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26 / BUNTER MIX 27<br />
Nie war die<br />
„Hölle“ schöner<br />
Es war ein hartes Stück Arbeit, kostete Nerven und<br />
Durchhaltevermögen – aber es hat sich gelohnt.<br />
Die neue Höllentalangerhütte des<br />
Deutschen Alpenvereins (DAV)<br />
bei Grainau ist heuer zum ersten<br />
Mal für die gesamte Bergsteiger-<br />
Saison geöffnet: Ein moderner, rechteckiger<br />
Bau aus Holz und Beton über drei Geschosse<br />
mit flachem Pultdach und hellen Lärchenschindeln<br />
verkleidet, die sich stufenförmig<br />
in den Osthang der Alpspitze einfügen.<br />
Gleichzeitig geht dieses Jahr auch ein Wasserkraftwerk<br />
in Betrieb, das die neue Hütte<br />
ökologisch nachhaltig auf 1.387 Metern Höhe<br />
zu hundert Prozent mit Strom versorgt. „Damit<br />
sparen wir jährlich 18.000 Liter Diesel für<br />
das Stromaggregat, die über die Materialseilbahn<br />
nach oben transportiert wurden –<br />
und es ist leise“, erklärt Thomas Gesell. Zehn<br />
Jahre lang hat der Hüttenreferent der Sektion<br />
München des Deutschen Alpenvereins<br />
(DAV) das Bauprojekt begleitet. Jetzt ist er<br />
„sehr zufrieden“ mit der neuen „Hölle“, deren<br />
Kläranlage außerdem erweitert wurde.<br />
„Es freut mich besonders, dass alles Hand<br />
und Fuß hat und für den Gast und für den<br />
Pächter funktioniert“, sagt Gesell.<br />
Bei einem Weißbier geht es im<br />
Neubau jetzt wieder „gmiatlich“ zu.<br />
Bereits Ende August letzten Jahres öffnete<br />
der Neubau, der insgesamt 5,54 Millionen<br />
Euro kostete, für neun Wochen. Es kamen<br />
sehr viele Tagesgäste, auch Familien, die<br />
durch die Höllentalklamm wanderten, und<br />
Bergsteiger, die nach einer Übernachtung<br />
auf die Zugspitze weiter wollten. „Die Hütte<br />
wurde fast überrannt“, erzählt Gesell. Er<br />
habe von den Besuchern „super Rückmeldungen“<br />
bekommen. Bis dahin war es aber<br />
ein steiniger Weg, denn es gab einige Herausforderungen<br />
zu meistern.<br />
Dass die im Kern 120 Jahre alte und marode,<br />
aber urige „Hölle“ abgerissen werden<br />
musste, stieß bei vielen zunächst auf Ablehnung.<br />
„Das ging schon mit dem Pultdach<br />
los, das für den Lawinenschutz nötig war“,<br />
erzählt Gesell. Doch auch die Behördenrichtlinien<br />
etwa für Hygiene oder Brandschutz<br />
konnte die alte „Hölle“ nicht mehr erfüllen.<br />
Drei Jahre lang habe es gedauert, bis<br />
sich Verwaltung und Politik schließlich einig<br />
waren. Da es sich außerdem um den ersten<br />
kompletten Neubau einer Vereinshütte<br />
in Bayern handelte, sei von den Behörden<br />
Die neue Höllentalangerhütte fügt<br />
sich perfekt in die wunderschöne<br />
Landschaft ein.<br />
alles sehr genau geprüft worden, weiß der<br />
Hüttenreferent. „Sechs Jahre hat die Genehmigungsphase<br />
gedauert. Das war schon<br />
etwas zäh“, erinnert sich Gesell. „Architekt<br />
Stefan Zehl hatte zwischendurch nicht mehr<br />
geglaubt, dass das noch etwas wird.“ Und<br />
dann gab es da noch eine Petition für den<br />
Erhalt der alten Hütte, die aber scheiterte.<br />
Das Baumaterial kam aus der Luft<br />
Dafür lief der anschließende Bau „dann sensationell“,<br />
wie Gesell sagt. Da es zur Hütte ja<br />
keine Zufahrt gibt, mussten Baumaterial und<br />
Bagger mit Hubschraubern hochgeflogen<br />
werden. „Die effektive Bauzeit betrug nur<br />
elf Monate.“ Der anfängliche Vorbehalt auch<br />
in der Gemeinde Grainau hat sich „komplett<br />
gewandelt“, freut sich der Hüttenreferent.<br />
„Die Hütte gefällt hier allen.“<br />
Auch Pächter Thomas Auer, der mit seiner<br />
Frau Silvia bereits vier Jahre lang die<br />
alte Hütte bewirtschaftet hatte, ist von dem<br />
neuen Gebäude sehr angetan: „Ein guter<br />
Kompromiss zwischen Alt und Modern.“<br />
Auer: „Hier ist jetzt alles auf dem neusten<br />
Stand der Technik, um die Besucher gut versorgen<br />
zu können.“ An Spitzentagen seien<br />
bis zu 1.500 Leute auf der Höllentalangerhütte<br />
zu Gast. „Die Räume sind hell, mit viel<br />
Holz ausgestattet und alles ist viel leichter<br />
zu bewirtschaften als auf der alten Hütte.“<br />
Kulinarisches aus der Schutzhütte<br />
Die Gäste erwartet zum Beispiel „eine<br />
schöne Sonnenterrasse, freundliches Personal<br />
und gutes Essen“, meint der Hüttenwirt<br />
schmunzelnd. Am beliebtesten seien Kaiserschmarrn<br />
oder Knödel. Pommes und Burger<br />
stehen nicht auf der Speisekarte, dafür dürfen<br />
sich die Kinder über Spätzle mit Sauce<br />
freuen. „Wir wollen bodenständig bleiben<br />
und bewusst machen, dass es sich um eine<br />
Schutzhütte handelt.“<br />
Für die Bergsteiger gibt es zehn kleinere<br />
Schlafeinheiten für sechs bis acht Personen,<br />
und zwei größere Übernachtungsräume mit<br />
Matratzenlagern über drei Etagen für jeweils<br />
20 Gäste. Die insgesamt 106 Schlafplätze<br />
sind etwas breiter geworden. Trotz der Größe<br />
sei die Hütte gemütlich und werde noch<br />
gemütlicher, wenn das Holz nachdunkle.<br />
Übertriebener Luxus sollte vermieden werden.<br />
Aber die drei Duschen für verschwitzte<br />
Tourengeher findet Auer schon angenehm.<br />
Auch Grainaus Bürgermeister Stefan Märkl<br />
ist mit der neuen Hütte sehr zufrieden. „Das<br />
Genehmigungsverfahren war zwar nicht<br />
so einfach, aber das war vor meiner Zeit“,<br />
erzählt Märkl. „Mein persönlicher Eindruck:<br />
Der alpenländische Bau ist wirklich gelungen<br />
und sehr ansehnlich.“ Die neue Hütte<br />
„schmiegt sich schön in den Hang, die Lärchenschindeln<br />
passen gut in die Landschaft.“<br />
Die Bedeutung des neuen Bergquartiers<br />
ist nicht zu unterschätzen. Sie ist Wanderstützpunkt<br />
für Bergsteiger, Ziel für Ausflügler<br />
und sie liegt „auf der anspruchsvollsten<br />
Bergroute auf deutscher Seite“, der berühmten<br />
Höllentalroute, die von der Klamm bis<br />
zur Zugspitze führt. Märkl: „Ein Highlight für<br />
den Tourismus.“<br />
Lucia Glahn<br />
Mein persönlicher Eindruck:<br />
Der alpenländische Bau<br />
ist wirklich gelungen, und<br />
sehr ansehnlich. Die neue Hütte<br />
schmiegt sich schön in den Hang,<br />
die Lärchenschindeln passen gut in<br />
die Landschaft.<br />
Stefan Märkl, Bürgermeister Grainau<br />
English Summary<br />
The Höllentalanger alpine hut opens<br />
an entire mountain climbing season<br />
for the first time this year. In August<br />
2015, the German Alpine Club completed<br />
construction of the new hut at<br />
over 1,000 metres’ altitude, costing<br />
around 5.5 million euros. It replaced<br />
its 120-year-old predecessor and<br />
involved a complex logistics process,<br />
with materials having to be flown in<br />
due to the lack of an access road. After<br />
eleven months of building, the modern<br />
and yet aesthetically conventional<br />
building can now welcome up to<br />
1,500 guests a day. Mountain climbers<br />
will find traditional cuisine, a place to<br />
sleep and sanitary facilities here. The<br />
hut is on the ‘Höllenroute’, which runs<br />
on the German side of the Alps all the<br />
way to the Zugspitze.<br />
Hütten-Infos<br />
Thomas und Silvia Auer<br />
+49 163 5542274<br />
hoellentalangerhuette.de