Bobinger Geschichten Juni2016
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B obinger<br />
Geschichte(n)<br />
6<br />
Juni<br />
2016<br />
¤ 3.–<br />
HISTORISCHES, AKTUELLES, WISSENSWERTES UND AMÜSANTES AUS BOBINGEN UND UMGEBUNG<br />
SCHULE<br />
HOBBY<br />
Rupert Reichinger<br />
und seine Greifvögel<br />
Seite 37<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
Die Anfänge<br />
der Realschule Bobingen Seite 31<br />
Über die Badekultur<br />
(Teil 2) Seite 7<br />
LEBENSLINIEN<br />
KIRCHE<br />
SOZIALES<br />
Betty Heider und<br />
die Salamander-Schuhe Seite 46<br />
Die Anfänge des Laurentiushauses<br />
Seite 22<br />
Das Familienbüro –<br />
Hilfe in allen Familienlagen<br />
Seite 42
www.gewerbeverein-bobingen.de<br />
vielfältig<br />
zentral<br />
attraktiv<br />
Bobinge<br />
Charme u<br />
Stadt Bobingen<br />
Rathausplatz 1<br />
86399 Bobingen<br />
Telefon: 08234/8002-0<br />
Telefax: 08234/8002-25<br />
www.bobingen.de<br />
Lebensqualität, die Sie sich leisten können!<br />
Schon die Römer und die Fugger wussten die verkehrsgünstige Lage, an der ehemaligen Via Claudia Augusta, zu schätzen und zu<br />
nutzen. An dieser Verbindungsachse über die Alpen nach Südeuropa gelegen, war und ist Bobingen optimal in das Verkehrsnetz der<br />
Region eingebunden. Die Bundesstraße 17 ist Teil der romantischen Straße – eine der bekanntesten und beliebtesten Ferienstraßen<br />
Deutschlands. Von Bobingen aus sind Sie innerhalb kürzester Zeit sowohl in den Alpen, als auch in Italien – ein Vorteil, den Sie<br />
schnell schätzen und lieben lernen.<br />
Bobingen bietet Raum zum Leben und Arbeiten, und das zu bezahlbaren Preisen. Neben einem außerordentlich hohen Freizeitwert,<br />
finden Sie in Bobingen wa Alles, was<br />
Sie Tag für Tag benötigen, aber auch viele Dinge, die das Leben lebenswert machen. Von der<br />
Lage direkt an den westlichen Wäldern, über vielfältige Sport- und Freizeitmöglichkeiten – in Bobingen finden Sie zum Beispiel den<br />
Heimatgolfclub von Bernhard Langer – bis hin zu einem bunten und abwechslungsreichen Kulturprogramm, bietet Bobingen ideale<br />
Voraussetzungen neue Kräfte zu tanken und das Leben zu genießen.
INHALT<br />
HISTORIE<br />
Der Übersetzer von Dr. Herbert Schäfer.............................................. 4<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
Über die Badekultur –Teil 2 ................................................................ 7<br />
ORTSTEILE<br />
Waldberg ............................................................................................ 13<br />
HISTORIE<br />
Polizeigeschichte Teil 2 ...................................................................... 18<br />
KIRCHE<br />
Das Laurentiushaus............................................................................ 22<br />
Interview mit Pfarrer Rauch............................................................... 26<br />
STRASSENNAMEN<br />
Wolfsgässchen, Hochstiftweg und Zehentweg................................... 28<br />
SCHULE<br />
Realschule Bobingen –Teil 1 ............................................................. 31<br />
WIRTSCHAFT<br />
Schreinerei <strong>Bobinger</strong> .......................................................................... 36<br />
HOBBY<br />
Vom Turmfalken bis zum Uhu ........................................................... 37<br />
SOZIALES<br />
Das Familienbüro Bobingen............................................................... 42<br />
SO GEHT’S IN BOBINGEN ZUA<br />
Seltene Gäste im Palast-Hotel ........................................................... 44<br />
LEBENSLINIEN<br />
Die Betty aus dem Schuhgeschäft –Barbara Heider im Porträt ........ 46<br />
Die nächsten<br />
obinger<br />
BGeschichte(n)<br />
erscheinen voraussichtlich im Juni 2017<br />
Anzeigenverkauf:<br />
Hilmar Scherer<br />
Telefon: 0821/5071-311<br />
Fax: 0821/5071-9311<br />
hscherer@stadtzeitung.de<br />
obinger<br />
BGeschichte(n)<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion <strong>Bobinger</strong> & Verkauf: Geschichte(n):<br />
Anja Fischer<br />
Telefon: 0821/5071-451<br />
Fax: 0821/5071-9451<br />
anja-home@freenet.de<br />
Editorial<br />
Liebe Leser,<br />
es ist wieder so weit: Sie halten<br />
die neueste, sechste Ausgabe der<br />
„<strong>Bobinger</strong> Geschichte(n)“ in der<br />
Hand. Viele fragen mich schon<br />
seit Wochen, wann es denn wieder<br />
so weit ist und ob es in diesem<br />
Jahr auch sicher wieder eine<br />
Ausgabe gibt. Nun kann ich sagen:<br />
Ja! Denn vor Ihnen liegen<br />
wieder 50 Seiten voller Informationen<br />
über unsere schöne Heimatstadt.<br />
Einiges wussten Sie sicherlich<br />
schon, aber ich hoffe, ich<br />
kann Sie auch mit einigen neuen<br />
Details beispielsweise über das<br />
<strong>Bobinger</strong> Freibad überraschen.<br />
Meine Reise durch die <strong>Bobinger</strong><br />
Ortsteile führte mich heuer nach<br />
Waldberg. Das jährliche Radegundisfest<br />
dort kenne ich schon<br />
länger, aber die Entstehungsgeschichte<br />
der Gemeinde war für<br />
mich doch zu großen Teilen Neuland.<br />
Im Stadtarchiv hat mir Archivar<br />
Wolfgang <strong>Bobinger</strong> wieder<br />
sehr geholfen, viele Unterlagen<br />
durchzusehen und mich bei meiner<br />
Recherchearbeit zu unterstützen.<br />
Auch anKarl Wahl, der einst<br />
die Ortsgeschichte Waldbergs zusammengetragen<br />
hat, geht hier<br />
mein Dank! Wussten Sie schon,<br />
liebe Leser, dass das <strong>Bobinger</strong><br />
Stellvertretende Verlagsleitung:<br />
Simona Weiß<br />
Telefon: 0821/5071-456<br />
Fax: 0821/5071-9456<br />
sweiss@herba-verlag.de<br />
ist DAS Magazin für Bobingen.<br />
Jede Ausgabe enthält einen abwechslungsreichen Themenmix aus historischen und<br />
aktuellen Beiträgen.<br />
Herba Werbeverlag Baur GmbH • Konrad-Adenauer-Allee 11 • 86150 Augsburg • eMail: stadtgeschichten@herbaverlag.de<br />
• Internet: www.herba-verlag.de • Geschäftsführung: Thomas Sixta<br />
Layout/Satz/Druck: Mayer & Söhne Druck- und Mediengruppe GmbH, Oberbernbacher Weg 7, 86551 Aichach<br />
Verbreitung: Als Anzeigenkunde erhalten Sie einige Magazine zur Auslage gratis. Ansonsten kann der Sammelband an<br />
ausgewählten Verkaufsstellen für nur 3,- gekauft werden.<br />
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme des Verlages dar.<br />
ÜBERSICHT<br />
WERBEVERLAG<br />
www.herba-verlag.de<br />
Laurentiushaus einst von einem<br />
Verein errichtet wurde und als<br />
Wohnheim für Mädchen seinen<br />
Anfang nahm? Auch das ist ein<br />
geschichtliches Detail, das mich<br />
sehr überraschte. Lassen auch Sie<br />
sich überraschen von dieser neuen<br />
„<strong>Bobinger</strong> Geschichte“ und auch<br />
von meinem Interview mit Pfarrer<br />
Thomas Rauch.<br />
Die Hintergründe der Polizei finden<br />
in dieser Ausgabe nun die<br />
endgültige Aufklärung. Zusammen<br />
mit dem Text aus der fünften<br />
Ausgabe ergibt sich für Sie nun<br />
ein fertiges Bild unserer <strong>Bobinger</strong><br />
Polizeitradition.<br />
Einen Anfang nimmt dagegen die<br />
Geschichte der Realschule Bobingen,<br />
die, zumindest zu ihren<br />
Anfängen, mehrmals den Schulort<br />
wechseln musste, bevor sie ein<br />
endgültiges Domizil bekam.<br />
In Bobingen angekommen ist<br />
mittlerweile auch Stefanie Mayer<br />
vom Familienbüro. Was genau ihre<br />
Aufgabe ist und wo sie im Ort<br />
zu finden ist, verrät sie in unserem<br />
Text unter der Rubrik „Soziales“.<br />
Wer schon länger in Bobingen<br />
lebt oder hier aufgewachsen ist,<br />
der kennt Barbara Heider, die<br />
„Heider Betty“, die in diesem Jahr<br />
aus ihrem Leben erzählt.<br />
Ganz besonders freue ich mich,<br />
dass in dieser Ausgabe Rupert<br />
Reichinger über sein Hobby berichtet.<br />
Er pflegt verletzte Greifvögel<br />
und hat dabei nicht nur eine<br />
Menge Erfahrung gesammelt,<br />
sondern schon vielen der majestätischen<br />
Vögel das Leben gerettet<br />
und die Freiheit wiedergegeben.<br />
Ein herzlicher Dank geht an dieser<br />
Stelle wie immer auch an<br />
Georg und Elisabeth Fritz, ohne<br />
die, das darf ich ohne Übertreibung<br />
sagen, so mancher Text<br />
wohl gar nicht zustande gekommen<br />
wäre, zumindest aber ohne<br />
viele Bilder aus dem Archiv von<br />
Georg Fritz auskommen müsste.<br />
Und nun, liebe Leser, wünsche<br />
ich Ihnen viel Spaß beim Lesen<br />
und Durchblättern der neuen<br />
„<strong>Bobinger</strong> Geschichte(n)“!<br />
IhreAnja Fischer<br />
Redaktion<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 3
ERZÄHLUNGEN<br />
ERZÄHLUNG<br />
DerÜbersetzer<br />
Einen ganz persönlichen Blick auf die Entstehung der Polizei in<br />
Bobingen hat Dr. Herbert Schäfer. Er hat sie in seiner Erzählung „Der<br />
Übersetzer“ niedergeschrieben und lässt damit einen ganz privaten<br />
Blick in die Polizeigeschichte zu. In den <strong>Bobinger</strong> Geschichte(n)<br />
können Sie dies in leicht gekürzter Fassung lesen.<br />
Dr. Herbert Schäfer mit seiner Frau Marianne, 1948.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Von Dr. Herbert Schäfer<br />
Kapitel I:Wo liegt<br />
Schwabmünchen?<br />
„Ab 12.11.1945, sechs Monate<br />
und vier Tage nach dem offiziellen<br />
Kriegsende, wurde ich als<br />
Translater Englisch-Deutsch,<br />
Deutsch-Englisch eingestellt.Mit<br />
unerfahrenem Englisch und<br />
schlechter Aussprache konnte ich<br />
notfalls dicht am heftig klopfenden<br />
politischen Puls der Zeit<br />
auch als sprechender Dolmetscher<br />
fungieren. Ich stand auf schwachen,<br />
aber eigenen Füßen. Und<br />
war frei. Soldat ohne Entlassungsschein.<br />
Mein Stuhl stand in<br />
der Bezirksinspektion der Landpolizei<br />
im Landkreis Schwabmünchen<br />
südlich von Augsburg.<br />
Besoldet wurde ich nach BAT<br />
7.135 Reichsmark pro Monat<br />
reichten zum Leben ... Die<br />
Grundlagen meiner Existenz,<br />
meine Erziehung, die Handlungs-<br />
und Reaktionsmuster, die<br />
ich mitbrachte, passten zum Arbeitsgebiet<br />
„Verwaltung und Polizei“.Ich<br />
war ausreichend organisationserfahren<br />
und vom Elternhaus,<br />
der Schule und der Jugendorganisation<br />
her an Fleiß, Ordnung<br />
und Organisationsprinzipien<br />
gewöhnt. Klaglos arbeiteten<br />
wir …über fünfzig Stunden,eher<br />
sechzig Stunden in der Woche,<br />
die Samstage eingeschlossen.<br />
Das Büro in der aufgelassenen<br />
Landratsküche eines altehrwürdigen<br />
ehemaligen ländlich-bischöflichen<br />
Verwaltungshauses war damals<br />
für mich der einzige beheizte<br />
Raum,in dem ich mich im kalten<br />
Winter 1945/46 tagsüber<br />
wärmen konnte, wenn nicht auch<br />
hier mal wieder die alte Koksheizung<br />
im exbischöflichen Keller<br />
ausgefallen war. Mein möbliertes<br />
Zimmer blieb unbeheizt.Das mit<br />
solidem Leinen bezogene Bett<br />
war andauernd klamm und kalt.<br />
Die alten und dünnen „Woll-Decken“<br />
hielten kaum die eigene<br />
Körperwärme. Ich blies meine<br />
Atemluft darunter und wärmte<br />
mir die Hände und das Gesicht ...<br />
Als Übersetzer hatte ich weniger<br />
zu sprechen als vielmehr täglich<br />
die Polizei-Lageberichte an den<br />
PSO zu übersetzen und die englischen<br />
Texte selbst zu schreiben.<br />
Dazu kamen dann die Wochen-,<br />
Monats- und Jahresberichte sowie<br />
die Zwischenberichte über besondere<br />
Ereignisse. In der letzten<br />
Zeile aller Berichte musste über<br />
den Zustand der Polizei berichtet<br />
werden.Meist stand am Ende des<br />
Berichts nichts anderes als die lakonische<br />
Anmerkung: „Lack of<br />
training and equipment“. Im<br />
Prinzip ist es bei diesem berechtigten<br />
Klagetext der Polizei bis<br />
auf den heutigen Tag geblieben,<br />
da deren Bedarf und Bedürfnisse<br />
mit der ansteigenden Kriminalität<br />
wuchsen.<br />
Die Polizei des Jahres 1945 besaß<br />
kaum eine Ausrüstung. Für den<br />
gesamten Landkreis schnurrte ein<br />
wohlgepflegter, alter DKW beim<br />
Kreispolizeichef. Die bei den Polizeistationen<br />
laufenden Fahrräder<br />
stammten noch aus dem Inventar<br />
vor Kriegsende oder wurden privat<br />
eingebracht.Die Polizeibeamten<br />
trugen zunächst noch keine<br />
Uniformen, sondern Zivilbekleidung,<br />
umgefärbte Wehrmachtsuniformteile<br />
und abgestempelte<br />
Armbinden. Monate später wurden<br />
alte, lange Karabiner, später<br />
Taschenlampen und schließlich<br />
Uniformen ausgegeben.Die regulären<br />
grünen Uniformen gab es<br />
nach etwa einem Jahr, soweit ich<br />
mich entsinnen kann ...“<br />
Kapitel II:Die<br />
Grundstrukturen<br />
der neuenPolizei<br />
„Die Landpolizeistationen in Bobingen,<br />
Königsbrunn, Mickhausen,Mittelneufnach,Klosterlechfeld,<br />
Schwabmünchen basierten<br />
auf den alten Strukturen der<br />
Gendarmerielogistik, die nach<br />
und nach mit Personal ausgestattet<br />
wurden. Die Landpolizeistation<br />
Großaitingen wurde neu aufgestellt.<br />
Ausstattung und Bewaffnung<br />
wurde durch die Bezirksinspektion<br />
zentral verwaltet,ebenso<br />
die monatliche Zuteilung von<br />
Benzinmarken für die Dienst-<br />
Motorräder,so es sie gab,und die<br />
dienstlich benutzten privaten<br />
Krafträder.<br />
Die Polizeistationen waren in Sicherheitsfragen<br />
taktisch selbständig,<br />
operativ unverbunden und<br />
daher weitestgehend auf eigene<br />
Initiativen angewiesen. Überlappende<br />
Strategien gab es nicht.<br />
Strategien wurden durch den Erfahrungsaustausch<br />
und Telefonate<br />
auf der Kreisebene ersetzt. Ein<br />
polizeiliches Telefonnetz mit alten<br />
Kurbeltelefonen wurde nach<br />
und nach geschaltet.<br />
Die Polizei startete nach dem<br />
Einmarsch der Amerikaner und<br />
dem einstweiligen Zusammenbruch<br />
der staatlichen Administration<br />
bei Null. Ich habe diesen<br />
Zeitpunkt nicht selbst erlebt.Wegen<br />
der allgemein üblichen Mitgliedschaft<br />
in der NSDAP durfte<br />
nahezu kein Polizeibeamter (der<br />
Gendarmerie) im Dienst verblei-<br />
4 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
Werbung für die Landpolizei<br />
im Schwabmünchner Anzeiger<br />
vom 2.11.1946.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
ben. Kein polizeiliches oder kriminalistisches<br />
Wissen konnte an<br />
die neueingestellten Männer weitergegeben<br />
werden.Mit den alten<br />
Polizeibeamten verschwanden<br />
auch deren Kenntnisse über die<br />
einheimischen Täter und die kriminellen<br />
Schichtungen, Kreise<br />
und Familien, verschwanden alle<br />
Orts- und Personenkenntnisse.<br />
Aufzeichnungen und Akten waren<br />
bei Kriegsende vernichtet<br />
worden.Ich habe nie alte Ermittlungsakten<br />
gesehen, obwohl diese<br />
mich aus fachlichen Gründen<br />
sehr interessiert hätten ...<br />
Die neuen Polizeibeamten konnten<br />
nach generellen Vorgaben im<br />
Sinne der Auftragstaktik selbständig<br />
handeln und methodisch<br />
vorgehen. Sie konnten berichten<br />
und verstanden Anordnungen<br />
richtig. Sie waren keine Überflieger,<br />
aber verlässliche, solide<br />
Handwerker, die ständig dazu<br />
lernten.Sie konnten insbesondere<br />
entschieden und bestimmt und<br />
von keinen Selbstzweifeln geplagt<br />
in der Öffentlichkeit auftreten<br />
und den neuen Staat repräsentieren,<br />
der allmählich innerhalb der<br />
politischen Vorgaben und der historischen<br />
Grenzen und Erfahrungen<br />
nach dem Willen der Besatzungsmächte<br />
im Entstehen begriffen<br />
war.<br />
Sie fanden in der Regel im Umgang<br />
mit der Bevölkerung einen<br />
angemessenen Verkehrston.Überdies<br />
waren die Menschen noch an<br />
einen knappen,nun aber mit dem<br />
notwendigen zivilen Charme getönten<br />
Feldwebelton gewöhnt,so<br />
dass Beschwerden gegen einen<br />
Rest von gelegentlich raubatzigem<br />
Kasernenhofton höchst selten<br />
vorgebracht wurden. Außerdem<br />
war jeder froh, dass es allmählich<br />
eine funktionierende Polizei<br />
gab, die man zu Hilfe rufen<br />
konnte. Die unsichere Zeit der<br />
Überfälle durch ehemalige<br />
Zwangsarbeiter,Ostarbeiter,Displaced<br />
Persons etc. war noch<br />
nicht vorüber.<br />
Diese„jungen“,nur kurz ausgebildeten<br />
und eingewiesenen Polizeibeamten<br />
handelten in der Regel<br />
nicht übereilt, sondern eher zögernd,<br />
abwartend und bedachtsam.Sie<br />
fühlten sich nicht als die<br />
starken Polizeimänner.Sie hatten<br />
über zwei oder drei Indianerfilme<br />
hinaus noch keine die guten deutschen<br />
Polizeisitten verderbenden<br />
amerikanischen Gangster- und<br />
Detektivfilme gesehen. Sie verstanden<br />
sich von allem Anfang an<br />
als uniformierte Schutzkräfte für<br />
den Bürger, mit dem sie im gleichen<br />
Boot saßen. Daher wurden<br />
selten Widerstandshandlungen<br />
gegen Polizeibeamte bekannt, soweit<br />
ich mich erinnere.<br />
Zum bürgerlichen Frieden in der<br />
Bevölkerung mag beigetragen haben,<br />
dass es kaum schwarzgebrannten<br />
Schnaps oder andere legale<br />
alkoholische Getränke gab<br />
und das Bier dünn war. Alle<br />
Straftaten wurden von der amerikanischen<br />
Besatzungsmacht, d.h.<br />
von den Militärgerichten, meist<br />
hart bestraft.Damals wirkten die<br />
Strafen noch abschreckend.“<br />
Kapitel III:<br />
Diebesgut und<br />
Wanderschnepfen<br />
„Die Not der Bevölkerung ließ<br />
sich aus der Art des Diebesgutes<br />
ablesen. Gestohlen wurden – und<br />
der Verlust traf die Eigentümer<br />
härter,als man sich das heute vorstellen<br />
kann – z.B. Brennholz,<br />
Kartoffeln, Stallhasen, Getreide,<br />
Benzin, Autoreifen, Bekleidung,<br />
Fahrräder, Vieh, Hühner und<br />
Gänse.<br />
Gelegentlich versuchte ein kleiner<br />
Bauer „schwarz“, d.h. ohne Erlaubnis<br />
einen Rüben- oder Kartoffelschnaps<br />
zu brennen, ein wegen<br />
der stark riechenden, gärenden<br />
Maische denunziationsgefährdetes<br />
Unternehmen. Es wurde<br />
außerhalb der Lebensmittelbewirtschaftung<br />
geschlachtet, ein<br />
mit harten Strafen bedrohtes Delikt.Die<br />
großen Wirtschaftsfürsten<br />
mit bekannten Namen und<br />
später angesehenen Firmen<br />
schmuggelten in den Großstädten<br />
und zwischen den Besatzungszonen<br />
und dem Ausland bereits<br />
Goldbarren aus dem Ausland ein<br />
und bauten ihre Firmen auf, aber<br />
das wurde den kleinen Gendarmen<br />
nicht bekannt.<br />
ERZÄHLUNGEN<br />
Es wurde in Privatwohnungen<br />
unzerstörter Häuser, in denen<br />
Geld,Bekleidung,Vorräte vermutet<br />
wurden,und in die Depots der<br />
US Army eingebrochen. In den<br />
ersten Monaten nach Kriegsende<br />
waren die zahlreichen rücksichtslosen,<br />
mit Mord und Misshandlungen<br />
verbundenen Raubüberfälle<br />
durch ehemalige ausländische<br />
Zwangsarbeiter der Schrecken<br />
der Bürger und Bauern. Eine<br />
reiche,sexuell knapp gehaltene<br />
Männer-Armee zieht arme Mädchen<br />
an. Die herbeiströmenden<br />
Soldatenmädchen, meist „Wanderschnepfen“,<br />
junge hübsche<br />
Dinger,von denen es auf dem flachen<br />
Lande meist in der Nähe<br />
von Barracks richtige Nester gab,<br />
wurden von den Amerikanern<br />
„Veronika Dankeschön“ genannt,<br />
abgekürzt „V.D.“. Diese Abkürzung<br />
stand auch für „veneral diseas“<br />
(d.i.Geschlechtskrankheit) ...<br />
Kapitel IV:Das<br />
Beamtenprofil<br />
Die Landpolizei hat in den ersten<br />
Jahrzehnten nach 1945 durch den<br />
Kriegsausgang profitiert. Viele<br />
Polizeibeamte stammten aus Mittel-<br />
und Ostdeutschland,aus den<br />
polnisch und russisch besetzten<br />
Gebieten. Etliche besaßen das<br />
Abitur oder waren in qualifizierten<br />
Zivilberufen oder in der<br />
Wehrmacht in technischen Berufen<br />
gut ausgebildet worden. Sie<br />
brachten eine große Lebens-,<br />
Führungs- und Verwaltungserfahrung<br />
und Ausgewogenheit in<br />
die Organisation ein, vielleicht<br />
hier und da noch eine paramilitärische,<br />
korrekte Starrheit und befehlsgewohnte<br />
Korrektheit.<br />
Soweit ich übersehen konnte,lebten<br />
alle in ordentlichen Familienverhältnissen,<br />
hatten Kinder.<br />
Scheidungen gab es selten, weil<br />
sie als Makel, als Versagen in der<br />
Lebensführung angesehen wurden.<br />
Der Ehebruch war damals<br />
ein nach Strafantrag zu verfolgen-<br />
Frischemarkt<br />
Volgmann<br />
Geschenkkörbe<br />
Metzgereiplatten<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 5
ERZÄHLUNGEN<br />
Sterbebild von Gendarmeriehauptwachtmeister<br />
Michael Niederalt, Gendarm in Bobingen bis 1939.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
des Delikt. (Als etwa 1949 ein<br />
junger Beamter in Abwesenheit<br />
eines Kollegen mit dessen Frau<br />
schlief, wurde er nach Strafantrag<br />
durch den Gehörten strafrechtlich<br />
wegen Ehebruchs (Vergehen)<br />
zu einer Geldstrafe verurteilt,hatte<br />
dienststrafrechtlich eine Geldstrafe<br />
zu zahlen und wurde versetzt.)<br />
Die Familien hielten in<br />
den Nöten der Zeit mehr denn je<br />
zusammen,die Ehepartner hatten<br />
sich längst als Kameraden zusammengerauft<br />
...<br />
Während der beamtenrechtlichen<br />
Probezeit fielen einige wenige<br />
landsknechtsartige Übermut- und<br />
Leichtsinnstypen auf, wie wir<br />
Soldaten sie während des Krieges<br />
in der Unteroffiziersschicht gelegentlich<br />
erleben konnten.Von denen<br />
wurde der Begriff „organisieren“<br />
doppeldeutig verstanden. Sie<br />
bezogen Fleisch aus Schwarzschlachtungen,warnten<br />
gelegentlich<br />
vor Razzien,verfuhren unerlaubt<br />
mit dem einzigen Dienstkrad<br />
die Minimengen Benzin und<br />
verunfallten, beteiligten sich am<br />
Schwarzhandel. Im Laufe von<br />
zwei bis drei Jahren scheiden diese<br />
bunten Paradiesvögel, die noch<br />
nicht gemerkt hatten, dass der<br />
Krieg vorüber war aus dem<br />
Dienst aus. Etliche sanken danach<br />
auf das Hilfsarbeiterniveau<br />
ab und erholten sich daraus nicht<br />
mehr.Wer wollte schon etwas mit<br />
einem unehrenhaft ausgeschiedenen<br />
Polizeibeamten zu tun haben?<br />
Einige waren Heimatsoldaten gewesen<br />
und hatten während des<br />
Krieges in der Gegend geheiratet,<br />
in der sie stationiert waren.Daher<br />
fanden gerade sie sich in der Bevölkerung<br />
sehr gut zurecht. Im<br />
Laufe der Zeit bemühten sich die<br />
Nichtschwaben in der Polizei den<br />
einheimischen Tonfall zu lernen.<br />
Sie schwäbelten sich ein. Die<br />
Satzmelodien und die Tonfälle<br />
der Geburtsheimaten verschwanden<br />
im Laufe der Jahrzehnte allerdings<br />
nie völlig. Erst ihre Kinder<br />
wurden zu Schwaben.In den<br />
Verhandlungen vor dem Militärgericht<br />
hatten die Polizeibeamten<br />
einiges zu lernen. Die Richter<br />
gingen mit der Verhandlungszeit<br />
sparsam um ...<br />
Die Polizeibeamten mussten sich<br />
in der strafprozessualen Beweisführung<br />
daran gewöhnen, die<br />
Herkunft der genau zu bezeichnenden<br />
und zu etikettierenden<br />
materiellen Beweismittel zumindest<br />
vom Augenblick der Sicherstellung<br />
an bis zur Vorlage bei<br />
Gericht lückenlos nachweisen zu<br />
können. Der Sachbeweis, der den<br />
sichergestellten Gegenstand als<br />
Beweismittel mit dem Täter verband,<br />
konnte erst danach bewertet<br />
werden. Waren die Ermittler<br />
auf solche lückenlosen Verbindungsketten<br />
nicht eingestellt,<br />
dann endeten die Verfahren mit<br />
Freisprüchen. Eine besondere<br />
Ausbildung über das Verhalten<br />
der Polizeibeamten vor Gericht<br />
gab es nicht.<br />
Die Not war groß und der Hunger,<br />
an den wir uns gewöhnen<br />
mussten, saß uns ständig im Magen.<br />
Auch die Landpolizeibeamten<br />
hungerten,wenn sie keine bodenständigen<br />
landwirtschaftlichen<br />
Verwandtschaftskontakte<br />
besaßen und wenn sie sich nicht<br />
dienstwidrig oder dienstabträglich<br />
verstricken wollten. Und solche<br />
Verstrickungen, die unfrei machten,mieden<br />
sie.Sie waren korrekte<br />
Männer und wer von Schwarzschlachtungen<br />
profitierte, wie im<br />
Falle eines Beamten in Bobingen,<br />
wurde gefeuert.<br />
DerSchmalzraub<br />
Not bricht Gebot,Not bricht Gesetze.<br />
Im Winter 1946/47 wurde<br />
in einem Siedlungshaus im Dorf<br />
Lagerlechfeld ein Fass Schweineschmalz<br />
sichergestellt, das aus<br />
dem amerikanischen Küchenlager<br />
innerhalb des ehemaligen deutschen<br />
Fliegerhorstes entwendet<br />
worden war.Das bei einer Durchsuchung<br />
entdeckte Diebesgut<br />
wurde von den Amerikanern als<br />
Beweismittel formlos und ungewogen<br />
an deutsche Polizei abgegeben.<br />
Das Fass mit etwa 250<br />
pounds lard, weißes, duftiges,<br />
floomiges Schweineschmalz erster<br />
Qualität, wurde während der<br />
nächsten vierzehn Tage im Keller<br />
des Alten Rathauses der heimliche<br />
Wallfahrtsort der hungrigen<br />
Gendarmen. Viele gingen allein<br />
und (wie sie meinten) unbemerkt<br />
zum Fass, beugten sich in das<br />
fettriechende Halbdunkel hinunter<br />
und strichen sich eine Roggenbrotschnitte<br />
mit Fett, fingerdick,<br />
schneeweiß, wohlriechend,<br />
ein Duft für die Götter. Und erst<br />
der Geschmack des sauberen Fettes.Ich<br />
weiß,wie so ein Zentimeter<br />
Schmalz auf dem Roggenbrot<br />
des Hungrigen schmeckt.<br />
Schmalz kenne ich von daheim.<br />
Vater kaufte Schweineflomen und<br />
Mutter ließ das Schweinefett aus<br />
und füllte Dreilitergläser mit<br />
Schmalz und Grieben.Beim Auslassen<br />
des Schweineschmalzes<br />
duftete schon allein die Küchenluft<br />
so fett, dass man in Versuchung<br />
kommen konnte,trockenes<br />
Brot auszulegen.<br />
Ich nahm eine Scheibe Brot ins<br />
Büro mit und meine gute alte<br />
Butterdose aus meiner Partisanenausrüstung<br />
und wurde Sünder.<br />
Es tut mir leid,aber richtig bereuen<br />
kann ich das nicht ...<br />
Als das offene Schmalzfass im<br />
Jeep als Beweismittel zum Mittleren<br />
Militärgericht in Augsburg<br />
transportiert wurde, kauten Fahrer<br />
und begleitender Bewacher bis<br />
in den Hof des Gerichts hinein<br />
an solchen Schmalzstullen. Die<br />
Männer hatten schlichtweg Hunger<br />
und pfiffen auf den nach<br />
Gramm zu berechnenden Verwahrungsbruch,den<br />
Notdiebstahl<br />
und auf das Dienstvergehen. Sie<br />
wollten einmal satt werden und<br />
„fringsten“ deshalb 50 Gramm<br />
Schmalz und vielleicht noch einmal<br />
50 Gramm aufs deutsche<br />
Dunkelbrot. Ihre von Machorka<br />
und pfälzischem Tabak zergerbten<br />
Zungen schmeckten genüsslich<br />
und hoffnungsreich hinter alten<br />
Illusionen und eigenen Erinnerungen<br />
her.„Weißt du noch,als<br />
wir immer satt wurden?“ Sie waren<br />
für die Dauer des Kauens mit<br />
übervollen Mündern mit sich,ihrer<br />
Welt, ihrem Arbeitsplatz zufrieden.<br />
Sie konnten meinen, die<br />
Welt könne im Augenblick nicht<br />
schöner sein.Und wenn sie an ihre<br />
Frauen dachten, die ohne<br />
Schmalzwunder kochen mussten,<br />
dann wurden sie gewiss wieder<br />
kleinlaut nach innen. Trotzdem:<br />
Was „man“ durfte oder nicht<br />
durfte, war ihnen in ihren individuellen<br />
Sozialisationsprozessen<br />
im allgemeinen in Fleisch und<br />
Blut übergegangen. Für die „jungen“<br />
Beamten waren alle Beweisführungs-<br />
und Verfahrensverfahren<br />
neue Regeln, die rasch zu erlernen<br />
und zu kennen waren. In<br />
den Verhandlungen vor dem Militärgericht,musste<br />
die Polizei dazu<br />
noch die neuen Nuancen der<br />
Verfahren kennen.<br />
Die Richter gingen mit ihrer Zeit<br />
sparsam und mit der Sitzordnung<br />
militärisch straff um.Auf die umständliche<br />
Erörterung der freudlosen<br />
Jugend der Delinquenten<br />
kamen sie nie zu sprechen, psychologische<br />
Erklärungen oder<br />
Gutachten wurden nicht eingeholt.<br />
Sie begnügten sich mit der<br />
knappen Feststellung von Tatbeständen,<br />
hörten die Angeklagten<br />
kurz an und verurteilten sie kurz<br />
angebunden und knapp begründet<br />
zu oft beträchtlichen,<br />
schmerzhaften Strafen. Offenbar<br />
wollten die amerikanischen Offiziere<br />
als Richter durch Strafen<br />
abschrecken, wollten die Ordnung<br />
in Deutschland nach ihren<br />
Maßstäben rasch herstellen. Das<br />
Gerichtswesen war eine Sonderform<br />
der Reeducation, wie ich<br />
den Eindruck hatte.<br />
Quelle:Dr.HerbertSchäfer<br />
6 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
DAS BOBINGER FREIBAD<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
ÜberdieBadekultur(Teil2)<br />
Konnten Sie in der letzten Ausgabe der <strong>Bobinger</strong> Geschichte(n) noch<br />
vom Bad in der Wertach lesen und von den Schwierigkeiten, die vor<br />
dem Bau des Freibades lagen, so geht es in dieser Ausgabe schon<br />
einen Schritt weiter: das <strong>Bobinger</strong> Freibad wird eröffnet.<br />
Einweihungsfeier am 7. August 1965.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Von Anja Fischer<br />
Es ist im Rückblick interessant,<br />
welche Maße und Größenordnungen<br />
für die Planung des Freibades<br />
zu Grunde gelegt wurden.<br />
Das Einzugsgebiet wurde mit<br />
30.000 Einwohnern gerechnet.<br />
10% davon sollten Badebesucher<br />
sein.Dementsprechend wurde das<br />
Bad für 2.500 bis 3.000 Besucher<br />
ausgestattet.Dieser Besucherzahl<br />
entsprechen sowohl die vorgesehenen<br />
Garderobenplätze als auch<br />
das Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken,<br />
die sanitären<br />
Anlagen, die Grünflächen und<br />
sonstigen Einrichtungen.<br />
Zu den Fakten: Das Schwimmerbecken<br />
ist 50 Meter lang und 21<br />
Meter breit. Es wird ergänzt<br />
durch ein angesetztes Sprungbecken<br />
mit 14 x 18 Metern Größe.<br />
Das Nichtschwimmerbecken ist<br />
etwa quadratisch mit einer Seitenlänge<br />
von 13,5 Metern. Das<br />
Kinderplanschbecken hat eine<br />
Wasserfläche von 117 Quadratmetern<br />
und einen Wasserinhalt<br />
von 20 Kubikmetern. Der Wasserinhalt<br />
des Schwimmerbeckens<br />
einschließlich des Sprungbeckens<br />
962 Kubikmetern.<br />
Mit Hochdruck wurde an der<br />
Fertigstellung des Bades gearbeitet.<br />
Endlich war ein Ende in<br />
Sicht.Der Marktrat und die Bauleitung<br />
rechneten mit einer Fertigstellung<br />
Ende Juli 1965. Anfang<br />
des Monats wurden die Umgänge<br />
der Badebecken und die<br />
Verkehrswege innerhalb des Bades<br />
asphaltiert. Die Grünanlagen<br />
waren schon angesät und die Anpflanzungen<br />
rings um die Becken<br />
vorausschauenderweise schon im<br />
Herbst 1964 vorgenommen worden.<br />
Als bereits fertiggestellt konnten<br />
die kleinen Durchschreitebecken<br />
auf der Liste abgehakt werden.<br />
Noch galt es allerdings,einiges im<br />
Bereich der Eingangs- und Garderobengebäude<br />
zu tun. Es fehlte<br />
an der Fertigstellung der Holzarbeiten<br />
und Malerarbeiten.<br />
Schwierigkeiten machte der Farbanstrich<br />
der Wasserbecken. Hier<br />
heißt es:„Sie sind bekanntlich im<br />
oberen Teil mit meerblauen Fliesen<br />
gefliest. Der untere Teil und<br />
der Boden der Becken sollen einen<br />
Spezialfarbanstrich in meerblauer<br />
Farbe erhalten. Dazu war<br />
es notwendig,die Betonsohle und<br />
die Betonwände mit Sandstrahlgebläse<br />
zu reinigen und genügend<br />
austrocknen zu lassen. Das Austrocknen<br />
machte Schwierigkeiten,<br />
da nach einerWärmeperiode wie-<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 7
ORTSGESCHICHTE<br />
Eröffnung: Vorführung eines Reigen durch den Augsburger<br />
Schwimmerbund „Delphin“. Bild: Foto Hirche Liegewiese. Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
der wechselhaftes Wetter eingetreten<br />
ist. Es ist in der jetzigen<br />
Hochsommerzeit aber doch damit<br />
zu rechnen, dass einige trockene<br />
Tage aufeinander folgen,so<br />
dass dann auch diese Anstricharbeiten<br />
erledigt werden können.“<br />
Noch vor dem Abschluss der<br />
Bauarbeiten wurde im Hinblick<br />
auf die geplante Eröffnung über<br />
die Eintrittsgelder gesprochen.<br />
Der Marktrat legte in seiner Sitzung<br />
vom 25. Mai 1965 die Eintrittsgelder<br />
fest. „Es wird drei<br />
Kartenarten geben, nämlich Tageskarten,<br />
Zehnerkarten und<br />
Dauerkarten,welche für die ganze<br />
Badesaison gültig sind.“ Die Kosten<br />
für eine Tageskarte betrugen<br />
Liegewiese mit Schwimmerbecken.<br />
für Erwachsene 1,20 DM, die<br />
Zehnerkarte kostete 10 DM.<br />
Dauerkarten konnten für 30 DM<br />
erworben werden.<br />
Man freute sich im Juli 1965 auf<br />
jeden Fall schon darauf, dass „die<br />
<strong>Bobinger</strong> Schuljugend zum ersten<br />
Mal als größte Ferienfreude das<br />
neue Freibad benützen kann.“<br />
Die Marktverwaltung hatte hierfür<br />
bereits einen erfahrenen<br />
Schwimmmeister angestellt, der<br />
den Badebetrieb leiten und auch<br />
Schwimmunterricht erteilen wird.<br />
Doch noch hatte der Herrgott allerdings<br />
ein Wörtchen mitzureden.<br />
Fast konnte man meinen, er<br />
hätte etwas gegen das neue Bad<br />
gehabt,denn „anhaltender Regen<br />
behindert die Fertigstellung des<br />
Freibades“. So lautete die Überschrift<br />
in einer neuen Ausgabe<br />
der <strong>Bobinger</strong> Zeitung.Man freute<br />
sich in diesem Bericht zwar über<br />
das rege Interesse,auf welches der<br />
Bau in der Bevölkerung stieß,<br />
denn „das Bad ist an jedem Wochenende<br />
Ziel vieler Besucher aus<br />
Bobingen und den umliegenden<br />
Gemeinden,die den Fortgang der<br />
Bauarbeiten verfolgen“.Trotzdem<br />
musste vermerkt werden,dass„der<br />
Fortgang der Außenarbeiten<br />
durch das anhaltende Regenwetter<br />
sehr behindert ist“. So sei es<br />
unmöglich, mit schwereren Maschinen<br />
in das Freibadgelände zu<br />
fahren, weil der Untergrund nass<br />
Bild: Eugen Klein<br />
und schlammig sei. Aus demselben<br />
Grund könne auch eine neuzeitliche<br />
Drainage nicht in die<br />
Rasenfläche eingebaut werden.<br />
Und solange dies nicht geschehen<br />
sei, könne man auch den Rasen<br />
nicht ansäen.<br />
Die Eröffnung<br />
rückt näher<br />
Endlich konnte in der Zeitung<br />
über die geplante Eröffnung berichtet<br />
werden. Schon wenige<br />
Wochen nach dem ersten Bericht<br />
war Ende Juli 1965 zu lesen:„Auf<br />
jeden Fall sind es nur noch wenige<br />
Tage,bis das <strong>Bobinger</strong> Freibad<br />
seine Pforten öffnet.Durch Aufziehen<br />
der Fahne vor dem Haupteingangstor<br />
des Freibades wird<br />
kenntlich sein, ab wann es in Betrieb<br />
ist.Von diesemTage an sind<br />
alle Einwohner Bobingens vom<br />
3-jährigen Kind bis zum hochbetagten<br />
Greis freundlichst eingeladen,<br />
diese neueste Einrichtung<br />
des Marktes zu besuchen.“ Es<br />
folgt eine genaue Beschreibung<br />
der letzten Arbeiten und ein vorsichtiger<br />
Rat, die frisch angesäte<br />
Liegewiese betreffend, die „sich<br />
im ersten zarten Grün vorstellt:<br />
Es wäre aber sicher nicht ratsam,<br />
diesen Rasen jetzt schon zu betreten<br />
und dadurch zu beschädigen.<br />
Die Marktverwaltung hat deshalb<br />
vorgesehen,die Rasenflächen abzugrenzen<br />
und nur die befestigten<br />
Wege und Plätze für die Badegäste<br />
freizuhalten.“ Amtsschreiber<br />
Amann hat in seiner Veröffentlichung<br />
an alles gedacht.So erfolgt<br />
eine genaue Beschreibung dessen,<br />
was der Badegast zu beachten hat:<br />
„Der Badegast des <strong>Bobinger</strong> Freibades<br />
löst am Kassenschalter sei-<br />
8 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
ORTSGESCHICHTE<br />
Marmorplastik von Sepp Mastaller. Bild: Eugen Klein Freibad 1966: Kinder mit Fischplastik am Planschbecken.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
ne Eintrittskarte und geht dann<br />
in die Garderobenhallen, wo er<br />
die schönen grau-blau-gestrichenen<br />
Umkleidekabinen vorfindet.<br />
In diesen Kabinen zieht er sich<br />
um und hängt seine Kleidung an<br />
die bereitgelegten Kleiderbügel.<br />
Den Bügel gibt er dann an der<br />
Garderobentheke ab und erhält<br />
dafür seine Garderobenmarke,die<br />
er an einem roten Bändchen um<br />
Handgelenk oder Fußgelenk befestigen<br />
kann. Nach dem Baden<br />
erhält er gegen Rückgabe der<br />
Garderobenmarke seine Kleidung<br />
zurück,begibt sich dann wieder in<br />
eine der Wechselkabinen und<br />
zieht sich dann wieder an.<br />
Damit bei kleinerem Badebetrieb,<br />
beispielsweise an Vormittagen<br />
oder bei nicht ganz warmem<br />
Wetter, die Garderobe nicht personell<br />
besetzt werden muss, sind<br />
etwa 240 Garderobenschränkchen<br />
vorgesehen. Es handelt sich um<br />
Stahlschränkchen,die in der Garderobenhalle<br />
aufgestellt sind. Zu<br />
ihrer Benützung erhält der Badegast<br />
an der Kasse mit der Eintrittskarte<br />
ein Schrankschlüsselchen<br />
an farbigem Band …"<br />
Der erste Bademeister des <strong>Bobinger</strong><br />
Freibades war Erwin Kupfer.<br />
Er konnte auf eine langjährige<br />
Erfahrung als Schwimmmeister<br />
an verschiedenen städtischen<br />
Frei- und Hallenbädern blicken.<br />
Kupfer war nicht nur für die Sauberkeit<br />
des Wassers zuständig,<br />
sondern sorgte auch genau für die<br />
Einhaltung der Baderegeln. Kindern<br />
unter 6 Jahren war der Zutritt<br />
nur in Begleitung Erwachsener<br />
gestattet. Aber auch diese<br />
mussten, genau wie die Erwachsenen<br />
und Kinder über 6 Jahren,<br />
BADEKLEIDUNG tragen! Darauf<br />
legte die Marktverwaltung<br />
größtenWert.<br />
Die Eröffnung<br />
Die feierliche Eröffnung fand am<br />
7.August 1965 statt,bei strahlendem<br />
Sonnenschein und passenderweise<br />
allerschönstem Badewetter,<br />
trotz der vorhergehenden<br />
anhaltenden Regenfälle. Die<br />
Marktverwaltung hatte hierzu ein<br />
interessantes Programm vorbereitet.<br />
Um 10 Uhr begrüßte Bürgermeister<br />
Alois Häring die Gäste,<br />
unter ihnen auch den damaligen<br />
Landrat Dr.Frey.Die Blaskapelle<br />
Bobingen umrahmte die Feier<br />
musikalisch. Das Freibad wurde<br />
erst kirchlich eingeweiht, danach<br />
fanden die Ansprachen statt und<br />
schließlich konnte das neue Bad<br />
besichtigt werden.<br />
Nachmittags war ab 14 Uhr ein<br />
„sportliches Programm“ vorgesehen.<br />
Schwimmerinnen und<br />
Schwimmer des Schwimmvereins<br />
„Delphin“ aus Augsburg zeigten<br />
Riegenschwimmen, Staffelschwimmen,<br />
Kunstspringen und<br />
ein Wasserballspiel. Hierzu nahmen<br />
die Ehrengäste und Zuschauer<br />
auf den eigens dafür gedachten<br />
Bänken Platz, die entlang<br />
der Nordseite des Schwimmerbeckens<br />
in zwei durchgehenden<br />
Bankzeilen montiert sind.<br />
Waren die Besucher bei der feierlich<br />
gestalteten Eröffnungsfeier<br />
trotz der sommerlichenTemperaturen<br />
noch mit Schlips und Krawatte<br />
rund um die Schwimmbecken<br />
verteilt, so sah man bereits<br />
am nächstenTag mehr Menschen<br />
in als außerhalb des Wassers. Ein<br />
typischer Anblick waren die damals<br />
so modernen Plastikbadehauben,<br />
gerne auch mit üppigem<br />
Blumenmotiv auf den Köpfen der<br />
Damen, damit die so sorgfältig<br />
frisierte oder dauergewellte Haarpracht<br />
nicht zerstört wird.Ebenso<br />
Herren in großzügig geschnittenen<br />
aber enganliegenden Badehosen,<br />
die bis zur Mitte der Oberschenkel<br />
reichten und die Mädchen,<br />
egal welchen Alters im<br />
züchtigen Badeanzug.Ein freizügiger<br />
Bikini war damals im <strong>Bobinger</strong><br />
Freibad noch nicht in<br />
Sicht.<br />
Trotzdem stand einer zufriedenstellenden<br />
restlichen Badesaison<br />
nichts mehr imWeg.<br />
Zufrieden<br />
mit der Badesaison<br />
Über den Winter schloss das<br />
Freibad, um den 20. Mai 1966<br />
wurde es für die erste richtige Badesaison<br />
wiedereröffnet. Den erneut<br />
strahlenden Sonnenschein<br />
nahm man als gutes Omen für die<br />
ENDLICH RAUCHFREI GRILLEN!<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 9
ORTSGESCHICHTE<br />
Blick ins Freibad.<br />
Freibadbetrieb 1965/66.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
Bild: Foto Hirche<br />
kommenden Monate. Damals<br />
wurde die Eröffnung noch als<br />
richtiger Festakt zelebriert, zu<br />
dem sich Markträte und Ehrengäste<br />
am Haupteingang einfanden.<br />
Doch nicht nur die Wiedereröffnung<br />
des Bades wurde diesmal<br />
gefeiert.Der Ehrenbürger des<br />
Marktes, Dr. Robert Zoller und<br />
die Farbwerke Hoechst AG hatten<br />
zur Verschönerung des Freibads<br />
eine wertvolle Marmorplastik<br />
gestiftet. Sie stellt eine Wassernymphe<br />
dar,die auf einem großen<br />
Marmorblock ruht und ist<br />
noch heute im <strong>Bobinger</strong> Freibad<br />
zu sehen.Allerdings gehört sie für<br />
viele schon so zum gewohnten<br />
Bild, dass sie kaum mehr ins Auge<br />
sticht.Ehrenbürger Dr. Zoller<br />
durfte die Plastik selbst enthüllen<br />
und betonte dabei, dass die Stiftung<br />
der Marmorplastik zur Verschönerung<br />
des Bades aus reiner<br />
Freude und ohne einen Hintergedanken<br />
geschehen sei.„In diesem<br />
Sinne möge sie von der Marktgemeinde<br />
entgegengenommen und<br />
von allen Badbesuchern aufgefasst<br />
werden.“ Die Plastik wurde von<br />
dem Augsburger Künstler Sepp<br />
Mastaller geschaffen. Von ihm<br />
stammt auch die künstlerische<br />
Gestaltung der Wand vor dem<br />
Haupteingang. Mastaller markierte<br />
mit Marmorteilen eine<br />
Wasserfläche,in die drei Springer<br />
eintauchen.Sie sind aus Edelstahl<br />
geformt und mit Abstand von der<br />
Wand montiert.<br />
Dem Badevergnügen stand nun<br />
endgültig nichts mehr im Weg:<br />
die neuen Liegewiesen waren eingewachsen<br />
und konnten genutzt<br />
werden,für die kleinen Badebesucher<br />
wurde ein Kinderspielplatz<br />
eingerichtet und ein „leistungsfähiger<br />
Verkaufskiosk“ sorgte für<br />
das leibliche Wohl der Badegäste.<br />
Das Freibad war gut besucht, wie<br />
eine Aufstellung aus den Jahren<br />
1967 und 1968 zeigt. So gab es<br />
1967 bei 103 geöffneten Tagen<br />
3 Badetage mit über 4.000 Besuchern,<br />
9 Badetage mit über<br />
2.000 Besuchern und immerhin<br />
20 Badetage mit über 1.000 Besuchern.<br />
Im Jahr 1968 war das<br />
Wetter im Sommer schlechter:<br />
nur an 68Tagen hatte das Freibad<br />
auf.Am 30.Juni 1968 wurde aber<br />
eine Höchstbesucherzahl von<br />
4.982 Menschen gezählt.<br />
Das Freibad war und ist ein Zuschussgeschäft<br />
der Stadt Bobingen.Schon<br />
1967 standen Einnahmen<br />
in Höhe von 52.622,25<br />
Mark Ausgaben von insgesamt<br />
100.733,98 Mark gegenüber.Den<br />
Verlust von gut 48.000 Mark trug<br />
die Gemeindekasse. Nur noch ab<br />
und an hatte der Marktrat einen<br />
Beschluss zu fassen. Wie am<br />
19. August 1969. Damals wurde<br />
beschlossen,dass „soweit Zehnerkarten<br />
am Ende einer Badesaison<br />
nicht voll ausgenützt sind, gelten<br />
sie in der darauffolgenden Badesaison<br />
weiter.“<br />
Wie der Badegast sich im Freibad<br />
zu verhalten hatte,zeigte ein Aushang,<br />
der in deutsch, italienisch,<br />
griechisch und türkisch verfasst<br />
war. Hier ein kleiner Auszug der<br />
wichtigsten Baderegeln:<br />
-Als Badekleidung sind Badeanzüge<br />
und Badehosen,nicht jedoch<br />
Dreiecksbadehosen zugelassen.<br />
Die Badekleidung muss den Anforderungen<br />
des Anstands entsprechen.<br />
-Frauen und Mädchen haben sich<br />
in den Badebecken einer Bademütze<br />
zu bedienen.<br />
-Das Verlassen des Badegeländes<br />
in Badekleidern ist nicht erlaubt.<br />
-Benützen Sie zur Körperreinigung<br />
die Wasch- und Brauseräume.<br />
-Der Zugang zu den Badebecken<br />
ist nur über die Durchschreitebecken<br />
gestattet.<br />
-Betreten Sie die Rasenflächen<br />
und Liegewiese nicht mit Straßenschuhen.<br />
Freibadbetrieb 1970.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
Das <strong>Bobinger</strong> Freibad war ein<br />
Freizeitparadies für Jung und Alt.<br />
Im Jahresbericht derWasserwacht<br />
10 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
ORTSGESCHICHTE<br />
Badesommer 1982.<br />
Ortsgruppe von 1970 heißt es:<br />
„Wenn man bedenkt, dass die Besucherzahlen<br />
manchmal 5.500<br />
überschritten, kann man ermessen,<br />
welche Anforderungen an<br />
uns gestellt wurden.“ Dazu gehörten<br />
wie eh und je die außergewöhnlichen<br />
Wünsche, wie „Kindersuchdienst“<br />
und „Schmucktauchen“,<br />
die auch heute der Wasserwacht<br />
viel zusätzliche Arbeit bescheren.<br />
Doch der Bericht belegt<br />
auch, wie sehr damals die körperliche<br />
Ertüchtigung im Wasser beliebt<br />
war. Im Sommer 1970 händigte<br />
man 351 Frei-, 290 Fahrten-<br />
und 65 Leistungsschwimmer-Zeugnisse<br />
aus.<br />
Der Ärger mit dem<br />
Nacktbaden bleibt<br />
Ein Ärgernis aber wurde auch mit<br />
dem Freibad nicht gänzlich abgeschafft<br />
und führt uns fast wieder<br />
in die Anfänge der <strong>Bobinger</strong> Badekultur<br />
zurück. So steht in einem<br />
Schreiben des Landratsamts<br />
Augsburg an die umliegenden<br />
Gemeinden vom 9. Januar 1979<br />
folgendes zu lesen:<br />
Bild: Foto Hirche<br />
„Das Bayerische Staatsministerium<br />
des Innern hat mit Schreiben<br />
vom 13.11. 1978 folgendes mitgeteilt:<br />
Die Zahl derer, die sich über<br />
das Verbot des Nacktbadens im<br />
Sinne des §1der Badeverordnung<br />
vom 18.09.1974 hinwegsetzen,<br />
hat sich in der abgelaufenen<br />
Badesaison weiter erhöht. Beschwerden<br />
darüber und Forderungen<br />
nach einem sicherheitsrechtlichen<br />
Einschreiten sind an<br />
das Staatsministerium des Innern<br />
ebenso herangetragen worden wie<br />
der Wunsch nachAufhebung der<br />
Badeverordnung und damit verbundener<br />
unbeschränkter Zulassung<br />
des Nacktbadens.<br />
Wie die Erfahrung zeigt, ist ein<br />
polizeiliches Einschreiten gegen<br />
Nacktbader kaum praktikabel und<br />
verspricht keinen nachhaltigen<br />
Erfolg, so dass die Verstöße gegen<br />
die Badeverordnung weitestgehend<br />
ungeahndet bleiben. Darunter<br />
leidet, worauf die Gegner des<br />
allgemeinen Nacktbadeverbots<br />
zutreffend hinweisen, auf Dauer<br />
das Ansehen des Staates. Andererseits<br />
beweist die Zahl der bekanntgewordenen<br />
Beschwerden<br />
Freizeitbecken im Jahr 2010.<br />
über das Nacktbaden, dass trotz<br />
der zweifellos veränderten Lebensauffassungen<br />
der überwiegende<br />
Teil der Bevölkerung am<br />
öffentlichen Nacktbaden Anstoß<br />
nimmt.<br />
Wie die aus Anlass einer Landtagsanfrage<br />
in jüngster Zeit<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Vom Bademeister gut bewacht können sich die Badegäste<br />
wohl fühlen.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
durchgeführte Umfrage ergeben<br />
hat, haben bisher nur sehr wenige<br />
Gemeinden und Landkreise von<br />
der Möglichkeit nach§2Abs. 2<br />
der Badeverordnung Gebrauch<br />
gemacht, Nacktbadegebiete auszuweisen.<br />
Die Regierungen werden<br />
deshalb gebeten, die Gemeinden<br />
und Landkreise anzuhalten,<br />
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Donnerstag, Freitag 8–12.30 Uhr, 14–18Uhr<br />
Samstag 8–12 Uhr<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 11
ORTSGESCHICHTE<br />
Der Spielplatz 2010.<br />
Badespaß 2012.<br />
DasFreibad wird<br />
zum„Aquamarin“<br />
Liegewiese 2012.<br />
Badespaß 2012.<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
den Nacktbadern weitere Flächen<br />
im Rahmen der gegebenen örtlichen<br />
Möglichkeiten und unter<br />
Berücksichtigung der Belange des<br />
Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />
zur Verfügung zu<br />
stellen. Dies gilt insbesondere für<br />
Ballungsgebiete, in denen erfahrungsgemäß<br />
am häufigsten gegen<br />
die Badeverordnung verstoßen<br />
wird.“<br />
In Bobingen wurde kein solches<br />
Nacktbadegebiet ausgewiesen.<br />
Der Ort ist bis heute der Sittlichkeit<br />
verpflichtet und hat niemals<br />
von dieser Möglichkeit Gebrauch<br />
gemacht.<br />
1998 war es so weit:Nach der Badesaison<br />
war das Freibad reif für<br />
eine gründliche Sanierung und<br />
blieb für eine Saison geschlossen.<br />
Am 20.Mai 2000 wurde das neue<br />
„Juwel“ in Bobingen wiedereröffnet.<br />
Das Baden war an diesem<br />
Tag für alle Besucher kostenlos.<br />
Die Stadt war indes voller Lob<br />
für die gelungene Neugestaltung:<br />
„Mit einer Gesamtinvestition von<br />
9,2 Millionen Mark hat die Stadt<br />
nicht nur die modernste Bädertechnik<br />
eingekauft, sondern vor<br />
allem auf die Attraktivität der<br />
Anlage gebaut.Das neugestaltete<br />
Erlebnisbecken mit Strömungskanal,<br />
Sprudelliegen, Wasserpilz,<br />
Sprudelregner und einer 50-Meter-Großrutsche<br />
bildet das Herzstück<br />
im„Aquamarin“,einem insgesamt<br />
gelungenen Wasserpark,<br />
der Freizeit- und Badevergnügen<br />
für Jung und Alt verspricht.“<br />
Zum Programm am Premierentag<br />
gehörten: die feierliche Schlüsselübergabe,<br />
die kirchliche Segnung<br />
und Namensverleihung und die<br />
Preisvergabe für die Gewinner<br />
des Namenswettbewerbes.<br />
In Bobingen blieb es nicht beim<br />
Freibad: Lesen Sie in unserer<br />
nächsten Ausgabe vom Weitergang<br />
der <strong>Bobinger</strong> Badekultur<br />
mit dem Hallenbad.<br />
Quelle:StadtarchivBobingen<br />
12 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
ORTSTEILE<br />
ORTSTEILE<br />
WaldbergunddieRadegundis<br />
Bis Ende 1805 lag Waldberg auf vorderösterreichischem Staatsgebiet.<br />
Die Landeshoheit übte die Markgrafschaft Burgau aus, die durch<br />
politische Geflechte zu unserem Nachbarland zählte. Seit 1806 gehört<br />
Waldberg eigentlich erst zu Bayern und seit 1975 zu Bobingen.<br />
So gesehen ist der kleine Ort in den Wäldern schon ganz schön in<br />
der Weltgeschichte herumgekommen.<br />
Dieses Schild begrüßt Besucher in Waldberg. Bild: Anja Fischer<br />
Von Anja Fischer<br />
Der Name des <strong>Bobinger</strong> Ortsteils<br />
Waldberg entstand aus dem Wort<br />
„Wartberg“ und ist abzuleiten von<br />
dem althochdeutschen warta<br />
= Warte. Ein wenig deutlicher<br />
macht das der erste Hinweis auf<br />
den Ort, der um 1170 als „Wartperch“<br />
erstmals urkundlich nachgewiesen<br />
ist.Die Silbe„wart“ lässt<br />
hier eine Beobachtungsstelle vermuten,<br />
die wahrscheinlich auf einem<br />
„perch = Berg“ lag.Tatsächlich<br />
ist in Waldberg eine Burg archäologisch<br />
belegt.So hat Waldberg,<br />
auch wenn es inmitten grüner<br />
Wälder liegt, zumindest von<br />
der Namensgebung her mit diesen<br />
keinerlei Verbindung. Waldberg<br />
entstand in der Urmark von<br />
Wehringen als Siedlung am<br />
Wartberg.Die Stelle mit der ehemaligen<br />
Warte liegt etwa 500<br />
Meter nördlich der Waldberger<br />
Kirche. 1249 waren es wohl zwischen<br />
sechs und zehn Anwesen,<br />
die zuWaldberg gehörten.<br />
Ein wenig rebellisch waren die<br />
Waldberger wohl in früheren Jahren<br />
schon. Zumindest, wenn es<br />
um die Verbesserung ihrer Lebensumstände<br />
ging. Denn es<br />
muss hart gewesen sein, dem Boden<br />
inmitten der dunklen Wälder<br />
genug Essbares für seine Familie<br />
abzuringen. So wird berichtet,<br />
dass sich an den Bauernaufständen<br />
1525 alle vierzehn Feuerstätten<br />
beteiligten.<br />
1595 kaufte Jakob Fugger der Ältere<br />
die Herrschaft Wellenburg<br />
mit allen Zugehörungen, also<br />
auch Waldberg.Durch die Mordbrennereien<br />
des 30jährigen Krieges<br />
(1618–1648) wurde Waldberg<br />
ruiniert und fast menschenleer.<br />
1632 meldete die Herrschaft nach<br />
Burgau,dass Waldberg mit seinen<br />
29 armen Häusern zum zweiten<br />
Mal ganz ausgeplündert wurde.<br />
Das erste Mal wurden den Untertanen<br />
120 Stück Vieh und sechs<br />
Rosse, das zweite Mal 80 Stück<br />
Vieh und 21 Rosse abgenommen.<br />
Das arme Dorf wurde fast täglich<br />
überfallen.Die Leute konnten aus<br />
Armut keine Bürgerwehr unterhalten<br />
und waren daher schutzlos.<br />
Ein Verzeichnis zählt auf, dass<br />
von 1631 bis 1639 in Waldberg<br />
23 Familien umgebracht worden<br />
waren und deren Anwesen abgebrannt<br />
und ruiniert wurden.Vermutlich<br />
haben die Fugger darauf<br />
reagiert,in dem sie aus ihrer tirolerischen<br />
Herrschaft Untertanen<br />
nach Waldberg umsiedeln ließen.<br />
Das lässt sich aus den Bewohnern<br />
schließen,die etwa 100 Jahre später<br />
mit dem Zusatz „Tyroller“ in<br />
den Verzeichnissen aufgeführt<br />
sind.<br />
Abgaben müssen<br />
trotzdem<br />
gezahltwerden<br />
So arm Waldberg auch immer<br />
war – abgabenfrei war es deshalb<br />
noch lange nicht. Der Ackerbau<br />
wurde in der Dreifelderwirtschaft<br />
betrieben.An Stelle des Zehnten<br />
waren dem Hochstift Augsburg<br />
1711 jährlich vier Schaff Roggen<br />
und vier Schaff Hafer abzuliefern.<br />
Jeder Dorfbewohner hatte zusätzlich<br />
zum Frondienst einen Gulden<br />
Beisitzgeld zu zahlen.Ausgenommen<br />
waren alte Witwer und<br />
Witwen, die die gnädige Herrschaft<br />
gratis duldete und als „Almosen“<br />
abgabenfrei ließ. Der<br />
Frondienst wurde übrigens nicht<br />
in der Wellenburger Herrschaft<br />
abgeleistet, weil der Weg zu weit<br />
gewesen wäre.Vor allem zur Erntezeit<br />
mussten die Waldberger in<br />
das Hofgut Burgwalden gehen<br />
und dort bei der Ernte und der<br />
anschließenden Feldbestellung<br />
helfen. Weil in Waldberg selbst<br />
die Feldfrüchte schlecht wuchsen,<br />
– „Ist an diesem ohrt gar ein<br />
schlechter veltpau“ suchten die<br />
Bewohner bei der Herrschaft oft<br />
um Nachlass bei der Getreideabgabe<br />
nach. 1680 wurde deshalb<br />
von Franz Joachim Fugger die<br />
Abgabe von vier auf zwei Scheffel<br />
Roggen und Hafer herabgesetzt.<br />
Dabei blieb es. Die Waldberger<br />
durften seither auch ihr Vieh in<br />
die herrschaftlichen Hölzer treiben<br />
und dort weiden lassen. Der<br />
Großzehnt wurde weiterhin in<br />
Getreide an die Pfarrei Reinhartshausen<br />
bezahlt. Der Kleinzehnt<br />
von Kartoffeln und Flachs<br />
sowie der Blutzehnt an Hühnern<br />
und Enten ging an den Pfarrer<br />
vonWaldberg.<br />
Der alte Name Wahlberg.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 13
ORTSTEILE<br />
Diese alte Postkarte entstand zwischen 1953 und 1958.<br />
Im Jahr 1907 wurde in Waldberg<br />
das erste Telefon installiert. Der<br />
damalige Bürgermeister Josef<br />
Geirhos kam in den Genuss der<br />
technischen Neuerung. In den<br />
Ersten Weltkrieg entsandte<br />
Waldberg gemeinsam mit Kreuzanger<br />
54 Männer. 13 von ihnen<br />
fielen auf den Schlachtfeldern. In<br />
den Zweiten Weltkrieg wurden<br />
55 Männer einberufen.Von ihnen<br />
kamen 23 nicht mehr nach Hause<br />
zurück. Am 16. März 1944 forderte<br />
ein Bombenabwurf östlich<br />
von Waldberg zusätzlich zweiTodesopfer.<br />
Waldberger<br />
Wappen<br />
Das Waldberger Wappen wurde<br />
am 10. März 1965 vom Bayerischen<br />
Staatsministerium des Inneren<br />
genehmigt. Die Beschreibung<br />
lautete: „In Silber ein gezackter,<br />
mit zwei grünen Nadelbäumen<br />
bestandener grüner Berg,<br />
der mit einem rot gezungten,silbernen<br />
Wolfskopf belegt ist.„Die<br />
Begründung des neuen Wappens<br />
ist laut einem Schreiben der Generaldirektion<br />
der staatlichen Archive<br />
Bayerns wie folgt: „Das<br />
Wappen symbolisiert den Gemeindenamen<br />
durch den Berg<br />
mit den beiden Nadelbäumen (für<br />
Wald).Als örtliches Charakteristikum<br />
kommt dazu der Wolfskopft<br />
als Attribut der hl. Radegundis,deren<br />
Gebeine in der dortigen<br />
Kirche ruhen …“<br />
Seit der Eingemeindung 1975 gehört<br />
Waldberg zu Bobingen.<br />
Rund 450 Einwohner leben heute<br />
dort. Die grünen Wälder, in die<br />
der Ort eingebettet ist, machten<br />
schon bei Johann Lambert Koleffel<br />
in seinem Buch „Schwäbische<br />
Städte und Dörfer um 1750“ von<br />
sich reden. Dort heißt es: „Der<br />
Forst zu Waldberg ist einer der<br />
größten unter denen Kayserlichen<br />
Königlichen Burgauischen,dessen<br />
Waldungen und Köpf meistens<br />
aus Laub- und Nadelholtz bestehen.<br />
Solcher ist der Lage nach in<br />
einer schönen und guten Willdbahn,<br />
insonderheit vor das<br />
schwarze Wildpret, wie wohl<br />
auch rothes darinnen anzutreffen<br />
ist,der Jäger,welcher diesen Forst<br />
zu versehen hat, wohnt in dem<br />
DorffWaldberg.“<br />
Schulwesen<br />
Das Schulwesen begann 1791/92<br />
auf eigene Initiative der Dörfler<br />
in Waldberg. Im Jahr 1793 hatte<br />
auf Veranlassung des Wellenburger<br />
Pflegers ein auswärtiger Lehrer<br />
kurze Zeit als Anwärter auf<br />
den Lehr- und Mesnerdienst in<br />
Waldberg gewohnt.Er hielt es allerdings<br />
nicht allzulange dort aus.<br />
Zwar hatte der Gemeindeführer<br />
von Waldberg vorgeschlagen,den<br />
Lehrer ordentlich zu bezahlen,<br />
damit er „dabei bestehen kann,<br />
dann lernen die Kinder recht<br />
gut.“ Aber der junge Lehrer wollte<br />
selbst nicht bleiben. Neid und<br />
Missgunst der Waldberger vergällten<br />
ihm das Leben und er verließ<br />
bereits im Herbst 1793 wieder<br />
das Dorf. Probehalber wurde<br />
der Waldberger eingesetzt, der<br />
mit dem Schulunterricht zwei<br />
Jahre zuvor begonnen hatte. Es<br />
funktionierte gut und so erhielt<br />
der den Posten und blieb Mesner<br />
und Lehrer bis zu seinem Tod.<br />
Der Schulunterricht beschränkte<br />
sich damals auf einfache Schreibübungen<br />
und das Einpauken von<br />
Katechismusversen.<br />
Das Waldberger Wappen.<br />
Mit der Fertigstellung des alten<br />
Pfarrhauses 1816 wurde die<br />
Schule aus den bisherigen Privathäusern<br />
der Lehrer und Mesner<br />
in das eingeplante Schulzimmer<br />
des Pfarrhauses verlegt. Dieses<br />
war jedoch von Anfang an zu<br />
klein,wie 1828 auch offiziell festgestellt<br />
wurde. Der Pfarrer weigerte<br />
sich jedoch, das Pfarrhaus<br />
vergrößern zu lassen, weil dadurch<br />
sein Garten „sehr verkleinert<br />
würde“.Immer wieder gab es<br />
in Waldberg Streit um die Unterbringung<br />
der Schüler. Bald nach<br />
dem Bau waren die Räume meistens<br />
schon wieder zu klein. Die<br />
stetige Armut der Gemeinde<br />
Waldberg und später die beiden<br />
Weltkriege verhinderten zudem<br />
immer wieder Pläne,um das letzte<br />
Schulhaus, das 1902 neu errichtet<br />
worden war, zu erweitern.<br />
So wurden die älteren Kinder ab<br />
der fünften Klasse nur vormittags<br />
und die erste bis vierte Klasse nur<br />
nachmittags unterrichtet. Der<br />
letzte Schultag für alle war der<br />
31. Oktober 1968. Danach wurden<br />
die Waldberger Schüler in<br />
der Volksschule in Straßberg beschult.<br />
Die ärmste<br />
Gemeinde<br />
Schwabens<br />
Das kleine Dorf Waldberg hatte<br />
es, wohl aufgrund seiner Lage in<br />
Alte Postkarte.<br />
Bilder: Stadtarchiv Bobingen<br />
Luftaufnahme von 1960, aufgenommen von E. Eberhardinger.<br />
14 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
Waldberg heute.<br />
mitten der Wälder, ohne viel<br />
Platz für Wiesen und Äcker, nie<br />
geschafft, Reichtümer anzuhäufen.<br />
Ganz im Gegenteil. Als am<br />
12. April 1904 in München der<br />
königliche Notar Karl Koneberg<br />
verstarb, hatte er testamentarisch<br />
verfügt, dass nach Errichtung<br />
mehrerer Stiftungen und Aussetzungen<br />
einiger Vermächtnisse<br />
sein dann noch übriges Vermögen<br />
der ärmsten Gemeinde des Kreises<br />
Schwaben und Neuburg als<br />
Unterstützungsfond für ihre<br />
Ortsarmen zugewiesen werden<br />
sollte.<br />
Die Regierung von Schwaben<br />
und Neuburg benannte dem zuständigen<br />
Nachlassgericht die<br />
Landgemeinde Waldberg. Daraufhin<br />
wurden dem Ort Wertpapiere<br />
in Höhe von 12.700 Mark<br />
und 1.800 Gulden zugewiesen<br />
und bei der königlichen Filialbank<br />
in München zur Verwaltung<br />
undVerwahrung hinterlegt.<br />
Die Gemeinde verbuchte das Kapital<br />
beim örtlichen Armenfond,<br />
der bis dahin nur ein Stammvermögen<br />
von 560 Mark gehabt hatte<br />
und gab dem nunmehr stattlichen<br />
Fond zu Ehren des Stifters<br />
den Namen: „Koneberg’scher<br />
Lokalarmenfond“. Das Vermögen<br />
wurde von der königlichen Filialbank<br />
durch den Ankauf von<br />
Wertpapieren stetig vermehrt, so<br />
dass das Reinvermögen von<br />
16.541,03 Mark im Jahr 1905 bis<br />
Ende 1920 auf 22.496,94 Mark<br />
angewachsen war.<br />
Von den Zinsen wurden die Kosten<br />
der Unterbringung von stark<br />
behinderten Dorfkindern oder<br />
von solchen mit gerichtlich verfügter<br />
Zwangserziehung bezahlt.<br />
Die letzte Zinsgutschrift wurde<br />
am 30. Januar 1923 notiert. Im<br />
gleichen Jahr kam es zur Inflation.Damit<br />
war der„Koneberg’sche<br />
Lokalarmenfond“ vernichtet und<br />
dasWaldbergerVermögen auch.<br />
Bluttat inWaldberg<br />
Ganz friedlich verlief das Leben<br />
in Waldberg nicht immer. Allerdings<br />
sei den Waldbergern zu<br />
Gute gehalten, dass eine dort<br />
stattgefundene Bluttat schon vor<br />
langer Zeit von den damaligen<br />
Herren inWaldberg ausging.<br />
Am ehemaligen Weg von Waldberg<br />
nach Mickhausen ist rund<br />
tausend Meter südwestlich von<br />
Waldberg noch heute ein Gedenkstein<br />
an das dort geschehene<br />
Verbrechen zu finden. Der<br />
schlichte Nagelfluhstein trägt die<br />
Inschrift: „IN MEMORIAM<br />
PAUL v. FREYBERG ER-<br />
SCHLAGEN AD 1487“. Der<br />
Buchstabe A von der Abkürzung<br />
AD ist allerdings verschwunden.<br />
Vermutlich gestohlen, denn immer<br />
wieder fehlten dort schon<br />
Bild: Anja Fischer<br />
ORTSTEILE<br />
Buchstaben aus der Schrift.Dabei<br />
ist das Denkmal gar nicht so<br />
leicht zu finden. Wer es sehen<br />
will,muss sich suchend umschauen,<br />
denn der Steinblock ist nur<br />
gut kniehoch und steht unauffällig,<br />
halb unter den Bäumen versteckt,<br />
an der Grenze zwischen<br />
den Waldabteilungen „Jammerberg“<br />
und„Steinsaul“.<br />
Da die Bluttat schon etliche Jahrhunderte<br />
zurück liegt, gibt es dafür<br />
mehrere überlieferte Darstellungen.Eine<br />
der wahrscheinlichsten<br />
ist,dass Paul von Freyberg einen<br />
hohen Bediensteten des<br />
bayerischen Herzogs Wolfgang<br />
bei Döpshofen in Gegenwart des<br />
Herzogs und etlicher hochrangiger<br />
Bediensteter beleidigte. In alten<br />
Gerichtsunterlagen heißt es<br />
dazu von Herzog Wolfgang persönlich:<br />
„… dass wir zween Diener<br />
bei uns, nämlich weyland Ulrichen<br />
und jetzt Conraden Härschel,<br />
Gebrüder, gehabt haben.<br />
Nun hatte weyland Paulus von<br />
Freyberg … einen Unwillen zu<br />
genannten Ulrichen Härschel gewonnen<br />
und ihn erstlich vor uns<br />
und etlichen edlen und unedlen<br />
Personen, nachmals vor der Bauernschaft<br />
und Dorfmennig zu<br />
Depshofen auf den Wäldern eine<br />
offene Abklage durch sein selbst<br />
Mund zugefügt.“ Eine solche öffentliche<br />
Beleidigung konnte sich<br />
Ulrich Härschel nicht gefallen<br />
lassen.Er sann auf Rache.Als die<br />
beiden Brüder und Paul von Frey-<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 15
ORTSTEILE<br />
Die Radegundismädchen bei der jährlichen Prozession.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Alte Postkarte der Heiligen Radegundis.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
berg dann einige Zeit später auf<br />
der Jagd zusammentrafen, geschah<br />
das unvermeidliche:<br />
„… Nachmalen über etliche Zeit<br />
sind genannter Paul von Freyberg<br />
und beide angezeigte Härschel<br />
auf den Wäldern, auf dem Weidwerk<br />
auf einander gestoßen und<br />
so viel gehandelt, dass Ulrich<br />
Härschel Paulusen von Freyberg<br />
Die Radegundiskirche in Waldberg.<br />
leider erschossen und entleibt<br />
hat …“<br />
Diese Tat sollte der Beginn einer<br />
langen und blutigen Fehde sein,<br />
denn Martha,dieWitwe von Paul<br />
von Freyberg, wollte den Tod ihres<br />
Mannes nicht ungesühnt lassen<br />
und warb zwei Söldner an,die<br />
die Gebrüder Härschel ihrerseits<br />
Bild: Anja Fischer<br />
töten sollten. Über dreißig Jahre<br />
dauerte die Fehde, die den Freybergern<br />
am Ende sogar die<br />
Reichsacht einbrachte. Erst 1511<br />
wurde der Streit beigelegt und zur<br />
Erinnerung und Sühne der Bluttat<br />
eine Steinsäule aufgestellt. Es<br />
trug die Inschrift: „Anno Domini<br />
1481 am Samstage nach Bartholomaei<br />
ward an dieser Stelle erschoßen<br />
der Edel und fest Paulus<br />
von Freyberg zu Mickhausen,<br />
dem Gott genad“. Diese Steinsäule<br />
ist mehrere hundert Jahre<br />
nachgewiesen, bevor sie, vermutlich<br />
wegen des Alters,zerfiel.<br />
Auf Veranlassung des Heimatforschers<br />
Richard Euringer suchte<br />
der Mickhauser Förster Nille in<br />
den Jahren 1910/11 den genauen<br />
Standort des Steins. Er fand die<br />
Stelle tatsächlich auch und<br />
schrieb: „Die Stätte, wo die Freyberg-Säule<br />
gestanden, habe ich<br />
durch Aufgraben genau untersuchen<br />
lassen.Von der Säule selbst<br />
wurde keine Spur mehr gefunden,<br />
dagegen kam der Sockel zum<br />
Vorschein, welcher in einer Tiefe<br />
von 70 Centimetern aufgefunden<br />
wurde, bestehend aus vielen großen<br />
und gut erhaltenen Ziegelsteinen.“<br />
Der heutige Besitzer des Forstgebiets,Graf<br />
von Rechberg,ließ um<br />
1950 zur Erinnerung an die Bluttat<br />
das heutige Denkmal setzen.<br />
Dabei passierten allerdings zwei<br />
Fehler: Paul von Freyberg wurde<br />
nun nicht mehr erschossen, sondern<br />
erschlagen und die Tat geschah<br />
auch ganze sechs Jahre später,erst<br />
1487,statt 1481.<br />
Die Heilige<br />
Radegundis<br />
Waldberg ist aber in erster Linie<br />
durch die Verehrung der Heiligen<br />
Radegundis bekannt. Diese war<br />
eine Dienstmagd, die um 1290<br />
bei einem Gang im Dienst der<br />
Nächstenliebe starb. Sie wurde<br />
von Wölfen angefallen auf Höhe<br />
des Weilers Radegundis bei Wellenburg.Dort,im<br />
SchlossWellenburg,<br />
war die Herrschaft der Onsorg,<br />
bei denen die jungfräuliche<br />
Dienstmagd Radegundis,die Radiana<br />
gerufen wurde, in Stellung<br />
war.<br />
Nach Feierabend kümmerte sich<br />
Radiana aus Nächstenliebe um<br />
die Aussätzigen, die im Spital in<br />
Die Heilige Radegundis,<br />
Andachtskarte.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
der Nähe untergebracht waren.<br />
Aussatz war zu jener Zeit eine<br />
schwere, gefürchtete Krankheit.<br />
Die Leprakranken der Stadt<br />
Augsburg wurden deshalb aus der<br />
Stadt gebracht und in so einem<br />
Siechenspital zusammengepfercht.<br />
Die Aussätzigen wurden<br />
in der Regel von allen gemieden<br />
und gefürchtet.Auch Radiana erhielt<br />
mehrmals von ihrer Herrschaft<br />
den Verweis, sie habe dort<br />
nichts zu suchen. Radiana kümmerte<br />
sich trotzdem heimlich um<br />
die Menschen dort und brachte<br />
ihnen,in der einen Hand den Rosenkranz,<br />
den sie auf ihrem Weg<br />
betete, Milch und Brot. Als Radiana<br />
wieder einmal ins Lepraspital<br />
unterwegs war, schwärzte sie<br />
ein Knecht, den sie zuvor abgewiesen<br />
hatte, bei der Herrschaft<br />
als Diebin an und unterstellte ihr,<br />
sie würde Lebensmittel aus dem<br />
Schloss zum Siechenhaus bringen.<br />
Der Schlossherr Onsorg<br />
selbst wollte diesem Vorwurf<br />
nachgehen und gegebenenfalls eine<br />
harte Strafe aussprechen. Er<br />
hielt Radiana auf dem Weg zum<br />
Siechenhaus an und fragte sie,<br />
was sie denn in ihrem Korb habe.<br />
In ihrer Not erklärte Radiana, es<br />
sei nur ein Kampfl (Kamm) und<br />
ein wenig Lauge für die Wunden<br />
der Kranken darin.Als Herr Onsorg<br />
in den Korb sah,fand er ihre<br />
Worte bestätigt und bestrafte den<br />
Knecht, der Radiana angeschwärzt<br />
hatte.<br />
Tod durch<br />
dieWölfe<br />
Radiana wusste, dass ein Wunder<br />
geschehen war und sie betete zu<br />
16 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
ORTSTEILE<br />
Die alte Schule in Waldberg.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Alte Postkarte.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Gott. Doch die Lüge lag ihr<br />
schwer auf dem Herzen. Eines<br />
Tages, als sie wieder im Siechenhaus<br />
gewesen war, wurde Radiana<br />
auf dem Rückweg zum Schloss<br />
von Wölfen überfallen und tödlich<br />
verwundet. Sie hatte ihr junges<br />
Leben für die Nächstenliebe<br />
zu Menschen, die ihre Hilfe<br />
brauchten, geopfert. Weil sie ihr<br />
so viel bedeutete, wurde Radiana<br />
in der Kapelle am Leprakrankenhaus<br />
beigesetzt.<br />
Schon bald nach ihrem Tod wurde<br />
sie durch ihre Aufopferung<br />
vom Volk verehrt wie eine Heilige.<br />
Danach wird es ruhig um die<br />
Heilige Radegundis. Erst 1422<br />
wird sie wieder erwähnt. Die Verehrung<br />
für die Heilige Radegundis<br />
ist bis dahin ungebrochen.<br />
Mehrmals wurde die Heilige Radegundis<br />
umgebettet. Durch einen<br />
orkanartigen Sturm wurde<br />
die Radegundiskirche am 18. Juli<br />
1810 derart beschädigt, dass sie<br />
gesperrt werden musste. Der Leib<br />
der Heiligen wurde noch aus dem<br />
Kirchlein geholt und in das<br />
nächste Haus gebracht. Dort verwahrte<br />
man ihn in einer Kammer.<br />
Das Landgericht Göggingen verfügte<br />
dann, den Leib in den<br />
Pfarrhof nach Bergheim zu überführen,<br />
damit dort das Radegundisfest<br />
gefeiert werden könne.<br />
Zeugen bestätigten später, dass<br />
man die Gebeine der Heiligen ins<br />
örtliche Wirtshaus getragen habe,<br />
weil in der Kirche kein passender<br />
Platz gefunden worden sei. Das<br />
Landgericht Göggingen ordnete<br />
darauf hin an, Radegundis am 5.<br />
August 1810 nach Waldberg zu<br />
schaffen. Seither liegen die Gebeine<br />
der Heiligen dort. Aber erst<br />
am 25. Dezember 1819 wurde die<br />
Kuratie Waldberg dazu errichtet.<br />
Der Stiftungsbrief mit diesem<br />
Datum wurde ausgestellt von Anselm<br />
Maria Fürst Fugger-Babenhausen.<br />
Jahrhundertelang wurde die Heilige<br />
Radegundis als Patronin der<br />
Jungfrauen und besonders als Beschützerin<br />
für Vieh und Felder<br />
gesehen, da sie als Magd im Stall<br />
und Feld gearbeitet hat. Jedes Jahr<br />
am 4. Sonntag nach Pfingsten<br />
wird ihrer mit einem Fest gedacht.<br />
Dieser Brauch wird heute noch in<br />
Waldberg vom Musikverein „Die<br />
Schwarzachtaler“ am Leben gehalten.<br />
Sagen rund<br />
um Waldberg<br />
Wie um fast alle Dörfer und<br />
Städte ranken sich auch um<br />
Waldberg einige Sagen und <strong>Geschichten</strong>.<br />
So soll einem Fuhrmann aus<br />
Waldberg, der um Mitternacht<br />
aus Augsburg heimkam, folgendes<br />
passiert sein: als er von Hardt auf<br />
dem letzten Weg war, bleiben seine<br />
Pferde um 12 Uhr nachts stehen<br />
und waren in Schweiß gebadet.<br />
Unter seinem Wagen war ein<br />
feuriger Hund und heulte. Aus<br />
den Nüstern des Hundes drang<br />
Feuer, der Bauer konnte kein<br />
Glied bewegen und aus der Finsternis<br />
war ein Leuchten um den<br />
Wagen. In seiner Not rief der<br />
Fuhrmann aus: „Helf Gott!“. Da<br />
gingen die Pferde wieder ihren<br />
Weg und von dem ganzen Spuk<br />
war nichts mehr zu sehen.<br />
Eine andere Geschichte bezieht<br />
sich auf einen Streit zwischen<br />
zwei Bauern aus Waldberg und<br />
Kreuzanger. Einer soll den Markstein<br />
auf seiner Flur versetzt haben.<br />
Nach dessen Tod soll der<br />
Geist seiner Seele auf dem Wege<br />
nach Siegerthofen immer wieder<br />
gerufen haben: „Wo muss ich den<br />
Stein hinsetzen?“ Einer der Toten<br />
gab schließlich die Antwort:<br />
„Dort, wo er hingehört.“ Von dieser<br />
Zeit an fand der Geist seinen<br />
Frieden und der Spuk endete.<br />
Quellen: Buch: Bobingen und<br />
seine Geschichte<br />
Archiv der Stadt Bobingen<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 17
HISTORIE<br />
POLIZEIGESCHICHTE<br />
VonderGendarmeriezur<br />
Polizeistation(2)<br />
In der letzten Ausgabe der <strong>Bobinger</strong> Geschichte(n) machte die Polizei<br />
im Ort gerade ihre ersten Schritte. Es ging noch um die „Instruction<br />
für Polizeidiener“, die auch als Nachtwächter ihre Runden drehen<br />
mussten und um die Kosten für die Reinigung eines Arrestlokales.<br />
Bis zu einer modernen Polizeidienststelle fehlen jedoch noch einige<br />
Jahre.<br />
Von Anja Fischer<br />
Mit welchen Vorfällen sich die<br />
Polizei in früheren Zeiten beschäftigen<br />
musste, zeigt ein Blick<br />
in alte Prozessakten.So wurde am<br />
5. und 6. September 1923 vor<br />
dem Wuchergericht Augsburg<br />
gegen einen <strong>Bobinger</strong> Käsereibesitzer<br />
verhandelt. Dieser war wegen<br />
Preistreiberei angeklagt worden.<br />
In der amtlichen Bekanntmachung<br />
heißt es:<br />
1. E. Anton, geboren am 30. Oktober<br />
1883 zu Bobingen, verh.<br />
Käsereibesitzer und Landwirt in<br />
Bobingen ist schuldig eines Vergehens<br />
des Preiswuchers und wird<br />
hiewegen zu einem Jahr Gefängnis<br />
und zur Geldstrafe von hundert<br />
Millionen Mark und in die<br />
Kosten verurteilt.<br />
2.Auf die Gefängnisstrafe werden<br />
45Tage Untersuchungshaft angerechnet.<br />
3. Im Fall der Uneinbringlichkeit<br />
der Geldstrafe tritt an Stelle von<br />
je einer Million Mark ein Tag<br />
Gefängnis.<br />
4. Eingezogen wird ein Betrag,<br />
der dem erzielten übermäßigen<br />
Gewinn entspricht.Die Entscheidung<br />
über die Höhe des einzuziehenden<br />
Betrages wird im besonderen<br />
Verfahren nach §19,20 der<br />
Preistr. V.O. vom 13. Juli 1923<br />
vorbehalten.<br />
5. Dem Verurteilten wird der<br />
Handel mit Molkereierzeugnissen<br />
untersagt.<br />
6.Die Verurteilung ist auf Kosten<br />
des Verurteilten binnen einem<br />
Polizei Bayern.<br />
Monat je einmal in den für amtliche<br />
Bekanntmachungen des Gerichts<br />
bestimmten Augsburger<br />
Tageszeitungen, in den für amtliche<br />
Bekanntmachungen der Gerichte<br />
in Kempten bestimmten<br />
Tageszeitungen,in dem Schwabmünchner<br />
Amtsblatt und in der<br />
süddeutschen Molkereizeitung,<br />
ferner durch Anschlag an den<br />
Gemeindetafeln in Bobingen und<br />
Königsbrunn und in den Geschäftsräumen<br />
des Verurteilten in<br />
Bobingen und Königsbrunn öffentlich<br />
bekannt zu machen.<br />
7. Der Haftbefehl wird aufrecht<br />
erhalten.<br />
Auf dem Schreiben ist ein handschriftlicher<br />
Vermerk. So wurde<br />
das Urteil am 10.September 1923<br />
Bild: Anja Fischer<br />
an der Gemeindetafel in Bobingen<br />
angeschlagen und am<br />
21. September 1923 wieder abgenommen.<br />
Wer sich damals etwas<br />
zu Schulden kommen ließ,musste<br />
also nicht nur die Strafen des Gerichts,<br />
sondern auch die Öffentlichkeit<br />
fürchten, das Gerede der<br />
Leute und vielleicht sogar die<br />
Ächtung von Freunden und Bekannten.<br />
Polizei ist<br />
unterbesetzt<br />
Was die Polizei in früheren Jahren<br />
sonst noch alles tun musste<br />
und worauf besonderes Augenmerk<br />
gelegt wurde, ist gut einem<br />
Bericht von Gendarmerie-Kommissär<br />
Lang an das Bezirksamt<br />
Schwabmünchen vom 2. Juni<br />
1924 zu entnehmen: „Die Beamten<br />
der Station Bobingen sind in<br />
dienstlicher Hinsicht ziemlich<br />
stark belastet. Am Stationsorte<br />
selbst befinden sich zwei größere<br />
Fabriken, deren Betrieb von Jahr<br />
zu Jahr vergrößert, was eine Vermehrung<br />
des Fremdenzuzuges<br />
zur Folge hat.<br />
In der Kunstseidefabrik sind gegenwärtig<br />
etwa 800 und in der<br />
Wurstfabrik etwa 100 Personen<br />
beschäftigt. Dieselben stammen<br />
aus verschiedenen Gegenden,besitzen<br />
keine guten Eigenschaften<br />
und bedürfen stets der Überwachung.<br />
Ebenso erfordert die zu<br />
diesem Dienstbezirk gehörige,etwas<br />
entlegene große Gemeinde<br />
Großaitingen (1.260 Einwohner)<br />
durch vermehrte Dienstgänge<br />
dorthin größere Anforderungen<br />
an die Beamten als dies bei kleineren<br />
Gemeinden notwendig ist.<br />
Der ganze Dienstbezirk Bobingen<br />
umfasst außer dem Stationsbereich<br />
die Gemeinden Straßberg,<br />
Wehringen und Großaitingen.<br />
Von einem ausgedehnten<br />
Dienstgang-Bezirk dürfte kaum<br />
die Rede sein. …. Vom 1.1. bis<br />
30.05.1924 weist das Geschäftstagebuch<br />
536 Nummern auf. In<br />
dieser Zeit sind 119 erstattete<br />
Anzeigen vorgetragen und zwar:<br />
„40 Übertretungen, 24 Bettel,<br />
31 Vergehen gegen das Viehseuchengesetz,<br />
13 Diebstähle, 5 Betrügereien,<br />
3 Preistreibereien,<br />
1 Münzfälschung, 1 Körperverletzung<br />
und 1 Sachbeschädigung.“<br />
Dazu kommen noch die Erledigungen<br />
einer nicht geringen Anzahl<br />
anderweitiger Erhebungen.<br />
18 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
Die Polizei bekommt direkten Onlinezugang zum Standesamt<br />
Bobingen.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Moderne Zeiten: Polizeihauptkommissar Clemens Müller<br />
trägt als einziger Polizist in Bobingen schon die neue,<br />
blaue Uniform.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Dieser Dienstbetrieb erscheint für<br />
zwei Beamte … ziemlich belastend.<br />
Ob aber dessen Durchführung<br />
von den gegenwärtigen Beamten<br />
für die Dauer nicht möglich<br />
ist, möchte ich höherer Beurteilung<br />
überlassen. Die Verstärkung<br />
dieser Station um einen Beamten<br />
dürfte, wie dies schon in<br />
einem meiner früheren Berichte<br />
an die Gendarmerie-Abteilung<br />
angedeutet ist, zu berücksichtigen<br />
sein, sobald irgendein Beamter<br />
zur Verfügung stünde. Möglicherweise<br />
könnte dies bei einer seinerzeitigen<br />
Änderung der Station<br />
Lagerlechfeld erreicht werden.“<br />
Noch 1927, also drei Jahre später,<br />
umfasste der Ist-Stand in Bobingen<br />
immer noch zwei Personen.<br />
Auch damals war der künftige<br />
wünschenswerte Sollstand mit<br />
drei Personen ausgewiesen.<br />
Die Zeit des Nationalsozialismus<br />
liegt in der Polizeigeschichte weitestgehend<br />
im Dunkeln. Beim<br />
Einmarsch der amerikanischen<br />
Truppen in Königsbrunn und Bobingen<br />
werden sämtliche polizeiliche<br />
Unterlagen, die mit einem<br />
Hakenkreuz versehen sind, vernichtet.<br />
Gemeinderat fühlt<br />
sich beleidigt<br />
In den Archiven ist jedoch in den<br />
städtischen Beschlussbüchern eine<br />
Beleidigungsklage des Gemeinderates<br />
gegen den <strong>Bobinger</strong><br />
Landwirt Matthias K. zu finden.<br />
Dieser hat laut Zeugenaussagen<br />
am 6. August 1933 folgende Worte<br />
geäußert: „Wenn überhaupt<br />
noch ein Bauer in den Gemeinderat<br />
geht, dann muss er keinen<br />
Charakter haben und ich halte<br />
nächstes Jahr keinen Eber mehr,<br />
der Gemeinderat soll seine Säue<br />
selber machen.“ Selbstverständlich<br />
waren die Gemeinderäte über<br />
eine derart direkte Ansprache erbost.<br />
Schon zwei Tage später wurde<br />
in einer Sitzung beschlossen,<br />
wegen dieser Beleidigung gegen<br />
HISTORIE<br />
Das „blaue“ Ärmelabzeichen.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
den K. Strafantrag zu stellen. Am<br />
29. August ist zu lesen: „In der<br />
Zwischenzeit hat Vermittlung mit<br />
Landwirt K. wegen Beleidigung<br />
des Gemeinderates stattgefunden.<br />
K. erklärt sich bereit 10 Reichsmark<br />
in die Armenkasse zu bezahlen.<br />
Mit dieser Regelung ist<br />
der Gemeinderat jedoch nicht<br />
einverstanden. Es wird K. die<br />
Zahlung von 40 Reichsmark verlangt<br />
und von der Veröffentlichung<br />
in der Zeitung abgesehen.<br />
Die Buße ist innerhalb 8Tagen<br />
bei der Gemeinde einzuzahlen.“<br />
Zum Vergleich: eine Pflegekraft<br />
im Gemeindekrankenhaus erhielt<br />
zu dieser Zeit eine Entlohnung<br />
von 20 Reichsmark im Monat. So<br />
war dem K. die geforderte Summe<br />
anscheinend zu hoch. Jedenfalls<br />
heißt es am 19. September<br />
1933 weiter: „In der Beleidigungssache<br />
K. teilt 1. Bürgermeister<br />
Renz mit, dass K. die Zahlung<br />
von 40 Reichsmark nicht geleistet<br />
habe und sich nur zur Zahlung<br />
einer Buße von 10 Reichsmark<br />
bereit erklärt. Der Gemeinderat<br />
nimmt dieses Angebot nicht an;<br />
K. ist zu eröffnen, dass weitere<br />
Schritte gegen ihn unternommen<br />
werden, wenn der Betrag von<br />
40 Reichsmark nicht binnen drei<br />
Tagen einbezahlt ist.“ In den weiteren<br />
Sitzungen kommt dieser<br />
Beleidigungsvorfall nicht mehr<br />
zur Sprache, weswegen anzunehmen<br />
ist, dass Landwirt K. doch in<br />
den für ihn so sauren Apfel biss<br />
und die geforderte Summe bezahlte.<br />
Ob er dann im nächsten<br />
Jahr tatsächlich keinen Eber mehr<br />
hielt, ist leider nicht bekannt.<br />
In der NS-Zeit<br />
Die Zeit des Nationalsozialismus<br />
war auch für die Polizei eine Zeit<br />
der Gebote und Verbote. Bei den<br />
wenigen erhaltenen Unterlagen<br />
sind beispielsweise Dienstanweisungen,<br />
in denen die „Grußpflicht<br />
zwischen den Angehörigen der<br />
uniformierten Staatspolizei und<br />
der nationalen Verbände“ geregelt<br />
ist.<br />
Eine Dienstanweisung aus dem<br />
Staatsministerium des Innern<br />
vom 3. März 1937 befasst sich<br />
mit der „Anrede im dienstlichen<br />
und außerdienstlichen Verkehr<br />
bei der Ordnungspolizei“ und<br />
lautet wie folgt:<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 19
HISTORIE<br />
Heute ist die Polizei nicht mehr mit dem Dienstfahrrad<br />
sondern mit modernen Einsatzwagen auf Streife.<br />
Die alte Arrestzelle in der<br />
<strong>Bobinger</strong> Dienststelle wird<br />
schon seit Jahren nicht mehr<br />
benutzt.<br />
„Der Reichsführer SS und Chef<br />
der Deutschen Polizei im RMdJ.<br />
hat mit Erlass vom 11.II.37-P-<br />
Kdo.P.(1a) Nr. 1/37 betr. Anrede<br />
im dienstlichen u. außerdienstlichen<br />
Verkehr bei der Ordnungspolizei<br />
verfügt: Die unpersönliche<br />
Anrede in der dritten Person ist<br />
innerhalb der Ordnungspolizei<br />
nicht mehr anzuwenden. Die<br />
Vorgesetzten, auch die nicht zur<br />
uniformierten Ordnungspolizei<br />
gehörenden, sind in und außer<br />
Dienst mündlich und im Schriftverkehr<br />
mit „Herr“ unter Hinzufügung<br />
des Dienstgrades oder der<br />
Amtsbezeichnung und mit „Sie“<br />
anzureden, z.B: „Herr Oberleutnant,Sie<br />
werden am Fernsprecher<br />
verlangt!“ oder „Haben Sie noch<br />
Befehle für mich, Herr Leutnant?“<br />
oder „Herr Polizeipräsident,<br />
– auf dem Revier nichts<br />
Neues!“ oder „Darf ich um eine<br />
Unterschrift bitten, Herr Hauptmann?“<br />
Die Vorgesetzten sind<br />
grundsätzlich nur mit dem<br />
Dienstgrad und nicht mit einem<br />
zum Namen gehörenden Titel<br />
bzw.Prädikat anzureden.Anreden<br />
wie „Herr Baron,Herr Graf“ usw.<br />
sind Vorgesetzten gegenüber<br />
nicht zulässig.Bei Anrede Untergebener<br />
sind Titel, die einen Bestandteil<br />
des Namens bilden (z.B.<br />
Freiherr,Graf usw.) und akademische<br />
Grade in Verbindung mit<br />
dem Dienstgrad anzuführen. Es<br />
muss demnach heißen: „Leutnant<br />
Freiherr von X“, „Hauptmann<br />
Graf Y“, usw. Zum Namen gehörige<br />
Prädikate (z.B. Durchlaucht<br />
usw.) sind bei der Anrede Untergebener<br />
nicht zulässig …"<br />
Verurteilung<br />
zumTod<br />
Dafür schlug das Regime mit<br />
drastischen Strafen gegen das<br />
Verbrechertum zu. Auch ein <strong>Bobinger</strong><br />
geriet in die Mühlen der<br />
Justiz und wurde sogar zum Tode<br />
verurteilt. In einem Auszug aus<br />
der Augsburger Nationalen-Zeitung<br />
vom 3. November 1941<br />
heißt es: „Bahnhofsdieb zum Tode<br />
verurteilt – Er stahl unter Ausnützung<br />
der Verdunkelung Koffer<br />
am Augsburger Hauptbahnhof:<br />
Vor dem Sondergericht München<br />
wurde der 32 Jahre alte Alfons M.<br />
aus Bobingen bei Augsburg als<br />
Gewohnheitsverbrecher und<br />
Volksschädling zum Tode verurteilt.<br />
M. hatte unter Ausnützung<br />
der Verdunkelung auf dem Augsburger<br />
und dem Münchner<br />
Hauptbahnhof Gepäckstücke gestohlen.M.ist<br />
ein erblich belasteter<br />
Mensch.Wiederholt wurde er<br />
wegen Eigentumsdelikten bestraft.<br />
Sein Tätigkeitsfeld war zunächst<br />
der Augsburger Hauptbahnhof,wo<br />
er unter Ausnutzung<br />
der Verdunkelung Koffer entwendete,<br />
die für kurze Zeit unbeaufsichtigt<br />
stehen gelassen worden<br />
waren.Ob es sich um Gepäckstücke<br />
von Zivilpersonen oder von<br />
Wehrmachtsangehörigen handelte,<br />
war ihm völlig gleichgültig.<br />
Um seine verbrecherische Tätigkeit<br />
ergiebiger zu gestalten,unternahm<br />
er Reisen nach München<br />
und stahl dort ebenfalls im<br />
Hauptbahnhof Koffer und Pakete<br />
von Verladekarren herunter. Nebenbei<br />
verübte er Betrügereien,<br />
indem er Geschäftsleuten vormachte,<br />
er könne für sie Waren<br />
besorgen, wenn er entsprechende<br />
Anzahlung erhalte. Auf die Anzeige<br />
eines Augsburger Gastwirts<br />
hin,konnte M.verhaftet werden.<br />
Die umfangreichen Ermittlungen<br />
der Polizei hatten großen Erfolg.<br />
Es konnten dem Angeklagten<br />
nicht weniger als 28 Bahnhofsdiebstähle<br />
nachgewiesen werden,<br />
die M.sämtlich zugab.Einen Teil<br />
der Beute hatte er verkauft. Das<br />
Sondergericht verurteilte den Angeklagten<br />
als Gewohnheitsverbrecher<br />
und Volksschädling zum Tode,<br />
zum dauernden Ehrverlust<br />
und zu vier Jahren Zuchthaus.“<br />
Wobei man sich heute fragen<br />
darf, in welcher Reihenfolge die<br />
Strafen ausgeführt wurden.<br />
Suche nach<br />
Schwarzhändlern<br />
1947 fallen die Bezeichnungen<br />
Gendarm, Gendarmerie-Posten<br />
und dergleichen weg.Man spricht<br />
von Landpolizei, Landpolizeiposten<br />
und Landpolizeistationen und<br />
-inspektionen.Die Polizei suchte<br />
in der Nachkriegszeit oftmals<br />
nach Schwarzhändlern. Doch<br />
auch andere Fälle beschäftigten<br />
1949/50 die <strong>Bobinger</strong> Dienststelle,<br />
in der zu diesem Zeitpunkt<br />
13 Polizeibeamte beschäftigt waren.<br />
Hier ein kleiner Auszug:<br />
81 Diebstähle und Unterschlagungen,<br />
19 Betrugsfälle, 6 Fälle<br />
von Sachhehlerei,2 Urkundenfälschungen,<br />
1 Notzuchtverbrechen<br />
(Vergewaltigung), 1 Beamtennötigung,<br />
1 fahrlässige Brandstiftung,<br />
1 Weizenfeldbrand und<br />
1 fahrlässige Tötung, sowie<br />
11 Steuervergehen und 26 Forstfrevel.<br />
Die Zeiten dürften also,<br />
wenn wir nach dem Strafregister<br />
gehen, ein wenig rauher als heute<br />
gewesen sein.Steuerbetrug wurde<br />
allerdings schon damals nicht als<br />
„Kavaliersdelikt“ angesehen und<br />
streng geahndet. Die Polizisten<br />
waren ständig im Einsatz,um die<br />
vielen Vorfälle zu klären. Leider<br />
erwies sich das zugeteilte Dienstgebäude<br />
im Jahr 1954 als nicht<br />
mehr ausreichend.Deshalb wurde<br />
ein dringendes Gesuch um Freigabe<br />
des für die Besatzungsmacht<br />
beschlagnahmten Wohngebäudes<br />
in der Greifstraße 16 in Bobingen<br />
eingereicht. In der Begründung<br />
heißt es: „Die Landpolizeistation<br />
Bobingen ist jedoch in einem Gebäude<br />
untergebracht,das zur Aufrechterhaltung<br />
eines geordneten<br />
Dienstbetriebes nicht mehr aus-<br />
Polizeimeister Marcel Wydra und Polizeihauptkommissar<br />
Clemens Müller bei der Arbeit im Funkraum.<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
20 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
HISTORIE<br />
Warten auf den Einsatz.<br />
reicht. Außerdem war bisher die<br />
wohnungsmäßige Unterbringung<br />
der Polizeibeamten in nächster<br />
Nähe der Station, wie sie zur sofortigen<br />
Einsatzfähigkeit der Beamten<br />
im Bedarfsfalle notwendig<br />
wäre, nicht möglich. Desweiteren<br />
liegt die jetzige Station ungünstig.<br />
Die Verlegung der Landpolizeistation<br />
würde all diese Mängel<br />
weitestgehend beseitigen. Es<br />
könnten damit vor allem auch die<br />
Kosten für die Errichtung eines<br />
Stationsgebäudes erspart werden,<br />
die im Falle der Ablehnung des<br />
Antrages auf Freigabe des beschlagnahmten<br />
Gebäudes wohl<br />
schon in nächster Zeit aufgebracht<br />
werden müssten.“ Nur<br />
knapp zwei Jahre später war es<br />
dann auch schon so weit: Die Polizeidienststelle<br />
konnte am 26. Januar<br />
1956 in ihr Wunschgebäude<br />
umziehen. Im gleichen Haus fanden<br />
auch vier Beamte (Endraß,<br />
Haltmair, Ebert und Grosser) mit<br />
ihren Familien eine Wohnung.<br />
Die unmittelbare Nähe zur<br />
Dienststelle war somit gegeben.<br />
Im Laufe des Jahres erhielt die<br />
Landpolizeistation Bobingen ihr<br />
erstes motorisiertes Fahrzeug, ein<br />
Motorrad der Marke DKW, Typ<br />
200.<br />
Bayerische Landpolizei.<br />
Inspektion bleibt<br />
in Bobingen<br />
Noch einmal zwei Jahre später<br />
soll eine Großstation Schwabmünchen<br />
und eine Außenstelle<br />
der Polizei in Bobingen errichtet<br />
werden. Diese Pläne werden 1960<br />
in die Tat umgesetzt. Die Dienststelle<br />
in Königsbrunn wird aufgelöst,<br />
Bobingen wird zur Nebenstelle<br />
der Polizeistation Schwabmünchen.<br />
Da dürfte es die Beamten<br />
auch kaum getröstest haben,<br />
dass die Dienststelle ihren ersten<br />
Dienst-PKW, einen VW-Käfer<br />
bekam. Die Selbständigkeit war<br />
erst einmal weg. Immerhin zog<br />
die Polizei-Nebenstelle Bobingen<br />
am 1. Dezember 1962 in die<br />
Räumlichkeiten des alten Rathauses<br />
(heute Sozialstation am<br />
Kirchplatz 1) um. Die Monatsmiete<br />
an die Stadt Bobingen betrug<br />
110,70 Deutsche Mark. Nur<br />
ein paar Jahre später war es 1966<br />
schon wieder im Gespräch, aus<br />
der Nebenstelle Bobingen eine<br />
Landpolizeistation zu machen.<br />
Und tatsächlich war es zum<br />
1. April 1966 so weit. Künftig<br />
sollten in Bobingen 24 Polizeibeamte<br />
Tag und Nacht, sonntags<br />
wie werktags, ihren Dienst leisten.<br />
Es ging, so hieß es, nicht nur<br />
darum, die vorerst noch mit zwölf<br />
Beamten besetzte Nebenstelle<br />
Bobingen in eine Station mit<br />
24 Beamten umzuwandeln, sondern<br />
die Station Schwabmünchen<br />
zu entlasten, so dass sie, ohnehin<br />
unterbesetzt, nicht zusätzlich im<br />
nördlichen Raum aushelfend eingreifen<br />
müsse. Sei es wie es sei –<br />
in Bobingen freute man sich über<br />
diese Entscheidung. Und dass<br />
sich Königsbrunn schon seit dieser<br />
Zeit um eine eigene Polizeidienststelle<br />
bemüht – nun ja. Jedenfalls<br />
wurde bei den letzten Erhebungen<br />
erneut für eine Dienststelle<br />
in Bobingen entschieden,<br />
denn diese liegt damit zentral im<br />
Einsatzgebiet zwischen Königsbrunn<br />
und den <strong>Bobinger</strong> Ortsteilen<br />
und wird durch diese Entscheidung<br />
auch in den nächsten<br />
Jahren erhalten bleiben. Immer<br />
aber versuchte die Polizei in Bobingen<br />
für ihre Bürger da zu sein<br />
und Nähe zu zeigen.<br />
Polizeimeister Marcel Wydra im Dienstwagen.<br />
Zudem bewiesen die Beamten<br />
sportlichen Ehrgeiz: beim Faustball,<br />
beim Volleyball oder Hallenfußball<br />
zeigten sich die Mannschaften<br />
siegreich. 1986 kam es<br />
zum bisher letzten Umzug der<br />
Polizeidienststelle: das ehemalige<br />
Domizil der Raiffeisenbank war<br />
extra für die Polizeiinspektion<br />
umgebaut worden. Hier stehen<br />
nun 17 Diensträume auf rund<br />
610 m² zur Verfügung.<br />
Für Menschen da sein – in Bobingen<br />
wurde das über die Landesgrenzen<br />
hinaus durch die Initiative<br />
„Schwäbische Polizei hilft<br />
Tschernobyl-Kindern“ gelebt. Die<br />
beiden Polizeibeamten Horst Terschanski<br />
und Georg Burkhard<br />
und der Journalist Eugen Klein<br />
gründeten diese 1992. Derzeit tun<br />
in Bobingen wesentlich mehr Polizeibeamte<br />
als früher ihren<br />
Dienst. Aufgrund der Arbeitsbelastung<br />
erfuhr die Dienststelle in<br />
den letzten Jahren sogar eine<br />
Aufstockung. Die derzeitige Aufklärungsquote<br />
beträgt 71,6% und<br />
liegt damit weit über dem bayerischen<br />
Durchschnitt von 64,4%.<br />
Die Einwohner können sich also<br />
wohl behütet fühlen.<br />
Quellen:<br />
Chronik der Polizei<br />
Bobingen,Stadtarchiv Bobingen<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 21
KIRCHE<br />
KIRCHE<br />
DasLaurentiushaus<br />
Das Laurentiushaus Bobingen hat ursprünglich überhaupt keinen<br />
kirchlichen Beginn. Es wurde als Flüchtlingsheim erbaut, war später<br />
Jugendwohnheim und dann Kindergarten. Heute beherbergt es die<br />
vielen Gruppen der katholischen Pfarrei St. Felizitas und ist mit<br />
seinem großen Saal ein gern genutzter Veranstaltungsort.<br />
hort und eines Jugendwohnheims<br />
zum Ziel gesetzt hat.Der Kindergarten<br />
ist für 150 Kinder vorgesehen,<br />
was wohl der örtlichen Anforderung<br />
entsprechen dürfte.<br />
Über die Dringlichkeit brauchen<br />
wir wohl keine Worte verlieren.<br />
Wenn wir nun beides,Kindergarten<br />
und Jugendwohnheim miteinander<br />
verbinden, so einmal wegen<br />
der dadurch günstigeren Finanzierung<br />
und auch der günstigeren<br />
Rentabilität wegen. Die<br />
Einbeziehung eines Grundausbildungslehrgangs<br />
für Haushalt ist<br />
vorgesehen. Der Bau soll an der<br />
Pestalozzistraße (gegenüber<br />
Wohnblock Eisenschmid) zur<br />
Entstehung kommen.<br />
Das Laurentiushaus heute.<br />
Von Anja Fischer<br />
Die Nachkriegsjahre waren auch<br />
für Bobingen eine Zeit des Neuaufbaus<br />
und der Neuordnung.<br />
Das galt auch für die Kinder und<br />
Jugendlichen. Beginnend beim<br />
Kindergarten war das größte Problem<br />
Anfang der 1950er Jahre,<br />
dass es eben keinen Kindergarten<br />
gab.<br />
Bobingen bestand zu dieser Zeit<br />
aus etwa 6.000 Einwohnern, von<br />
denen rund 2.200 Heimatvertriebene<br />
(36 Prozent) waren. Diese<br />
waren zum größten Teil in vier<br />
Flüchtlingslagern untergebracht.<br />
Wohnungsnot und ein Mangel an<br />
Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />
waren die Folge, denn die Frauen<br />
mussten, um der Familie ein wenig<br />
Erleichterung und Wohlstand<br />
zu verschaffen, in diesen Zeiten<br />
oft selbst arbeiten. Viele fanden<br />
eine Beschäftigung in der örtlichen<br />
Kunstseidefabrik, mussten<br />
aber die Kinder während ihrer<br />
Arbeitszeit sich selbst überlassen.<br />
Der einzige, behelfsmäßig eingerichtete<br />
Kindergarten hatte leider<br />
am 31.3.1951 aus Einsparungsgründen<br />
geschlossen werden<br />
müssen.Die Gemeinde Bobingen<br />
bemühte sich deshalb über mehrere<br />
Monate lang,Zuschüsse vom<br />
Schwedischen Hilfswerk „Rettet<br />
das Kind“ zu bekommen. Dieses<br />
Hilfswerk hatte in Aussicht gestellt,im<br />
Landkreis Schwabmünchen<br />
ein Heim für Kinder zu errichten.<br />
Leider verblieb das Gesuch<br />
Bobingens ergebnislos. Am<br />
22. Februar 1951 bedauerte das<br />
Landratsamt Schwabmünchen es<br />
in einem Schreiben an das Hilfswerk,„dass<br />
sie ihre wohlgemeinte<br />
Absicht,in der Gemeinde Bobingen<br />
einen Kindergarten zu errichten,nicht<br />
verwirklichen konnten.<br />
Die Gemeinde Bobingen hat zur<br />
Zeit Schwierigkeiten, bei der Beschaffung<br />
eines geeigneten Ersatzobjektes<br />
…"<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Verein Jugendzentrume.V.<br />
Einige Zeit zeichnete sich keine<br />
Lösung in der Kindergartenfrage<br />
ab,bis Anfang 1952 Bewegung in<br />
die Sache kam. Ein gemeinnütziger<br />
Verein gründete sich, um das<br />
Kindergartenprojekt voranzutreiben.<br />
Privatleute und Unternehmer,die<br />
in lobenswerter Weise eine<br />
Aufgabe der Kommune zu ihrer<br />
eigenen Sache machten.In einem<br />
Schreiben vom 5. Januar<br />
1952 an die Gemeindeverwaltung<br />
Bobingen mit dem Gesuch um<br />
einen Zuschuss zur Errichtung<br />
eines Kindergartens mit Kinderhort<br />
und Jugendwohnheim steht:<br />
„Wie bereits bekannt, haben wir<br />
uns zu einer Gemeinschaft, die<br />
den Namen „Jugendzentrum Bobingen<br />
e.V.“ trägt, zusammengeschlossen,<br />
die sich die Errichtung<br />
eines Kindergartens mit Kinder-<br />
Die ersten Voraussetzungen wie<br />
Erwerb des Bauplatzes, Vorverhandlungen<br />
über die Finanzierung<br />
sind soweit gediehen, dass<br />
wir berechtigte Hoffnung haben,<br />
unser Vorhaben bereits in diesem<br />
Jahr in Angriff nehmen zu können.<br />
Nun gilt es die noch offene<br />
Finanzierungslücke zu schließen.<br />
Wir kommen deshalb mit der<br />
Bitte an die Gemeindeverwaltung,<br />
unsere Sache, die gleichzeitig<br />
auch Sache der Gemeinde ist,<br />
tatkräftig zu unterstützen. Die<br />
angespannte finanzielle Lage der<br />
Gemeinde ist uns bekannt.Wenn<br />
wir trotzdem unsere dringende<br />
Bitte vortragen, so nicht zuletzt<br />
aus einer Verpflichtung heraus,<br />
die darin begründet ist, dass wir<br />
nennenswerte Mittel und Unterstützung<br />
bei den unserer Sache<br />
nahestehenden Stellen gefunden<br />
haben, sodass das Projekt an den<br />
verhältnismäßig gering aufzubringenden<br />
Eigenmitteln, zu denen<br />
auch der gemeindliche Anteil<br />
zählt,nicht scheitern darf.<br />
Unsere Bitte besteht vor allem<br />
darin, die Gemeinde möge uns<br />
das erforderliche Bauholz, das<br />
sind 100 lfm Rundholz, spenden<br />
22 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
KIRCHE<br />
Grundsteinlegung für das Laurentiushaus.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Die Einweihung des Laurentiushauses am 30. Januar 1954.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
und eine finanzielle Unterstützung<br />
nach Möglichkeit zuteil<br />
werden lassen. Sie alle wissen,<br />
dass die Errichtung eines Kindergartens<br />
eine kommunale Aufgabe<br />
ist. Wenn sich nun eine private<br />
Gruppe findet, welche der Gemeinde<br />
die eine ihrer vielen Aufgaben<br />
abnimmt, so dürfen wir<br />
doch mit dem entsprechenden<br />
Verständnis und Opferbereitschaft<br />
rechnen.<br />
Wird von unserer Seite das Vorhaben<br />
nicht verwirklicht, dann<br />
kann die Gemeinde die Sache<br />
wohl zunächst aufschieben. Früher<br />
oder später wird dann die<br />
Aufgabe – ähnlich wie der Krankenhausneubau<br />
–gelöst werden<br />
müssen und wir gehen sicher<br />
nicht fehl in unserer Annahme,<br />
dass dann die Beteiligung der Gemeinde<br />
eine wesentlich höhere<br />
sein muss.<br />
Als gemeinnützige Unternehmer<br />
haben wir das Problem in Angriff<br />
genommen. Lassen Sie uns bitte<br />
die erforderliche Unterstützung<br />
angedeihen, zum Wohle und<br />
Nutzen der Jugend und damit<br />
zum Wohle und Nutzen der Gemeinde.“<br />
Dem Schreiben liegt ein Finanzierungsplan<br />
bei. Insgesamt wurde<br />
mit Kosten in Höhe von<br />
385.000 DM gerechnet. Diese<br />
wurden mit Fremdmitteln in Höhe<br />
von 80.000 DM, Zuschüssen<br />
für einen Grundausbildungslehrgang<br />
(21.000 DM), Bundesjugendplan<br />
(45.000 DM) und<br />
des Bayerischen Jugendrings<br />
(20.000 DM) sowie einem<br />
Staatsdarlehen von 91.000 DM<br />
finanziert. Als Eigenmittel wurden<br />
der Bauplatz mit 6.500 DM,<br />
ein Bankguthaben von 1.500 DM<br />
und zinslose Mitgliederdarlehen<br />
mit 12.000 DM sowie Amerikanische<br />
Hilfen in Höhe von<br />
30.000 DM eingebracht. Somit<br />
ergab sich für den Verein<br />
eine Finanzierungslücke von<br />
76.000 DM.<br />
Freude über<br />
Initiative<br />
Die Gemeinde Bobingen freute<br />
sich über die private Initiative.<br />
Bürgermeister Josef Hartmann<br />
bat seinerseits in mehreren<br />
Schreiben an verschiedene Ämter<br />
und Träger, das Bauvorhaben zu<br />
unterstützen. Selbst verpflichtete<br />
sich die Gemeinde, das benötigte<br />
Bauholz im Wert von etwa<br />
9.000 Euro kostenlos zu liefern.<br />
Mit dem Projekt sah sich die Gemeindeverwaltung<br />
mehrerer Probleme<br />
entledigt: zum einen sollten<br />
dringend benötigte Kindergartenplätze<br />
für die Arbeiter- und<br />
Bauernkinder, deren Mütter auf<br />
dem Feld oder in der Fabrik<br />
schufteten, entstehen. Zum anderen<br />
gab das Wohnheim gerade<br />
den Lehrlingen in der Industrie<br />
die Möglichkeit, nahe an den Arbeitsplatz<br />
zu ziehen, den Betrieben<br />
damit den benötigten Nachschub<br />
aus Auszubildenden und<br />
den Eltern die Gewissheit, dass<br />
ihre Kinder auch fern von zu<br />
Hause gut aufgehoben waren.<br />
Die Koch- und Nähschule, die<br />
zudem in den neuen Räumen untergebracht<br />
werden sollte, löste<br />
ebenfalls einige Probleme der Gemeinde.<br />
Die Nähstube war derzeit<br />
nämlich im Saal der Gastwirtschaft<br />
„Zur Krone“ untergebracht,<br />
den die Gemeinde gemietet<br />
hatte. Der Saal musste aber<br />
immer wieder ausgeräumt werden,<br />
sobald die Gastwirte ihn für<br />
ihren Betrieb benötigten. Der<br />
Kochunterricht fand in der<br />
Schulküche der Volksschule Bobingen<br />
statt, die zudem von der<br />
Volksschule und der Landwirtschaftlichen<br />
Berufsschule benutzt<br />
wurde. Auch keine dauerhafte<br />
Lösung für die Gemeinde, die<br />
deshalb das Vorhaben des Vereins<br />
aus diesen Gründen sehr begrüßte.<br />
Der Verein musste den Gemeinderat<br />
aber dann trotzdem noch<br />
bitten, die Gebühren für die Straßenanliegerkosten<br />
nicht zu verrechnen,<br />
sondern ebenfalls als<br />
Zuschuss zu genehmigen. Die<br />
Gebühren von 1.188 DM wurden<br />
schließlich unter folgenden Bedingungen<br />
übernommen: Die Finanzierung<br />
des Bauvorhabens<br />
musste sichergestellt sein. Die<br />
baupolizeiliche Genehmigung der<br />
Pläne musste vorliegen und das<br />
Jugendwohnheim und der Kin-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 23
KIRCHE<br />
Das Laurentiushaus nach seiner Fertigstellung als<br />
Kindergarten und Wohnheim. Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
dergarten mussten nach ihrer Fertigstellung<br />
der Allgemeinheit ohne<br />
Einschränkung zugute kommen.<br />
Wohnheim nur<br />
für Mädchen<br />
Als der Verein „Jugendzentrum<br />
Bobingen e.V.“ im Februar 1952<br />
beschloss, statt eines gemischten<br />
Wohnheims, ein Wohnheim nur<br />
für Mädchen einzurichten, verfolgte<br />
die Gemeinde diese Entscheidung<br />
mit großem Interesse<br />
und Wohlwollen. In einem<br />
Schreiben heißt es: „… Wir halten<br />
es für richtig, dass man sich<br />
entschloss, an Stelle eines gemischten<br />
Jugendwohnheimes ein<br />
Jugendwohnheim für Mädchen<br />
zu errichten, da die Gewerbeund<br />
Industriebetriebe der Gemeinde<br />
gerade für weibliche<br />
Lehrlinge und Jugendliche laufend<br />
Unterkunft und Wohnung<br />
suchen ... Viele Dieser jungen<br />
Menschen haben einen weiteren<br />
Anmarschweg zur Arbeitsstelle<br />
und würden es zusammen mit<br />
den Eltern sehr begrüßen, wenn<br />
sie in einem gut geführten Heim<br />
wohnen könnten, das ihnen das<br />
Elternhaus in den kritischen Entwicklungsjahren<br />
ersetzen könnte<br />
... Wir sind überzeugt, dass in<br />
den kommenden Jahren das Bedürfnis<br />
nach Wohnplätzen für<br />
weibliche Jugendliche noch bedeutend<br />
ansteigen wird, so dass<br />
mit einer guten Wirtschaftlichkeit<br />
des Heimes zu rechnen ist.“<br />
Das Projekt schritt gut voran und<br />
stand schon im Dezember 1953<br />
kurz vor seiner Eröffnung. Im<br />
Erdgeschoss befand sich ein vollständiger<br />
Kindergarten mit zwei<br />
großen Tagesräumen und einem<br />
Schlafsaal, getrennten Garderoben<br />
für Buben und Mädchen und<br />
den erforderlichen Nebenräumen.<br />
In den beiden Obergeschossen<br />
des Neubaus war ein Jugendwohnheim<br />
für Mädchen untergebracht,<br />
das 54 Lehrlingen, Jungarbeiterinnen<br />
oder Angestellten<br />
eine schöne Wohnung und ein<br />
gemütliches Heim bot. Das<br />
Wohnheim wurde auch zur Entlastung<br />
der drückenden Wohnungsnot<br />
betrachtet, die in Bobingen<br />
nach dem Krieg herrschte.<br />
Knapp 400.000 DM hatte das<br />
Bauprojekt insgesamt verschlungen.<br />
Im Dezember 1953 war bis<br />
auf 23.000 DM der gesamte Betrag<br />
finanziert. Der Verein trat<br />
deshalb nochmals an die Gemeinde<br />
Bobingen um Unterstützung<br />
heran.<br />
Nach der feierlichen Eröffnung<br />
am 30. Januar 1954 beschloss der<br />
Marktrat zudem, einen Betrag<br />
von 500 DM zur Gewährung von<br />
Freiplätzen an den Verein zu geben.Die<br />
Plätze sollten minderbemittelten<br />
Kindern der Marktgemeinde<br />
zustehen. Die Zuteilung<br />
der Freiplätze erfolgte durch das<br />
Fürsorgereferat der Marktgemeinde<br />
nach Prüfung der wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse des Antragstellers.<br />
An den Verein erging<br />
die Bitte der Gemeinde, dass<br />
„sollten ihnen Familien bekannt<br />
sein, die ihre Kinder gerne zum<br />
Kindergarten schicken würden,<br />
die finanzielle Belastung aber jedoch<br />
nicht tragen können,so bitten<br />
wir,diese Familie an das Fürsorgereferat<br />
der Marktgemeinde<br />
zu verweisen.“ Die Marktgemeinde<br />
werde dann nach Entscheidung<br />
der eingehenden Anträge<br />
im Einzelfalle mitteilen, ob und<br />
für welche Zeit die Kosten im<br />
Kindergarten durch die Marktgemeinde<br />
übernommen werden.Die<br />
kirchliche Weihe des Jugendwohnheims<br />
mit Kindergarten<br />
fand am 9. Februar 1954 durch<br />
Bischof Dr. Josef Freundorfer<br />
statt.<br />
Die monatliche Miete für ein<br />
Zimmer im Wohnheim betrug<br />
42 Mark, darin waren das Frühstück,<br />
sowie die Kosten für Zentralheizung,Wasser,Licht<br />
und die<br />
Benutzung der Gemeinschaftsräume<br />
inbegriffen.<br />
Anna Maria Mader<br />
Eine Frau, die das Projekt Kindergarten<br />
und Wohnheim sehr<br />
vorantrieb und als Mitbegründerin<br />
die Idee ins Rollen brachte,ist<br />
die Caritas Bezirksschwester Anna<br />
Maria Mader. Sie übernahm<br />
auch ab dem Jahr 1954 die Leitung<br />
des Hauses und war damit<br />
für rund 100 Kinder,die von zwei<br />
ausgebildeten Kinderschwestern<br />
betreut wurden und 54 Betten im<br />
Wohnheim zuständig. Daneben<br />
sorgte Anna Maria Mader dafür,<br />
dass immer wieder Kinder in Bobingen<br />
untergebracht werden<br />
konnten. Schon am 6. Juli 1954<br />
schrieb sie an Bürgermeister Josef<br />
Hartmann: „Durch Rundfunk<br />
und Presse wird um Unterbringung<br />
von Kindern aus Ost- und<br />
Westberlin gebeten. Da die Unterbringung<br />
in den großen Ferien<br />
sein soll, dies aber für unsere<br />
Landwirte die dringendste Arbeitszeit<br />
ist, ist es diesem Kreis<br />
nicht möglich, den Kindern die<br />
nötige Aufsicht zu gewähren.<br />
Nach Rücksprache mit verschiedenen<br />
maßgebenden Personen,<br />
sind wir übereingekommen,ungefähr<br />
25 Kinder im Jugendheim<br />
unterzubringen. Meine Dienststelle<br />
in Augsburg würde sich mit<br />
50% der Kosten beteiligen. Die<br />
anderen 50% sollen durch freiwillige<br />
Spenden aufgebracht werden.<br />
Um die Kinder richtig zu versorgen,<br />
ist ein Tagessatz von 4 DM<br />
notwendig. Für 25 Kinder in<br />
35 Tagen zusammen 3.500 DM.“<br />
Anna Maria Mader bat damit die<br />
Marktgemeinde und auch die Direktion<br />
der Fabrik um Hilfe. Da<br />
die freiwilligen Zuschüsse (die<br />
Ein Zimmer im Wohnheim.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Der Aufenthaltsraum im Wohnheim.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Raum für den Kindergarten nach der<br />
Eröffnung. Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
24 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
KIRCHE<br />
KIRCHE<br />
GelebtesWir-Gefühl<br />
Geschichte(n) werden von Menschen gemacht. Und sie entstehen<br />
meistens bei gemeinsamen Projekten und Begegnungen. Welche dies<br />
in der Katholischen Pfarrei St. Felizitas in Bobingen sind, haben wir<br />
Stadtpfarrer und Dekan Thomas Rauch gefragt.<br />
Von Anja Fischer<br />
BG: In unserer Kirchengeschichte<br />
geht es um das Laurentiushaus.Wie<br />
wichtig ist das Laurentiushaus für<br />
diePfarreiSt.Felizitas?<br />
Pfarrer Rauch: Für das gemeindliche<br />
Leben ist es sehr wichtig!<br />
Viele Gruppen der Pfarrei sind<br />
dort beheimatet und so steht das<br />
Laurentiushaus in gewisser Weise<br />
für die Lebendigkeit,Vielfalt und<br />
Vitalität unserer Pfarrgemeinde.<br />
Vor allem aber ist es ein Ort der<br />
gelebten christlichen Gemeinschaft.<br />
BG: Lebendige Pfarrgemeinde –<br />
wie sieht das in Zeiten von KirchenaustritteninBobingenaus?<br />
Pfarrer Rauch: Leider haben wir<br />
tatsächlich auch viele Kirchenaustritte.Gleichzeitig<br />
ist die Lebendigkeit<br />
in der Pfarrei aber wirklich<br />
sehr, sehr hoch. Hunderte von Ehrenamtlichen<br />
sind in unserer Pfarrei<br />
in den verschiedensten Bereichen<br />
tätig. Im Vorfeld der Pastoralvisitation,<br />
zu der Weihbischof Anton<br />
Losinger im letzten Jahr in unsere<br />
Pfarrei gekommen ist, haben wir ja<br />
einen intensiven Blick auf unsere<br />
Pfarrgemeinde geworfen.Eines der<br />
schönen Ergebnisse war, dass das<br />
ehrenamtliche Engagement bei uns<br />
von ca.400 Personen getragen wird.<br />
Eine wirklich beachtliche Zahl! Ich<br />
kann in keinster Weise einen Rückgang<br />
des ehrenamtlichen Engagements<br />
feststellen – eher sogar eine<br />
Zunahme! Interessant in diesem<br />
Zusammenhang ist vielleicht auch,<br />
dass von den Menschen,die aus der<br />
Kirche austreten mir als Pfarrer die<br />
allerwenigsten bekannt sind: das<br />
war so in meinen Landsberger Jahren<br />
und ist jetzt so in Bobingen.<br />
Anders gesagt: Wer die Gemeinschaft<br />
in der Pfarrgemeinde wirklich<br />
verspürt,eine Bindung hat (die<br />
natürlich abgestuft ist!), tritt nur<br />
ganz selten aus der Kirche aus.<br />
Sind wir also froh über die hohe Pfarrer Thomas Rauch.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
26 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
KIRCHE<br />
Lebendigkeit des kirchlichen Lebens<br />
in unserer Pfarrei. Das Wir-<br />
Gefühl und die Identifikation<br />
sind in der Tat sehr hoch.<br />
BG: Eine Zunahme beim Ehrenamt?<br />
Wie zeigt sich das?<br />
Pfarrer Rauch: Einige Beispiele:<br />
Die Zahl unserer Ensembles,<br />
Musikgruppen und allgemein derer,<br />
die im kirchenmusikalischen<br />
Bereich tätig sind, hat in den letzten<br />
Jahren eher zugenommen.<br />
Gleiches gilt für die Zahl der Ministranten,<br />
sowie für unsere Kolpingjugend.<br />
Jahr für Jahr finden<br />
sich viele Frauen (und zum Teil<br />
auch Männer), die bei der Kommunionvorbereitung<br />
mitarbeiten.<br />
Viele sind einfach auch bereit,<br />
punktuell mitzuarbeiten und sich<br />
entsprechend zu engagieren. So<br />
ist mir um die Zukunft unserer<br />
Pfarrgemeinde hier in Bobingen<br />
in keinster Weise bange. Erfreulich<br />
ist, dass wir gerade im Familiengottesdienst<br />
sehr viele Familien<br />
mit Kindern haben.<br />
BG: Was muss eine Pfarrei tun, um<br />
zukunftsfähig zu bleiben?<br />
Pfarrer Rauch: Entscheidend ist<br />
zunächst, dass wir als Christen<br />
von der Wahrheit und Schönheit<br />
unseres Glaubens durchdrungen<br />
und überzeugt sind – und dass<br />
wir dies auch leben! Die drei<br />
Grunddienste des kirchlichen Lebens<br />
sind Diakonie, Verkündigung<br />
und Liturgie. Diese gilt es<br />
jeden Tag neu mit Leidenschaft,<br />
Freude, Ausdauer und Schwung,<br />
mit Leben zu erfüllen. Wichtig ist<br />
auch, dass man sich von Enttäuschungen,<br />
die es selbstverständlich<br />
auch gibt, nicht irre machen<br />
lässt. In Beharrlichkeit und Beständigkeit<br />
den Glauben leben –<br />
und vor allem mit einem großen<br />
Gottvertrauen! So sind wir ohne<br />
Frage zukunftsfähig.<br />
BG: Ein Pfarrer muss heutzutage<br />
nicht mehr nur Seelsorger sein, sondern<br />
gut wirtschaften können. Wie<br />
erschwert das den Pfarrerberuf?<br />
Pfarrer Rauch: Zunächst einmal<br />
ist dieses Phänomen nicht neu:<br />
schon zur Zeit von Papst Gregor<br />
dem Großen (590–604) gab es<br />
diesbezüglich Klagen … Spaß<br />
beiseite, zum Pfarrerdienst gehört<br />
von Anfang an dreierlei: das Hirtenamt<br />
(Seelsorger sein), das<br />
Lehramt (den Glauben verkünden)<br />
und eben auch das Leitungsamt.<br />
Und mit dem Leitungsamt<br />
sind natürlich auch Verwaltungsaufgaben<br />
verbunden. Dieser Aufgabe<br />
muss man sich als Pfarrer<br />
stellen: manchmal ist es schon<br />
mühsam und kostet Zeit und<br />
Nerven; gleichzeitig kann man<br />
sich sehr oft ja auch über schöne<br />
Ergebnisse freuen. Außerdem<br />
möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich<br />
betonen: als Pfarrer ist<br />
man kein Einzelkämpfer – das<br />
würde keinesfalls gehen und wäre<br />
auch nicht im Sinne Jesu! – sondern<br />
hat viele haupt- und ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter. Wir haben<br />
hier in unserer Pfarrei eine sehr<br />
engagierte Kirchenverwaltung sowie<br />
ein ausgezeichnet arbeitendes<br />
Pfarrbüro, weshalb ich persönlich<br />
die angesprochene Verwaltungsarbeit<br />
nicht über die Maßen belastend<br />
empfinde. Gleichzeitig<br />
bleibt natürlich das ständige Dilemma<br />
für uns Pfarrer, dass die<br />
Seelsorge letztlich „ein Fass ohne<br />
Boden“ ist. Anders gesagt: jeden<br />
Tag hätte ich gerne mehr Zeit für<br />
die ganz konkrete Einzelseelsorge<br />
(Kranke besuchen, mich bei<br />
Menschen melden, die große Sorgen<br />
haben ...). Hier komme ich<br />
oft zeitlich an meine Grenzen<br />
und versuche mir aber gleichzeitig<br />
immer zu sagen, der erste und<br />
eigentliche Seelsorger in der Gemeinde<br />
ist Jesus selber und ihm<br />
vertraue ich jeden Tag im Gebet<br />
die Menschen in unserer Pfarrgemeinde<br />
an. Denn eine der Hauptaufgaben<br />
von uns Pfarrern ist ja<br />
auch der Gebetsdienst und die<br />
Feier der Heiligen Messe, die<br />
Quelle und Höhepunkt des<br />
kirchlichen Lebens ist!<br />
BG: In der Heiligen Messe „wetterte“<br />
der Pfarrer früher oft von der<br />
Kanzel. Hätten Sie dazu manchmal<br />
auch Lust?<br />
Pfarrer Rauch (schmunzelt): Nein<br />
– wirklich nicht, nicht zuletzt<br />
schon aus dem praktischen<br />
Grund, dass ich auf den meisten<br />
Kanzeln aufgrund meiner Größe<br />
nicht aufrecht stehen könnte …!<br />
Wobei ich aber nicht ausschließen<br />
möchte, dass ich auch als Pfarrer<br />
manchmal „narrisch“ bin … Man<br />
ist ja auch nur ein Mensch! Aber<br />
„wettern“ – das ist wirklich nicht<br />
meine Art!<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 27
STRASSENNAMEN<br />
STRASSEN, DIE SCHON IMMER ZUM ORT GEHÖRTEN<br />
Wolfsgäßchen,Hochstiftweg,<br />
Zehentweg<br />
Wolfsgäßchen, Hochstiftweg und Zehentweg sind die Namen von<br />
drei kurzen Wegen, die alle eine Verbindung zwischen Hochstraße<br />
und Römerstraße, zwei der wichtigsten Straßen Bobingens, darstellen.<br />
Wie sie zu ihren Namen gekommen sind ist unterschiedlich und<br />
manchmal hatten die Wege auch schon etliche andere Bezeichnungen<br />
vor ihrer heutigen Benennung. Gemeinsam aber ist ihnen, dass alle<br />
Wege schon sehr alt sind und damit praktisch schon immer zum Ort<br />
gehörten.<br />
wurde,stand ein <strong>Bobinger</strong> Brandbrunnen.<br />
Die Legende erzählt, in<br />
strengen Wintern seien die Wölfe<br />
hier auf diesem Weg von den nahegelegenen<br />
Wertachauen bis an<br />
den Dorfrand gekommen, hätten<br />
geheult und sich dort nach leichter<br />
Beute umgesehen.Wann allerdings<br />
der letzte (oder überhaupt<br />
ein) Wolf hier gesichtet worden<br />
sein soll,ist nicht bekannt.<br />
Das Wolfsgässchen heute von der Hochstraße an.<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
Auf einer alten Panorama-Karte<br />
jedenfalls ist ersichtlich, dass sich<br />
in längst vergangenen Zeiten tatsächlich<br />
Stauden von derWertach<br />
bis zur Singold erstreckten. Das<br />
macht die Erklärung nachvollziehbar,<br />
dass sich in besonders<br />
rauhen Wintern, wenn es in den<br />
Wäldern nichts zu jagen gab, tatsächlich<br />
hungrige Tiere hier bis<br />
an den Dorfrand wagten.<br />
Von Anja Fischer<br />
Zwischen Römerstraße und<br />
Hochstraße war es schon immer<br />
wichtig, kurze Verbindungen zu<br />
haben.Eine der wichtigsten Verbindungen<br />
ist heute noch das<br />
Wolfsgäßchen,das seinen Anfang<br />
beim Kreisverkehr vor der Metzgerei<br />
Naumann hat und bis in die<br />
Point führt.<br />
Bei der Einführung der Straßennamen<br />
1938 ist das Wolfsgäßchen<br />
bereits als solches erwähnt.<br />
Es führte damals aus den Schwettinger<br />
Wiesen (heute Point) über<br />
die Singold ins Dorf.<br />
Am Krautgartengraben,der durch<br />
die äußere Brücke überschritten<br />
Das Wolfsgässchen mit Blick in Richtung Point.<br />
28 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
STRASSENNAMEN<br />
Wolfsgässchen Nr. 11 (alte Aufnahme). Im Hintergrund<br />
ist noch keine Point-Bebauung. Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Die Singoldbrücke im Wolfsgässchen 1981.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Das Wolfsgässchen mit Blick über die Singoldbrücke<br />
Richtung Mittleres Schlösschen. Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Helmut Gröbl<br />
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Die Singoldbrücke im Wolfsgässchen heute. Bild: Anja Fischer<br />
Hochstiftweg<br />
Der Hochstiftweg wurde seit jeher<br />
in Bobingen als „Schlossberg“<br />
bezeichnet.Er führte zum Mittleren<br />
Schlösschen, das angeblich<br />
dem Fürstbischof von Augsburg<br />
zeitweise als Sommerresidenz<br />
diente und deshalb 1630 zu diesem<br />
Zweck errichtet wurde.<br />
Diese Überlieferung kann aber<br />
nicht zweifelsfrei bewiesen werden.<br />
Durch die Eingemeindung<br />
von Straßberg am 1.7.1972 gab es<br />
aber plötzlich zwei Straßen mit<br />
der Bezeichnung„Schlossberg“.<br />
Da das Straßberger Schloss aus<br />
historischen Gründen eine besondere<br />
Bedeutung für die Gemeinde<br />
Straßberg darstellte, wurde be-<br />
40 Jahre<br />
Versicherungsmakler<br />
Gröbl<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 29
STRASSENNAMEN<br />
Das Gebäude Zehentweg 3,<br />
alte Aufnahme.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
schlossen, den Straßennamen in<br />
Straßberg beizubehalten.<br />
Ein neuer Name für den <strong>Bobinger</strong><br />
Schlossberg wurde gesucht<br />
und im „Hochstiftweg“ gefunden.<br />
Die Begründung: Bobingen gehörte<br />
zum Hochstift Augsburg<br />
und wurde von einem hochstiftischen<br />
Oberpfleger regiert. Wenigstens<br />
einer dieser Pfleger<br />
nahm Quartier im Mittleren<br />
Schlösschen und führte seine Geschäfte<br />
von dort aus. Deshalb hat<br />
die Bezeichnung „Hochstiftweg“<br />
durchaus ihre Berechtigung.<br />
Zehentweg<br />
Eine weitere Verbindungsstraße<br />
ist der Zehentweg, der neben der<br />
Raiffeisenbank hinunter zur Römerstraße<br />
führt. Der Zehentweg<br />
hieß früher „Lerchenweg“.Als es<br />
ab 1972 wegen der Eingemeindungen<br />
von Straßberg,Reinhartshausen,<br />
Waldberg und Kreuzanger<br />
notwendig wurde,einige Straßennamen<br />
aufgrund von Doppelbenennungen<br />
umzuwidmen, wurden<br />
auch einige kleinere „Schönheitsfehler“<br />
korrigiert.<br />
Weiter geht’s zum Hochstiftweg.<br />
Ein neuer Name für den kleinen<br />
Weg zwischen Hoch- und Römerstraße<br />
musste nun gefunden<br />
werden. Die Geschichte bot hier<br />
einen passenden Vorschlag, denn<br />
der Weg führte früher zum ehemaligen<br />
domkapitelschen Zehentstadel,<br />
der in der Römerstraße<br />
27 angesiedelt war.<br />
Der Zehent oder Zehnt ist der<br />
ursprünglich zehnteTeil eines Ertrages<br />
aus dem vergebenen Lehen,<br />
der an den Lehengeber (das<br />
Domkapitel) abzugeben war und<br />
im Zehentstadel vorübergehend<br />
deponiert wurde.<br />
Gässele“,weil dort besonders viele<br />
Kuh- und Ochsengespanne<br />
durchfuhren. Und da blieben<br />
eben Spuren auf dem Weg zurück.<br />
Quellen:<br />
StadtarchivBobingen<br />
Dr.Schäfer–Beiträge<br />
zurHeimatgeschichte<br />
GeorgFritz<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
So wurde der Lerchenweg wie alle<br />
anderen Straßen mit Vogelnamen<br />
künftig der Vogelsiedlung<br />
zugeordnet.<br />
Noch ein wenig früher, vor<br />
Einführung der Straßennamen,<br />
hatte der Weg übrigens den unrühmlichen<br />
Namen „Kuhdreck-<br />
Wer diesen Weg entlang geht, kommt zum Mittleren<br />
Schlösschen (gelbes Gebäude).<br />
So verläuft der Zehentweg weiter Richtung Römerstraße.<br />
Der Zehentweg entspringt bei der Raiffeisenbank.<br />
30 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
SCHULE<br />
SCHULGESCHICHTE<br />
RealschuleBobingen(Teil1)<br />
1955 wurde in Bobingen eine Staatliche Mittelschule für Knaben und<br />
Mädchen gegründet, die 1965 nach mehrmaligen Umzügen in<br />
verschiedene Gebäude innerhalb des Ortes in die Staatliche Realschule<br />
umbenannt wurde. Im 1973/74 neu gebauten Gebäude am<br />
Willi-Ohlendorf-Weg hat die Realschule schließlich ihr endgültiges<br />
Domizil gefunden. Heuer feiert die Realschule ihr 60jähriges<br />
Gründungsjubiläum.<br />
Von Anja Fischer<br />
Vor der Gründung der Staatlichen<br />
Mittelschule Bobingen, wie<br />
die damalige Bezeichnung der<br />
Realschule lautete, gab es einige<br />
Turbulenzen und eine große Auseinandersetzung<br />
mit der Nachbarstadt<br />
Schwabmünchen. Dabei<br />
begann alles ganz harmlos:<br />
Am 10. Juni 1952 stellte der Gemeinderat<br />
und spätere Ehrenbürger<br />
Dr.Josef Jaufmann einen Antrag<br />
auf Errichtung einer Mittelschule<br />
im Gemeinderat. Knapp<br />
einen Monat später, am 8. Juli<br />
1952 beschloss dieser, dem Antrag<br />
zu folgen und beim Bayerischen<br />
Kultusministerium eine<br />
Mittelschule für Bobingen zu beantragen.<br />
Schon vier Tage später<br />
ging der Antrag für eine Knaben-<br />
Mittelschule einmal direkt an das<br />
Bayerische Kultusministerium<br />
und einmal auf dem Dienstweg<br />
über das Landratsamt Schwabmünchen<br />
ebenfalls an das Ministerium.<br />
Eine Weile tat sich dann<br />
nichts mehr.Schon damals mahlten<br />
die Mühlen der Verwaltung<br />
meist eher gemächlich. Im März<br />
1953,also fast ein Dreivierteljahr<br />
später, fragte die Regierung von<br />
Schwaben beim Landratsamt<br />
Schwabmünchen nach,ob Bobingen<br />
auch über das Amt einen Antrag<br />
gestellt hat und wie dieser<br />
dort beurteilt wird. Im Rahmen<br />
der Beurteilung gab es eine Anfrage<br />
in Bobingen, ob der direkt<br />
eingereichte Antrag weiter aufrechterhalten<br />
wird.<br />
Ein erneuter Antrag mit allen<br />
Unterlagen und Nachweisen wurde<br />
am 17. April 1953 an das<br />
Landratsamt Schwabmünchen<br />
gestellt. Drei Wochen später erfolgte<br />
diesmal eine persönliche<br />
Aussprache mit Regierungsrat<br />
Die Staatliche Realschule Bobingen heute.<br />
Schub in Augsburg, um die Stellungnahme<br />
der Regierung von<br />
Schwaben zum Antrag festzulegen.<br />
Doch im laufenden Jahr<br />
fehlten dem Landtag die Mittel,<br />
um eine weitere Mittelschule zu<br />
errichten. Das wurde der Marktgemeinde<br />
Bobingen am 6.August<br />
1953 mitgeteilt. Die Genehmigung<br />
des Antrages war damit in<br />
diesem Haushaltsjahr nicht mehr<br />
möglich.<br />
Kommt die<br />
Mittelschule?<br />
Als das Bayerische Kultusministerium<br />
am 31. Mai 1954 in Aussicht<br />
stellte, eine Mittelschule ab<br />
September 1954 für das Schuljahr<br />
1954/55 zu genehmigen und die<br />
Marktgemeinde gleichzeitig aufforderte,<br />
zum einen Anmeldungen<br />
für eine Schulaufnahme entgegenzunehmen<br />
und zum anderen<br />
Aufnahmeprüfungen vorzubereiten,<br />
schien alles in bester<br />
Ordnung zu sein. In Bobingen<br />
freute man sich und bedankte sich<br />
mit einem Schreiben an das Kultusministerium<br />
für die Zuteilung<br />
der Mittelschule. Gleichzeitig erklärte<br />
die Marktgemeinde sich<br />
bereit, die notwendigen Räume<br />
bereitzustellen und die Sachkosten<br />
zu übernehmen.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Es schien alles wunderbar zu sein<br />
und bestens zu laufen. Allein die<br />
Schwabmünchner Nachbarn hätten<br />
nun ihrerseits gerne eine eigene<br />
Mittelschule gehabt. Deshalb<br />
besuchte am 4. Juni 1954 eine<br />
Delegation der Stadt Schwabmünchen<br />
mit dem dortigen<br />
Landrat Erzberger den Kultusminister<br />
Dr.Schwalber in München,<br />
um für die Errichtung der geplanten<br />
Mittelschule in Schwabmünchen<br />
zu intervenieren. Von<br />
da ab überschlugen sich die Ereignisse<br />
und so manches harsche<br />
Wort fiel in dem Streit um die<br />
Mittelschule zwischen den beiden<br />
Städten Bobingen und Schwabmünchen.<br />
In Bobingen fand am<br />
15. Juni 1954 eine Bürgerversammlung<br />
statt, um das Volk<br />
noch einmal für den Schulplan zu<br />
mobilisieren.Die Gründe für eine<br />
Mittelschule in Bobingen wurden<br />
wie folgt zusammengefasst:<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 31
SCHULE<br />
- gleichlautende Vorschläge von<br />
Mitgliedern der Schulpflegschaft<br />
und vielen Eltern der Gemeinde<br />
- die Überfüllung der Mittel- und<br />
Oberschulen in Augsburg, die es<br />
unmöglich machen,dort ein Kind<br />
unterzubringen<br />
- das generelle Fehlen einer Knabenmittelschule<br />
in Augsburg<br />
- und das besonders starke Interesse<br />
für eine Mittelschule in Bobingen<br />
als Industriestandort.<br />
Das Einzugsgebiet erstreckte sich<br />
dabei bis nach Schwabmünchen,<br />
in die Stauden und nach Oberottmarshausen<br />
bis Klosterlechfeld.<br />
Bobingen sah sich als Verkehrsknotenpunkt<br />
der Eisenbahnlinien<br />
Augsburg-Buchloe und Augsburg-Kaufering-Landsberg<br />
in<br />
günstiger Lage.Auch die Sonderbuslinien<br />
in die umliegenden<br />
Ortschaften für die Arbeiter der<br />
Farbwerke Hoechst setzte der Ort<br />
auf seine Plusseite.<br />
Bobingen<br />
imVorteil?<br />
In einer Zusammenstellung für<br />
die Bürgerversammlung befand<br />
die Gemeinde: „… Die örtlichen<br />
Voraussetzungen für eine Mittelschule<br />
sind in Bobingen durch die<br />
Struktur des Ortes gegeben.<br />
Nicht die rein landwirtschaftlichen<br />
Gemeinden sind die Hauptinteressenten<br />
einer Mittelschule,<br />
sondern die gewerblich und industriell<br />
orientierten Orte. Das<br />
sind im Landkreis Schwabmünchen<br />
die Orte an der Hochstraße<br />
und an der Bundesstraße 17.<br />
Wenn für diese Gemeinden der<br />
Mittelschulsitz verkehrsmäßig<br />
günstig liegt, so ist die Schule an<br />
den rechten Ort gelegt. Für die<br />
Landwirtschaftsschule war<br />
Schwabmünchen zweifellos der<br />
rechte Sitz und man hat auch von<br />
Seiten Bobingens dem damaligen<br />
Projekt zugestimmt,obwohl es eine<br />
finanzielle Last für den Landkreis<br />
und damit für Bobingen bedeutete.<br />
Die <strong>Bobinger</strong> Landwirtschaftsschüler<br />
waren früher in<br />
Augsburg an der Schule und hätten<br />
das auch weiterhin gekonnt.<br />
Bobingen hat dem Projekt<br />
Schwabmünchen aber keinen<br />
Widerstand entgegengesetzt,weil<br />
es nachbarliches Verständnis für<br />
diese Belange hatte. Leider lässt<br />
Die Zeitung konnte über die endgültige Entscheidung<br />
berichten.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
sich jetzt das gleiche Verständnis<br />
Schwabmünchens vermissen …“<br />
In diesem Ton geht die Auflistung<br />
noch mehrere Seiten weiter.<br />
Als es dabei zur Antwort auf die<br />
Gegenargumente Schwabmünchens<br />
kommt,werden die Formulierungen<br />
sogar noch ein wenig<br />
schärfer. So heißt es auf das Argument,<br />
Schwabmünchner Eltern<br />
würden ihre Kinder nicht auf einer<br />
<strong>Bobinger</strong> Mittelschule anmelden:„…Es<br />
wurde behauptet,dass<br />
es unwahrscheinlich sei, dass die<br />
Schwabmünchner Eltern ihre<br />
Kinder nach Bobingen zur Mittelschule<br />
schicken.Wir finden das<br />
gar nicht unwahrscheinlich,denn<br />
wir haben bereits die ersten Anmeldungen<br />
Schwabmünchner Eltern<br />
vorliegen.Wir finden es auch<br />
nicht unwahrscheinlich, dass die<br />
<strong>Bobinger</strong> Landwirtssöhne die<br />
Landwirtschaftsschule in<br />
Schwabmünchen besuchen.Wenn<br />
die Schwabmünchner Kinder bisher<br />
nach Augsburg fahren konnten,so<br />
können sie zweifellos auch<br />
nach Bobingen kommen. Es wird<br />
damit Schwabmünchen keine<br />
Perle aus der Krone fallen. Wir<br />
müssen auch zu jeder Gelegenheit<br />
nach Schwabmünchen, obwohl<br />
wir einwohnermäßig genau so<br />
groß sind …“ Aufs Schärfste verwahrte<br />
sich Bobingen gegen den<br />
Vorwurf, die Genehmigung zur<br />
Mittelschule nur aufgrund von<br />
persönlichen Beziehungen bekommen<br />
zu haben. „… Das sind<br />
Tatsachen, über die auch das Ministerium<br />
nicht hinwegsehen<br />
konnte. Sie haben mit persönlichen<br />
Beziehungen nichts zu tun.<br />
Wir freuen uns aber, dass wir einen<br />
rührigen Schulreferenten im<br />
Marktrat haben, der mit großem<br />
Eifer die Gründung der Mittelschule<br />
besorgt. Dieser Eifer<br />
konnte auch anderen Orts entwickelt<br />
werden. Wenn er nicht entwickelt<br />
wurde, so ist es unserer<br />
Meinung nach nicht Nachlässigkeit<br />
der Nachbarstadt gewesen,<br />
sondern die klare Überzeugung,<br />
dass man zur Zeit dieselben Voraussetzungen<br />
für die Mittelschule<br />
aus finanziellen Gründen nicht<br />
bieten kann. Man soll dann aber<br />
nicht missgünstig und neidisch<br />
sein, sondern sich darüber freuen,<br />
dass der Landkreis zum Zuge<br />
kam. Der heraufbeschworene<br />
Streit könnte nämlich die unangenehme<br />
Auswirkung haben,dass<br />
das Kultusministerium die genehmigte<br />
Schule in einen anderen<br />
Landkreis legt, wo man in diesen<br />
Fragen verträglicher ist …"<br />
Schwabmünchen<br />
interveniert<br />
Schwabmünchen intervenierte<br />
mit allen verfügbaren Mitteln gegen<br />
die Entscheidung aus München<br />
und schreckte auch vor<br />
halblegalen Methoden nicht zurück.<br />
Um den eigenen Antrag zu<br />
untermauern und Bobingens<br />
Zwischenlösung eines Schulstarts<br />
im „Haus der Bäuerin“ (Unteres<br />
Schlösschen) möglichst schlecht<br />
dastehen zu lassen,schreckte man<br />
auch nicht zurück, heimlich dort<br />
zu fotografieren. Der <strong>Bobinger</strong><br />
Marktrat verwahrte sich dagegen<br />
mit folgendem Schreiben: „Wie<br />
wir durch polizeiliche Ergebung<br />
festgestellt haben,machten sie am<br />
2.7.1955 im „Haus der Bäuerin“<br />
in Bobingen Aufnahmen.Die anwesende<br />
Hausverwalterin Frau<br />
Seelos hat ihr Vorgehen nicht<br />
verhindert,weil Sie von einer Erlaubnis<br />
der Markverwaltung für<br />
Bei einer Bürgerversammlung wurde die Mittelschulproblematik<br />
auf der Bühne so dargestellt. Foto: Foto Hirche<br />
32 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
SCHULE<br />
die Schwäbische Landeszeitung<br />
sprachen. Eine Erlaubnis der<br />
Marktverwaltung lag nicht vor.<br />
Ein Auftrag von Seiten der<br />
Schwäbischen Landeszeitung ist<br />
ebenfalls nicht an sie ergangen.<br />
Damit ist einwandfrei der Tatbestand<br />
eines Hausfriedensbruches<br />
und einer widerrechtlichen<br />
Handlung in unseren Räumen<br />
gegeben …“ Leider ist nicht bekannt,<br />
wer damals unerlaubt fotografiert<br />
hat.<br />
Um die Sache doch noch klar für<br />
Bobingen zu entscheiden, besuchte<br />
eine Delegation am 9. Juli 1955<br />
den Bayerischen Ministerpräsidenten<br />
Hoegner. Mit dabei waren<br />
der 2. Bürgermeister Alois Häring,<br />
Marktrat Schäffer und<br />
Oberinspektor Albert Amann.<br />
Das Protokoll des Besuchs lautete<br />
wie folgt: „Der Ministerpräsident<br />
empfing die Abordnung pünktlich<br />
und ließ sich zunächst den<br />
Sachverhalt berichten. Dabei<br />
wurde ihm erklärt, dass Bobingen<br />
nun schon zum zweiten Male die<br />
Schule zugesprochen bekam und<br />
durch die Einwendungen<br />
Schwabmünchens erneut Gefahr<br />
läuft, sie nicht zu bekommen.<br />
Ferner, dass von Bobingen eine<br />
Volksschule und die Bereitstellung<br />
von Lehrerwohnungen als<br />
Voraussetzung für die Genehmigung<br />
der Mittelschule verlangt<br />
wurden, was bei Schwabmünchen<br />
nicht der Fall war. Hingewiesen<br />
wurde weiter auf die Industrie<br />
und die vielen Heimatvertriebenen,<br />
die bei der Mittelschulfrage<br />
stark interessiert sind. Auch die<br />
unberechtigte Verwendung von<br />
Fotos aus dem „Haus der Bäuerin“<br />
durch die Stadt Schwabmünchen<br />
bei ihrer Vorsprache beim<br />
Kultusminister wurde erwähnt. Es<br />
wurde weiter betont, dass zunächst<br />
wohl nur eine Klasse zustande<br />
kommt, dass es doch paradox<br />
wäre, diese Klasse als Zweigstelle<br />
in Bobingen zu eröffnen,<br />
wenn es noch gar keine Hauptstelle<br />
in Schwabmünchen gibt.<br />
Auch die Tatsache, dass am<br />
11.7.1955 die Prüfungen stattfinden<br />
und dass die Eltern und die<br />
ganze Bevölkerung empört sind<br />
über die unklare Haltung des<br />
Kultusministeriums wurde ihm<br />
berichtet.<br />
Der Ministerpräsident sagte dazu,<br />
dass er die Gründe verstehe und<br />
die Lage der Mittelschule für Bobingen<br />
für richtig halte. Er ist für<br />
Dezentralisierung. Wenn schon<br />
alle Ämter und die Landwirtschaftsschule<br />
in Schwabmünchen<br />
liegen, dann sei es durchaus zu<br />
vertreten, dass die Mittelschule<br />
nach Bobingen kommt. Er will in<br />
diesem Sinne mit dem Kultusminister<br />
Rücksprache halten.“<br />
Endgültiger<br />
Entschluss für<br />
Bobingen<br />
Die Schwäbische Landeszeitung<br />
vom 6.8.1955 konnte dann endlich<br />
berichten, dass die Mittelschulfrage<br />
endgültig entschieden<br />
worden war. Bobingen erhielt den<br />
Hauptsitz der Mittelschule – und<br />
Schwabmünchen eine Nebenstelle.<br />
„Diese Entscheidung ist nunmehr<br />
endgültig, nicht mehr anfechtbar<br />
und setzt den Schlußstrich<br />
unter das jahrelange Tauziehen<br />
in dieser Sache.“<br />
Am Donnerstag, 1. September<br />
1955 wurde die Staatliche Mittelschule<br />
Bobingen eröffnet und als<br />
„ein bedeutendes Ereignis in der<br />
Schulgeschichte des Marktes“ gefeiert.<br />
Schon in der Predigt von<br />
Hochwürden Herr Benefiziat<br />
Bauer hieß es, dass dies ein Tag<br />
der Freude für alle Männer des<br />
Marktes sein werde, die um die<br />
Mittelschule Bobingen gerungen<br />
und gekämpft haben. Es sei aber<br />
auch ein Tag der Freude für die<br />
Erzieher, welche an dieser neuen<br />
Schuleinrichtung wirken und vor<br />
allem für die Schüler, die als erste<br />
Klasse die neue Schule besuchen<br />
dürfen. Es sei ein langer Talweg<br />
gewesen, so der Benefiziat, nun<br />
aber beginne der steile Weg zum<br />
Gipfel, welcher für die Schüler<br />
das Erreichen des Schulzieles sei.<br />
Nicht nur zum größeren Wissen<br />
solle die Arbeit der Mittelschule<br />
aber führen, sondern auch der Tugend<br />
den Weg bereiten.<br />
Die ersten Unterrichtsstunden<br />
fanden im „Haus der Bäuerin“<br />
(heute Unteres Schlösschen) statt,<br />
wo die Feier fortgeführt wurde.<br />
Besondere Gäste waren der<br />
Landrat Erzberger, der Leiter der<br />
Mittelschule, Direktor Baur, Mittelschullehrer<br />
Thomä, der amtierende<br />
Schulrat Rektor Mayr und<br />
Herr Dipl.-Ing. Clamroth von<br />
den Farbwerken Hoechst. Alle<br />
überbrachten ihre Glückwünsche<br />
zur Schuleröffnung, die „für<br />
Heizungstausch -online kalkuliert,<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 33
SCHULE<br />
Das erste Domizil der damaligen Mittelschule: das Haus<br />
der Bäuerin. Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Bobingens Entwicklung von<br />
nicht geringer Bedeutung sei.“<br />
Mit dem Besuch der Mittelschule<br />
wäre eine örtliche Gelegenheit<br />
geschaffen, sich über das Volksschulziel<br />
hinaus zu bilden und<br />
neue Berufsmöglichkeiten zu erschließen.Die<br />
Aufgabe der Schule<br />
sei es nun, gediegenes fachliches<br />
Wissen zu vermitteln und<br />
die Ausbildung ihrer Schüler zu<br />
lebenstüchtigen Bürgern anzustreben.Aber<br />
auch die Erziehung<br />
zum edlen Menschen, der fähig<br />
sei,das Wahre und Schöne zu suchen<br />
und zu finden und in seiner<br />
Seele zu bewahren, sei eine ihrer<br />
Aufgaben. „So wollen wir das<br />
Werk beginnen, mit froher Bereitschaft,<br />
mit der ganzen Kraft<br />
unseres Herzens und wollen Gott<br />
bitten, dass er unsere Arbeit segne.“<br />
Feierliche<br />
Schuleröffnung<br />
Hauptschule (neu wieder Mittelschule)<br />
untergebracht.<br />
Interessant ist ein Blick in den<br />
ersten Jahresbericht der Staatlichen<br />
Mittelschule Bobingen.<br />
Dort steht geschrieben: „Im Laufe<br />
der Sommermonate des Jahres<br />
1955 ordnete das Bayerische<br />
Staatministerium für Unterricht<br />
und Kultus in zwei Entschließungen<br />
die Errichtung einer Mittelschule<br />
in Bobingen und einer dazugehörigen<br />
Zweigstelle in<br />
Schwabmünchen an. Damit begann<br />
an beiden Orten eine fieberhafte<br />
Tätigkeit: Anmeldungen<br />
waren entgegenzunehmen, Aufnahmeprüfungen<br />
vorzubereiten,<br />
behelfsmäßige Räume bereitzustellen,Schulmöbel<br />
und die ersten<br />
dringendsten Lehr- und Lernmittel<br />
zu beschaffen.“<br />
Es war sicher einiges vorzubereiten<br />
und zu organisieren, um die<br />
neue Schulform in Bobingen heimisch<br />
werden zu lassen. Mittelschullehrer<br />
Lothar Baur von der<br />
Mittelschule Kaufbeuren wurde<br />
schließlich am 27.August mit der<br />
Aufgabe betraut, Bobingen bei<br />
der Schuleinrichtung zu helfen.<br />
Der zweite Lehrer, der als hauptamtliche<br />
Lehrkraft nach Bobingen<br />
berufen wurde, war Mittelschullehrer<br />
Erich Thomä aus<br />
München-Pasing.<br />
Die beiden Fachlehrer hatten viel<br />
zu tun: sie mussten zunächst den<br />
Unterricht in vierzehn verschiedenen<br />
Fächern an beiden Schulorten<br />
meistern. Der Unterricht<br />
wurde in täglichemWechsel stundenplanmäßig<br />
erteilt. Erst am<br />
27. September kam eine dritte<br />
Lehrkraft, Ingeborg Ullmann, an<br />
die neue Schule.<br />
Deren Direktorat war in einem<br />
Zimmerchen im damaligen Rathaus<br />
untergebracht. Bereits im<br />
ersten Jahr nahm die neue Mittelschule<br />
Buben und Mädchen auf –<br />
allerdings in getrennten Klassen.<br />
Die 51 Jungen waren im „Haus<br />
der Bäuerin“ untergebracht und<br />
mussten in den kleinen Zimmern<br />
eng zusammenrücken. Die Mädchenklasse<br />
war in Schwabmünchen<br />
angesiedelt und hatte ebenfalls<br />
nur provisorische Räume zur<br />
Verfügung.<br />
Die Lehrer stöhnten schwer unter<br />
der Aufgabe, neben der ohnehin<br />
oft schon komplizierten Stundenplaneinteilung<br />
auch noch die<br />
räumliche Trennung zu bewältigen.<br />
Man darf nicht vergessen:<br />
1955 konnte sich ein Lehrer keineswegs<br />
ein eigenes Auto leisten.<br />
Die Strecke Bobingen – Schwabmünchen<br />
musste mit Bus und<br />
Bahn oder bei schönem Wetter<br />
im Sommer und Lust auf sportliche<br />
Betätigung mit dem Fahrrad<br />
bewältigt werden!<br />
Da gingen jeden Tag kostbare<br />
Stunden verloren. Auch die Lehrer<br />
aus der Volksschule, die im<br />
Laufe der Zeit für nebenamtlichen<br />
Unterricht eingesetzt wurden,nahmen<br />
die Strecke auf sich.<br />
Umzug in<br />
neue Räume<br />
Lehrer und Schüler atmeten auf,<br />
als sie am 3. Dezember 1955<br />
Ein paar Monate später, im Dezember<br />
1955, konnte die neugegründete<br />
Schule in die Räume der<br />
landwirtschaftlichen Berufsschule<br />
in der Pestalozzistraße umziehen<br />
(heute Laurentiusgrundschule).<br />
Doch die Stadt Bobingen baute<br />
bereits an neuen Räumen, einem<br />
eigenen Gebäude für die Mittelschule.<br />
Heute ist darin die<br />
Das erste Klassenzimmer im Haus der Bäuerin. Es wurde schon Englisch unterrichtet.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
34 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
SCHULE<br />
Der Neubau der Mittelschule. Links im Hintergrund ist<br />
das Übergangsgebäude an der Pestalozzistraße (heute<br />
Laurentiusgrundschule) zu sehen. Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Pausen gab es auch an der Mittelschule, hier im Hof des<br />
Unteren Schlösschens.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
in die hellen, großen Räume der<br />
Landwirtschaftlichen Berufsschule<br />
einen eigenen Flügel der neuerbauten<br />
Knabenschule Bobingen,<br />
umziehen konnten.<br />
Die Verwaltung der damaligen<br />
Marktgemeinde Bobingen mit<br />
Bürgermeister Alois Häring und<br />
Amtsschreiber Amann tat alles in<br />
ihrer Macht Stehende, um der<br />
neuen Schulform zu helfen.<br />
Schließlich war man froh, so ein<br />
Schulangebot im Ort zu haben.<br />
In friedlicher Nachbarschaft mit<br />
der Volksschule gab es das erste<br />
ruhige Arbeiten und die Aussicht<br />
auf ein neues Schulhaus in nächster<br />
Nähe. Noch waren die Bauarbeiten<br />
auf dem „schönen großen<br />
Platz an der Pestalozzistraße, den<br />
die Marktgemeinde für die Mittelschule<br />
erworben hat“, nicht abgeschlossen.<br />
Der Schule fehlte der<br />
Physiksaal und ein Raum für den<br />
Schreibmaschinenunterricht.<br />
Erst im Herbst 1957 konnte die<br />
bis dahin dreistufig ausgebaute<br />
Mittelschule in ihr endgültiges<br />
Heim ziehen.<br />
Die Unterrichtsfächer an der<br />
Mittelschule waren:<br />
- Religionslehre<br />
- Deutsche Sprache<br />
- Geschichte und Sozialkunde<br />
- Erdkunde<br />
- Englisch<br />
- Musik und Leibesübungen.<br />
Diese Fächer wurden sowohl in<br />
den Knaben- als auch in den<br />
Mädchenklassen unterrichtet.<br />
Während die Knaben zusätzlich<br />
Stunden in Mathematik und<br />
Physik bekamen, wurde bei den<br />
Mädchen Rechnen und Buchführung<br />
sowie Erziehungs- und Familienkunde<br />
unterrichtet.<br />
Höhere Bildung<br />
angestrebt<br />
Die Mittelschule war aber schon<br />
damals als eigenständige Bildungseinrichtung<br />
für die Vermittlung<br />
allgemeiner Bildung und die<br />
„praktische Vorbereitung des jungen<br />
Menschen auf den sich anbahnenden<br />
Beruf in mittlerer und<br />
gehobener Stellung der Wirtschaft,<br />
Industrie,Verwaltung und<br />
sozialen Gebietes“ ausgelegt. Sie<br />
sah und sieht sich also als vorbereitende<br />
Schule für ein Berufsleben.<br />
„Im Gegensatz zur höheren<br />
Schule, die den theoretisch überdurchschnittlich<br />
Begabten zur<br />
Hochschulreife führt und im Gegensatz<br />
zur Volksschule, die den<br />
Grundstock der Bildung vermittelt<br />
und aus ihren Abschlussklassen<br />
den mehr praktisch Begabten<br />
ins Leben entlässt … ist die Mittelschule<br />
eine allgemeinbildende<br />
Schule, die bei aller reichen Fächerung<br />
der berufsvorbereitenden<br />
Unterrichtsgegenstände deren inneren<br />
Zusammenhang im Interesse<br />
der Bildung der Gesamtpersönlichkeit<br />
ganz bewusst erstrebt.“<br />
Deshalb gibt es an der Mittelschule<br />
Wahlpflichtfächergruppen,<br />
um dem Schüler die Möglichkeit<br />
zu geben, sein Berufsziel besser zu<br />
finden. Es gab für Jungen und<br />
Mädchen jeweils einen wirtschaftlichen<br />
und einen gewerblichen<br />
Zweig. Der wirtschaftskundliche<br />
Zweig beinhaltete als<br />
Pflichtfächer wie Buchführung,<br />
Wirtschaftslehre und Schriftverkehr,<br />
Kurzschrift, Maschinenschreiben,<br />
Handarbeit, Kochen<br />
und Hausarbeit. Und als Wahlfach<br />
Französisch, Zeichnen,<br />
Werkunterricht, Instrumentalunterricht,<br />
Kunstschrift und Plakatschreiben<br />
oder Mathematik. Wer<br />
eher die gewerbliche Richtung<br />
einschlagen wollte, hatte gleich<br />
Zeichnen, Werkunterricht sowie<br />
Wirtschaftskunde und Schriftverkehr.<br />
Diese Schüler konnten sich<br />
ebenfalls für die genannten Wahlfächer<br />
entscheiden. Vor Beginn<br />
des ersten Schuljahres war für den<br />
ersten Jahrgang der Knaben die<br />
wirtschaftskundliche, für Mädchen<br />
die gewerblich-technische<br />
Richtung festgelegt worden. Weil<br />
aber alle Mädchen als Wahlfach<br />
Kurzschrift belegten, entschied<br />
sich die Schulleitung, diese Klasse<br />
mit dem nächsten Schuljahr in<br />
die wirtschaftskundliche Richtung<br />
umzuwandeln. Die Mittelschule<br />
dauerte drei Jahre und endete<br />
mit den Abschlussprüfungen.<br />
Das Zeugnis beinhaltete den Vermerk:<br />
„Dieses Zeugnis schließt<br />
das Zeugnis der Mittleren Reife<br />
mit ein.“<br />
Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe<br />
mehr zur Geschichte der Realschule<br />
von der Zeit in der heutigen<br />
Hauptschule über den Neubau am<br />
Willi-Ohlendorf-Weg bis heute.<br />
Quellen:<br />
Stadtarchiv Bobingen<br />
Georg Fritz<br />
Manfred<br />
<strong>Bobinger</strong><br />
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86399 Bobingen<br />
Telefon 08234 41655<br />
Fax 08234 41656<br />
Manfred@<strong>Bobinger</strong>-net.de<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 35
WIRTSCHAFT<br />
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AllesausHolz!<br />
Die Schreinerei <strong>Bobinger</strong> ist seit vielen Jahren ein Traditionsbetrieb<br />
in Bobingen. Schreinermeister Manfred <strong>Bobinger</strong> und seine<br />
Frau Carola sorgen dafür, dass aus einem einfachen Stück Holz ein<br />
wunderbares Möbelstück wird. Dabei stehen Kreativität und<br />
Kundenwunsch an erster Stelle.<br />
In seiner Werkstatt legt Manfred<br />
<strong>Bobinger</strong> viel Wert darauf, alle<br />
Kundenwünsche zu deren optimaler<br />
Zufriedenheit umzusetzen.<br />
„Mir ist es das Wichtigste, dass<br />
der Kunde hinterher zufrieden<br />
ist“, betont er. Um direkt am<br />
Kunden sein zu können, arbeitet<br />
<strong>Bobinger</strong> deshalb allein in seiner<br />
gut ausgerüsteten Schreinerei.<br />
„Ich lege sehr viel Wert darauf,<br />
aufzuspüren, was der Kunde eigentlich<br />
will und versuche dann,<br />
diese Vorstellung hinterher bestmöglich<br />
umzusetzen“, beschreibt<br />
er seine Arbeit. Der Schreinermeister<br />
nimmt sich Zeit, unterschiedlichen<br />
Vorstellungen und<br />
Ideen nachzuspüren und so das<br />
optimale Möbelstück für seine<br />
Kunden zu finden.Das ist sicherlich<br />
auch ein Grund,warum viele<br />
Kunden immer wieder kommen.<br />
Seine Kunden sind Schreinermeister Manfred <strong>Bobinger</strong> wichtig.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Sein Markenzeichen:<br />
Vielseitigkeit<br />
Von Anja Fischer<br />
„Alles aus Holz!“ hat sich Manfred<br />
<strong>Bobinger</strong> als Slogan gewählt<br />
und das nicht ohne Grund:„Holz<br />
ist einfach ein toller Werkstoff“,<br />
begeistert sich der Schreinermeister.„Holz<br />
ist vielseitig einsetzbar,<br />
man kann tolle Dinge damit gestalten<br />
und weil kein Baum gleich<br />
ist, sieht jedes Werkstück ein wenig<br />
anders aus.“<br />
Die Begeisterung für die Arbeit<br />
mit Holz hat Manfred <strong>Bobinger</strong><br />
von seinem Vater mitbekommen.<br />
„Mein Vater war auch Schreinermeister<br />
und arbeitete mit Holz,<br />
zudem hatte er die Schnitzerei als<br />
großes Hobby“,erzählt er.„Schon<br />
als Kinder haben meine Geschwister<br />
und ich da immer zugesehen<br />
und auch ausprobiert.“<br />
Manfred <strong>Bobinger</strong> blieb die Leidenschaft<br />
für die Arbeit mit den<br />
Händen und den formbaren natürlichenWerkstoff.Am<br />
Holz begeistert<br />
ihn,„dass jedes Stück sowohl<br />
beim Verarbeiten als auch<br />
später als fertiges Produkt einfach<br />
warm ist. Und durch die unterschiedliche<br />
Maserung wird jedes<br />
Stück ein Unikat.“<br />
Kreativität<br />
ist gefragt<br />
Möbel fertigt Manfred <strong>Bobinger</strong><br />
selbstverständlich nach Maß und<br />
nach dem individuellen Wunsch<br />
seiner Kunden.Auf dem Computer<br />
werden die Möbelstücke vorab<br />
gezeichnet, so kann jeder sehen,<br />
wie beispielsweise die fertige Küche<br />
am Ende aussehen wird. Für<br />
die Beratung und das ausführliche<br />
Kundengespräch nimmt sich der<br />
Schreinermeister viel Zeit. So<br />
wird jedes Möbelstück zu etwas<br />
ganz Besonderem. Gerne setzt<br />
Manfred <strong>Bobinger</strong> auch eigene<br />
kreative Ideen um, wie beispielsweise<br />
die Rundholz-Sitzbank vor<br />
dem katholischen Pfarrhaus in<br />
Bobingen.<br />
Oder er wagt sich an ungewöhnliche<br />
Projekte.Eines davon ist der<br />
Ausbau eines Anhängers zum<br />
modernen Streetfood-Stand, an<br />
dem frische Burger mit Zutaten<br />
aus der Region verkauft werden<br />
können. Doch ganz egal ob<br />
Wohnzimmerschrank,Küchenregal<br />
oder Büroeinrichtung – die<br />
Schreinerei <strong>Bobinger</strong> ist für alle<br />
Einrichtungsgegenstände rund<br />
ums Haus der richtige Ansprechpartner.<br />
Bewusst bietet Manfred <strong>Bobinger</strong><br />
in seiner Schreinerei alles an,das<br />
aus Holz gefertigt werden kann.<br />
„Ich habe mich nicht auf ein Produkt<br />
spezialisiert,weil ich meinen<br />
Kunden gerne in allen Fragen<br />
rund um Möbel aus Holz ein passender<br />
Ansprechpartner sein<br />
will“, sagt <strong>Bobinger</strong>. „Bis auf<br />
Fenster und Haustüren kann ich<br />
deshalb alles anbieten, was die<br />
Kunden sich wünschen.“ Er finde<br />
es schön,so der Schreinermeister,<br />
bei allen Problemen helfen zu<br />
können.Wer so viel mit Holz arbeitet,<br />
hat selbstverständlich auch<br />
eine Lieblingsholzart:„Sehr gerne<br />
verarbeite ich Esche“, lacht Manfred<br />
<strong>Bobinger</strong>.„Aber auch darauf<br />
will ich mich nicht festlegen.Was<br />
der Kunde sich wünscht und was<br />
zu ihm passt, wird in meiner<br />
Werkstatt verarbeitet.“<br />
36 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
HOBBY<br />
AUS DER NATUR<br />
VomTurmfalkenbiszumUhu<br />
Greifvögeln gehört die Leidenschaft von Rupert Reichinger. Er betreibt<br />
seit Jahren eine kleine Auffang- und Pflegestation für Greifvögel im<br />
Garten seines Wohnhauses in der Greifstraße. Rund 80 Tieren hat<br />
er dort schon geholfen und konnte sie wieder in die Freiheit entlassen.<br />
Von Anja Fischer<br />
Als Rupert Reichinger zum ersten<br />
Mal einen jungen Greifvogel<br />
in den Händen hielt,war er gerade<br />
einmal zwölf oder dreizehn<br />
Jahre alt.„Mein damaliger Freund<br />
Alois Hartmann brachte einen<br />
jungen Mäusebussard mit“, erinnert<br />
er sich.„Der hatte noch gar<br />
keine Federn.“ Die beiden Jungen<br />
wollten das Tier aufziehen – aber<br />
wie? „Wir wussten nicht viel, außer<br />
dass ein Mäusebussard Mäuse<br />
frisst“, lacht Rupert Reichinger.<br />
„Also sind wir auf Mäusejagd gegangen:<br />
mit der Gießkanne<br />
machten wir uns auf den Weg<br />
zum Schwettinger Graben,da gab<br />
es jede Menge davon.Wir gossen<br />
Wasser in die Löcher und als die<br />
Mäuse rauskamen, haben wir sie<br />
geschnappt.“ Diese wurden dann<br />
an den jungen Bussard verfüttert.<br />
Erst in kleinen Stückchen,später<br />
als ganze Maus. Der Plan ging<br />
auf.„Wir haben den Vogel großgezogen,<br />
bis er fliegen konnte“,<br />
berichtet Reichinger.„Als wir ihn<br />
fliegen ließen,stieg er hoch in die<br />
Lüfte, bis er nur noch ein ganz<br />
Ein Wanderfalke.<br />
Bild: Rupert Reichinger<br />
Rupert Reichinger mit einem Turmfalken, den er vor einigen Monaten in die Freiheit entließ.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
kleiner Punkt am Himmel war.“<br />
Der Mäusebussard verabschiedete<br />
sich noch nicht ganz von seinen<br />
Pflegern. Etwa sechs Wochen<br />
lang kam er jeden Morgen und<br />
jeden Abend wieder und holte<br />
sich seine Ration Futter ab.„Vor<br />
Hier eine Kreuzung:<br />
Ein Luger-Lanner-Falke.<br />
Bild: Rupert Reichinger<br />
der Schule ging es nach draußen,<br />
dann haben wir gepfiffen und der<br />
Vogel kam zur Fütterung“, erinnert<br />
sich Reichinger. „Und am<br />
Abend dann dasselbe Spiel.“ Irgendwann<br />
blieb dasTier trotz der<br />
anfänglichen Anhänglichkeit aber<br />
ganz weg. Doch Rupert Reichingers<br />
Leidenschaft für Vögel überhaupt<br />
und Greifvögel im Besonderen<br />
war geboren. Es ist eine<br />
Liebe,die ihn bis heute nicht loslässt.<br />
Auffang- und<br />
Pflegestation<br />
„Wir haben als Jugendliche auch<br />
junge Elstern und Raben großgezogen“,<br />
erzählt er. Dann kamen<br />
die erstenTurmfalken.Richtig los<br />
ging es aber erst,als die Familie in<br />
das Haus in der Greifstraße zog,<br />
in dem sich auch der Friseursalon<br />
Reichinger befindet, den heute<br />
Sohn Andreas betreibt. Hier gab<br />
es Platz genug, um dem Hobby<br />
nachzugehen und eine „Auffangund<br />
Pflegestation für Greife und<br />
Falken“ einzurichten. Denn Rupert<br />
Reichinger hat seine Leidenschaft<br />
für Greifvögel auf sichere<br />
Füße gestellt und seine Arbeit<br />
vom Landratsamt genehmigen<br />
und überprüfen lassen.„Es wurde<br />
geschaut,ob die Volieren groß genug<br />
sind und ob eine artgerechte<br />
Haltung für die Tiere möglich<br />
ist“,berichtet der Vogelfachmann,<br />
der damit einen ganzen Ordner<br />
voller Verordnungen und Vorschriften<br />
befolgen muss. Immer<br />
wieder hat er in den letzten Jahrzehnten<br />
die verschiedensten<br />
Greifvögel gepflegt und wieder<br />
aufgepäppelt.<br />
Die Tiere bekommt er zum Teil<br />
von Polizei,Tierärzten und Feuerwehr,<br />
die wissen, dass es seine<br />
Auffangstation gibt, zum Teil<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016 37
HOBBY<br />
Rupert Reichinger mit einem Roten Milan auf der Hand.<br />
Dieser kam vom Tierheim Augsburg. Bild: Rupert Reichinger<br />
Bei der Fütterung.<br />
Bild: Rupert Reichinger<br />
aber auch vom Augsburger Tierheim.„Wenn<br />
sich dort niemand<br />
vom Personal findet,der sich mit<br />
Greifvögeln auskennt, dann geben<br />
sie Tiere an mich weiter“,<br />
sagt Reichinger. So bekam er vor<br />
zwei Jahren im gleichen Jahr<br />
zwei junge Waldkäuze und einen<br />
Turmfalken. „Früher bekam ich<br />
auch regelmäßig Tiere von der<br />
Brauerei Deuringer“, erinnert<br />
sich Reichinger. „Dort brüteten<br />
immer Turmfalken und ab und<br />
zu fiel eben einer aus dem Nest.“<br />
Einmal kamen Jungtiere von dort<br />
nach einem Hagelsturm zu ihm.<br />
Sie seien patschnass gewesen,<br />
sagt der gelernte Friseurmeister.<br />
„Sie konnten nicht mehr fliegen.<br />
Ich habe sie dann über Nacht in<br />
der Voliere untergebracht und<br />
am nächsten Tag, als sie wieder<br />
trocken waren,wieder zurück zur<br />
Brauerei getragen.“ Dort warf er<br />
die Jungtiere hoch,damit sie auf<br />
das nächste Dach flattern konnten.<br />
Die jungen Turmfalken waren<br />
zwar schon flügge, aber die<br />
Eltern waren noch da und fütterten<br />
sie wieder weiter.„Die betteln<br />
dann schon so lange,bis sie etwas<br />
kriegen.“ Eine schnelle Rettungsaktion.<br />
Nicht immer aber<br />
geht es so schnell und so glimpflich<br />
aus.<br />
Hilfe<br />
beiVerletzungen<br />
Wenn Rupert Reichinger einen<br />
verletzten Vogel bekommt,schaut<br />
er erst einmal nach, ob das Tier<br />
offensichtliche Verletzungen,<br />
Brüche oder Ähnliches hat.<br />
„Dann gehe ich mit ihm zum<br />
Tierarzt und lasse ihn dort untersuchen“,<br />
erzählt er. „Wenn wir<br />
beide zu dem Schluss kommen,<br />
dass er wieder für die Freiheit<br />
tauglich werden kann,päppele ich<br />
das Tier auf. Sonst wird es vom<br />
Tierarzt eingeschläfert.“ Meist ist<br />
das bei inneren Verletzungen nötig.<br />
Knochenbrüche heilen bei<br />
Vögeln eigentlich recht gut, erzählt<br />
der 80jährige. „Ist ein Knochen<br />
gebrochen, wird er geschient.Das<br />
kann auch schon mal<br />
mit zwei Wattestäbchen als<br />
Schiene geschehen.So ein Vogelknochen<br />
ist ja recht dünn. Dann<br />
ist das Wichtigste den Vogel ruhig<br />
zu halten. „Am besten hält<br />
man sie dann im Halbdunkel in<br />
einem Schuppen“, weiß Reichinger.<br />
„Es dauert aber schon etwa<br />
vier Wochen, bis der Knochen<br />
wieder zusammengewachsen ist.“<br />
Nach verletzten Tieren sieht er<br />
mehrmals am Tag,zum Teil sogar<br />
stündlich.<br />
„Gerade bei Tieren, die nach einem<br />
Autounfall kommen oder die<br />
gegen eine Scheibe geflogen sind,<br />
kann man sich in den ersten Tagen<br />
nie sicher sein, dass sie auch<br />
wirklich durchkommen“,weiß der<br />
Experte.„Äußerlich sieht man ihnen<br />
vielleicht gar nichts an. Aber<br />
durch den Aufprall können sie innere<br />
Verletzungen erlitten haben<br />
und liegen dann ein, zwei Tage<br />
später tot in der Voliere.“ Da<br />
kann dann auch der benachbarte<br />
Tierarzt nicht viel ausrichten.<br />
Volieren für alle<br />
(Not-)fälle<br />
Nimmt Reichinger einen Greif<br />
auf, wird das notiert. Zwischendurch<br />
fordert dann das Landratsamt<br />
immer wieder Berichte über<br />
seine Arbeit an.<br />
Ein verletzter Greifvogel wird mit Wundspray behandelt.<br />
Bild: Rupert Reichinger<br />
So hat auch Rupert Reichinger<br />
einen guten Überblick über seine<br />
aufgenommenen Tiere. Etwa 80<br />
Greifvögel hat er in den letzten<br />
Jahrzehnten wieder aufgepäppelt<br />
und freigelassen. Darunter waren<br />
neben Mäusebussarden und<br />
Turmfalken auch Waldkäuze,rote<br />
und schwarze Milane,Sperber,eine<br />
Schleiereule und eine Wacholderdrossel.<br />
Und eine Dreizehen-<br />
Möwe, die ihm erst im letzten<br />
Sommer gebracht wurde. Ein<br />
schwarzer Milan ist Dauergast bei<br />
Rupert Reichinger geworden.<br />
„Der ist auf einem Auge blind<br />
und kann nicht mehr gut sehen“,<br />
erzählt er.„Wenn ich ihn auswildern<br />
würde, hätte er keine Chance!“<br />
So darf dasTier bei ihm bleiben<br />
und wird gut versorgt. Bei<br />
schönem Wetter darf der schwarze<br />
Milan sogar auf einen Ansitz<br />
in den Garten und sich denWind<br />
durch die Schwingen wehen lassen.„Wir<br />
hatten auch schon mal<br />
38 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
HOBBY<br />
Den Falkenkasten hat Rupert Reichinger selbst gebaut.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Er muss hoch oben aufgehängt werden. Das geht nur mit<br />
Hilfe der Feuerwehr.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
einen Fuchs als Notfall“, lacht<br />
Reichinger. „Aber auf Füchse sind<br />
wir nun mal nicht eingerichtet.<br />
Sobald es ihm nur ein bisschen<br />
besser ging, hat er sich unter dem<br />
Gehege in die Freiheit durchgegraben<br />
und ist verschwunden.“<br />
Auf Greifvögel ist der Experte<br />
aber sehr gut eingerichtet. Er hat<br />
Volieren in verschiedenen Größen<br />
für sie, da verletzte Tiere sich<br />
nicht viel bewegen dürfen. In dieser<br />
Zeit werden sie in engeren<br />
Käfigen gehalten. Für Eulen und<br />
Uhus gibt es im angrenzenden<br />
Anbau einen Käfig, denn die<br />
nachtaktiven Tiere möchten es<br />
am Tag gerne etwas dunkel haben.<br />
Sperber, Bussarde und andere<br />
Greife finden in einer großen Voliere<br />
im Garten Unterschlupf,<br />
meist in abgetrennten Abteilen,<br />
denn nicht jeder Greifvogel harmoniert<br />
mit einem anderen Besucher.<br />
„Wichtig ist, dass die Vögel<br />
verschiedene Sitzmöglichkeiten<br />
angeboten bekommen“, weiß Reichinger.<br />
Selbstverständlich müssen<br />
die Volieren regelmäßig sauber<br />
gemacht werden.<br />
Eintagsküken<br />
als Futter<br />
Und dann ist ja da noch die Frage,<br />
nach dem Futter. Schließlich<br />
kann Rupert Reichinger heute<br />
nicht mehr täglich mit der Gießkanne<br />
auf Mäusejagd gehen. „Ich<br />
bekomme das meiste Futter von<br />
einer Fabrik, die auch für Tiergärten<br />
und Zoos Futter anbietet“,<br />
berichtet Reichinger. „Im Normalfall<br />
sind das gefrorene Eintagsküken.“<br />
Doch nicht jeder Vogel<br />
frisst sie gleich: Sperber sind<br />
sehr empfindlich, wenn das<br />
Fleisch schon ein wenig liegt. Sie<br />
fressen nur ganz frische Sachen.<br />
Milane sind da einfacher zu halten.<br />
„Die nehmen in der Natur ja<br />
auch Aas auf. Theoretisch könnte<br />
für sie das Fleisch schon älter sein<br />
und stinken. So etwas würde ein<br />
Sperber niemals fressen.“<br />
Schwierig ist es auch, verletzte<br />
Tiere zu füttern: Greifvögel sind<br />
es gewohnt, auf der Maus zu ste-<br />
In Büchern liegt die Seele<br />
aller gewesenen Zeit.<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 39
HOBBY<br />
hen, diese mit den Krallen festzuhalten<br />
und dann kleine Stücke<br />
davon abzureißen. Sie sind es<br />
nicht gewöhnt, gefüttert zu werden.<br />
„Verletzte Vögel nehmen am<br />
Anfang meist nichts an“, berichtet<br />
Reichinger. „Erst wenn sie richtig<br />
Hunger haben, nehmen sie das<br />
Futter.“ Normalerweise mache es<br />
den Tieren nichts aus, ein oder<br />
zwei Tage nichts zu fressen zu bekommen.<br />
In der Natur finden sie<br />
aufgrund der Witterung oder des<br />
Futterangebots auch nicht jeden<br />
Tag etwas. Nehmen die Tiere allerdings<br />
nach zwei Tagen noch<br />
nichts, kann es kritisch werden.<br />
WERBEVERLAG<br />
Wenn Rupert Reichinger Jungvögel<br />
großzieht, schneidet er die<br />
Eintagsküken in ganz kleine<br />
Stückchen, wie es die Altvögel<br />
eben auch tun würden. Dann<br />
reicht er den Kleinen die Stückchen<br />
mit der Pinzette, zumindest<br />
so lange sie noch Flaum tragen.<br />
Später,wenn die Vögel gut auf ihren<br />
Beinen stehen können, bekommen<br />
sie das Futter hingelegt<br />
und fressen es selbst. „Natürlich<br />
könnte ich die Tiere auch dazu<br />
bringen, mir aus der Hand zu<br />
fressen“, weiß der Friseurmeister.<br />
„Sie würden dann ganz handzahm<br />
werden. Aber ich möchte<br />
die Tiere ja wieder aussetzen, deshalb<br />
werden sie zwar gefüttert,<br />
aber nicht gewöhnt.“ Schließlich<br />
sollen die Vögel für ihr weiteres<br />
Leben ihre natürliche Scheu gegenüber<br />
dem Menschen nicht<br />
verlieren und wie bisher alleine<br />
zurechtkommen können.<br />
Zurück in die<br />
Freiheit<br />
Wirschreiben nichtnur Geschichte(n) ...!<br />
Diese Falkendame hat Rupert<br />
Reichinger über den letzten<br />
Winter gepflegt.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Wenn die Tiere dann wieder gesund<br />
sind, lässt Rupert Reichinger<br />
sie frei. „Wenn ich die Vögel in<br />
der Voliere fliegen lasse, merke<br />
ich am kraftvollen Absprung, ob<br />
sie wieder so weit sind“, erzählt<br />
der erfahrene Experte. Manchmal<br />
lassen es ihn die Vögel auch direkt<br />
wissen. „Nach einem Autounfall<br />
bekam ich eine Schleiereule.<br />
Als ich die wieder auswildern<br />
wollte, brachte ich sie wieder in<br />
die Nähe der Unfallstelle zurück.<br />
Sie ist aber nur ein paar Meter<br />
gehüpft und nicht weggeflogen –<br />
sie war einfach noch nicht so<br />
weit.“ Reichinger nahm das Tier<br />
dann noch einmal mit nach Hause<br />
und päppelte es weitere vier<br />
Wochen auf. Beim nächsten Versuch<br />
flog die Schleiereule dann<br />
auch in die Freiheit.<br />
„Es ist schon ein tolles Gefühl,<br />
wenn man so ein Tier, welches<br />
man verletzt bekommen hat, wieder<br />
fliegen lassen kann“, sagt Rupert<br />
Reichinger mit Ehrfurcht.<br />
Ein wenig wehmütig sei man da<br />
zwar schon, immerhin habe man<br />
manche Tiere ja mehrere Monate<br />
gepflegt, aber „ein Greifvogel gehört<br />
nun einmal in die Luft!“ Seine<br />
Lieblingsvögel sind dabei die<br />
Sperber, „weil die so rasant fliegen<br />
bei der Jagd!“ Das aber koste sie<br />
auch oft das Leben: „Wenn sie<br />
beispielsweise im vollen Flug in<br />
Fensterscheiben fliegen.“<br />
Auch außerhalb seiner Auffangund<br />
Pflegestation setzt sich Rupert<br />
Reichinger für die Vögel ein.<br />
Schon öfter hat er Nistkästen für<br />
Turmfalken gebaut und hoch<br />
oben an Gebäuden und Maschinenhallen<br />
montiert. Auch am <strong>Bobinger</strong><br />
Wasserturm hängt ein solcher<br />
Nistkasten. Regelmäßig brüten<br />
dort Turmfalken. Das freut<br />
Rupert Reichinger am allermeisten<br />
und wird von ihm und seiner<br />
Frau Erna stets gerne beobachtet.<br />
„Von unserer Wohnung aus haben<br />
wir einen direkten Blick auf den<br />
Kasten“, schmunzelt Reichinger<br />
und deutet auf ein großes Fernglas,<br />
das schon auf dem Fensterbrett<br />
für die Falkenbeobachtung<br />
bereitsteht. „Von meinem Stammplatz<br />
am Esstisch aus habe ich<br />
freie Sicht auf den Nistkasten. Ich<br />
könnte den Vögeln stundenlang<br />
zusehen.“ Zumindest wenn ihm<br />
seine anderen Hobbys wie der<br />
Garten und das wöchentliche Singen<br />
im Friseurchor Zeit dazu lassen.<br />
Seine fünf Hühner, fünf<br />
Wachteln und zwei Tauben wollen<br />
ebenfalls versorgt werden. Und<br />
wenn wieder ein verletzter Greifvogel<br />
gebracht wird, steht natürlich<br />
dessen Pflege an erster Stelle!<br />
Schade ist es nur, dass man nicht<br />
weiß, was aus den gesund gepflegten<br />
Tieren wird. Paaren sie sich<br />
und ziehen ein Nest voller Küken<br />
groß? Fliegen sie weiter weg oder<br />
bleiben sie in der Nähe? „Es wäre<br />
schon schön, wenn man das nachvollziehen<br />
könnte“, sagt Rupert<br />
Reichinger. Zwar werden die<br />
Waldkäuze, Bussarde und Turmfalken,<br />
die er wieder freilässt von<br />
ihm vorher beringt, doch nur einmal<br />
kam es bisher dadurch zu einer<br />
Rückmeldung. „Von einem<br />
Turmfalken, den ich beringt und<br />
wieder freigelassen habe, wissen<br />
wir, dass er bei Oberottmarshausen<br />
in einen Zug flog“, erzählt<br />
Reichinger. Er seinerseits habe die<br />
Ringnummer einer zu ihm gebrachten<br />
toten Schleiereule weitergeben<br />
können. „Die Eule wurde<br />
im Tiefen Tal gefunden und durch<br />
die Ringnummer erfuhr ich von<br />
der Vogelwarte Radolfzell, dass sie<br />
L Geschichte(n)<br />
echhauser<br />
LHISTORISCHES, AKTUELLES, WISSENSWERTES UND AMÜSANTES AUS LECHHAUSEN<br />
KULTUR<br />
RÜCKBLICKE<br />
23<br />
Juli<br />
2014<br />
€ 3.–<br />
Joe Ittner erinnert<br />
sich an die US<br />
Army Seite 10<br />
NACHGEFRAGT<br />
Kirchenchor und Orchester der Pfarrei<br />
St. Pankratius: Anspruchsvolle Musik Seite 39<br />
Fliegenfischen made<br />
in Lechhausen<br />
Seite 43<br />
LEBENSLINIEN<br />
HOBBY KIRCHE<br />
Kinder atmen Zauberluft<br />
Seite 25<br />
Jetzt löst er die Fesseln und lässt sie fliegen. Bild: Anja Fischer<br />
40 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016
HOBBY<br />
Bobo beim Landeanflug auf den Tisch. Bild: Rupert Reichinger<br />
Uhu Bobo als Küken.<br />
im Juni bei Baden-Baden beringt<br />
worden war.“ Theoretisch bestünde<br />
die Möglichkeit, die Tiere mit<br />
Sendern zu beringen und mit einem<br />
Peilgerät herauszufinden,<br />
wohin es sie treibt. Aber das sei<br />
sehr teuer und ihm zudem zu viel<br />
Aufwand. „Das fange ich nicht<br />
mehr an!“ Wenn aber wieder ein<br />
verletzter Vogel seine Hilfe<br />
braucht, ist Reichinger gerne zur<br />
Stelle. „So lange ich das noch machen<br />
kann, mache ich es auch!“ ist<br />
er sich sicher. „Ich brauche halt<br />
auch einfach immer etwas, um das<br />
ich mich kümmern kann!“ Ein<br />
Glück für die Greifvögel!<br />
Bild: Rupert Reichinger<br />
Streicheleinheiten<br />
für Uhu Bobo<br />
Ein besonderes Erlebnis hatte<br />
Rupert Reichinger als ihm von einem<br />
Freund ein junger Uhu zur<br />
Aufzucht überlassen wurde. „Der<br />
Freund hatte ein Uhupaar“, erzählt<br />
er. „Das legte fleißig Eier,<br />
diese waren aber nie befruchtet.“<br />
Erst als das Uhupaar verkauft<br />
worden war, waren die letzten Eier<br />
befruchtet. Im Brutkasten entwickelten<br />
sie sich sehr gut, aber<br />
der Bekannte hatte keine Zeit, das<br />
eine geschlüpfte Jungtier großzuziehen.<br />
Rupert Reichinger sprang<br />
gerne ein. „Er rief mich an und<br />
ich war natürlich sofort Feuer und<br />
Flamme“, gibt er zu. Den jungen<br />
Uhu bekam er ein paar Stunden<br />
nach dem Schlupf und hielt ihn<br />
zunächst im Heizungskeller, denn<br />
das Küken brauchte es warm und<br />
trocken. „Alle drei Stunden bekam<br />
er kleine Häppchen von einem<br />
Küken –Tag und Nacht“, berichtet<br />
Reichinger. „Ich bin dafür zwischendurch<br />
vom Haareschneiden<br />
weg, um ihn zu versorgen!“<br />
Als der junge Uhu, der liebevoll<br />
Bobo genannt wurde, größer war,<br />
bekam er halbe Eintagsküken serviert<br />
und durfte nach sechs Wochen<br />
in die Voliere umziehen.<br />
„Die wachsen schnell!“ Knapp ein<br />
Dreivierteljahr machte Bobo den<br />
Garten der Familie Reichinger<br />
unsicher – dann starb er. Eine<br />
Obduktion ergab die Diagnose<br />
Eulenherpes. „Das bekommen sie<br />
in Gefangenschaft gerne“, weiß<br />
Rupert Reichinger. Sein Trost ist,<br />
dass das Tier wenigstens nicht<br />
leiden musste. Und es war kein<br />
Abschied für immer: Bobo wurde<br />
präpariert und hängt nun im<br />
Treppenhaus zur Wohnung von<br />
Erna und Rupert Reichinger.<br />
Dort bekommt er heute noch jeden<br />
Tag ein paar Streicheleinheiten<br />
über den Schnabel.<br />
Frühstücksbuffet<br />
jeden 1. u. 3. Sonntag im Monat<br />
• Frühstück<br />
• kleiner Mittagstisch<br />
• Imbiss<br />
• Bier vomFass<br />
• Kuchentheke<br />
• Weine<br />
• Cocktails<br />
Pestalozzistr.1·86399 Bobingen ·Tel.: 08234-903498 ·www.cafe-kanape.de<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 41
SOZIALES<br />
FAMILIENBÜRO BOBINGEN<br />
HilfeinallenFamilienlagen<br />
Im Familienbüro Bobingen empfängt ein freundliches Lächeln alle<br />
Hilfesuchenden. Doch auch wer nur zum gemeinsamen Frühstück<br />
kommen möchte, ist Sozialpädagogin Stefanie Mayer herzlich<br />
willkommen.<br />
Im Gebäude der Sozialstation ist auch das Familienbüro<br />
untergebracht.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Von Anja Fischer<br />
Hell und freundlich sind die Räume<br />
in der Sozialstation am Kirchplatz<br />
Bobingen gestaltet. Sozialpädagogin<br />
Stefanie Mayer, Leiterin<br />
des Familienbüros Bobingen,<br />
hat dort ihren Arbeitsplatz und<br />
bietet zum Gesprächsbeginn auch<br />
gerne mal einen Tee an.Vielfältig<br />
sind die Aufgaben der jungen<br />
Frau, denn das Familienbüro Bobingen<br />
ist ein Beratungsangebot<br />
für Eltern und Familien,Jugendliche<br />
und junge Volljährige sowie<br />
Fachkräfte und Pädagogen.<br />
Doch warum braucht man heute<br />
überhaupt ein Familienbüro? Familie<br />
ist doch eigentlich Privatsache,<br />
oder? „Schon“, sagt Stefanie<br />
Mayer.„aber die Eltern sind heute<br />
vielen Belastungen ausgesetzt, es<br />
gibt neue Familienformen von<br />
Patchwork- bis Regenbogenfamilien<br />
und zudem viele Alleinerziehende.“<br />
Nicht alle seien in einem<br />
sicheren sozialen Netzwerk gut<br />
aufgehoben. „Früher war die familiäre<br />
Unterstützung durch<br />
mehrere Generationen greifbar.<br />
Das ist heute oft nicht mehr so“,<br />
weiß Stefanie Mayer. Das Leben<br />
sei insgesamt viel komplexer geworden.<br />
Bei Familien mit Migrationshintergrund<br />
machen zudem<br />
oft sprachliche Barrieren Hilfe<br />
nötig.„Und das Familienbüro ist<br />
ja nicht nur Berater für die<br />
schweren Dinge des Lebens,sondern<br />
oft als Wegweiser zur nächsten<br />
Kindergruppe, Hilfe bei der<br />
Suche nach einer Leihoma oder<br />
beim Ausfüllen von Anträgen tätig“,so<br />
Mayer.Genau diese Möglichkeit<br />
der schnellen Hilfe war<br />
der Grund, das Familienbüro in<br />
Bobingen einzurichten, wie Hannes<br />
Neumeier vom Landratsamt<br />
Augsburg erzählt.„Wir haben im<br />
ganzen Landkreis in jeder größeren<br />
Gemeinde diese Stellen eingerichtet,<br />
damit wir schnell und<br />
unbürokratisch Hilfe leisten können.“<br />
„Lebensweltorientierte Jugendhilfe“<br />
nenne sich das Konzept,<br />
welches sich in der Praxis<br />
sehr bewährt habe.<br />
Hilfe für Eltern<br />
undFamilien<br />
Eltern und Familien haben in ihr<br />
eine kompetente Ansprechpartnerin,<br />
wenn sie in der Erziehung<br />
ihres Kindes nicht mehr weiter<br />
wissen und Unterstützung suchen<br />
oder es zu Hause immer wieder<br />
Ärger wegen der Schule oder anderen<br />
Dingen gibt. „Auch wenn<br />
sich innerhalb der Familie Konflikte<br />
nicht mehr alleine klären<br />
und lösen lassen,helfe ich gerne“,<br />
erzählt die Sozialpädagogin.„Daneben<br />
sind es aber auch die Probleme<br />
im Familienumfeld, wie<br />
Sorgen wegen Einkommen, Miete<br />
oder Schulden, Unterstützung<br />
im Kontakt mit Behörden oder<br />
Unterstützung bei der Betreuung<br />
oder Erziehung des Kindes, bei<br />
denen wir tätig werden.“ Das Familienbüro<br />
ist zudem Ansprechpartner,<br />
wenn sich die Familie<br />
aufgrund von Umzug,Trennung,<br />
Scheidung oder Krankheit in einer<br />
besonders schwierigen Situation<br />
befindet.<br />
Zweimal in derWoche bietet Stefanie<br />
Mayer in ihren Räumen eine<br />
offene Sprechstunde an:<br />
Dienstags von 9 bis 10 Uhr und<br />
donnerstags von 18 bis 19 Uhr.<br />
Weitere Termine sind nach Vereinbarung<br />
jederzeit möglich und<br />
wenn es für die Familie praktischer<br />
ist, besucht Stefanie Mayer<br />
sie auch gerne zu Hause.„Ich bin<br />
ja für die Familien da, um ihnen<br />
zu helfen, nicht um es ihnen<br />
schon schwerzumachen,zu mir zu<br />
kommen“,lacht sie.„Deshalb sind<br />
auch alle Gespräche und Beratungen<br />
kostenlos.“<br />
Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe<br />
kann Stefanie Mayer auf ein großes<br />
Netzwerk zurückgreifen.<br />
Auch in Bobingen,wo sie vor drei<br />
Jahren,bei der Eröffnung des Familienbüros<br />
von Anfang an mit<br />
offenen Türen empfangen wurde.<br />
Doch nicht nur hier gibt es ein<br />
Familienbüro – im ganzen Landkreis<br />
wird das Angebot immer<br />
mehr ausgebaut.Die Vorteile liegen<br />
auf der Hand: es ist für die<br />
Familien einfacher und mit einer<br />
geringeren Hemmschwelle versehen,<br />
auf einen Ansprechpartner<br />
vor Ort zuzugehen, der möglicherweise<br />
auch schon durch andere<br />
Veranstaltungen bekannt ist,<br />
die Kräfte und Ressourcen werden<br />
bei den Hilfeleistungen durch<br />
die Koordination durch das Familienbüro<br />
besser gebündelt und die<br />
Hilfe kommt schneller bei den<br />
Familien an.<br />
Angebot wird<br />
immer mehr<br />
angenommen<br />
Wenn Stefanie Mayer an das erste<br />
Jahr in Bobingen zurückdenkt,<br />
muss sie heute schmunzeln. „Da<br />
musste noch viel Entwicklungsarbeit<br />
geleistet werden“, berichtet<br />
sie.„Ich musste mich oft vorstellen<br />
und bekannt machen,die Projekte<br />
entwickeln und vorantreiben.“<br />
Jetzt merkt sie deutlich:„Es<br />
wird mehr, dass die Familien auf<br />
mich zukommen, auch durch<br />
Mund-Propaganda.“<br />
Auch der Kontakt zu Fachkräften<br />
und Pädagogen wird immer enger.<br />
Hier hilft das Familienbüro,<br />
wenn ein Kind mehr Unterstützung<br />
braucht, als in der Einrich-<br />
Hier geht es zum Familienbüro.<br />
Bild: Stefanie Mayer<br />
42 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
SOZIALES<br />
In der Kinderspielecke haben<br />
die Kleinen Spaß.<br />
Bilder: Stefanie Mayer<br />
tung geboten werden kann, die<br />
Zusammenarbeit mit Eltern nicht<br />
gelingt oder beobachtet wird, dass<br />
ein Kind in seiner Entwicklung<br />
gefährdet ist. Gemeinsam mit allen<br />
Beteiligten, auch den Eltern,<br />
wird dann nach möglichen Lösungswegen<br />
und den passenden<br />
Schritten dazu gesucht. „Wir sind<br />
da allgemein sehr flexibel und gehen<br />
vor allem auf die Bedürfnisse<br />
der Hilfesuchenden ein“, fasst<br />
Stefanie Mayer zusammen. „An<br />
erster Stelle steht das Verständnis<br />
für die besondere Situation. Im<br />
Familienbüro wird niemand verurteilt,<br />
wenn es mal in der Familie<br />
nicht zu gut läuft.“ Deshalb hört<br />
sie erst einmal zu und versucht<br />
den Familien begreiflich zu machen,<br />
dass sich niemand für seine<br />
Lebenssituation schämen muss.<br />
„Ich merke in Bobingen schon,<br />
dass vor allem in alteingesessenen<br />
Familien eine Hemmschwelle da<br />
ist“, berichtet Stefanie Mayer.<br />
Man mache sich Sorgen, was<br />
wohl Nachbarn und Freunde denken,<br />
wenn man sich an das Familienbüro<br />
wendet und damit Probleme<br />
nach außen zugibt.<br />
Dabei sind es oft nicht nur die<br />
Eltern, die merken, dass etwas<br />
nicht so gut läuft. Für Jugendliche<br />
und Volljährige sieht sich das Familienbüro<br />
ebenfalls als Ansprechpartner,<br />
beispielsweise,<br />
wenn diese Stress mit den Eltern<br />
haben und bei schweren Problemen<br />
oder in einer Krise keinen<br />
Ansprechpartner finden. „Oft<br />
geht es hier auch um Probleme in<br />
der Schule oder Ausbildung“,<br />
weiß Stefanie Mayer. „Und<br />
manchmal haben gerade Jugendliche<br />
einfach das Gefühl, dass ihnen<br />
alles über den Kopf wächst.“<br />
Mütter-Frühstück<br />
Stefanie Mayer und Michaela<br />
Weil bieten das „Mütter-<br />
Frühstück“ an.<br />
Ein weiteres Angebot des Familienbüros<br />
ist ein Mütter-Frühstück,<br />
das jeden Mittwoch von 9 bis<br />
11 Uhr in den Büroräumen in der<br />
Sozialstation Bobingen stattfindet.<br />
„Herzlich willkommen sind<br />
alle Mütter, die gerne andere<br />
Mütter treffen möchten“, sagt<br />
Stefanie Mayer. „Im gemeinsamen<br />
Gespräch tauschen wir uns bei einem<br />
kleinen Frühstück über die<br />
Erziehung der Kinder, aber auch<br />
andere Themen aus.“ Selbstverständlich<br />
dürfen die Kinder gerne<br />
mitgebracht werden und auch<br />
Mütter, die auf der Suche nach<br />
Unterstützung sind, werden beim<br />
Mütter-Frühstück sicher fündig<br />
werden. „Es ist eine schöne Gelegenheit,<br />
neue Kontakte zu knüpfen“,<br />
sagt die Sozialpädagogin, die<br />
das Mütter-Frühstück zusammen<br />
mit Michaela Weil von der Diakonie<br />
Augsburg leitet. Der Unkostenbeitrag<br />
für das Frühstück<br />
beträgt 1 Euro pro Familie. Generell<br />
ist das Familienbüro Bobingen<br />
ein freundlicher und kompetenter<br />
Ansprechpartner in allen<br />
Lebenslagen und bei allen Problemen<br />
rund um die Familie.<br />
Kontakt zum Familienbüro:<br />
Stefanie Mayer<br />
Sozialpädagogin B.A.<br />
Tel. 08234/967732<br />
mobil 0174/3813293<br />
Fax 08234/967731<br />
familienbuero@stadt-bobingen.de<br />
Quelle: Familienbüro Bobingen<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 43
SO GEHT’S BOBINGEN ZUA<br />
ERINNERUNGEN<br />
SelteneGästeimPalast-Hotel<br />
Die Autorin Lotte Prechter-Kahle wuchs als Enkeltochter des seinerzeit<br />
in Bobingen Dienst tuenden fürstlich-fuggerischen Revierjägers<br />
Maximilian Kahle auf. Die Familie des Revierjägers mit neun Kindern<br />
hatte Quartier im Unteren Schlösschen und es mit dem schmalen<br />
Verdienst des Vaters nicht immer leicht. Die Erlebnisse und Erinnerungen<br />
ihrer Familie verarbeitete Lotte Prechter-Kahle in einigen Erzählungen,<br />
die die damalige Zeit widerspiegeln und in den nächsten Ausgaben<br />
der „<strong>Bobinger</strong> Geschichte(n)“ zu lesen sein werden. Die Erzählungen<br />
bekamen die „<strong>Bobinger</strong> Geschichte(n)“ von Cilly Kahle, deren Vater<br />
der „Gustl“ war und die Miez war ihre Tante Maria.<br />
Inningen,durch das damals noch<br />
ländliche Göggingen.Schließlich<br />
kamen sie müde und voller Durst<br />
im Fuggerhaus in der Maximilianstraße<br />
an, schlichen schüchtern<br />
durch das vornehme Portal des<br />
Hauses und gaben bei der Jungfer<br />
Köchin ihren Rehschlegel ab.<br />
EinTrinkgeld<br />
zumLohn<br />
Das Untere Schlösschen in Bobingen war Heimat von Gustl und Miez.<br />
Von Lotte Prechter-Kahle<br />
Ich glaube,ich habe es schon einmal<br />
erzählt,dass mein Großvater<br />
als Förster des Fürsten Fugger im<br />
alten Schlössl zu Bobingen wohnte.Bei<br />
siebzig Goldmark Monatseinkommen<br />
und neun Kindern<br />
bedurfte es damals schon drakonischer<br />
Sparmaßnahmen, damit<br />
die Kasse im alten Schlössl einigermaßen<br />
stimmte. Eine dieser<br />
„Notverordnungen“ war, dass<br />
sämtliche Kinderschuhe am ersten<br />
Mai spurlos verschwanden<br />
und erst wieder am 15.September<br />
zumVorschein kamen.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Es passierte aber nicht selten,dass<br />
man in der fürstlichen Küche, sei<br />
es auf dem nahen Schloss Wellenburg<br />
oder im altehrwürdigen<br />
Fuggerhaus zu Augsburg Wildbret<br />
brauchte. Dafür war der<br />
Förster von Bobingen zuständig.<br />
Für den Transport waren genug<br />
Kinder da und es wurde immer<br />
schön ordentlich abgewechselt,<br />
denn eine Fußreise in die Stadt<br />
kam gleich hinter der Weihnachtsfreude.<br />
Das Geld für die<br />
Fahrt mit der Eisenbahn wurde<br />
selbstverständlich eingespart und<br />
so traten an einem schönen Sommermorgen<br />
der Gustl und die<br />
Miez barfuß den zwölf Kilometer<br />
langen Weg nach Augsburg an,<br />
denn auf dem fürstlichen Speisezettel<br />
sollte demnächst Rehschlegel<br />
stehen. Also machten sich die<br />
zwei – nein,nicht auf die Socken,<br />
sondern nach oft geübter Sitte,<br />
barfuß auf die große Reise. Dem<br />
flinken Lauf derWertach entlang,<br />
führte der Weg vorbei am Dorf<br />
„Ihr seid aber brav … recht heiß<br />
gewesen, gell, da habt ihr ein<br />
Trinkgeld, kauft euch irgendwo<br />
eine Limonade!“ So sprach die<br />
fürstliche Küchenfee und überreichte<br />
ihnen eine Mark. Eine<br />
ganze Mark! Das war für die zwei<br />
aus dem alten Schlössl zu damaliger<br />
Zeit ein Vermögen. Die beiden<br />
Barfüßler überlegten sich<br />
draußen auf der Straße nicht lange,wo<br />
sie einkehren wollten,sondern<br />
lenkten ihre unbekleideten<br />
Füße pfeilgrad auf das Palasthotel<br />
„Drei Mohren“,das seit eh und je<br />
als Augsburgs exklusivstes Hotel<br />
galt.Ha,warum auch nicht – hatten<br />
sie nicht das Vermögen von<br />
einer Mark im Sack?<br />
Entschlossen tippelten der Gustl<br />
und das Miezerl durch das gewaltige<br />
Portal, betraten unverzagt einen<br />
gold- und silberblitzenden<br />
Saal und versanken in traumhaften<br />
Sesseln. Doch kaum hatten<br />
sie die staubbedeckten Beine unter<br />
dem feinenTisch ausgestreckt,<br />
da kam auch schon ein schwarzbefrackter<br />
Ober angesaust,wedelte<br />
unheilvoll mit seiner schneeweißen<br />
Serviette und fragte geharnischt:<br />
„Was wollt denn ihr<br />
zwei da?“ „Eine Limonad!“ kam<br />
44 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
SO GEHT’S BOBINGEN ZUA<br />
es gleichzeitig aus zwei durstigen<br />
Kehlen.<br />
Dem Schwarzbefrackten kamen<br />
die zwei durstigen Wanderer gerade<br />
recht: „Und sonst fällt euch<br />
nichts ein?“ fragte er gefährlich<br />
ruhig und schielte dabei nervös<br />
nach den anderen Gästen, deren<br />
Aufmerksamkeit samt und sonders<br />
den beiden Barfüßern galt.<br />
Er schaute die Kinder von oben<br />
bis unten an und flüsterte verzweifelt:<br />
„Raus!“ Die gebieterisch<br />
ausgestreckte Hand wies samt<br />
Serviette dorthin, wo der Zimmermann<br />
das Loch hinaus gemacht<br />
hatte. Die Serviette flog<br />
durch die Luft, als wollte sie lästiges<br />
Ungeziefer verscheuchen. Zögernd<br />
erhoben sich die zwei kleinen<br />
Holzfüchse und wollten verschüchtert<br />
das Weite suchen. Der<br />
dienstbeflissene Ober hatte aber<br />
die Rechnung ohne ein sehr vornehmes<br />
Ehepaar gemacht, das am<br />
Nebentisch amüsiert den „Kriegsverlauf“<br />
verfolgt hatte. Der Herr<br />
hob lässig die gepflegte Hand:<br />
„Die Kinder bleiben da!“, sagte er<br />
mit einem Ton in der Stimme, der<br />
keinen Widerstand zu kennen<br />
schien.<br />
So ein Festessen!<br />
Unschlüssig und hilflos musste<br />
der Herr Ober zusehen, wie die<br />
noblen Gäste den Kindern winkten,<br />
sie an ihren Tisch holten und<br />
gerade so taten, als wäre überhaupt<br />
nichts dabei, barfuß an einem<br />
Tisch im Palasthotel „Drei<br />
Mohren“ zu sitzen. Wieder hob<br />
der feine Herr die Hand: „Herr<br />
Ober, Kakao und Kuchen zuerst<br />
einmal! Die Kinder sind unsere<br />
Gäste ...“ Ja, und dann begann ein<br />
Schlemmerleben, wie es der Gustl<br />
Der Park war damals wohl noch nicht so schön angelegt, aber ein großzügiger Spielplatz<br />
für die Kinder.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
und die Miez nicht einmal aus ihren<br />
kühnsten Träumen kannten.<br />
Alles, was ihr Herz begehrte,<br />
musste der Schwarzbefrackte auftragen,<br />
dass sich der Tisch beinahe<br />
bog und seine süßsaure<br />
Miene galt ihm gar nichts.<br />
Zum Abschied bekamen die beiden<br />
Kinder von ihren Gönnern<br />
noch eine Mark, damit sie den<br />
weiten Weg nicht noch einmal<br />
machen mussten. So sagte jedenfalls<br />
die schöne Dame, denn sie<br />
hatte sich alles ganz genau erzählen<br />
lassen, vom alten Schlössl angefangen<br />
bis zum Rehschlegel in<br />
der Fugger’schen Küche. Bis vor<br />
die Hoteltür gingen die vornehmen<br />
Leute mit ihren kleinen<br />
Gästen und als der Gustl und das<br />
Miezerl am Moritzplatz um die<br />
Ecke bogen, standen beide noch<br />
immer vor dem Hotel und sie genierten<br />
sich nicht, ihren Barfüßern<br />
nachzuwinken. Vielleicht<br />
sind sie an diesem Tag genauso<br />
glücklich gewesen, wie die beiden<br />
<strong>Bobinger</strong>. Eines aber haben sie<br />
nie erfahren, nämlich, dass der<br />
Gustl und die Miez profitlich ihre<br />
Mark eingeschoben haben und<br />
ganz schön staad wieder heimgetrippelt<br />
sind ... durch Göggingen<br />
und Inningen, so beiläufig zwölf<br />
Kilometer weit.<br />
„Wär ja schad um das schöne<br />
Geld“, sagte der Gustl und ließ<br />
anfeuernd die zwei Markstücke in<br />
der Tasche klingeln, wenn die<br />
Schwester müde werden wollte.<br />
„Ja“, nickte dann die Miez und<br />
zog schnell wieder besser aus, „das<br />
sparen wir für die Michaeli-Dult,<br />
da können wir alle zwei zehnmal<br />
Karussell fahren ...“ „Fünfmal<br />
langt auch, denn reicht’s sogar<br />
noch auf den „Plärrer“, entschied<br />
der Gustl, der immer fürs Sparen<br />
war.<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 45
LEBENSLINIEN<br />
IM PORTRAIT<br />
DieBettyausdemSchuhgeschäft<br />
Barbara Heider ist für viele <strong>Bobinger</strong> vor allem ein Begriff unter<br />
ihrem Rufnamen Betty. Sie gehörte ihr Leben lang zu Bobingen wie<br />
die Salamander-Schuhe, die sie in ihrem Geschäft verkaufte.<br />
Heute lebt sie ein wenig zurückgezogen, macht aber immer noch<br />
gerne Ausflüge in die nähere Umgebung.<br />
Barbara Heider.<br />
Von Anja Fischer<br />
Das Schuhgeschäft der Familie<br />
Heider am Kirchplatz in Bobingen<br />
war jahrzehntelang vor allem<br />
mit zwei Namen verbunden: dem<br />
Salamander-Schuh und der Inhaberin<br />
Barbara Heider,der„Heider<br />
Betty“.So wurde Barbara Heider<br />
genannt, um sie von der Mutter<br />
zu unterscheiden,nach der sie bei<br />
ihrer Geburt am 22. November<br />
Bild: Anja Fischer<br />
1927 genannt wurde. Die Kinder<br />
wurden damals zu Hause geboren.<br />
Barbara war die Mittlere von<br />
drei Geschwistern: Bruder Johann,<br />
der nach seinem Vater benannt<br />
wurde, war ein Jahr älter,<br />
Schwester Genoveva wurde 1929<br />
geboren.<br />
Die Kinder waren nicht im Kindergarten,<br />
sondern wurden bis<br />
zum Schulanfang von der Mutter<br />
daheim betreut.Zum Spielen gab<br />
es alte Stoffpuppen und das, was<br />
man in Haus und Hof so fand.<br />
Fertige Spielsachen hatten die<br />
Kinder wenige. „Aber wir waren<br />
damit auch zufrieden“, erklärt<br />
Betty Heider.„Für unsere Puppen<br />
haben wir uns selbst wie es halt<br />
ging, Anziehsachen zurechtgenäht<br />
und damit sind wir dann<br />
ausgekommen.“ Gerne spielten<br />
die Kinder draußen, denn „im<br />
Haus fand die Mutter dann<br />
schnell etwas, was man tun und<br />
helfen konnte.“ Mit sechs Jahren<br />
kam Barbara in die Schule.Mädchen<br />
und Buben waren damals in<br />
einer Klasse beieinander. „Wir<br />
waren eine große Klasse, 56 Kinder<br />
insgesamt“, weiß Barbara<br />
Heider noch heute.„In den ersten<br />
vier Klassen hatten wir das Fräulein<br />
Sperer. Und da haben wir<br />
schon folgen müssen.“ Wer ungehorsam<br />
war oder die Hausaufgaben<br />
nicht gemacht hatte, für den<br />
gab es als Mädchen Tatzen mit<br />
dem Stock. Die Buben bekamen<br />
Hosenspanner. „Ich habe selten<br />
Tatzen bekommen“,erinnert sich<br />
Barbara Heider. „Ich war in der<br />
Schule eine Brave.“ Sie schmunzelt:<br />
„Vielleicht habe ich mich<br />
aber auch nur nicht erwischen<br />
lassen!“ Das erste Klassenzimmer<br />
hatte Barbara Heider in der heutigen<br />
Sozialstation.Später wurden<br />
die Schüler in der Alten Mädchenschule<br />
unterrichtet.„Ich bin<br />
gerne zur Schule gegangen, aber<br />
wir sind da auch nicht groß gefragt<br />
worden“, erinnert sich Barbara<br />
Heider. „Man hat halt hinmüssen,<br />
ob wir wollten oder<br />
nicht. Es hat einfach geheißen:<br />
das wird jetzt gelernt und dann<br />
hat man das eben gemacht.“ Sie<br />
lernte aber trotzdem ganz gerne.<br />
Damals wurde in der Schule gerade<br />
für die Mädchen noch viel<br />
Handarbeiten gelehrt und in den<br />
letzten Jahren gab es auch Kochunterricht.<br />
Feste undFeiern<br />
Den Geburtstag hat man in der<br />
Kindheit von Betty Heider kaum<br />
gefeiert. „Eher den Namenstag“,<br />
erzählt sie.„Da gab es dann aber<br />
auch keine großen Geschenke.<br />
Die Mutter hat vielleicht einen<br />
Kuchen gebacken, darüber hat<br />
man sich auch gefreut.“ Auch<br />
Weihnachten und Ostern wurde<br />
zwar gefeiert, aber das sei mit<br />
heute nicht zu vergleichen. „An<br />
Weihnachten ging man gemeinsam<br />
in die Christmette“,erinnert<br />
sich Barbara Heider. „Da gab es<br />
dann vorher eher etwas Schnelles<br />
zum Essen.“ Besonderes sei eher<br />
am ersten Weihnachtsfeiertag gekocht<br />
worden.Ostern war es ähnlich.Die<br />
Familie besucht gemeinsam<br />
die Osternacht, aber ein<br />
Osternestchen kannte Barbara<br />
Heider in ihrer Kindheit noch<br />
nicht. „Diese ganzen Schokoladenhasen<br />
und Eier – das gab es<br />
einfach noch nicht. Diese Sachen<br />
kamen erst später, nach dem<br />
Krieg auf“, sagt sie. „Wir haben<br />
uns über ein paar hartgekochte<br />
Eier gefreut, die man für sich allein<br />
geschenkt bekam. Das war<br />
schon etwas Besonderes.“ Ob die<br />
Eier damals schon bunt gefärbt<br />
waren,weiß Barbara Heider heute<br />
nicht mehr.„Ich glaube aber eher<br />
nicht.“<br />
Ein besonderes Fest war allerdings<br />
damals schon die Erstkommunion.<br />
„Wir Mädchen trugen<br />
ein weißes Kleid,das ein bisschen<br />
übers Knie ging“,erinnert sich die<br />
Seniorin. „Es war schon etwas<br />
ganz Besonderes, als wir Buben<br />
und Mädchen gemeinsam mit<br />
unseren Kerzen in die Kirche einzogen.“<br />
Nach dem Gottesdienst<br />
habe man dann zu Hause mit der<br />
Familie gefeiert. „Da ging man<br />
noch nicht in die Wirtschaft.Das<br />
konnte sich kaum einer leisten“,<br />
46 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
Bahnhofstraße 2 um 1934: Franziska Zwerger mit Rosa Schäfer, in der mitte stehend,<br />
Barbara Heider als Mädchen.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
so Barbara Heider. „Die Mutter<br />
hat halt etwas Besonderes gekocht,<br />
ein gutes Stück Fleisch<br />
und etwas dazu und damit ist<br />
man gerne zufrieden gewesen.“<br />
Als Geschenke habe es damals<br />
die beliebten Sammeltassen gegeben.<br />
„Das war so ziemlich das<br />
Einzige, das Mädchen zur Kommunion<br />
bekamen.“<br />
Im Schuhgeschäft<br />
Nach der Schule ging es für Barbara<br />
Heider rasch nach Hause.<br />
„Die Hausaufgaben hat man entweder<br />
gleich noch schnell gemacht<br />
oder erst am Abend“, berichtet<br />
sie, denn das Mädchen<br />
musste am Nachmittag in das elterliche<br />
Geschäft und dort mithelfen.<br />
„Da habe ich gleich richtig<br />
zupacken müssen und alles tun,<br />
was gebraucht wurde.“ Barbaras<br />
Schwester Genoveva half der<br />
Mutter im Haushalt. „Ich habe<br />
halt lernen müssen, mit den Leuten<br />
umzugehen und Schuhe zu<br />
verkaufen“, erzählt Barbara Heider.<br />
„Da bin ich nicht lange gefragt<br />
worden. Die Arbeit war da<br />
und musste getan werden und ich<br />
habe die Arbeit gemacht.“ Das<br />
seien halt die Zeiten gewesen.<br />
In der Schusterwerkstatt arbeiteten<br />
der Vater und später der Bruder.<br />
Damals wurden viele Schuhe<br />
noch geflickt, wie Barbara Heider<br />
erzählt: „In der Werkstatt hat<br />
mein Vater auf ein gutes Paar<br />
Schuhe oft wieder neue Sohlen<br />
oder einen neuen Absatz gemacht.“<br />
Auch unschöne oder abgewetzte<br />
Stellen im Leder seien<br />
mit Flicken wieder hergestellt<br />
worden. Neue Schuhe stellten Vater<br />
und Bruder aber immer weniger<br />
her. Die Zeiten, in denen ein<br />
Schuster die Schuhe nach Maß<br />
anfertigte, waren vorbei. Im Laden<br />
wurden bereits industriell gefertigte<br />
Schuhe verkauft. „Insgesamt<br />
haben die Leute schon anders<br />
eingekauft“, sagt die Heider<br />
Betty. „Da hat man vor allem<br />
nach einem guten Schuh gefragt.“<br />
Der habe dann auch etwas kosten<br />
dürfen – aber dafür eben lange<br />
halten müssen. Alle paar Wochen<br />
ein neues Paar Schuhe? Das gab<br />
es früher nicht. „Früher war die<br />
Kundschaft ganz anders. Die<br />
Leute hatten meist viele Kinder<br />
und haben schauen müssen, wie<br />
sie mit dem Geld zurechtkamen.“<br />
Da habe man Wert auf einen „guten“<br />
Schuh gelegt, der viel aushalten<br />
und wenn möglich, an das<br />
nächste Kind vererbt werden<br />
konnte.<br />
Salamander-<br />
Schuhe<br />
Wer an den ehemaligen Laden in<br />
der Bahnhofstraße denkt, erinnert<br />
sich an meterhohe Stapel mit<br />
Schuhkartons, die ordentlich an<br />
den Wänden aufgereiht waren.<br />
Für die Schuhkäufer ein schier<br />
undurchdringlicher Wall, aber für<br />
Barbara Heider kein Problem.<br />
„Ich habe schon fast immer gewusst,<br />
wo was drin ist“, schmunzelt<br />
sie. „Die Leute haben mir<br />
dann gesagt, was sie wollen und<br />
ich habe ihnen die passenden<br />
© DSV<br />
LEBENSLINIEN<br />
Schuhe zur Auswahl gebracht.“<br />
Bedienung sei bei ihr eben noch<br />
selbstverständlich gewesen und<br />
habe zum Laden dazugehört.<br />
Für Kinder gab es die heißbegehrten<br />
Lurchi-Hefte, die die<br />
Marke Salamander damals herausgab.<br />
„Bei Salamander gab es<br />
gute Schuhe und viel Auswahl“,<br />
weiß Barbara Heider noch und<br />
bedauert, dass die Firma heute<br />
nur noch wenig vertreten ist.<br />
„Aber wir hatten auch andere<br />
Marken.“<br />
Auch während der Kriegszeit<br />
1939–1945 war der Schuhladen<br />
der Familie Heider nur selten geschlossen.<br />
„Aber zur der Zeit haben<br />
wir kaum Schuhe bekommen.<br />
Da musste man wirklich<br />
nehmen, was man kriegen kann“,<br />
sagt die Schuhfachfrau. Zu der<br />
Zeit hätten die Kunden dann ohnehin<br />
verstärkt in der Werkstatt<br />
die Schuhe richten lassen und nur<br />
selten neue Schuhe gekauft. „Danach<br />
gab es dann nichts anderes,<br />
als wieder von vorne anzufangen<br />
und weiterzumachen“, sagt Barbara<br />
Heider, die im Geschäft von<br />
Anfang an viel Freiraum hatte.<br />
„Ich musste halt alles machen:<br />
Lächeln<br />
ist einfach.<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 47
LEBENSLINIEN<br />
Bahnhofstraße 2, erster Laden von Schuster Johann Heider.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Schuhbestellung, Abrechnung –<br />
da hat man schon viele Spielräume<br />
gehabt.“ Aber man habe auch<br />
wissen müssen, wo man hinlangen<br />
darf und kann. „Wenn man<br />
wie ich in so ein Fach hineinwächst,<br />
hatte man das aber ziemlich<br />
bald heraus“, schmunzelt<br />
Barbara Heider. Sie habe einfach<br />
schnell lernen müssen, mit den<br />
Leuten umzugehen.<br />
Viel Freizeit hatte das junge<br />
Mädchen damals nicht.„Nach der<br />
Arbeit im Laden habe ich<br />
manchmal abends noch die<br />
Hausaufgaben machen müssen,<br />
als ich noch zur Schule ging“, erzählt<br />
sie. Später galt es dann<br />
abends den Haushalt in ihrer<br />
Wohnung in der Poststraße zu<br />
besorgen. Wo es Arbeit zu tun<br />
gab, musste Barbara Heider mit<br />
anpacken. Egal ob es beim Verkauf<br />
im Laden, bei der Arbeit in<br />
der Werkstatt oder im Haushalt<br />
beim Kochen und Putzen war.<br />
„Landwirtschaft hatten wir aber<br />
keine mehr. Mein Vater hat den<br />
vorderenTeil des Hauses mit dem<br />
Laden und der Werkstatt bekommen,<br />
mein Onkel Luis in der<br />
Mitte den Bauernhof.“ Ein paar<br />
Hühner hielt die Mutter, um frische<br />
Eier und ab und zu etwas für<br />
den Suppentopf zu haben. Auch<br />
ein Gemüsegarten wurde von der<br />
Mutter versorgt. Gekocht wurde<br />
so gut wie immer selbst zu Hause.<br />
Mal zum Essen in die Wirtschaft<br />
gehen? Machte man damals<br />
nicht. Die Mutter kochte aus<br />
dem,was man selbst hatte:Es gab<br />
viele Hefezöpfe,Mehlspeisen und<br />
das, was im Garten wuchs. Gegessen<br />
wurde, was auf den Tisch<br />
kam. „Ein Lieblingsessen zu haben<br />
oder gar etwas gar nicht zu<br />
mögen – das gab es damals nicht.<br />
Wir hätten uns das gar nicht getraut“,<br />
erzählt Barbara Heider.<br />
„Das ist schon ein Unterschied zu<br />
heute.“<br />
Wenig Freizeit<br />
für Mädchen<br />
Man habe eben gearbeitet,so lange<br />
es etwas zu tun gegeben habe.<br />
Und gefunden habe man fast immer<br />
etwas. „Von unserer Freizeit<br />
hatten wir deshalb so gut wie<br />
nix.“ Mal zum Baden an die<br />
Wertach fahren? „Das haben eher<br />
die jungen Burschen gemacht.<br />
Die sind am frühen Abend nach<br />
Schuhmachermeister Johann Heider, 1954.<br />
Bild: Bildarchiv Georg Fritz<br />
Inserat Schuhladen Familie Heider.<br />
Bild: Elisabeth Fritz<br />
Betty Heider (Mitte) im Laden mit ihren Mitarbeiterinnen Gerda Vogl (links) und<br />
Rosa-Maria Bartz (rechts).<br />
Bild: Gerda Vogl<br />
48 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
LEBENSLINIEN<br />
Barbara Heider (ganz rechts), 2011.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
der Arbeit hinaus gefahren oder<br />
am Samstagnachmittag“, erinnert<br />
sich Barbara Heider. „Für uns<br />
Mädchen war das nichts. Wir<br />
sind da nur ganz selten mal hinaus<br />
gekommen.“<br />
Zu Veranstaltungen wie dem<br />
Maitanz habe man gehen dürfen.<br />
Die Mädchen machten sich dazu<br />
schick und zogen meist ein<br />
Dirndl an. „Die waren damals<br />
aber noch viel länger als heute“,<br />
lacht Barbara Heider. „Da gingen<br />
die Röcke noch bis weit übers<br />
Knie.“ Zur Blasmusik sei dann<br />
auch ein wenig getanzt worden.<br />
Die Vereine und Organisationen<br />
wie die Blasmusik oder Kolping<br />
seien eher ein Treffpunkt für die<br />
jungen Burschen gewesen. „Für<br />
uns Mädchen gab es da wenig<br />
Möglichkeiten.“<br />
Urlaub gab es früher kaum. „Es<br />
gab ja eigentlich immer was zu<br />
tun“, schmunzelt Barbara Heider.<br />
„Und man musste da sein, wenn<br />
der Laden offen hat.“ Für große<br />
Reisen habe man sich keine Zeit<br />
genommen. Ausflüge machte<br />
Barbara Heider aber immer gerne<br />
– auch heute noch. „Wir sind<br />
dann mal in die Berge gefahren<br />
oder haben eine Busfahrt mitgemacht“,<br />
erinnert sie sich gerne.<br />
„Aber dann hieß es gleich wieder:<br />
Wenn der Laden offen hat, brauchen<br />
wir dich.“ Das blieb auch so,<br />
als der Bruder geheiratet hatte.<br />
„Meine Schwägerin hatte kein<br />
großes Interesse am Geschäft und<br />
so habe ich weiter für alles da sein<br />
müssen. Das war halt einfach so.“<br />
Barbara Heider blieb ledig. „Es<br />
gab schon Burschen, die mich gefragt<br />
haben, warum heiratest Du<br />
mich nicht?“, lacht sie. „Die haben<br />
schon gedacht, ich wäre das rechte<br />
Mädchen für sie.“ Aber ihr Elternhaus<br />
sei recht streng gewesen.<br />
„Wenn ich da mal einen Freund<br />
mitgebracht habe, dann hat die<br />
Mutter gleich gesagt: „Du, mit<br />
dem hat das fei keinen Wert, der<br />
ist nix!“, erinnert sich Barbara<br />
Heider. Damals habe man den<br />
Eltern noch gefolgt. Und dann<br />
eben den jungen Burschen wieder<br />
sausen lassen.<br />
„Mir war aber irgendwann auch<br />
meine Selbstständigkeit sehr<br />
wichtig“, sagt Barbara Heider<br />
nachdenklich. „Damals gab es nur<br />
die Möglichkeit, entweder verheiratet<br />
und Hausfrau zu sein oder<br />
ledig im Geschäft. Und bei mir<br />
hat’s eben immer geheißen, Du<br />
gehörst ins Geschäft.“ Die Selbstständigkeit<br />
dort habe sie irgendwann<br />
nicht mehr missen wollen.<br />
„Ich hatte mich daran gewöhnt.<br />
Es war halt einfach so.“<br />
Heute<br />
1991 gab Barbara Heider das Geschäft<br />
auf. „Das ist mir schon<br />
schwergefallen“, gibt sie zu. Die<br />
Arbeit im Laden habe ihr immer<br />
Spaß gemacht. Was sie am Ruhestand<br />
genoss: es blieb Zeit für<br />
Reisen ohne dass das Geschäft im<br />
Hintergrund wartete. 1992 fuhr<br />
Barbara Heider nach Madeira,<br />
1997 nach Rhodos und ein Jahr<br />
später nach Mallorca. „Das war<br />
immer wunderschön“, erzählt sie.<br />
„Die tollen Landschaften und die<br />
vielen Blumen und Pflanzen!“<br />
Doch auch im näheren Raum<br />
fand Barbara Heider schöne Stellen:<br />
weitere Reiseziele waren deshalb<br />
Südtirol oder die Mecklenburgische<br />
Seenplatte. Heute ist<br />
Barbara Heider (2te v. links) mit Mutter und Schwester<br />
Genoveva.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
Barbara Heider nicht mehr ganz<br />
so mobil. „Als ich 70 wurde, habe<br />
ich mein Auto hergegeben“, erzählt<br />
sie. „Danach bin ich zwar<br />
noch viel geradelt, aber das geht<br />
heute auch nicht mehr.“ An Ausflügen<br />
nimmt sie aber immer<br />
noch gerne teil. „Alles, was nicht<br />
länger wie einen halben Tag geht,<br />
mache ich gerne mit“, sagt sie.<br />
Versorgen tut sie sich meist noch<br />
selbst. „Alles, was man noch selber<br />
machen kann, ist viel Wert“,<br />
so lautet Barbara Heiders Credo.<br />
„Und es ist auch Gewohnheit: Bei<br />
meiner Mutter habe ich gesehen,<br />
dass man viel selbst machen kann<br />
und den Rest muss man halt so<br />
nehmen, wie es kommt“, sagt sie.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 49
KLASSENFOTO<br />
Dieses Bild stellte uns Josef Oberdorfer zur Verfügung. Es zeigt die 9. Klasse der Realschule Bobingen im Schuljahr 1974/75,<br />
zusammen mit dem Klassenleiter Foigele. Das Bild wurde im Juli 1975 aufgenommen. Die Schüler sind Jahrgang 1959/60.<br />
Das Bild von Karl Schenk zeigt seine Schulklasse der7./8. Jahrgangsstufe mit Lehrer Josef Kropp.<br />
Wenn auch Sie noch alteFotos besitzen, liebe Leser,können Sie uns eine E-Mail unter<br />
stadtgeschichten@herba-verlag.de schicken oder unstelefonisch unter0821/5071-451Bescheid geben.<br />
50 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016
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