Bobinger Geschichten Juni2016
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Die Polizei bekommt direkten Onlinezugang zum Standesamt<br />
Bobingen.<br />
Bild: Stadtarchiv Bobingen<br />
Moderne Zeiten: Polizeihauptkommissar Clemens Müller<br />
trägt als einziger Polizist in Bobingen schon die neue,<br />
blaue Uniform.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Dieser Dienstbetrieb erscheint für<br />
zwei Beamte … ziemlich belastend.<br />
Ob aber dessen Durchführung<br />
von den gegenwärtigen Beamten<br />
für die Dauer nicht möglich<br />
ist, möchte ich höherer Beurteilung<br />
überlassen. Die Verstärkung<br />
dieser Station um einen Beamten<br />
dürfte, wie dies schon in<br />
einem meiner früheren Berichte<br />
an die Gendarmerie-Abteilung<br />
angedeutet ist, zu berücksichtigen<br />
sein, sobald irgendein Beamter<br />
zur Verfügung stünde. Möglicherweise<br />
könnte dies bei einer seinerzeitigen<br />
Änderung der Station<br />
Lagerlechfeld erreicht werden.“<br />
Noch 1927, also drei Jahre später,<br />
umfasste der Ist-Stand in Bobingen<br />
immer noch zwei Personen.<br />
Auch damals war der künftige<br />
wünschenswerte Sollstand mit<br />
drei Personen ausgewiesen.<br />
Die Zeit des Nationalsozialismus<br />
liegt in der Polizeigeschichte weitestgehend<br />
im Dunkeln. Beim<br />
Einmarsch der amerikanischen<br />
Truppen in Königsbrunn und Bobingen<br />
werden sämtliche polizeiliche<br />
Unterlagen, die mit einem<br />
Hakenkreuz versehen sind, vernichtet.<br />
Gemeinderat fühlt<br />
sich beleidigt<br />
In den Archiven ist jedoch in den<br />
städtischen Beschlussbüchern eine<br />
Beleidigungsklage des Gemeinderates<br />
gegen den <strong>Bobinger</strong><br />
Landwirt Matthias K. zu finden.<br />
Dieser hat laut Zeugenaussagen<br />
am 6. August 1933 folgende Worte<br />
geäußert: „Wenn überhaupt<br />
noch ein Bauer in den Gemeinderat<br />
geht, dann muss er keinen<br />
Charakter haben und ich halte<br />
nächstes Jahr keinen Eber mehr,<br />
der Gemeinderat soll seine Säue<br />
selber machen.“ Selbstverständlich<br />
waren die Gemeinderäte über<br />
eine derart direkte Ansprache erbost.<br />
Schon zwei Tage später wurde<br />
in einer Sitzung beschlossen,<br />
wegen dieser Beleidigung gegen<br />
HISTORIE<br />
Das „blaue“ Ärmelabzeichen.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
den K. Strafantrag zu stellen. Am<br />
29. August ist zu lesen: „In der<br />
Zwischenzeit hat Vermittlung mit<br />
Landwirt K. wegen Beleidigung<br />
des Gemeinderates stattgefunden.<br />
K. erklärt sich bereit 10 Reichsmark<br />
in die Armenkasse zu bezahlen.<br />
Mit dieser Regelung ist<br />
der Gemeinderat jedoch nicht<br />
einverstanden. Es wird K. die<br />
Zahlung von 40 Reichsmark verlangt<br />
und von der Veröffentlichung<br />
in der Zeitung abgesehen.<br />
Die Buße ist innerhalb 8Tagen<br />
bei der Gemeinde einzuzahlen.“<br />
Zum Vergleich: eine Pflegekraft<br />
im Gemeindekrankenhaus erhielt<br />
zu dieser Zeit eine Entlohnung<br />
von 20 Reichsmark im Monat. So<br />
war dem K. die geforderte Summe<br />
anscheinend zu hoch. Jedenfalls<br />
heißt es am 19. September<br />
1933 weiter: „In der Beleidigungssache<br />
K. teilt 1. Bürgermeister<br />
Renz mit, dass K. die Zahlung<br />
von 40 Reichsmark nicht geleistet<br />
habe und sich nur zur Zahlung<br />
einer Buße von 10 Reichsmark<br />
bereit erklärt. Der Gemeinderat<br />
nimmt dieses Angebot nicht an;<br />
K. ist zu eröffnen, dass weitere<br />
Schritte gegen ihn unternommen<br />
werden, wenn der Betrag von<br />
40 Reichsmark nicht binnen drei<br />
Tagen einbezahlt ist.“ In den weiteren<br />
Sitzungen kommt dieser<br />
Beleidigungsvorfall nicht mehr<br />
zur Sprache, weswegen anzunehmen<br />
ist, dass Landwirt K. doch in<br />
den für ihn so sauren Apfel biss<br />
und die geforderte Summe bezahlte.<br />
Ob er dann im nächsten<br />
Jahr tatsächlich keinen Eber mehr<br />
hielt, ist leider nicht bekannt.<br />
In der NS-Zeit<br />
Die Zeit des Nationalsozialismus<br />
war auch für die Polizei eine Zeit<br />
der Gebote und Verbote. Bei den<br />
wenigen erhaltenen Unterlagen<br />
sind beispielsweise Dienstanweisungen,<br />
in denen die „Grußpflicht<br />
zwischen den Angehörigen der<br />
uniformierten Staatspolizei und<br />
der nationalen Verbände“ geregelt<br />
ist.<br />
Eine Dienstanweisung aus dem<br />
Staatsministerium des Innern<br />
vom 3. März 1937 befasst sich<br />
mit der „Anrede im dienstlichen<br />
und außerdienstlichen Verkehr<br />
bei der Ordnungspolizei“ und<br />
lautet wie folgt:<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6, Juni 2016 19