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54 / WISSENDE 55<br />
Der Wald ist ihr Revier<br />
Langeweile ist für Försterin Simone Herrmann<br />
ein Fremdwort. Kein Wunder. Ihr Arbeitsplatz ist<br />
schließlich 4.500 Hektar groß und reicht vom<br />
Hausberg bis zur Zugspitze.<br />
Simone Herrmann ist die erste Försterin<br />
in einem bayerischen Hochgebirgsrevier.<br />
Das Schöne an ihrem<br />
Job: „Ich kann mir alles frei einteilen.“<br />
Seit 2012 kümmert sich die 31-Jährige<br />
hier um den Wald und die Tiere. Die Aufgaben<br />
der Försterin aus Grainau sind vielfältig.<br />
Zum Beispiel beim Thema „naturgemäßer<br />
Waldbau“. „Da muss ich im Revier sehen: Wo<br />
nutze ich Holz und wie schütze ich gleichzeitig<br />
die Fläche“, sagt Herrmann, die auch<br />
für den Naturschutz verantwortlich ist. „Hier<br />
geht es darum, wie ich beispielsweise Biotope<br />
pflegen kann.“<br />
Die studierte Forstingenieurin fördert<br />
zum Beispiel bei Steilflächen einen „stabilen<br />
Mischwald aus Tannen, Buchen und<br />
Lärchen“, auch als Schutz vor Lawinen oder<br />
Steinschlag. Um den Verbiss durch das Wild<br />
zu verhindern, müsse sie auch Rehe, Rotoder<br />
Gamswild bejagen. „Dafür bekomme<br />
ich jedes Jahr einen Abschussplan von der<br />
Behörde“, erzählt die gebürtige Thüringerin,<br />
die vorher im Pinzgau in Tirol tätig war. Es<br />
gibt aber auch Ruhezonen für die Tiere, wie<br />
im Naturschutzgebiet Höllental. Dort wird<br />
nicht gejagt.<br />
Nützen und schützen<br />
„Ich nütze und schütze“, fasst Herrmann<br />
ihren Auftrag zusammen. So müsse sie zwar<br />
Holz erwirtschaften, aber gleichzeitig auch<br />
Totholz erhalten und die Natur bewahren.<br />
„Beides auf der gleichen Fläche, das ist<br />
Basis unseres Naturschutzkonzeptes hier“,<br />
sagt die Revierförsterin. „Biotopbäume mit<br />
Spechthöhlen beispielsweise lasse ich beim<br />
Auszeichnen der Bäume stehen“, schildert<br />
sie ihre Arbeit. Auf diese Weise schafft sie<br />
überall kleine Schutzinseln.<br />
„Weil Auerwild eine Startbahn zum Abflug<br />
braucht, muss man an manchen Stellen eine<br />
kleine Trasse ausholzen und Platz lassen“,<br />
nennt Herrmann ein Beispiel. „Oder ich<br />
lasse eine Buche mit einem faulen Ast stehen,<br />
weil Schwarzspechte dort leichter eine<br />
Höhle hacken können, um darin zu brüten.“<br />
Man müsse die Auflagen für die Forstwirtschaft<br />
schon im Kopf haben. „Ich kann nicht<br />
einfach die Fläche kahl schlagen und Gott<br />
spielen“, lacht Herrmann, die sich außerdem<br />
um Konzepte für Erholung und Wege kümmert<br />
und um deren Pflege.<br />
Wo nutze ich Holz und wie<br />
schütze ich gleichzeitig die<br />
Fläche? Ich kann nicht einfach<br />
kahl schlagen und Gott spielen.<br />
Simone Herrmann, Försterin in Grainau<br />
Auch beim diesjährigen Marathon „Ultratrail“<br />
im Juni, bei dem Hunderte Sportler aus<br />
aller Welt 100 Kilometer von Grainau aus um<br />
die Zugspitze laufen werden, ist die Försterin<br />
gefragt. „Da müssen die Wege hergerichtet<br />
werden und ich sorge dafür, dass die Sportler<br />
die Strecke sicher passieren können.“<br />
Manchmal ist Herrmann mit dem Auto unterwegs,<br />
oft aber läuft sie den ganzen Tag zu<br />
Fuß durch den Wald. „Im Frühjahr wird gepflanzt,<br />
da suche ich geeignete Flächen und<br />
zeige diese den Waldarbeitern.“ Auch die<br />
Pflege steht dann an. Dazu gehört, dass bestimmte<br />
Baumarten gefördert werden. „Lärchen<br />
etwa brauchen viel Licht, dann nimmt<br />
man die umstehenden Bäume heraus.“<br />
Ähnlich sei es beim Bergahorn, da müssten<br />
die Fichten in der Nähe entfernt werden.<br />
Dazu bleibt Zeit, bis die Vögel je nach Witterung<br />
ab Mitte April brüten. „Was wir bis<br />
dahin nicht schaffen, machen wir dann im<br />
Herbst“, sagt die Forstexpertin, die sich im<br />
Frühjahr auch verstärkt auf die Borkenkäfersuche<br />
macht. „In Steillagen, wo man nicht<br />
hinkommt, werden befallene Bäume entrindet,<br />
an zugänglichen Flächen müssen sie<br />
aus dem Wald herausgenommen werden.“<br />
Hat die Försterin betroffene Bäume gefunden,<br />
weist sie die Waldarbeiter ein und<br />
kontrolliert hinterher die Arbeit. Um einen<br />
Überblick zu bekommen, nütze sie gerne<br />
den jeweiligen Gegenhang. „Dann kann ich<br />
ein Gebiet schon einmal grob eingrenzen.“<br />
Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung<br />
auf ihre Arbeit seien positiv, freut<br />
sich die Försterin. Es gebe auch immer wieder<br />
interessierte Touristen, denen Herrmann<br />
gerne Fragen beantwortet. Oft macht sie<br />
auch mit Grundschulklassen eine kleine Exkursion.<br />
„Wir hören uns zum Beispiel den Vogelruf<br />
an und bestimmen dann, von welcher<br />
Art er stammt“, erzählt Herrmann. „Oder ich<br />
frage nach Bäumen, Büschen oder danach,<br />
welche Käfer es gibt.“<br />
Die Arbeit geht ihr nicht aus<br />
Sie verlange schon viel von den Kindern,<br />
aber diese würden in der Schule auch auf das<br />
Thema vorbereitet. „Letzten <strong>Sommer</strong> hatten<br />
wir einen kleinen ,Hieb‘. Da konnten die<br />
Schüler in gebührendem Abstand sehen, wie<br />
ein Baum mit der Motorsäge umgeschnitten<br />
wird.“ Tiere zu beobachten, das funktioniere<br />
mit einer Klasse allerdings nicht. „Dazu sind<br />
die Kinder einfach zu laut“, lacht die Revierförsterin.<br />
Man merkt, dass ihr die Aufgaben<br />
rund um den Bergwald Spaß machen. Und<br />
das ist auch gut so. Denn, so sagt Herrmann:<br />
„Die Arbeit geht mir nicht aus.“ <br />
<br />
Lucia Glahn<br />
Försterin Simone Herrmann mit<br />
ihrem „Mitarbeiter“ Krampus.<br />
English Summary<br />
Simone Herrmann (31), the<br />
first female forest warden in a<br />
Bavarian high mountain region,<br />
is never bored at work – after all,<br />
her ‘office’ covers 4,500 hectares<br />
of forest around the Zugspitze,<br />
and her work includes natural<br />
silviculture and conservation, as<br />
well as the requirement to cull<br />
deer to prevent biting damage<br />
to the forest stock. She’s also<br />
responsible for planning and caring<br />
for the many pathways that run<br />
through the woods, for example<br />
for the ‘Ultratrail’ marathon in June.<br />
Locals and tourists alike show great<br />
interest in her work, as do classes<br />
of schoolchildren, whom Simone<br />
is delighted to introduce to the<br />
wonders of the forest.