
„Ziel des Lehrpfads ist es auch, ein Gefühl<br />
für die Entstehung und die Schönheit des<br />
Alpenraums zu bekommen.“<br />
Der Anreiz, selbst einen Schatz zu finden,<br />
ist nach einem solch anregenden Einstieg<br />
ins Thema groß. Immer wieder macht sich<br />
daher der „Steineflüsterer“, wie Josef Karner<br />
auch genannt wird, mit Gruppen auf den<br />
Weg zu den Flussbetten in der Region. Und<br />
dann geht es ans Sammeln: Jung und Alt,<br />
Groß und Klein streifen über den Kies und<br />
greifen zu. Zehn Minuten lang dürfen sie<br />
nehmen, was sie wollen.<br />
English Summary<br />
Anyone who wants to discover the<br />
diversity of siliceous rocks should<br />
speak to Josef Karner. There are<br />
three types – fossils, crystalline and<br />
metamorphic rocks – and 69 of these<br />
ancient stones can be found over<br />
the 1.6 kilometres of the ‘stones of<br />
the Alpine region’ nature trail Karner<br />
looks after. Some of them weigh up<br />
to 3.5 tons and are as much as 290<br />
million years old. The trail is very<br />
popular with schools: once the kids<br />
have filled up their bags with stones,<br />
Karner explains what they collected,<br />
sometimes finding rarities such as<br />
fossilised cuttlefish or dinosaur teeth.<br />
Karner is also a stone grinder and<br />
transforms some of his rocks into<br />
little artworks. His main preoccupation,<br />
though, is that those stones have<br />
personal value and, by the nature of<br />
their discovery, ‘have their own story<br />
to tell’.<br />
Danach analysiert Karner die Fundstücke.<br />
Von jedem nimmt er zwei bis drei Exemplare,<br />
erklärt die Besonderheiten und um<br />
welche Gesteinsart es sich handelt. „Das<br />
machen wir drei oder vier Mal“, sagt der<br />
Experte. „Was hab ich da gefunden, was<br />
sind das für rote Punkte da?“ Solche Fragen<br />
beantwortet Karner geduldig und hilft auch,<br />
verborgene Schönheiten zu entdecken: „Ammoniten,<br />
also versteinerte Tintenfische, sind<br />
beispielsweise interessant. Sie sind nicht offen<br />
zu sehen, sondern stecken im Gestein“,<br />
verrät der Gesteinsforscher. „Damit sie nicht<br />
zerbrechen, mache ich einen Sägeschnitt.“<br />
Sammeln, bis die Hose rutscht<br />
Der Sammeleifer ist groß – die mitgebrachten<br />
Stofftaschen und Rucksäcke füllen sich<br />
bald. „Manche schleppen 20 bis 30 Kilo Kiesel<br />
mit. Anderen hat es schon die Hosen heruntergezogen,<br />
weil sie so viel in die Taschen<br />
gesteckt haben“, lacht Karner. Die Interessen<br />
sind ganz unterschiedlich: „Es gibt auch diejenigen,<br />
die gezielt nach Schmucksteinen<br />
suchen und deswegen nur eine Handvoll<br />
mitnehmen.“<br />
„Dass es immer tolle Überraschungen<br />
gibt“, freut den Kenner. „Das ist ja das Glück,<br />
dass der Laie einen Stein hochnimmt, an<br />
dem der Profi vielleicht vorbeigehen würde.<br />
Dann dreht man ihn um und findet ein tolles<br />
Muster oder schöne Ornamente darauf.“<br />
Ein Teilnehmer habe sogar einmal einen<br />
Saurierzahn gefunden. „Ich hätte ihm alles<br />
dafür gegeben“, erzählt Karner. Später habe<br />
ihm der Mann den Zahn einfach geschenkt.<br />
In der Schleifmaschine wird aus<br />
einem vielleicht unscheinbaren<br />
Stein ein echter Dekostein.<br />
Ob man die Steine mitnehmen darf, wird<br />
Karner oft gefragt, und bejaht das grundsätzlich.<br />
Nur in speziellen Fällen sei das verboten,<br />
werde dann aber auf Tafeln mitgeteilt.<br />
Er selbst hat einmal eine grüne Nephrit-<br />
Jade entdeckt, die aus der Uferböschung<br />
herausgefallen war. „Die habe ich anpoliert.<br />
Das war mein tollster Fund.“<br />
Auch dabei, wie „aus einem unscheinbaren<br />
Kiesel ein Dekostein wird“, kann man<br />
ihm über die Schulter schauen, wenn er ihn<br />
nämlich an der Schleifmaschine bearbeitet.<br />
Wer möchte, lässt seine gefundenen Schätze<br />
hier schleifen. Karner bietet dafür aber auch<br />
gesondert Kurse an. „Man kann in zwei<br />
Stunden keinen Geologen ausbilden“, meint<br />
der Steinliebhaber.<br />
Aber darum gehe es ihm auch gar nicht.<br />
Schließlich hat so ein Sammelstück öfter<br />
einen persönlichen als einen materiellen<br />
Wert. „Ein Stein, den der Opa gemeinsam<br />
mit seinem Enkel gefunden und poliert hat,<br />
ist doch etwas ganz Besonderes. Der hat<br />
seine eigene Geschichte.“<br />
<br />
Lucia Glahn<br />
Führungen<br />
Führungen auf den Lehrpfaden bietet<br />
Geo Trip an:<br />
+49 8825 562<br />
geo-trip.de