De:Bug 157
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Text robert stadler<br />
Eine Landpartie ist nicht nur erholsam,<br />
sondern auch lehrreich. <strong>De</strong>nn nirgendwo<br />
lassen sich heute die fantastischen<br />
Begebenheiten in den Eingeweiden der<br />
Energiewende besser beobachten als auf<br />
einem durchschnittlichen, westdeutschen<br />
Bauernhof. Windrad-Intrigen, potemkinsche<br />
Solarscheunen und Biogas-Opern:<br />
Action satt, aber kein Plan.<br />
Strom kommt aus der Steckdose, Ökostrom vom<br />
Offshore-Windpark und die Energiewende aus<br />
der Lampenfassung. So einfach ist das natürlich<br />
nicht. Im Gegensatz zum Öl ist der Energieträger<br />
Strom für den Verbraucher wie dich und<br />
mich immer abstrakt geblieben. So richtig bringt<br />
unser Verstand den Zusammenhang zwischen<br />
dem Abfackeln ganzer Braunkohle-Landstriche<br />
und der berühmten Steckdose jedenfalls nicht<br />
auf die Kette. Sollte er im Zeitalter von Peak Oil,<br />
(der Gewissheit, dass Öl eine endliche Ressource<br />
ist) und Klimawandel allerdings dringend mal.<br />
Wo sogar die deutsche Umweltpolitik bereits als<br />
vorbildlich gilt und einmal tatsächlich liefert:<br />
Das Erneuerbare Energien Gesetz, kurz EEG,<br />
gilt laut Wikipedia "als weltweit erfolgreichstes<br />
Instrument zur Förderung Erneuerbarer Energien".<br />
Es wurde in 40 Ländern rund um den Globus<br />
nachgeahmt und ist damit das "wohl meistkopierte<br />
Energiegesetz der Welt". Yeaaah?<br />
Cola und Korn<br />
Wenn also das EEG in den Fußstapfen der DIN-<br />
Norm die Welt erobert, sind wir wieder Vorreiter<br />
in Sachen fortschrittlicher grüner Technik und<br />
Wirtschaft? Alles dufte in <strong>De</strong>utschland, Gewissen<br />
inklusive? Wie der Zufall so spielt, hatten<br />
wir neulich eine Gelegenheit, die vielgepriesene<br />
Energiewende am praktischen Beispiel unter die<br />
Lupe zu nehmen. Wir waren zu Besuch auf dem<br />
Bauernhof. <strong>De</strong>n Bauern sind wir qua familiärer<br />
Tradition lose freundschaftlich verbunden,<br />
trotzdem oder vielleicht gerade weil man sich<br />
wechselseitig ziemlich exotisch findet. So machen<br />
wir uns an einem freundlichen Spätsommerwochenende<br />
auf den Weg nach Dithmarschen. Auf<br />
der Zugfahrt merken wir, dass sich die Windräder<br />
schon wieder ordentlich vermehrt haben, zudem<br />
scheint es in Schleswig-Holstein einen kleinen<br />
Wellblechbauboom zu geben, immer wieder entdecken<br />
wir nagelneue, gedrungene Fabrikhallen<br />
in der vorbeiziehenden Landschaft. Bei unseren<br />
Jungbauern geht es dann erfrischend Old School<br />
zu: gepflegter Jackass-Humor, Verbrennungsmotoren<br />
grundsätzlich herzlich zugeneigt, Rauchen<br />
und Saufen wie bei Mad Men. Gäste werden hier<br />
in der Küche mit Cola-Korn bewirtet, wobei der<br />
Trick in einem Schuss Mineralwasser und reichlich<br />
Eis besteht: knallt, macht wach und reduziert<br />
den Kater auf ein Minimum.<br />
Scheiß Politiker<br />
Zum Cola-Korn wird geschnackt, geklönt und gemeckert,<br />
natürlich übers Geschäft, was im Falle<br />
der seit Jahrzehnten durchregulierten Landwirtschaft<br />
heißt, über die Politiker zu schimpfen,<br />
die immer noch keine Ahnung von Landwirtschaft<br />
haben, aber dauernd ihre Meinung<br />
ändern. Und natürlich wird ordentlich über den<br />
Agrarverwaltungsapparat hergezogen, der die<br />
unausgereiften Konzepte der Politiker in schikanöse<br />
Verordnungen umsetzt, die den Bauern<br />
das Leben schwer machen. Zum Beispiel wenn<br />
es ums Aufstellen von Windrädern geht. Das<br />
ist für den Besitzer des Ackers an sich äußerst<br />
lukrativ, noch lukrativer wird es, wenn man die<br />
Einnahmen in Windradanteile reinvestiert. Liegen<br />
deine Äcker allerdings in einem Vogelschutzgebiet,<br />
in einer Landschaftsschutzzone oder im<br />
Gewässerstreichelzoo, dann bist du gekniffen.<br />
Wie unsere Jungbauern, die ihre Landschaftsschutzzonenzugehörigkeit<br />
als schreiende Ungerechtigkeit<br />
betrachten - weil sich das Nachbardorf<br />
zufällig außerhalb der Zone befindet, dürfen<br />
die sich nämlich eine goldene Windnase verdienen.<br />
Gleichzeitig stehen die Preise für Genres<br />
wie Milch, Schweine oder Kartoffeln mächtig<br />
unter Druck. Das traditionell Schweinemastlastige<br />
Wirtschaften des Erbhofs ist für unsere<br />
Jungbauern dieser Tage sogar ein Verlustgeschäft,<br />
an dem man aus Verbundenheit mit der<br />
vagen Hoffnung auf bessere Tage noch irgendwie<br />
festhält.<br />
Bakterien füttern<br />
Bevor wir uns richtig festlabern, müssen unsere<br />
Bauern aber erstmal noch "Füttern", wir<br />
traben mit, um die Neuerungen des Hofs zu besichtigen.<br />
Vorbei an den Schweineställen mit<br />
vierhundert Mastschweinen geht es zur neu<br />
errichteten Scheune, die an einen überdachten<br />
Landmaschinen-Parkplatz erinnert und deren<br />
Hauptdaseinszweck tatsächlich darin besteht,<br />
möglichst viel Dachfläche für Solarzellen zu<br />
bieten. WTF? Die Lösung des Rätsels findet<br />
sich im weltberühmten EEG (ihr erinnert euch:<br />
das Erneuerbare Energien Gesetz), das in erster<br />
Linie ein Belohnungssystem grüner Energiepolitik<br />
darstellt. Im Klartext: Hier wird Geld<br />
verteilt und zwar reichlich und obendrein mit<br />
vertraglich fixierter Perspektive auf 20 Jahre.<br />
Dieses sogenannte "Mindestpreissystem" erklärt<br />
dann auch die Wellblechneubauten, die<br />
uns auf der Zugfahrt aufgefallen waren. Die<br />
Vergütung des Solarstroms nach EEG ist nämlich<br />
unter anderem von der Art der Aufstellung<br />
abhängig, wobei es für Strom vom Dach einen<br />
spürbar besseren Preis als für den aus Bodennähe<br />
gibt. Und obwohl Solarzellen ob des miesen<br />
Wirkungsgrades in unseren Breiten als ziemlich<br />
bekloppte alternative Energie gelten dürfen,<br />
fließen in diesem Bereich die meisten Fördergelder<br />
im Rahmen des EEG. Aber die Photovoltaikgarage<br />
ist noch längst nicht das Highlight des<br />
Energiebauernhofs mit angehängter Schweinemast,<br />
denn hinter ihr erheben sich drei flache Zylinder,<br />
etwa 20 Meter im Durchmesser und vier<br />
Meter hoch, mit lustig aufgeblasenen Plastikplanen-Hütchen<br />
- die neue Biogasanlage.<br />
Kuhmagen ohne Kuh<br />
<strong>De</strong>r "Futtertrog" der Biogasanlage besteht aus<br />
einem Standardcontainer ohne <strong>De</strong>ckel und wird<br />
mit dem Radlader gefüllt, schließlich schluckt<br />
die Anlage täglich 30 Tonnen "Futter", hauptsächlich<br />
Mais- und Grassilage. Im Futtertrogcontainer<br />
drückt ein mächtiger hydraulischer<br />
Stempel das Zeug in einen Mixer, aus dem es<br />
dann per Förderband in den ersten Zylinder gelangt.<br />
Das Betonrund mit Plastikmütze ist ein<br />
riesiger Fermenter, genau wie seine beiden Pendants,<br />
man kann sich die ganze Anlage wie einen<br />
Kuhmagen vorstellen, nur eben ohne Kuh, dafür<br />
aber in sehr groß. Das "Futter" wird auf seinem<br />
durch Pumpen angetriebenen Weg durch die<br />
Gärbecken Schritt für Schritt verdaut, wobei in<br />
jedem Behälter spezialisierte Bakterienkulturen<br />
ihren Dienst verrichten, während vollautomatische<br />
Rührwerke die Brühe in Bewegung halten.<br />
Hinten kommt dann Biogas und Scheiße raus, die<br />
in diesem Fall vornehm als "Gärrestmenge" tituliert<br />
wird. In der Mitte zwischen den drei Tonnen<br />
gibt es eine Wartungsplattform, von der aus<br />
man durch Bullaugen einen Blick ins Innere der<br />
Zylinder werfen kann - der biogastechnische Laie<br />
erkennt in dem künstlichen Magen allerdings<br />
höchstens braune Nebelschwaden. Unheimlich<br />
ist der Blick trotzdem, schließlich schaut man in<br />
eine für Menschen absolut lebensfeindliche Atmosphäre,<br />
in der es statt Sauerstoff nur Methan<br />
und Lachgas gibt.<br />
Dummer Strom<br />
Bakterien als Nutztiere scheinen also so far keine<br />
der sonst für Bauernhoftiere typischen Attraktionen<br />
bieten zu können. Immerhin, als Sujet<br />
für Bio-Hacking-Horror-Kracher haben die<br />
monströsen Bakterienzuber mächtig Potential:<br />
Die mutierte Superbatterie aus der Biogasanlage<br />
könnte ähnlich symboltypisch werden wie<br />
der kulturelle Fallout Godzilla nach Hiroshima.<br />
Für die Oper wurde das Motiv übrigens bereits<br />
entdeckt und zwar ausgerechnet in Bayreuth:<br />
Tannhäuser musste dort neulich in einer totali-<br />
Strom aus Biomüll<br />
Die "Fresh Music For Rotten Vegetables" sind eine partizipative Installation des Berliner Künstlers Karl Heinz<br />
Jeron, die in Form eines Workshops funktioniert: Die Teilnehmer müssen verdorbenes Obst organisieren, das<br />
kleine elektronische Klangerzeuger mit Strom versorgt. Diese werden während des Workshops aus preiswerten<br />
Bauteilen zusammengemasht, um Teil einer Klanginstallation zu werden.<br />
www.jeron.org<br />
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