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In Art We Trust — Money In Art In Money

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danten gehandelt zu haben und so weiter. Heute<br />

sind wir auf einem Stand, dass wir eine Klage gegen<br />

die Post vorbereiten. Die Klageschrift gibt es auch<br />

bereits, das sind in Etwa 16 Seiten, auf denen wir<br />

den Kunstwert einfordern, also nicht mehr 10 Euro,<br />

sondern eben 250 Euro, für die Stefan die Arbeit<br />

damals gekauft hat – plus Anwaltskosten. Diese<br />

Klage ist bereits fertig aber noch nicht eingereicht.<br />

Wir hoffen beide, dass wir da bald die Zeit für finden<br />

die auf den <strong>We</strong>g zu schicken. Ich fänd das toll,<br />

wenn wir in dieser Sache, die jeder normale Mensch<br />

natürlich abtun würde, uns da wirklich vor Gericht<br />

träfen um den <strong>We</strong>rt des Kunstwerkes dort auszuhandeln.<br />

Das wäre dann bis in den letzten Punkt<br />

durchdacht und durchgezogen.<br />

An wen war die Postkarte damals adressiert?<br />

Die war damals an mich selber adressiert – ich war<br />

Absender wie auch Adressat, genau wie in einer andere<br />

Sache, in der ich ebenfalls Kontakt zur Post<br />

aufnahm. Da bekam ich den Tipp zu einem <strong>In</strong>ternetgerücht<br />

über eine bestimmte Herangehensweise einen<br />

Brief zu beschriften, plus ein paar zusätzlicher<br />

Merkmale, woraufhin man diesen für weniger Porto<br />

versenden könne. Und zwar war das so, dass man<br />

die Postleitzahl in eckige Klammern setzen soll und<br />

das Datum, an dem man es lossendet, mit Unterschrift<br />

unter die Briefmarke schreibt. Man müsse<br />

den Brief dann nur noch in einen Briefkasten werfen,<br />

selbst wenn dieser unterfrankiert ist. Damals waren<br />

das noch 60 Cent und ich fand das spannend genug,<br />

um mir selbst 60 Tage lang, jeweils einen Brief zu<br />

schicken. Am ersten Tag mit 59 Cent frankiert, am<br />

zweiten mit 58 Cent, am dritten mit 57 Cent bis runter<br />

zu einem Cent. Die Briefmarken kann man mit<br />

gewünschtem Betrag am Automaten ausdrucken.<br />

Und kurioser <strong>We</strong>ise sind von diesen 59 Briefen 56<br />

gestempelt, also normal gelaufen und bei mir angekommen,<br />

ohne dass ich irgendwas bezahlen musste.<br />

Und nur bei drei Briefen, bei den <strong>We</strong>rtstufen 30,<br />

29 und 28 Cent, musste ich, was eigentlich für jeden<br />

Brief der Fall sein müsste, ein Nachentgelt bezahlen.<br />

Nachdem ich das alles hatte, fing ich an, wie ich das<br />

dann immer mache – Schritt für Schritt – die Post damit<br />

zu konfrontieren. Nie direkt alles, sondern immer<br />

nach und nach, damit man sich zu ihnen hinarbeiten<br />

kann – das macht ja auch einfach Spaß in dem Moment.<br />

Das ging auch wieder soweit, dass die nicht ein<br />

einziges Mal in acht Schriftwechseln, wirklich konkret<br />

dazu Stellung genommen haben – nicht einmal,<br />

dass das ein Versagen oder ein Fehler gewesen sei.<br />

Das habe ich wieder solange gemacht bis mir nicht<br />

mehr geantwortet wurde. Daraufhin schaute ich<br />

nach, ob es nicht irgendeine, der Post übergeordnete<br />

<strong>In</strong>stanz gibt, die ich dazu befragen kann und habe die<br />

in der Bundesnetzagentur auch gefunden. Im ersten<br />

Brief auf meine Frage, sagten die gleich, diese Gerüchte<br />

seien ihnen bekannt, aber es sei definitiv nicht<br />

möglich, das Unternehmen stimme dem nicht zu und<br />

man könne unterfrankierte Briefe nicht versenden.<br />

Es würde sich hier also um maschinelle Fehler<br />

handeln, die da aufgetreten seien und deswegen<br />

wären meine Briefe so durchgegangen. Was zumindest<br />

schonmal eine konkrete Antwort war. Woraufhin<br />

ich aber dokumentierte, das könne nicht stimmen,<br />

dass 95% dem maschinellen Fehler und nicht der<br />

Regel entsprächen. Als ich in dieser Sachlage wieder<br />

keine Antwort bekommen sollte, habe ich denen<br />

noch einmal geschrieben, denn wenn das nun Fehler<br />

sind und nicht der Regel entsprechen und ich auch<br />

nicht auf irgendeinen Code gestoßen bin, den man<br />

anwenden kann, dann hätte ich ja eigentlich eine<br />

Schuld bei denen. Eine Schuld in Höhe von 16,83<br />

Euro, das hatte ich ausgerechnet, die sie an mir verloren<br />

hatte und die ich gern beglichen hätte. Diese<br />

Schuld, sagte ich ihenn, wolle ich nicht auf mir haben.<br />

Der letzte Brief, der Post sagte dann letztendlich,<br />

es handele sich zwar definitv um maschinelle Fehler,<br />

eine Schuld würde man mir aber erlassen, mein<br />

Gewissen solle ich beruhigen indem ich den Betrag<br />

spenden soll. Was nach langem hin und her eigentlich<br />

ein gutes Ende beschrieb.<br />

Sebastian Siechold<br />

Geht es Ihnen in diesen Arbeiten um den Reiz dem<br />

Post-, oder Bankensystem, ein Schnippchen zu<br />

schlagen, oder darum, dass diese sich selbst und<br />

ihre Funktionsweisen hinterfragen sollen?<br />

Es ist so eine Mischung aus beidem. Ich wehre<br />

mich dann aber zu belehren. Doch wenn eine Sache<br />

gegen mich verwendet wird, die <strong>In</strong>stitutionen, selber<br />

nicht befolgen, was sie angeben tun zu wollen,<br />

beispielsweise was in ihren eigenen allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen steht, dann finde ich, lohnt<br />

es hartnäckig zu bleiben und das Spiel weiter zu<br />

treiben. Mein Antrieb ist es, in diesem hochkomplexen<br />

System, interessante Lücken zu finden und zu<br />

fragen, was kann dieses System aufbrechen? Was<br />

kann jeder Mensch verstehen? Wie zum Beispiel<br />

der »Ein Pfennig-Umtasch«. Das ist auch so eine<br />

Sache, die kann eben jeder Mensch nachvollziehen<br />

und es ist einfacheine großartig exemplarische<br />

Arbeit dafür, dass Dinge doch anders möglich sind,<br />

als man das normalerweise denkt.<br />

<strong>In</strong> der Pfennig-Umtauscharbeit, in der ein<br />

eingesendeter Pfennig, nicht in einen halben Cent,<br />

sondern in einen ganzen umgetauscht wird, findet<br />

grob überschlagen eine Verdopplung des Gelds<br />

statt. Sie in gewisser Hinsicht Ihrer Arbeit<br />

»Aus zwei mach drei«. Viele Künstler zerstören<br />

Geld um damit ein Statement auszudrücken,<br />

doch in Ihren Arbeiten wird Geld, manchmal<br />

wortwörtlich, neu geschöpft. Wie vertreten Sie es<br />

künstlerisch, zusätzliches Geld zu erschaffen?<br />

Ich versuche, dass meine Arbeiten, auf jeden Menschen<br />

übertragbar und für den kleinen Mann zugänglich<br />

sind. Natürlich eine Million zu verbrennen<br />

ist einerseits eine coole Sache, auch einfach ein<br />

krasses Statement, das ebenfalls jeder versteht,<br />

aber etwas zu erzeugen, dass jemand anderes sieht,<br />

darum gehts zum Beispiel auch in meinem »Dejá Vu«-<br />

Trick mit den Flaschen. Ich zeige, dass etwas möglich<br />

ist, das man nicht erahnt hätte. Und ich freue<br />

mich total darüber, wenn ich glaube, Etwas in jemand<br />

anderen aufgeschlossen zu haben, sodass der eben-<br />

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