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Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2016

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54 / WISSENDE 55<br />

Der Wald ist ihr Revier<br />

Langeweile ist für Försterin Simone Herrmann<br />

ein Fremdwort. Kein Wunder. Ihr Arbeitsplatz ist<br />

schließlich 4.500 Hektar groß und reicht vom<br />

Hausberg bis zur Zugspitze.<br />

Simone Herrmann ist die erste Försterin<br />

in einem bayerischen Hochgebirgsrevier.<br />

Das Schöne an ihrem<br />

Job: „Ich kann mir alles frei einteilen.“<br />

Seit 2012 kümmert sich die 31-Jährige<br />

hier um den Wald und die Tiere. Die Aufgaben<br />

der Försterin aus Grainau sind vielfältig.<br />

Zum Beispiel beim Thema „naturgemäßer<br />

Waldbau“. „Da muss ich im Revier sehen: Wo<br />

nutze ich Holz und wie schütze ich gleichzeitig<br />

die Fläche“, sagt Herrmann, die auch<br />

für den Naturschutz verantwortlich ist. „Hier<br />

geht es darum, wie ich beispielsweise Biotope<br />

pflegen kann.“<br />

Die studierte Forstingenieurin fördert<br />

zum Beispiel bei Steilflächen einen „stabilen<br />

Mischwald aus Tannen, Buchen und<br />

Lärchen“, auch als Schutz vor Lawinen oder<br />

Steinschlag. Um den Verbiss durch das Wild<br />

zu verhindern, müsse sie auch Rehe, Rotoder<br />

Gamswild bejagen. „Dafür bekomme<br />

ich jedes Jahr einen Abschussplan von der<br />

Behörde“, erzählt die gebürtige Thüringerin,<br />

die vorher im Pinzgau in Tirol tätig war. Es<br />

gibt aber auch Ruhezonen für die Tiere, wie<br />

im Naturschutzgebiet Höllental. Dort wird<br />

nicht gejagt.<br />

Nützen und schützen<br />

„Ich nütze und schütze“, fasst Herrmann<br />

ihren Auftrag zusammen. So müsse sie zwar<br />

Holz erwirtschaften, aber gleichzeitig auch<br />

Totholz erhalten und die Natur bewahren.<br />

„Beides auf der gleichen Fläche, das ist<br />

Basis unseres Naturschutzkonzeptes hier“,<br />

sagt die Revierförsterin. „Biotopbäume mit<br />

Spechthöhlen beispielsweise lasse ich beim<br />

Auszeichnen der Bäume stehen“, schildert<br />

sie ihre Arbeit. Auf diese Weise schafft sie<br />

überall kleine Schutzinseln.<br />

„Weil Auerwild eine Startbahn zum Abflug<br />

braucht, muss man an manchen Stellen eine<br />

kleine Trasse ausholzen und Platz lassen“,<br />

nennt Herrmann ein Beispiel. „Oder ich<br />

lasse eine Buche mit einem faulen Ast stehen,<br />

weil Schwarzspechte dort leichter eine<br />

Höhle hacken können, um darin zu brüten.“<br />

Man müsse die Auflagen für die Forstwirtschaft<br />

schon im Kopf haben. „Ich kann nicht<br />

einfach die Fläche kahl schlagen und Gott<br />

spielen“, lacht Herrmann, die sich außerdem<br />

um Konzepte für Erholung und Wege kümmert<br />

und um deren Pflege.<br />

Wo nutze ich Holz und wie<br />

schütze ich gleichzeitig die<br />

Fläche? Ich kann nicht einfach<br />

kahl schlagen und Gott spielen.<br />

Simone Herrmann, Försterin in Grainau<br />

Auch beim diesjährigen Marathon „Ultratrail“<br />

im Juni, bei dem Hunderte Sportler aus<br />

aller Welt 100 Kilometer von Grainau aus um<br />

die Zugspitze laufen werden, ist die Försterin<br />

gefragt. „Da müssen die Wege hergerichtet<br />

werden und ich sorge dafür, dass die Sportler<br />

die Strecke sicher passieren können.“<br />

Manchmal ist Herrmann mit dem Auto unterwegs,<br />

oft aber läuft sie den ganzen Tag zu<br />

Fuß durch den Wald. „Im Frühjahr wird gepflanzt,<br />

da suche ich geeignete Flächen und<br />

zeige diese den Waldarbeitern.“ Auch die<br />

Pflege steht dann an. Dazu gehört, dass bestimmte<br />

Baumarten gefördert werden. „Lärchen<br />

etwa brauchen viel Licht, dann nimmt<br />

man die umstehenden Bäume heraus.“<br />

Ähnlich sei es beim Bergahorn, da müssten<br />

die Fichten in der Nähe entfernt werden.<br />

Dazu bleibt Zeit, bis die Vögel je nach Witterung<br />

ab Mitte April brüten. „Was wir bis<br />

dahin nicht schaffen, machen wir dann im<br />

Herbst“, sagt die Forstexpertin, die sich im<br />

Frühjahr auch verstärkt auf die Borkenkäfersuche<br />

macht. „In Steillagen, wo man nicht<br />

hinkommt, werden befallene Bäume entrindet,<br />

an zugänglichen Flächen müssen sie<br />

aus dem Wald herausgenommen werden.“<br />

Hat die Försterin betroffene Bäume gefunden,<br />

weist sie die Waldarbeiter ein und<br />

kontrolliert hinterher die Arbeit. Um einen<br />

Überblick zu bekommen, nütze sie gerne<br />

den jeweiligen Gegenhang. „Dann kann ich<br />

ein Gebiet schon einmal grob eingrenzen.“<br />

Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung<br />

auf ihre Arbeit seien positiv, freut<br />

sich die Försterin. Es gebe auch immer wieder<br />

interessierte Touristen, denen Herrmann<br />

gerne Fragen beantwortet. Oft macht sie<br />

auch mit Grundschulklassen eine kleine Exkursion.<br />

„Wir hören uns zum Beispiel den Vogelruf<br />

an und bestimmen dann, von welcher<br />

Art er stammt“, erzählt Herrmann. „Oder ich<br />

frage nach Bäumen, Büschen oder danach,<br />

welche Käfer es gibt.“<br />

Die Arbeit geht ihr nicht aus<br />

Sie verlange schon viel von den Kindern,<br />

aber diese würden in der Schule auch auf das<br />

Thema vorbereitet. „Letzten <strong>Sommer</strong> hatten<br />

wir einen kleinen ,Hieb‘. Da konnten die<br />

Schüler in gebührendem Abstand sehen, wie<br />

ein Baum mit der Motorsäge umgeschnitten<br />

wird.“ Tiere zu beobachten, das funktioniere<br />

mit einer Klasse allerdings nicht. „Dazu sind<br />

die Kinder einfach zu laut“, lacht die Revierförsterin.<br />

Man merkt, dass ihr die Aufgaben<br />

rund um den Bergwald Spaß machen. Und<br />

das ist auch gut so. Denn, so sagt Herrmann:<br />

„Die Arbeit geht mir nicht aus.“ <br />

<br />

Lucia Glahn<br />

Försterin Simone Herrmann mit<br />

ihrem „Mitarbeiter“ Krampus.<br />

English Summary<br />

Simone Herrmann (31), the<br />

first female forest warden in a<br />

Bavarian high mountain region,<br />

is never bored at work – after all,<br />

her ‘office’ covers 4,500 hectares<br />

of forest around the Zugspitze,<br />

and her work includes natural<br />

silviculture and conservation, as<br />

well as the requirement to cull<br />

deer to prevent biting damage<br />

to the forest stock. She’s also<br />

responsible for planning and caring<br />

for the many pathways that run<br />

through the woods, for example<br />

for the ‘Ultratrail’ marathon in June.<br />

Locals and tourists alike show great<br />

interest in her work, as do classes<br />

of schoolchildren, whom Simone<br />

is delighted to introduce to the<br />

wonders of the forest.

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