De:Bug 166
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der weder auf einem Majorlabel releast, noch einen großen<br />
Back-Katalog hat, ist extrem ungewöhnlich und ehrt mich<br />
natürlich.<br />
Sichtbarkeit ist eine Waffe, die nicht nur Freiheit bedeutet.<br />
Queere Identitäten jeder Couleur setzen seit jeher<br />
auf sie. Die Macht des Bildes ist sicherlich nicht nur dem<br />
Underground bekannt. In Mykkis Videos wird das Konzept<br />
einer fließenden personalen Identität vermittelt. Für ein<br />
nicht queeres Publikum fürs Erste schwerer einzuordnen,<br />
experimentiert hier ein Mensch an den Grenzen von<br />
Geschlechteridentitäten mit einer Daseinsform jenseits von<br />
Zuordnungsvokabular. Die Travestie ist keine parodierende<br />
Geste eines missverstandenen Gender-Begriffes, sondern<br />
eine Erleuchtung: So sieht der Mensch des nächsten<br />
Jahrtausends aus. Die Texte unterstützen die Bilder, sind<br />
aber durch ihre gekonnte Verwendung durch den Wolf gedrehter<br />
HipHop-Klischees erst einmal nicht grundlegend<br />
von den üblichen Party-Lyrics zu unterscheiden. Die Bilder<br />
sind unterdessen nicht zu übersehen.<br />
<strong>De</strong>bug: Hast du jemals darüber nachgedacht, deine eigenen<br />
Videos zu machen?<br />
Mykki: Unbedingt. Wenn ich die Zeit und das Geld dafür<br />
habe. Für die Konzeption bin ich jetzt schon zuständig, das<br />
Kreative geht auf die Kappe der Regisseure, aber die Ideen<br />
sind meine. Und das ist wundervoll.<br />
<strong>De</strong>bug: Bist du ein Kontroll-Freak?<br />
Mykki: Zu 100 Prozent.<br />
<strong>De</strong>bug: Prost. Aber zurück zum Konzept der Hybridität.<br />
Das ist etwas, das ich an dir bewundere. Diese Fluidität der<br />
Geschlechteridentität. Du versuchst nicht, ein Stereotyp<br />
mit dem nächsten zu ersetzen. Was viele Transgender-<br />
Identitäten teilweise ausmacht. Ich denke immer "trans-"<br />
muss doch auch etwas "transzendieren". <strong>De</strong>r Begriff hat<br />
die Möglichkeit, eine dritte Dimension zu erschaffen. Um<br />
es einfach zu sagen: ein drittes Geschlecht aufzumachen<br />
und nicht einfach in das Klischee des jeweils anderen zu<br />
wechseln.<br />
Mykki: Das ist doch ein generelles Problem in unserer<br />
Kultur. Es existiert kein Raum für ein drittes Geschlecht in<br />
der westlichen Welt. In indigenen amerikanischen, aber<br />
auch in noch existierenden samoanischen Kulturen gibt<br />
es diesen Raum. In der westlichen Welt bist du entweder<br />
ein Junge oder ein Mädchen. Und das wird durch gesellschaftlichen<br />
Druck vermittelt. Die Gesellschaft erinnert dich<br />
in jeder Sekunde deines Lebens daran, wie sich welches<br />
Geschlecht zu verhalten hat und wie es aussehen sollte.<br />
Wenn jemand sein Geschlecht wechselt, ist das keine philosophische<br />
Entscheidung, sondern ein Drang. Was dann<br />
teilweise reproduziert wird, ist eben der andere Stereotyp,<br />
den man sein ganzes Leben lang eingebläut bekommen hat.<br />
<strong>De</strong>r gesellschaftliche Druck ist dabei auf M to Fs (Mann zu<br />
Frau, Anm. d. Red.) noch größer. Durch die höhere gesellschaftliche<br />
Stellung des Mannes, haben es F to Ms leichter,<br />
Geschlechtskonzepte anzunehmen. <strong>De</strong>nn die Transgression<br />
von Frau zu Mann wird als gesellschaftlicher Aufstieg angesehen.<br />
Das will natürlich niemand aussprechen. Es ist wie<br />
ein psychotischer Zirkelschluss mit Domino-Effekt.<br />
Mykki: Ich selber habe mich nie als Transgender gesehen,<br />
bis ich angefangen habe zu crossdressen. Weil ich dann auf<br />
einmal einen Transgender-Lifestyle gelebt habe. <strong>De</strong>nn die<br />
Männer, die ich getroffen habe, die Medien, die sich mit mir<br />
auseinandergesetzt haben, und die Leute, mit denen ich zu<br />
tun hatte, verhielten sich plötzlich ganz anders. <strong>De</strong>swegen ist<br />
das hier auch das, was ich als "das bessere Leben" bezeichne.<br />
Ich durfte z.B. in einem Laden einmal nicht die Toilette<br />
benutzen, als ich als Mann dort hinging. Ich bin zwei Tage<br />
später noch einmal hin in Drag, mit Schminke, Perücke und<br />
allem Drum und Dran, und auf einmal durfte ich die Toilette<br />
benutzen. Ich werde als Transgender-Person besser behandelt,<br />
was total seltsam ist, denn es entspricht nicht der<br />
Normalität. Viele andere werden krass diskriminiert – aber<br />
für mich ist es anders bis jetzt. Für mich ist das die totale<br />
Befreiung. Ich war ein schwuler Junge in einer kleinen<br />
Stadt, ungeoutet, hatte meine kleinen Freundinnen in der<br />
Grundschule und dachte kurz, ich würde auf Mädchen stehen.<br />
Und dann outest du dich und hast das Problem.<br />
Endlich ist es soweit. Die<br />
Hochburg der Homophobie<br />
wird gestürmt.<br />
Mikky Blanco und DJ Physical Therapy<br />
Manchmal driftet Mykki ab. Sie antwortet dann auf Fragen,<br />
die ich ihr gar nicht gestellt habe. Sie redet einfach, kommt<br />
von einem aufs andere, bestimmte Dinge müssen dann offenbar<br />
geklärt und ausgesprochen werden. Sie müssen einfach<br />
raus in die Welt.<br />
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