RVGreport 01/2016

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Thema des Monats RVGreport Thema des Monats Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg Anwaltsvergütung für Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren Der Beitrag setzt die Reihe fort, in der wir die Vergütungsfragen zu bestimmten Verfahren(sarten) vorstellen 1 . Die nachfolgenden Ausführungen behandeln die Anwaltsvergütung im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung/Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) 2 . I. Allgemeines Bei der Abrechnung anwaltlicher Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren ist zu unterscheiden zwischen dem Vertreter des Antragstellers 3 und dem Vertreter/Verteidiger des Beschuldigten 4 . Außerdem kommt es darauf an, ob der RA jeweils bereits (schon) den Auftrag zur vollen Vertretung/Verteidigung erhalten hatte, oder ob er im Rahmen einer Einzeltätigkeit tätig geworden ist 5 . II. Rechtsanwalt des Antragstellers im Klageerzwingungsverfahren 1. Voller Auftrag Soll der RA für den Antragsteller nicht nur im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO tätig werden, sondern hat er von vornherein den vollen Auftrag den Antragsteller als Verletzten, der sich ggf. einer erhobenen Anklage als Nebenkläger anschließen will, zu vertreten, gilt Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG 6 . Der RA ist dann Vertreter eines Verletzten/Nebenklägers und rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab 7 . Wird der RA dem Antragsteller im (gesamten) vorbereitenden Verfahren als Beistand bestellt 8 , fallen keine Gebühren für Einzeltätigkeiten an 9 , sondern die Abrechnung erfolgt nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG 10 . In Betracht kommt dann auch die Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG 11 . 1 Vgl. u.a. zu Verkehrsstrafsachen RVGreport 2015, 282; zu Bußgeldverfahren RVGreport 2015, 362; zu Schwurgerichtsverfahren RVGreport 2015, 362. 2 Vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., 2015, Rn. 2370 ff.; Burhoff in: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (RM), 2013, Teil B Rn. 589 ff. 3 S. nachfolgend unter II. a) Regelmäßig anfallende Gebühren Für den RA/Vertreter entstehen im Klageerzwingungsverfahren • die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, • die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG. Für diese Gebühren gelten die allgemeinen Regeln, was insb. auch hinsichtlich der Abgeltungsbereiche der Gebühren gilt 12 . b) Keine weiteren Gebühren Weitere Gebühren entstehen für diesen RA als Vertreter des Antragstellers für seine Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren nicht. Dieses ist mit dem Beschluss nach § 175 StPO beendet. Die vom OLG beschlossene Erhebung der Anklage wird von der Staatsanwaltschaft durchgeführt (§ 175 Satz 2 StPO). Das vorbereitende Verfahren ist erst mit dem Eingang der Anklage beim Gericht beendet 13 . Erst dann entsteht ggf. die gerichtliche Verfahrensgebühr. 2. Einzeltätigkeit a) Einstellungsbeschwerde Hat der RA nicht den vollen Auftrag erhalten, sondern wird er für den Antragsteller nur im Rahmen von Einzeltätigkeiten tätig, gilt Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG 14 . Es fallen dann ggf. folgende Gebühren an: • Soll der RA nur die sog. Einstellungsbeschwerde (§ 172 Abs. 1 StPO) einlegen, entsteht dafür die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV RVG 15 . • Soll der RA die Einstellungsbeschwerde (§ 172 Abs. 1 StPO) ggf. (auch) begründen, entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG. • Ist der RA mit der Beistandsleistung im Einstellungsbeschwerdeverfahren beauftragt, entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 3 VV RVG 16 . 4 Vgl. dazu III. 5 Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG. 6 Burhoff/Volpert, RVG 4. Aufl., Nr. 4301 VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/ N. Schneider, 7. Aufl., Nr. 4301 VV RVG Rn. 23; Burhoff RVGprofessionell 2014, 216. 7 Burhoff RVGprofessionell 2014, 216. 8 § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO, vgl. Burhoff/Kotz, RM, Teil B Rn. 700. 9 Vgl. zu denen II. 2. 10 OLG Stuttgart RVGreport 2008, 383 = Justiz 2008, 229 = Rpfleger 2008, 441 = StRR 2008, 359. 11 Vgl. OLG Stuttgart, a.a.O. 12 Zur Grundgebühr allgemein Burhoff RVGreport 2014, 42 m.w.N. zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV RVG Rn. 34 ff. 13 Vgl. Anm. zu Nr. 4104 VV RVG; s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4104 VV Rn. 4 ff. 14 Burhoff RVGprofessionell 2015, 14. 15 Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Nr. 4301 VV RVG Rn. 23, Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl. 2015, Nr. 4301 VV RVG Rn. 17. 16 Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., Nr. 4301 VV RVG Rn. 27. 2 Nr. 1/2016
RVGreport Thema des Monats Hinsichtlich der Frage, welche Gebühren entstehen, wenn der RA von vornherein gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung und -begründung beauftragt wird bzw. die Aufträge nacheinander erteilt werden, gelten die allgemeinen Regeln 17 . Es handelt sich jeweils um selbstständige Angelegenheiten 18 .EsgiltüberVorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG die Bestimmung des § 15 Abs. 6 RVG 19 . Weitere Gebühren entstehen nicht. Das gilt insb. für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Diese entsteht nicht zusätzlich 20 . b) Klageerzwingungsverfahren Erhält der RA den Auftrag, den Antragsteller nach einer erfolglosen Einstellungsbeschwerde auch im eigentlichen Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO zu vertreten, entsteht dafür eine Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 5 VV RVG 21 . Diese Verfahrensgebühr deckt im Verfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO sämtliche vom RA erbrachte Tätigkeiten ab. Das können sein: Erstellung, Unterzeichnung und Einreichung des Klageerzwingungsantrags, Beratung des Antragstellers im weiteren Verfahren und sonstige Beistandsleistungen, wie z.B. bei gerichtlichen Ermittlungen 22 . Die Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 5 VV RVG kann, wenn der RA zunächst auch mit der Einstellungsbeschwerde beauftragt war 23 , neben der der Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV RVG entstehen. Es handelt sich um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG 24 . Über Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG gilt aber § 15 Abs. 6 RVG. In jeder Angelegenheit kann dann auch die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG entstehen 25 . Erhält der RA später den vollen Auftrag, den Antragsteller im Strafverfahren zu vertreten 26 , gilt Vorbem. 4.3 Abs. 4 RVG. Die für die Einzeltätigkeit erhaltenen Gebühren werden angerechnet 27 . Auch hier entstehen keine weiteren Gebühren, was insb. für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG gilt 28 . III. Rechtsanwalt als Verteidiger des Beschuldigten im Klageerzwingungsverfahren 1. Voller Auftrag Hat der RA von vornherein den vollen Auftrag, den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu verteidigen, gilt Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG 29 . Der RA ist dann (Voll-)Vertreter eines Verletzten/Nebenklägers und rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. Für ihn entstehen die Gebühren, die auch für den Vertreter des Antragstellers entstehen, wenn ihm der volle Auftrag erteilt ist 30 . Die erbrachten Tätigkeiten werden also – ebenso wie z.B. Tätigkeiten des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren 31 – durch die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG mitabgegolten 32 . Hat die Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren zu einem Mehraufwand des Verteidigers geführt, was i.d.R. der Fall sein dürfte, ist, wenn bei Ablehnung des Antrags eine Kostenentscheidung zugunsten des Beschuldigten ergangen ist (§ 175 StPO), die sog. Differenztheorie anzuwenden. Dabei ist einmal die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mit Klageerzwingungsverfahren und einmal ohne Klageerzwingungsverfahren zu ermitteln. Der insoweit entstehende Differenzbetrag ist vom Antragsteller zu erstatten 33 . 2. Einzeltätigkeit Hat der RA nicht den vollen Auftrag, den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren als Verteidiger zu verteidigen, sondern soll er im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO nur Beistand leisten, entsteht für diese Beistandsleistung nur die Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 5 VV RVG 34 . Diese Verfahrensgebühr deckt sämtliche vom RA im Verfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO für den Beschuldigten erbrachte Tätigkeiten ab. Das können sein: Abgabe einer Erklärung nach § 173 Abs. 2 StPO oder sonstige Beistandsleistungen, wie z.B. bei gerichtlichen Ermittlungen 35 . Erhält der RA später den vollen Auftrag, den Beschuldigten im Strafverfahren zu verteidigen, gilt Vorbem. 4.3 Abs. 4 RVG. Die für die Einzeltätigkeit erhaltenen Gebühren werden angerechnet 36 . Bei mehreren Einzeltätigkeiten ist auf die Beschränkung der Vorbem. 4.3 Abs. 3 Satz 2 VV RVG i.V.m. § 15 Abs. 6 RVG zu achten. Auch hier entstehen keine weiteren Gebühren, was insb. für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG von Bedeutung ist 37 . 17 Vgl. dazu Burhoff/Kotz/Burhoff, RM, Teil B, Rn. 168. 18 Hartung/Schons/Enders, Nr. 4301 VV RVG Rn. 29 m.w.N. 19 Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4. 3 VV Rn. 69 ff. m.w.N. 20 OLG Düsseldorf AGS 2009, 14 = AnwBl. 2009, 312; OLG Köln RVGreport 2007, 306 = NStZ-RR 2007, 287 = AGS 2007, 452; OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = StV 2006, 206 = JurBüro 2005, 252. 21 Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Vorb. 4.3. VV RVG Rn. 24; Hartung/Schons/Enders, Nr. 4301 VV RVG Rn. 27. 22 Hartung/Schons/Enders, Nr. 4301 VV RVG Rn. 27; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Nr. 4301 VV RVG Rn. 27. 23 Vgl. dazu II. 2 a. 24 Gerold/Schmidt/Burhoff, Nr. 4301 VV RVG Rn. 17 m.w.N. 25 Vgl. die Anm. zu Nr. 7002 VV RVG. 26 Vgl. II. 1. 27 Vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV RVG Rn. 39. 28 OLG Düsseldorf; OLG Köln und OLG Schleswig je a.a.O. 29 Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Nr. 4301 VV RVG Rn. 23; insoweit zutreffend OLG Koblenz RVGreport 2014, 397 = StRR 2014, 511. 30 Vgl. dazu o. II. 1. 31 Vgl. dazu Burhoff RVGreport 2012, 12. 32 S. auch noch vgl. auch Burhoff StRR 2012, 172 und RVGreport 2013, 213, ders., RVGprofessionell 2015, 33; ders., RVGreport 2014, 397 in der Anm. zu OLG Koblenz, a.a.O. 33 Burhoff RVGprofessionell 2015, 33; insoweit lückenhaft OLG Koblenz, a.a.O. 34 Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4301 VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Vorb. 4.3. VV RVG Rn. 25; Hartung/Schons/Enders, Nr. 4301 VV RVG Rn. 27. 35 Hartung/Schons/Enders, Nr. 4301 VV RVG Rn. 27; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Nr. 4301 VV RVG Rn. 25 f. 36 Vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV VV RVG Rn. 73. 37 OLG Düsseldorf; OLG Köln und OLG Schleswig je a.a.O. Nr. 1/2016 3
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