De:Bug 166
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Text Alexandra Dröner<br />
Ok, Gudrun Gut im Schnelldurchlauf:<br />
Berlin, frühe Achtziger, kurz für die<br />
Einstürzenden Neubauten getrommelt,<br />
die Bands Malaria, Mania D und<br />
Matador aus der Taufe gehoben, bei<br />
Techno rechts abgebogen und den<br />
Ocean Club in den Tresor gegossen,<br />
Radio, diverse Alben, Kooperationen<br />
und die Labels Moabit Musik und<br />
Monika Enterprise hochgezogen:<br />
Die Legende lebt! Und bevor Gudrun<br />
wieder in den Zug nach Brandenburg<br />
ins beschaulich Grüne hüpft, wo ihr<br />
wundervolles neues Album "Wildlife"<br />
im Garten wächst, spielen wir ihr ein<br />
paar Platten zwischen gestern und<br />
heute vor.<br />
Crime & the City Solution –<br />
The Dolphins and the Sharks<br />
(Mute, 1990)<br />
Gudrun Gut: (Nach dem ersten Takt) Crime<br />
& the City Solution! Kenn ich gut von früher.<br />
Ich weiß auch, dass die jetzt wieder neue<br />
Aufnahmen machen und auch auf Tour gehen.<br />
Die haben lange in Berlin gewohnt und<br />
Manon (Manon Duursma, Gudruns beste<br />
Freundin aus Malaria-Zeiten, Anm. d. Red.)<br />
war auch gut mit denen befreundet, das war<br />
so die australische Ecke damals.<br />
<strong>De</strong>bug: Was hältst du davon, dass ein neues<br />
Album ansteht?<br />
GG: Diese Art von Revivals bei Bands interessieren<br />
mich nicht besonders. Musik<br />
und auch Bands gehören immer in eine<br />
bestimmte Zeit. Gerade für mich "als<br />
Künstlerin": Ich bin eine Verfechterin von<br />
gelebter Kultur.<br />
Cat Power –<br />
Always On My Own<br />
(Matador, 2012)<br />
GG: Cat Power! Toll, total interessante<br />
Künstlerin. Ich weiß noch, da gab es dieses<br />
Video von ihr, wo sie einfach im Garten<br />
sitzt und Coverversionen trällert, das fand<br />
ich so was von konsequent.<br />
<strong>De</strong>bug: Das ist "Always On My Own" von<br />
ihrem neuen Album. Mich hat gerade dieses<br />
Stück an deine neue Platte erinnert, so<br />
eine Art Innerlichkeit, die in stetigen Wellen<br />
über einem Sound-Teppich schwebt. Sie hat<br />
sich vor diesem Album von ihrem Freund<br />
getrennt und sich - ganz Klischee - danach<br />
die Haare raspelkurz geschnitten.<br />
GG: Das hab ich auch schon mal gemacht!<br />
So richtig kurz. Ich wollte nicht mehr lange<br />
Haare haben und sexy sein. Ich wollte,<br />
dass er mich nicht mehr mag.<br />
Einstürzende Neubauten –<br />
Jet’m<br />
(ZikZak, 1981)<br />
GG: (Sofort) "Je t’aime"!<br />
<strong>De</strong>bug: Jetzt musst du aber auch noch<br />
das Jahr und das Album erraten.<br />
GG: Hm, Achtziger.<br />
»Politisch motivierte<br />
Musik finde ich<br />
inzwischen total<br />
zum Kotzen.«<br />
<strong>De</strong>bug: Ja, das ist vom ersten Neubauten-<br />
Album, "Kollaps".<br />
GG: Ist das wahr? Ich hab die Neubauten<br />
leider nicht so oft gehört (lacht). Wirklich,<br />
ich hab sie so oft live gesehen, aber die<br />
Platten habe ich mir immer nur einmal angehört<br />
und war meistens irgendwie enttäuscht,<br />
weil das live so toll war damals.<br />
Jetzt aber finde ich: Klingt nach Achtziger,<br />
aber klingt gut eigentlich.<br />
<strong>De</strong>bug: Das habe ich übrigens besonders<br />
schlau ausgewählt, um den Dreh von deiner<br />
Vergangenheit zur Gegenwart zu kriegen:<br />
Zu deinem neuen "Simply The Best"-<br />
Cover nämlich. Was ist dir denn da in den<br />
Kopf gekommen?<br />
GG: Ich wollte einfach nicht Miss Supercool<br />
sein so à la "hier diese vergessene Perle –<br />
ich habe sie wiederentdeckt ...". Ich wollte<br />
unbedingt eine Coverversion machen,<br />
finde es toll, wenn man sich mit anderer<br />
Musik auseinandersetzt. Nach langem<br />
Suchen kam ich mehr oder weniger zufällig<br />
auf dieses Stück und dachte, ok, ich<br />
mach das jetzt einfach so zum Spaß und<br />
wie das dann immer so ist, fanden es alle<br />
toll. Das Lustigste ist: Leute haben es<br />
nicht erkannt. Ein Journalist hat mich gefragt:<br />
Sag mal, dieses Stück von Chapman/<br />
Knight - das steht ja in den Liner-Notes –<br />
wer ist das denn im Original? Das fand ich<br />
ganz schräg.<br />
Jonsson/Alter –<br />
Words, Breaths & Pauses<br />
Remix<br />
(Modular Cowboy, 2012)<br />
GG: Das ist Techno, oder? Oder House, ist<br />
alles eins (lacht).<br />
GG: Das ist Uta. Uta Alder! Jay ist das! Jay<br />
Ahern. Add Noise. Er hat lange in Berlin gelebt<br />
und Domino gemacht und ist jetzt wieder<br />
in Amerika und hat ein neues Label.<br />
<strong>De</strong>bug: Genau: Modular Cowboy. Das ist<br />
die erste EP unter anderem mit Remixen<br />
von "Words, Breaths & Pauses", einem<br />
2009er Stück von Jays Alias Cheap and<br />
<strong>De</strong>ep. Dieser hier ist von den Schweden<br />
Jonsson/Alter.<br />
GG: Uta war meine absolute Top-Assistentin<br />
bei Monika Enterprise. Wir sind noch sehr<br />
gut befreundet und sehen uns immer auf<br />
dem Land. Mit den Kids, sie hat zwei Kinder<br />
inzwischen und ich bin Patentante. Sie<br />
hat mit mir auf "Rock Bottom Riser" gesungen.<br />
(vom Album "I Put A Record On",<br />
2007, Anm.d.Red.). Das haben wir im Büro<br />
immer gesungen, es war ihr absolutes<br />
Lieblingsstück (im Original von Smog,<br />
Anm.d.Red.) und irgendwann haben wir<br />
den Text rausgesucht und es zum Spaß<br />
- wir hatten keine Lust mehr auf Office<br />
- aufgenommen, so ist das entstanden.<br />
Eigentlich sollte sie auch auf meiner neuen<br />
Platte singen, aber dann hat sich das<br />
nicht ergeben.<br />
Consolidated –<br />
America Number One<br />
(I.R.S. Rec., 1990)<br />
GG: Nee, weiß ich nicht. Das ist mir ein<br />
bisschen zu ...<br />
<strong>De</strong>bug: Das ist Consolidated. Hast du<br />
dich nicht auch mal mit Industrial beschäftigt?<br />
GG: Ja, aber nur am Anfang. Das war in<br />
den Achtzigern halt Part der Musikszene,<br />
wurde aber mit der Zeit unheimlich konservativ,<br />
negativ und macho.<br />
<strong>De</strong>bug: Consolidated sind alte Helden von<br />
mir, eine hochpolitische Band aus Amerika,<br />
für mich Anfang der Neunziger die perfekte<br />
Kombination von alten Punk-Zeiten und<br />
elektronischer Musik. Was hältst du von<br />
politisch motivierter Musik?<br />
GG: Ich finde das inzwischen total zum<br />
Kotzen. Das hatte damals sicher seine<br />
Berechtigung, aber heutzutage? Jeder<br />
Popstar muss sich unbedingt politisch äußern,<br />
damit er ernst genommen wird. Das<br />
finde ich doof. Ich möchte mich lieber gar<br />
nicht politisch äußern und als Wattebausch<br />
wahrgenommen werden – im Augenblick.<br />
Tagespolitik gehört nicht in die Musik. Ich<br />
finde, Kunst kann auch total ohne Politik<br />
einfach mal gut sein.<br />
<strong>De</strong>bug: Wie denkst du in diesem Zuge<br />
über Pussy Riot?<br />
GG: Finde ich toll, die haben das super<br />
gemacht die Girls, unheimlich was aufgedeckt<br />
damit, großartig - aber das ist was<br />
anderes. Es herrscht eine ganz andere politische<br />
Situation in Russland und die wurde<br />
von Pussy Riot ganz gut öffentlich gemacht.<br />
Und natürlich gefällt mir auch die<br />
Punk-Attitüde, aber trotzdem: Ein politischer<br />
Aspekt muss nicht zwangsläufig bei<br />
jedem Pop-Act auftauchen.<br />
Mykki Blanco –<br />
Join My Militia<br />
(UNO NYC, 2012)<br />
GG: Uuh, ein Bass. Super, der Sound ist<br />
cool.<br />
<strong>De</strong>bug: Das ist Mykki Blanco, 25, aus New<br />
York, transsexuelle Künstlerin, und eine der<br />
spannendsten zur Zeit, wie ich finde.<br />
GG: Klingt irre gut, wer hat das produziert?<br />
Es ist sehr dunkel, sie wagt was, auch das<br />
Video ist ja total düster, ein bisschen aggressiv.<br />
Ich find das von den Sounds gut,<br />
auch wie die Stimme am Anfang immer<br />
wieder abbricht, gegated ist das, glaub<br />
ich. Das würde ich gerne noch mal hören,<br />
schreib doch mal auf, bitte.<br />
Barbara Morgenstern –<br />
Spring Time<br />
(Monika Ent., 2012)<br />
<strong>De</strong>bug: So, und das kennst du auf jeden<br />
Fall!<br />
GG: Ja, Barbara Morgenstern. Am ersten<br />
Ton erkannt (lacht). Barbaras Platten habe<br />
ich oft schon vor dem finalen Mix gehört,<br />
fast als wären es meine eigenen.<br />
<strong>De</strong>bug: Du sagtest vorhin, dass du Barbaras<br />
zweites Album am besten fandest?<br />
GG: Da häng ich noch so ein bisschen<br />
dran. Ich habe genau das Bild vor mir, wie<br />
sie im Wohnzimmer an diesem Keyboard<br />
steht und ich sie das erste Mal sehe, tausend<br />
Leute, alle sitzen auf dem Boden, und<br />
sie spielt einfach und singt und ich dachte,<br />
was ist denn das? Barbara ist für mich eine<br />
echte Inspiration. Musikalisch sind wir<br />
weit voneinander entfernt, ich bin eher der<br />
Drum-Typ und sie eher der Harmonie-Typ,<br />
aber allein durch die Tatsache mit welcher<br />
Selbstverständlichkeit sie sich einfach alleine<br />
hinstellt, hat mich beeindruckt und dazu<br />
inspiriert, selber auch allein zu spielen. Das<br />
kostete mich große Überwindung. Barbara<br />
ist eine ganz tolle Künstlerin.<br />
Hildegard Knef –<br />
So oder so ist das Leben,<br />
Hans Nieswandt Remix<br />
(Bureau B, 2012)<br />
GG: Hildegard Knef? Ach so, das sind<br />
die Hans-Nieswandt-Remixe, ist ja cool.<br />
Hildegard Knef war auch auf meiner Liste<br />
von Cover-Versionen, die hat echt tolle<br />
Texte. Früher fand ich sie furchtbar, bis<br />
Justus Koehncke immer mal wieder ein<br />
Stück gepostet hat, das hatte schon was.<br />
Ich fand sie so schrecklich, wie sie in diesen<br />
Talkshows immer mit diesen angeklebten<br />
Wimpern, völlig fakig, so alt und<br />
verknistert saß, und dann dieser fette rote<br />
Lippenstift, ich fand das weird. Ich habe das<br />
Remix-Album noch nicht gehört, aber den<br />
Anfang fand ich jetzt gerade super.<br />
<strong>De</strong>bug: Ich habe allerdings extra das am<br />
wenigsten housige Stück herausgesucht,<br />
der Rest ist schon etwas fluffiger.<br />
GG: Ach, weißt du von meiner House-<br />
Phobie? Das ist mir immer ein bisschen zu<br />
Sekretärinnen-mäßig. So ein Wattebausch<br />
bin ich dann doch nicht!<br />
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