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De:Bug 166

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DAPHNI<br />

JIAOLONG<br />

JIAOLONG RECORDS<br />

Als vor anderthalb Jahren Caribous Remix zu Virgo 4s "It's a Crime" erschien, brach der<br />

blitzend-helle Wahnsinn in den Clubs los. Spätestens da wurde klar: Dan Snaith macht<br />

großartigen Sound für real existierende Dancefloors. Jetzt wurden auf einem Album seine<br />

Daphni-Tracks versammelt: Trommelskizzen, Soul-Sonnen, Geschmacksexplosionen.<br />

Die drei größten Hits kommen gleich am Anfang. "Yes, I know" ist zunächst nicht viel mehr<br />

als eine Acid-Basslinie, die sich durch die ersten Takte nagt wie ein gefräßiger Käfer. Bis mit einem<br />

Mal die Soul-Sonne erstrahlt: ein Buddy-Miles-Sample haut rein, genial getimt. Ein Coup.<br />

Man könnte auch sagen: eine Geschmacksexplosion, als wär's ein Molekularküchensnack für<br />

den Club. Nicht weniger groovig ist zweitens der Remix zu Cos-Ber-Zams "Ne Noya" geraten:<br />

<strong>De</strong>r Bass hakt sich mit grandiosem Rumpeln unter die Stimmsamples, psychedelisch-glitzernde<br />

Soundschwaden verhüllen den togolesischen Himmel. Und drittens "Ye Ye", das entlang<br />

einer Arpeggioachse ins Endlose tänzelt und einen unwiderstehlichen vokalen Drive entfaltet.<br />

Was davon übrig bleibt? Yeah, yeah, yeah. Alle drei Tracks sind letztes Jahr schon auf Vinyl<br />

erschienen. "Ye Ye" auf einer Split-EP auf Kieran Hebdens Label Text, "Yes, I know" und der<br />

"Ne Noya"-Remix auf Dan Snaiths eigenem Imprint Jiaolong. Benannt wurde Letzteres wohl<br />

nach dem chinesischen Tauchboot, das nautische Tiefenforschung betreibt. <strong>De</strong>epness als Programm<br />

ist wahrlich nichts Neues, aber tatsächlich hat Snaith als Daphni, dem Pseudonym<br />

unter dem er selbst auch in Clubs auflegt, einige der frischesten Dancefloortracks der letzten<br />

Jahre produziert. Wie etwa einen Hot-Chip-Remix, der sich indes nicht auf dem Album<br />

eingefunden hat. Zwischen 8-Bit-Ästhetik, House, manischen Afrorhythmen und krautischem<br />

Neotrance changierend, künden diese Tracks von Snaiths neugewonnener Faszination für den<br />

Dancefloor, ähnlich wie auch Snaiths guter Freund Four Tet sich jüngst im Club austobte. Es<br />

sind rohe Tracks, spontane Skizzen, die am Nachmittag entstehen, um Stunden später im Club<br />

ausprobiert zu werden. Im Space-Invaders-Tauchkostüm erkundet so "Light" einen blubbernden<br />

Unterwasserwahnsinn, während sich in "Pairs" die bleepigen Lasersounds unter die Congas<br />

mischen. "Ahora" ist eine steppend-flötelnde Melancholienummer, "Jiao" ganz orientalische<br />

Strangeness, "Springs" ein hochunterhaltsamer Spießrutenjam. Und in "Long" reißt zum<br />

Schluss nochmals der Horizont auf: zischend, episch, schön. Haben wir auf dieses Album gewartet?<br />

Ja. Glücklich ist die Szene, die einen solchen Produzenten hat. Vielleicht rettet uns<br />

Daphni ein bisschen die Welt. Oder zumindest die nächste Nacht.<br />

BJØRN<br />

ARP 101 &<br />

ELIOTT YORKE<br />

FLURO BLACK<br />

DONKEY PITCH<br />

www.donkypitch.com<br />

AKUFEN<br />

BATTLESTAR<br />

GALACTICLOWN<br />

MUSIQUE RISQUÉE<br />

www.musique-risquee.com<br />

BASIC SOUL UNIT /<br />

EDDIE NIGUEL<br />

THE FIRST SHIFT<br />

MIDNIGHT SHIFT<br />

ARP 101 releast seit einer Weile schon sensationelle EPs<br />

auf Eglo Records, dem Floating-Points-Label, Eliott Yorke<br />

könnte euch schon auf Project Mooncircle begegnet sein.<br />

Zusammen heben sie sich noch ein Level weiter. Mit ihrer<br />

4-Track-EP auf Donkey Pitch mag man ahnen was einen erwartet:<br />

Breaks aus Drummachines, klassische Synths in<br />

galaktischen Verbeugungen und jede Menge Bass, aber vorbereitet<br />

ist man auf diesen Anschlag nicht. <strong>De</strong>r Titeltrack, der<br />

nicht umsonst von fluoreszierender Schwärze redet, blitzt<br />

mit Stakkato-Snares, graulenden Stimmen, zerrissenen<br />

Momenten, in denen mitten in der Darkness die Splitter einer<br />

Intensivität aufblitzen, deren schleichender Wahn die<br />

lockeren Bretter der frühen Raves mit all ihrem eingesickerten<br />

Jauchzen und ihrer versteinerten Extase im Blick hat.<br />

"Polybot" trällert die angesprochenen Synths in einem eiernd<br />

winkeligen Groove an, den nur Bots so auf die Reihe bekommen<br />

ohne als dyslektisch zu gelten, lebt aber sein kurzes Leben<br />

in höchst ausgelassenem Genießen der eigenen Andersartigkeit.<br />

"Slam" packt die Vocoder und den puren Funk aus<br />

und zeigt den zermürbten Kniefall vor den Electro-Helden<br />

der ersten Jahre in einem Groove, dessen Beweglichkeit so<br />

flatternd und unbestimmbar ist, dass man immer wieder an<br />

der eigenen Wahrnehmung, wenn nicht gar an der Möglichkeit<br />

der geraden Linie überhaupt, zweifelt. Am Ende wird es<br />

mit "Electric Lemonade" dann noch versöhnlich erfrischend<br />

plinkernd und blubbert so überladen voller sonnendurchfluteter<br />

Melodien, dass man glauben könnte, nach harter Zeit<br />

zusammen im Studio tänzeln die beiden am Ende glücklich<br />

erschöpft Hand in Hand durch den Morgentau. Unschlagbar.<br />

BLEED<br />

Akufen war ein Phänomen. Microhouse. Zerrissen, zerstückelt,<br />

kaputt, optimistisch, verdreht und ultrafunky. Seine Methode<br />

war einzigartig, seine Sample-Arbeit pure Magie, seine Tracks<br />

wie nichts anderes auf der Welt. Warum reden wir eigentlich<br />

in der Vergangenheit? Akufen bringt mit "Battlestar Galacticlown"<br />

genau diesen Akufen wieder zurück, den wir alle so sehr<br />

vermisst haben. Genau diesen Sound für den er immer stehen<br />

wird. Und, der Titel sagt das schon klar, er macht sich dabei<br />

selbst zum Clown, sieht in dem Sound nicht mehr ernst verrückte<br />

Innovation, sondern eine Persiflage auf sich selbst.<br />

Nicht dass einen das stören würde, denn wenn sich jemand<br />

über Akufen lustig machen darf, kann und soll, dann ist es Akufen<br />

selbst. Die Musik ist wirr, albern, sprunghaft, voller flatternder<br />

Sample-Genüsse, die einen immer wieder stolpern lassen,<br />

aber dennoch dem jazzig funkigen Groove folgen, den Akufen<br />

immer schon bevorzugt hat. Es ist Musik für Kinder, die einfach<br />

nicht stillstehen wollen, Menschen, die keine <strong>De</strong>epness brauchen,<br />

sondern einen ständig kitzelnden Flow, der überbordend<br />

und wild ist, spleenig und stellenweise so kunterbunt überzogen,<br />

dass man ihn sofort in die Sesamstraße schicken möchte.<br />

fünf Stücke, die die Selbstironie bis ins letzte treiben, dabei<br />

aber nie auf blasse Komik aus sind, sondern dank der Akufen-Magie<br />

jeden mit nur einem Hauch von Herz mitswingen<br />

lassen. Musik mit so viel Humor, dass man sich sofort fragt:<br />

Warum eigentlich spielt Humor heutzutage bestenfalls auf einem<br />

vernachlässigbaren Teil von elektronischer Musik eine tragende<br />

Rolle? Das stört weder den Groove, noch die Intensität,<br />

noch die Faszination, sondern potenziert den Umgang mit der<br />

eigenen Geschichte nur massiv. <strong>De</strong>r Meister ist zurück.<br />

BLEED<br />

Basic Soul Unit kommt aus Toronto, Eddie Niguel aus Singapur.<br />

Was mag uns das sagen? Die Oldschool-House-Bewegung<br />

ist so universell geworden, dass sie mittlerweile längst<br />

eine eigene Nation bilden könnte, die ihre Einflüsse selbst in<br />

den minimalsten Produktions-<strong>De</strong>tails nicht mehr aus der Umgebung<br />

zieht, sondern aus einer Welt der Hörgewohnheiten,<br />

die Liebhaber nun mal rings um den Globus einen kann. Beide<br />

haben für das neue Label zwei Tracks produziert, die ihren<br />

Sound entschieden weiterentwickeln, oder zurück, je nach<br />

Perspektive. Sie sind so in ihre analogen Welten aus Synths,<br />

Drummachines und Sequenzen vertieft, an diesem Schleifen<br />

am Sound, der immer noch dreckiger klingen darf, an den stellenweise<br />

wie improvisiert wirkenden Passagen, in denen ein<br />

Sound auf einmal aufatmet und sich von allem löst, den langsam<br />

geschichteten Grooves, und diesem langsamen Ankommen<br />

in einem Sounduniversum, in dem <strong>De</strong>troit und Chicago<br />

wie zwei parallele schwarze Löcher glühen, in denen alles nach<br />

und nach wieder versinkt. Musik, die nach dem Absoluten<br />

sucht, nicht um dahinter zu blicken, sondern um endlich ganz,<br />

wirklich, real dabei zu sein, ein Teil dieser Welt zu werden, deren<br />

Grundparameter sich seit über zwanzig Jahren kaum verschieben.<br />

Tiefgefrorene Evolution von House, deren Mangel<br />

an Weiterentwicklung einen merkwürdigerweise überhaupt<br />

nicht stört, eben weil es zwischen den Parametern so kicken<br />

kann, wie nur dieser Sound kicken kann, und die Variationen,<br />

die Emotionen, die Intensitäten so viel Bandbreite, Spielfläche,<br />

Raum haben, dass jede neue perfekte Konstellation am Oldschool-Himmel<br />

nicht einfach mehr Sterne sind, sondern wirken<br />

wie der erste Blick, den man überhaupt nach oben wirft.<br />

Und perfekt ist diese Platte.<br />

BLEED<br />

<strong>166</strong>–65

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