SGV_KQ_03_2016_www
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1890 – 1914<br />
im Sommer 1890, Arnsberg und Attendorn – und in den nächsten Monaten<br />
ging es fast Schlag auf Schlag weiter: Der umtriebige Forstrat sorgte dafür,<br />
dass sich noch im Jahr 1890 insgesamt 44 Abteilungen gebildet hatten, von<br />
denen 27 bereits Beiträge an den Hauptverein abführten. Unterstützt wurde er<br />
insbesondere vom Arnsberger Historiker und Lehrer Karl Féaux de Lacroix, der<br />
1893 erster Schriftleiter des „Sauerländischen Gebirgsboten“ werden sollte.<br />
Zu den Gründern des <strong>SGV</strong> dürfen sich die folgenden Abteilungen zählen: Altena,<br />
Altenhundem, Arnsberg, Attendorn, Balve, Bilstein, Bochum, Calle, Dortmund,<br />
Gelsenkirchen, Hamm, Haspe, Herscheid, Medebach, Menden, Meschede,<br />
Neheim, Neuenrade, Oberkirchen, Schalke, Schmallenberg, Schwerte, Unna,<br />
Warschau-Grodzisk, Warstein, Winterberg, Witten.<br />
Erste Abteilungsgründung in Medebach?<br />
Die Gründung der ersten 27 <strong>SGV</strong>-Abteilungen im Jahr 1890 war nur der Anfang,<br />
das Wirken des Forstrates Ernst Ehmsen hatte überall positive Wirkung gezeigt:<br />
Am 25. Januar 1891 trafen sich die Vertreter von 44 bereits bestehenden Abteilungen<br />
im Hotel „Kaiserhof“ in Hagen zur ersten Delegiertenversammlung<br />
und gründeten den Verein unter dem Namen „Sauerländischer Gebirgsverein“.<br />
Die Vertreter jener 44 Abteilungen repräsentierten immerhin schon 2.100<br />
Mitglieder.<br />
Bei dieser Versammlung wurde selbstredend auch eine Satzung beschlossen,<br />
in der die Aufgaben und Ziele des <strong>SGV</strong> beschrieben und definiert werden.<br />
Dort heißt es unter anderem: „Der Sauerländische Gebirgsverein bezweckt, die<br />
Zugänglichkeit und die Bereisung der Berge des Regierungsbezirks Arnsberg<br />
zu erleichtern, sowie die Kenntnis derselben in geschichtlicher, naturwissenschaftlicher<br />
und geographischer Beziehung zu erweitern. Insbesondere soll<br />
dieser Zweck erreicht werden durch Herstellung und Verbesserung der Verkehrsmittel,<br />
Wegweiser, Aussichtspunkte, Schutzhütten, Bänke, Fassung von<br />
Quellen, gesellige Zusammenkünfte, gemeinschaftliche Ausflüge, Vorträge,<br />
durch Verbreitung bildlicher Darstellung schöner …“<br />
So mancher ist erstaunt, findet sich hier doch kein Wort, dass man sich zu<br />
Fuß auf den Weg machen soll, dass man wandernd die Sauerländer Bergewelt<br />
entdecken soll. Dieser erste Eindruck relativiert sich rasch, denn unter „Bereisung“<br />
ist angesichts kaum vorhandener Infrastruktur zweifelsohne die Vorwärtsbewegung<br />
mit Wanderschuhen gemeint. Überhaupt sollte die erste große<br />
Aufgabe für den jungen Verein der Aufbau eines Wegenetzes werden – und<br />
selbstredend auch die „Werbung“ für die Region zu machen. Es ist nicht übertrieben:<br />
Der <strong>SGV</strong> wirkt in seinen Anfangsjahren quasi als „Tourismusverband“.<br />
In der Tat entwickelte sich der Tourismus allmählich im Land der tausend Berge<br />
– allerdings wahrhaftig nur gemächlich. Aber es gibt auch frühe Beispiele, wie<br />
man Gäste anlockt: So warb der „in nächster Nähe des Bahnhofs Westig und<br />
Hemer, des Felsenmeeres und der Sundwiger Höhle gelegene Gasthof zum<br />
Felsenmeer“ schon im Sommer 1890 in mehreren Annoncen damit „Führer<br />
stets zur Hand zu haben.“ Und die Königliche Eisenbahn-Direktion Elberfeld<br />
riet den geneigten Zeitungslesern zum Besuch der „an der Eisenbahnstrecke<br />
Letmathe-Iserlohn gelegenen Dechenhöhle … Die zwischen Letmathe und<br />
Iserlohn verkehrenden Personenzüge halten an der Dechenhöhle.“ Auch nicht<br />
unwichtig: „Die Beleuchtung der Höhle erfolgt durch elektrisches Licht …“<br />
Mit dem Zug zur beleuchteten Dechenhöhle<br />
Im ersten Halbjahr des Jahres 1891 gründeten sich weitere Abteilungen und<br />
die Mitgliederzahl stieg stetig an. Bei der ersten Mitgliederversammlung am<br />
19. Juli 1891 in Arnsberg gab es bereits 54 Abteilungen, von denen 38 bei<br />
der Sitzung vertreten waren. Neue Abteilungen gab es nun in Berleburg, Berlin,<br />
Bestwig, Bödefeld, Brilon, Duisburg, Eslohe, Fredeburg, Grevenbrück, Hagen,<br />
Hemer, Hilchenbach, Hohenlimburg, Halver, Iserlohn, Kirchhundem, Letmathe,<br />
Lippstadt, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Münster, Nachrodt, Olpe, Olsberg,<br />
Plettenberg, Soest, Siedlinghausen, Volmarstein und Werdohl. In der Liste<br />
von 1891 fehlen Schalke und Warschau, deren Gründung für 1890 gemeldet<br />
worden war, sich aber verzögert hatte. Die 54 Abteilungen zählten insgesamt<br />
bereits mehr als 2.900 Mitglieder.<br />
Menschen im <strong>SGV</strong><br />
Wichtigste Aufgabe der Generalversammlung am 19. Juli 1891 war die Wahl<br />
des Vorstandes. Zum Vorsitzenden bestimmte die Versammlung Forstrat Ehmsen.<br />
Als stellvertretender Vorsitzender amtierte Landgerichtsrat Wiethaut aus<br />
Hagen. Als Beisitzer wurden Dr. Kneebusch, Dortmund, O. Schütte, Oberkirchen<br />
und Rektor Dr. Rebling aus Altena gewählt. Das Amt des Schriftführers<br />
ging an Gymnasiallehrer Karl Féaux de Lacroix, um die Finanzen kümmerte<br />
sich fortan Amtsgerichtsrat Müller aus Arnsberg.<br />
Interessant ist natürlich, warum gerade in Berlin eine <strong>SGV</strong>-Abteilung gegründet<br />
wurde – wobei zu sagen ist, dass 1895 eine zweite und 1896 sogar eine dritte<br />
<strong>SGV</strong>-Abteilung in der Hauptstadt gegründet wurden. Im Falle der ersten Grün-<br />
Ernst Ehmsen<br />
geb. 15. Dezember 1833 in Rendsburg;<br />
gest. 19. März 1893 in Göttingen<br />
Ernst Ehmsen gilt zu Recht als Gründungsvater<br />
des <strong>SGV</strong>. In der Tat war der Forstrat<br />
der „Spiritus rector“ jenes Projektes, das<br />
1890 zunächst unter dem Namen „Sauerländischer<br />
Touristenverein“ ins Licht<br />
der Geschichte trat. Ehmsen wurde in Rendsburg, im Herzogtum<br />
Schleswig-Holstein, geboren, das seinerzeit zu Dänemark gehörte.<br />
So studierte er an der Forstakademie in Kopenhagen. Nach<br />
Abschluss des Studiums trat er 1859 in den dänischen Staatsdienst.<br />
1864, nach dem Deutsch-Dänischen Krieg, fiel Schleswig-Holstein<br />
an Preußen. Ehmsen wurde Oberförster in Ostpreußen, danach<br />
wurde er ins Elsass versetzt. Nach einem Abstecher nach Hannover<br />
kam er schließlich als Forstrat nach Arnsberg – und begeisterte<br />
nicht nur den Wanderkreis des Gymnasiums mit seiner Idee eines<br />
großen Wander- und Naturvereins.<br />
Ernst Ehmsen machte sich mit seinen Mitstreitern Gedanken um die<br />
Infrastruktur im Sauerland, um die Wege, die Werbung, kurz: Er war<br />
der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle.<br />
1891 wurde er zum ersten Vorsitzenden des <strong>SGV</strong> gewählt. Aber nur<br />
zwei Jahre später starb er in Göttingen, wo er sich einer Operation<br />
unterziehen musste. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof von<br />
Großenaspe bei Neumünster.<br />
dung von 1891 ist natürlich ein Sauerländer im Spiel – nämlich der aus Bödefeld<br />
stammende, aber in Berlin wohnende Regierungsbaumeister Gerlach. Der<br />
hatte selbstredend von der Vereinsgründung in der alten Heimat gehört und<br />
aktivierte die Mitglieder des früheren „Westfalen-Stammtisches“ in der alten<br />
„Victoria-Brauerei.“ Sein Einladungsschreiben ist fast schon Poesie: „Auch in<br />
der deutschen Landeshauptstadt befinden sich so viele, welche den schönen<br />
Bergen und Tälern des Sauerlandes in treuer Liebe und Anhänglichkeit zugetan<br />
sind, und es bedarf wohl nur dieser Anregung, um auch hier Landsleute zu<br />
sammeln und durch die Gründung einer Abteilung Berlin des <strong>SGV</strong> unseren<br />
Freunden im fernen Westen zu beweisen, daß wir inmitten des Getriebes der<br />
Großstadt Herz und Sinn für die Interessen unseres westfälischen Vaterlandes<br />
nicht verloren haben.“<br />
Weitere Abteilungen gründeten sich, die Mitgliederzahl wuchs entsprechend.<br />
Doch nur zwei Jahre nach der Vereinsgründung gab es einen herben Rückschlag,<br />
ein Ereignis, das den jungen Verein zunächst lähmte: Der „Macher“<br />
und Vorsitzende Ernst Ehmsen starb am 19. März 1893! Karl Feaux de Lacroix<br />
hatte die traurige Pflicht, in seiner ersten Ausgabe als verantwortlicher Redaktionsleiter<br />
der neuen Vereinszeitschrift „Der Sauerländische Gebirgsbote“ einen<br />
Nachruf zu veröffentlichen: „Eine schmerzliche Aufgabe ist dem Gebirgsboten<br />
><br />
125 JAHRE <strong>SGV</strong><br />
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