De:Bug 166
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Text Maximilan Best - fotos Rudolf Benoit<br />
A<br />
Am ersten Septembertag lädt Kompakt zur Listening-Party<br />
des neuen Albums nach Köln ein. Selbst wenn es nichts zu<br />
feiern gäbe - Kölsch und Schnittchen gibt's den Sommer<br />
über an Freitagen bei Kompakt im Laden sowieso immer.<br />
Das ist sozusagen die Kölsche Frohnatur - einfach aus Spaß<br />
an und mit den Freunden.<br />
Essen ist überhaupt eine große Sache in Köln. So werde<br />
ich auch schon mittags ins Belgische Viertel bestellt. Das<br />
ist, wenn ich das richtig verstanden habe, das Berlin-Mitte<br />
von Köln - nur halt ein bisschen kleiner. Jedenfalls lässt hier<br />
um 13 Uhr in der Kompakt-Zentrale jeder, vom Praktikant<br />
bis zu den Chefs, die Finger von der Tastatur, denn dann<br />
wird zusammen gespeist. Gekocht von der hauseigenen<br />
Köchin, immer vegetarisch. Wie eine große Familie sitzen<br />
dann alle in einem wohnzimmerähnlichen Raum über dem<br />
eigentlichen Office an langen Bänken. Hier wird zwar auch<br />
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ein bisschen über das Geschäft gequatscht, aber da viele<br />
der Kompaktis selbst Familie haben, wird meistens über<br />
die noch schöneren Dinge des Lebens philosophiert.<br />
Als ich später durch das Büro geführt werde, steht in<br />
der hintersten Ecke des Raumes eine schmale aber große<br />
Gestalt mit gütig blickenden Augen und leichtem Lächeln<br />
auf und begrüßt mich - das ist also der Mayer. <strong>De</strong>n Stress,<br />
den er gerade hat, merkt man ihm kaum an. Nur schnell<br />
noch eine Zigarette und ein kurzes Telefonat, dann treffen<br />
wir uns in dem Raum, der gerade noch als großes Familien-<br />
Esszimmer fungierte.<br />
Das kompakte <strong>De</strong>lirium<br />
Für Michael Mayer beginnt das alles in einer Kinderdisco<br />
im Schwarzwald. <strong>De</strong>r DJ, der dort Italosmasher für die Kids<br />
zusammenmixt, beeindruckt Mayer sofort. Mit 14 werden<br />
also der erste Plattenspieler angeschafft und Schulpartys<br />
organisiert. Später wird er von einer halbjährigen Residency<br />
in der lokalen Großraumdisco gefeuert, lernt Tobias Thomas<br />
kennen und zieht diesem nach Köln hinterher.<br />
1993 dann das große Zusammentreffen: Michael Mayer,<br />
Wolfgang Voigt, sein Bruder Reinhard Voigt, Jörg Burger<br />
und Jürgen Paape. Mayer war zu der Zeit Techno- und<br />
House-DJ und Wolfgang Voigt spielte sich in Sphären um<br />
die 150 BPM in Extase. Die Fünf eröffnen den Kölner Ableger<br />
einer Plattenladen-Kette aus Frankfurt. Es entsteht <strong>De</strong>lirium<br />
Köln. Warum soll am Rhein nicht auch funktionieren, was in<br />
Hamburg, Frankfurt, Berlin und dem Rest der Welt funktioniert?<br />
Gute Platten verkaufen. Das Ganze geht gut bis etwa<br />
1998. Voigt und Voigt, Burger, Paape und Mayer haben sich<br />
inhaltlich und musikalisch zu weit vom Mutterschiff entfernt,<br />
sie werden einfach von anderen Sounds bewegt. Nicht von<br />
Goa, nicht von Trance. Damals war es üblich, dass für alle<br />
Sub-Genres auch ein Sub-Label gegründet werden musste.<br />
Burger und Voigt waren ganz vorne mit dabei. Ein bis zwei<br />
Hände voll Labels hatten beide am laufen. Mayer war mit<br />
Forever Sweet Records und mit NTA (New Trans Atlantic)<br />
beschäftigt. Es musste also etwas passieren - 1998, erklärt<br />
Mayer, war es dann soweit: "Es wurde einfach alles viel zu<br />
unübersichtlich - der Plattenladen hieß <strong>De</strong>lirium, alle unsere<br />
Labels hatten unterschiedliche Namen und die Partys,<br />
die wir veranstaltet haben, hießen auch wieder anders. Es<br />
wurde immer schwerer, in einem Satz zu erklären, was wir<br />
überhaupt machen. Wir beschlossen also, unsere Einzel-<br />
Identitäten zu Gunsten eines größeren Ganzen aufzugeben.<br />
Wir wollten es kompakt."<br />
Ständige Inspirationsquelle<br />
Über die Jahre wurde Kompakt immer ein bestimmter<br />
Sound unterstellt. Sei es "Shuffle-House", "Köln-Minimal"<br />
oder "Köln-Techno". Irgendwie hat man immer versucht,<br />
Kompakt musikalisch zu kategorisieren. Aber wieso auch<br />
nicht - gab es doch jahrelang im Kölner Stadtbild kein anderes<br />
Logo, das präsenter war und keine anderen Platten,<br />
die öfter gespielt wurden. Alle sind nach Berlin abgehauen<br />
und Kompakt macht das denkbar Beste draus. Die<br />
Arbeit zahlt sich aus. Kompakt gehört heute zu den weltweit<br />
größten deutschen Techno- und Houselabels, die von<br />
nicht wenigen DJ-Größen ständig als Inspirationsquelle<br />
zitiert werden. <strong>De</strong>r Kompakt-Sound hatte trotz viel<br />
Schubkraft immer den nötigen Soul mit einer Priese rheinischem<br />
Lokalpatriotismus, der sich sowohl im Artwork<br />
wie auch in den Veröffentlichungen selbst widerspiegelte<br />
- das fanden im Ausland auch alle super. Wie das z.B.<br />
auch ihrer Zeit schon bei Kraftwerk aus Düsseldorf der Fall<br />
war. Veröffentlichungen wie die "Kafkatrax" von Wolfgang<br />
Voigt, Disco-House-Tracks mit deutschen Vocals von<br />
Jürgen Paape oder das Kölner Stadtlogo, das sich durch<br />
die Veröffentlichungen zieht wie der Rhein von den Alpen<br />
bis zur Nordsee. Das alles ist Kompakt.