06.06.2016 Aufrufe

De:Bug 166

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Text Maximilan Best - fotos Rudolf Benoit<br />

A<br />

Am ersten Septembertag lädt Kompakt zur Listening-Party<br />

des neuen Albums nach Köln ein. Selbst wenn es nichts zu<br />

feiern gäbe - Kölsch und Schnittchen gibt's den Sommer<br />

über an Freitagen bei Kompakt im Laden sowieso immer.<br />

Das ist sozusagen die Kölsche Frohnatur - einfach aus Spaß<br />

an und mit den Freunden.<br />

Essen ist überhaupt eine große Sache in Köln. So werde<br />

ich auch schon mittags ins Belgische Viertel bestellt. Das<br />

ist, wenn ich das richtig verstanden habe, das Berlin-Mitte<br />

von Köln - nur halt ein bisschen kleiner. Jedenfalls lässt hier<br />

um 13 Uhr in der Kompakt-Zentrale jeder, vom Praktikant<br />

bis zu den Chefs, die Finger von der Tastatur, denn dann<br />

wird zusammen gespeist. Gekocht von der hauseigenen<br />

Köchin, immer vegetarisch. Wie eine große Familie sitzen<br />

dann alle in einem wohnzimmerähnlichen Raum über dem<br />

eigentlichen Office an langen Bänken. Hier wird zwar auch<br />

24 –<strong>166</strong><br />

ein bisschen über das Geschäft gequatscht, aber da viele<br />

der Kompaktis selbst Familie haben, wird meistens über<br />

die noch schöneren Dinge des Lebens philosophiert.<br />

Als ich später durch das Büro geführt werde, steht in<br />

der hintersten Ecke des Raumes eine schmale aber große<br />

Gestalt mit gütig blickenden Augen und leichtem Lächeln<br />

auf und begrüßt mich - das ist also der Mayer. <strong>De</strong>n Stress,<br />

den er gerade hat, merkt man ihm kaum an. Nur schnell<br />

noch eine Zigarette und ein kurzes Telefonat, dann treffen<br />

wir uns in dem Raum, der gerade noch als großes Familien-<br />

Esszimmer fungierte.<br />

Das kompakte <strong>De</strong>lirium<br />

Für Michael Mayer beginnt das alles in einer Kinderdisco<br />

im Schwarzwald. <strong>De</strong>r DJ, der dort Italosmasher für die Kids<br />

zusammenmixt, beeindruckt Mayer sofort. Mit 14 werden<br />

also der erste Plattenspieler angeschafft und Schulpartys<br />

organisiert. Später wird er von einer halbjährigen Residency<br />

in der lokalen Großraumdisco gefeuert, lernt Tobias Thomas<br />

kennen und zieht diesem nach Köln hinterher.<br />

1993 dann das große Zusammentreffen: Michael Mayer,<br />

Wolfgang Voigt, sein Bruder Reinhard Voigt, Jörg Burger<br />

und Jürgen Paape. Mayer war zu der Zeit Techno- und<br />

House-DJ und Wolfgang Voigt spielte sich in Sphären um<br />

die 150 BPM in Extase. Die Fünf eröffnen den Kölner Ableger<br />

einer Plattenladen-Kette aus Frankfurt. Es entsteht <strong>De</strong>lirium<br />

Köln. Warum soll am Rhein nicht auch funktionieren, was in<br />

Hamburg, Frankfurt, Berlin und dem Rest der Welt funktioniert?<br />

Gute Platten verkaufen. Das Ganze geht gut bis etwa<br />

1998. Voigt und Voigt, Burger, Paape und Mayer haben sich<br />

inhaltlich und musikalisch zu weit vom Mutterschiff entfernt,<br />

sie werden einfach von anderen Sounds bewegt. Nicht von<br />

Goa, nicht von Trance. Damals war es üblich, dass für alle<br />

Sub-Genres auch ein Sub-Label gegründet werden musste.<br />

Burger und Voigt waren ganz vorne mit dabei. Ein bis zwei<br />

Hände voll Labels hatten beide am laufen. Mayer war mit<br />

Forever Sweet Records und mit NTA (New Trans Atlantic)<br />

beschäftigt. Es musste also etwas passieren - 1998, erklärt<br />

Mayer, war es dann soweit: "Es wurde einfach alles viel zu<br />

unübersichtlich - der Plattenladen hieß <strong>De</strong>lirium, alle unsere<br />

Labels hatten unterschiedliche Namen und die Partys,<br />

die wir veranstaltet haben, hießen auch wieder anders. Es<br />

wurde immer schwerer, in einem Satz zu erklären, was wir<br />

überhaupt machen. Wir beschlossen also, unsere Einzel-<br />

Identitäten zu Gunsten eines größeren Ganzen aufzugeben.<br />

Wir wollten es kompakt."<br />

Ständige Inspirationsquelle<br />

Über die Jahre wurde Kompakt immer ein bestimmter<br />

Sound unterstellt. Sei es "Shuffle-House", "Köln-Minimal"<br />

oder "Köln-Techno". Irgendwie hat man immer versucht,<br />

Kompakt musikalisch zu kategorisieren. Aber wieso auch<br />

nicht - gab es doch jahrelang im Kölner Stadtbild kein anderes<br />

Logo, das präsenter war und keine anderen Platten,<br />

die öfter gespielt wurden. Alle sind nach Berlin abgehauen<br />

und Kompakt macht das denkbar Beste draus. Die<br />

Arbeit zahlt sich aus. Kompakt gehört heute zu den weltweit<br />

größten deutschen Techno- und Houselabels, die von<br />

nicht wenigen DJ-Größen ständig als Inspirationsquelle<br />

zitiert werden. <strong>De</strong>r Kompakt-Sound hatte trotz viel<br />

Schubkraft immer den nötigen Soul mit einer Priese rheinischem<br />

Lokalpatriotismus, der sich sowohl im Artwork<br />

wie auch in den Veröffentlichungen selbst widerspiegelte<br />

- das fanden im Ausland auch alle super. Wie das z.B.<br />

auch ihrer Zeit schon bei Kraftwerk aus Düsseldorf der Fall<br />

war. Veröffentlichungen wie die "Kafkatrax" von Wolfgang<br />

Voigt, Disco-House-Tracks mit deutschen Vocals von<br />

Jürgen Paape oder das Kölner Stadtlogo, das sich durch<br />

die Veröffentlichungen zieht wie der Rhein von den Alpen<br />

bis zur Nordsee. Das alles ist Kompakt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!