Bobinger Geschichten Juni2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
LEBENSLINIEN<br />
Barbara Heider (ganz rechts), 2011.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
der Arbeit hinaus gefahren oder<br />
am Samstagnachmittag“, erinnert<br />
sich Barbara Heider. „Für uns<br />
Mädchen war das nichts. Wir<br />
sind da nur ganz selten mal hinaus<br />
gekommen.“<br />
Zu Veranstaltungen wie dem<br />
Maitanz habe man gehen dürfen.<br />
Die Mädchen machten sich dazu<br />
schick und zogen meist ein<br />
Dirndl an. „Die waren damals<br />
aber noch viel länger als heute“,<br />
lacht Barbara Heider. „Da gingen<br />
die Röcke noch bis weit übers<br />
Knie.“ Zur Blasmusik sei dann<br />
auch ein wenig getanzt worden.<br />
Die Vereine und Organisationen<br />
wie die Blasmusik oder Kolping<br />
seien eher ein Treffpunkt für die<br />
jungen Burschen gewesen. „Für<br />
uns Mädchen gab es da wenig<br />
Möglichkeiten.“<br />
Urlaub gab es früher kaum. „Es<br />
gab ja eigentlich immer was zu<br />
tun“, schmunzelt Barbara Heider.<br />
„Und man musste da sein, wenn<br />
der Laden offen hat.“ Für große<br />
Reisen habe man sich keine Zeit<br />
genommen. Ausflüge machte<br />
Barbara Heider aber immer gerne<br />
– auch heute noch. „Wir sind<br />
dann mal in die Berge gefahren<br />
oder haben eine Busfahrt mitgemacht“,<br />
erinnert sie sich gerne.<br />
„Aber dann hieß es gleich wieder:<br />
Wenn der Laden offen hat, brauchen<br />
wir dich.“ Das blieb auch so,<br />
als der Bruder geheiratet hatte.<br />
„Meine Schwägerin hatte kein<br />
großes Interesse am Geschäft und<br />
so habe ich weiter für alles da sein<br />
müssen. Das war halt einfach so.“<br />
Barbara Heider blieb ledig. „Es<br />
gab schon Burschen, die mich gefragt<br />
haben, warum heiratest Du<br />
mich nicht?“, lacht sie. „Die haben<br />
schon gedacht, ich wäre das rechte<br />
Mädchen für sie.“ Aber ihr Elternhaus<br />
sei recht streng gewesen.<br />
„Wenn ich da mal einen Freund<br />
mitgebracht habe, dann hat die<br />
Mutter gleich gesagt: „Du, mit<br />
dem hat das fei keinen Wert, der<br />
ist nix!“, erinnert sich Barbara<br />
Heider. Damals habe man den<br />
Eltern noch gefolgt. Und dann<br />
eben den jungen Burschen wieder<br />
sausen lassen.<br />
„Mir war aber irgendwann auch<br />
meine Selbstständigkeit sehr<br />
wichtig“, sagt Barbara Heider<br />
nachdenklich. „Damals gab es nur<br />
die Möglichkeit, entweder verheiratet<br />
und Hausfrau zu sein oder<br />
ledig im Geschäft. Und bei mir<br />
hat’s eben immer geheißen, Du<br />
gehörst ins Geschäft.“ Die Selbstständigkeit<br />
dort habe sie irgendwann<br />
nicht mehr missen wollen.<br />
„Ich hatte mich daran gewöhnt.<br />
Es war halt einfach so.“<br />
Heute<br />
1991 gab Barbara Heider das Geschäft<br />
auf. „Das ist mir schon<br />
schwergefallen“, gibt sie zu. Die<br />
Arbeit im Laden habe ihr immer<br />
Spaß gemacht. Was sie am Ruhestand<br />
genoss: es blieb Zeit für<br />
Reisen ohne dass das Geschäft im<br />
Hintergrund wartete. 1992 fuhr<br />
Barbara Heider nach Madeira,<br />
1997 nach Rhodos und ein Jahr<br />
später nach Mallorca. „Das war<br />
immer wunderschön“, erzählt sie.<br />
„Die tollen Landschaften und die<br />
vielen Blumen und Pflanzen!“<br />
Doch auch im näheren Raum<br />
fand Barbara Heider schöne Stellen:<br />
weitere Reiseziele waren deshalb<br />
Südtirol oder die Mecklenburgische<br />
Seenplatte. Heute ist<br />
Barbara Heider (2te v. links) mit Mutter und Schwester<br />
Genoveva.<br />
Bild: Foto Hirche<br />
Barbara Heider nicht mehr ganz<br />
so mobil. „Als ich 70 wurde, habe<br />
ich mein Auto hergegeben“, erzählt<br />
sie. „Danach bin ich zwar<br />
noch viel geradelt, aber das geht<br />
heute auch nicht mehr.“ An Ausflügen<br />
nimmt sie aber immer<br />
noch gerne teil. „Alles, was nicht<br />
länger wie einen halben Tag geht,<br />
mache ich gerne mit“, sagt sie.<br />
Versorgen tut sie sich meist noch<br />
selbst. „Alles, was man noch selber<br />
machen kann, ist viel Wert“,<br />
so lautet Barbara Heiders Credo.<br />
„Und es ist auch Gewohnheit: Bei<br />
meiner Mutter habe ich gesehen,<br />
dass man viel selbst machen kann<br />
und den Rest muss man halt so<br />
nehmen, wie es kommt“, sagt sie.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 49