Bobinger Geschichten Juni2016
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HISTORIE<br />
POLIZEIGESCHICHTE<br />
VonderGendarmeriezur<br />
Polizeistation(2)<br />
In der letzten Ausgabe der <strong>Bobinger</strong> Geschichte(n) machte die Polizei<br />
im Ort gerade ihre ersten Schritte. Es ging noch um die „Instruction<br />
für Polizeidiener“, die auch als Nachtwächter ihre Runden drehen<br />
mussten und um die Kosten für die Reinigung eines Arrestlokales.<br />
Bis zu einer modernen Polizeidienststelle fehlen jedoch noch einige<br />
Jahre.<br />
Von Anja Fischer<br />
Mit welchen Vorfällen sich die<br />
Polizei in früheren Zeiten beschäftigen<br />
musste, zeigt ein Blick<br />
in alte Prozessakten.So wurde am<br />
5. und 6. September 1923 vor<br />
dem Wuchergericht Augsburg<br />
gegen einen <strong>Bobinger</strong> Käsereibesitzer<br />
verhandelt. Dieser war wegen<br />
Preistreiberei angeklagt worden.<br />
In der amtlichen Bekanntmachung<br />
heißt es:<br />
1. E. Anton, geboren am 30. Oktober<br />
1883 zu Bobingen, verh.<br />
Käsereibesitzer und Landwirt in<br />
Bobingen ist schuldig eines Vergehens<br />
des Preiswuchers und wird<br />
hiewegen zu einem Jahr Gefängnis<br />
und zur Geldstrafe von hundert<br />
Millionen Mark und in die<br />
Kosten verurteilt.<br />
2.Auf die Gefängnisstrafe werden<br />
45Tage Untersuchungshaft angerechnet.<br />
3. Im Fall der Uneinbringlichkeit<br />
der Geldstrafe tritt an Stelle von<br />
je einer Million Mark ein Tag<br />
Gefängnis.<br />
4. Eingezogen wird ein Betrag,<br />
der dem erzielten übermäßigen<br />
Gewinn entspricht.Die Entscheidung<br />
über die Höhe des einzuziehenden<br />
Betrages wird im besonderen<br />
Verfahren nach §19,20 der<br />
Preistr. V.O. vom 13. Juli 1923<br />
vorbehalten.<br />
5. Dem Verurteilten wird der<br />
Handel mit Molkereierzeugnissen<br />
untersagt.<br />
6.Die Verurteilung ist auf Kosten<br />
des Verurteilten binnen einem<br />
Polizei Bayern.<br />
Monat je einmal in den für amtliche<br />
Bekanntmachungen des Gerichts<br />
bestimmten Augsburger<br />
Tageszeitungen, in den für amtliche<br />
Bekanntmachungen der Gerichte<br />
in Kempten bestimmten<br />
Tageszeitungen,in dem Schwabmünchner<br />
Amtsblatt und in der<br />
süddeutschen Molkereizeitung,<br />
ferner durch Anschlag an den<br />
Gemeindetafeln in Bobingen und<br />
Königsbrunn und in den Geschäftsräumen<br />
des Verurteilten in<br />
Bobingen und Königsbrunn öffentlich<br />
bekannt zu machen.<br />
7. Der Haftbefehl wird aufrecht<br />
erhalten.<br />
Auf dem Schreiben ist ein handschriftlicher<br />
Vermerk. So wurde<br />
das Urteil am 10.September 1923<br />
Bild: Anja Fischer<br />
an der Gemeindetafel in Bobingen<br />
angeschlagen und am<br />
21. September 1923 wieder abgenommen.<br />
Wer sich damals etwas<br />
zu Schulden kommen ließ,musste<br />
also nicht nur die Strafen des Gerichts,<br />
sondern auch die Öffentlichkeit<br />
fürchten, das Gerede der<br />
Leute und vielleicht sogar die<br />
Ächtung von Freunden und Bekannten.<br />
Polizei ist<br />
unterbesetzt<br />
Was die Polizei in früheren Jahren<br />
sonst noch alles tun musste<br />
und worauf besonderes Augenmerk<br />
gelegt wurde, ist gut einem<br />
Bericht von Gendarmerie-Kommissär<br />
Lang an das Bezirksamt<br />
Schwabmünchen vom 2. Juni<br />
1924 zu entnehmen: „Die Beamten<br />
der Station Bobingen sind in<br />
dienstlicher Hinsicht ziemlich<br />
stark belastet. Am Stationsorte<br />
selbst befinden sich zwei größere<br />
Fabriken, deren Betrieb von Jahr<br />
zu Jahr vergrößert, was eine Vermehrung<br />
des Fremdenzuzuges<br />
zur Folge hat.<br />
In der Kunstseidefabrik sind gegenwärtig<br />
etwa 800 und in der<br />
Wurstfabrik etwa 100 Personen<br />
beschäftigt. Dieselben stammen<br />
aus verschiedenen Gegenden,besitzen<br />
keine guten Eigenschaften<br />
und bedürfen stets der Überwachung.<br />
Ebenso erfordert die zu<br />
diesem Dienstbezirk gehörige,etwas<br />
entlegene große Gemeinde<br />
Großaitingen (1.260 Einwohner)<br />
durch vermehrte Dienstgänge<br />
dorthin größere Anforderungen<br />
an die Beamten als dies bei kleineren<br />
Gemeinden notwendig ist.<br />
Der ganze Dienstbezirk Bobingen<br />
umfasst außer dem Stationsbereich<br />
die Gemeinden Straßberg,<br />
Wehringen und Großaitingen.<br />
Von einem ausgedehnten<br />
Dienstgang-Bezirk dürfte kaum<br />
die Rede sein. …. Vom 1.1. bis<br />
30.05.1924 weist das Geschäftstagebuch<br />
536 Nummern auf. In<br />
dieser Zeit sind 119 erstattete<br />
Anzeigen vorgetragen und zwar:<br />
„40 Übertretungen, 24 Bettel,<br />
31 Vergehen gegen das Viehseuchengesetz,<br />
13 Diebstähle, 5 Betrügereien,<br />
3 Preistreibereien,<br />
1 Münzfälschung, 1 Körperverletzung<br />
und 1 Sachbeschädigung.“<br />
Dazu kommen noch die Erledigungen<br />
einer nicht geringen Anzahl<br />
anderweitiger Erhebungen.<br />
18 BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 6,Juni 2016