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RVGreport 01/2016

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Im Rechtsprechungsreport werden neue Gerichtsentscheidungen rezensiert und mit einem Fazit für die tägliche Praxis versehen. Zahlreiche praktische Muster, Checklisten und Berechnungsbeispiele komplettieren das Angebot.

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<strong>RVGreport</strong><br />

Anwaltsgebühren · Streitwert · Gerichtskosten ·<br />

Erstattung · Rechtsschutz<br />

1 | 2<strong>01</strong>6<br />

Seite 1 bis 40<br />

17. Jahrgang<br />

ISSN 1617-545X<br />

Aus dem Inhalt<br />

Herausgeber<br />

Vors. Richter am LG a.D.<br />

Heinz Hansens, Berlin<br />

Rechtsanwalt<br />

Anton Braun, Bonn<br />

Hauptgeschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

a.D.<br />

Rechtsanwalt und Notar<br />

Herbert P. Schons, Duisburg<br />

Vorsitzender der Tagung der<br />

Gebührenreferenten der<br />

Rechtsanwaltskammern<br />

Rechtsanwalt<br />

Dr. Egon Schneider (†), Much<br />

#■ <strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

In diesem Heft . . .................................. 1<br />

In aller Kürze . . . .................................. 1<br />

#■ Thema des Monats<br />

Anwaltsvergütung für Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren<br />

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg ......... 2<br />

#■ Fälle aus der Praxis<br />

Die Crux mit dem Forderungsübergang auf die Landeskasse<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin ........................ 4<br />

#■ Literaturreport<br />

#■ <strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

#■ Rechtsprechungsreport<br />

BGH: Rückforderung von vereinbartem Anwaltshonorar bei nicht<br />

eingehaltenen Formerfordernissen der Vereinbarung . . . ........ 11<br />

LAG Nürnberg: Mutwilligkeit der getrennten Rechtsverfolgung nicht<br />

im Festsetzungsverfahren zu prüfen ...................... 17<br />

BGH: Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr bei Zahlungsverzug 25<br />

BGH: Wert einer Vollstreckungsgegenklage ................. 31<br />

LAG Schleswig‐Holstein: PKH‐Belege sind sortiert mit entsprechenden<br />

Belegnummern einzureichen . ....................... 34<br />

BFH: Kein Anspruch des Kostenschuldners auf Absehen des Kostenansatzes<br />

gem. § 10 KostVfg ............................ 35<br />

BGH: Deckungsschutz durch Gewährung von Rechtsschutz zur<br />

Abwehr der anwaltlichen Vergütungsforderung . ............. 37<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

www.zap-verlag.de


Inhalt<br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

In diesem Heft 1<br />

In aller Kürze 1<br />

Thema des Monats<br />

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg<br />

Anwaltsvergütung für Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren<br />

2<br />

Fälle aus der Praxis<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin<br />

Die Crux mit dem Forderungsübergang auf die Landeskasse 4<br />

Literaturreport 7<br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen 10<br />

Rechtsprechungsreport<br />

• BGH, Urt. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 100/13<br />

Rückforderung von vereinbartem Anwaltshonorar bei nicht<br />

eingehaltenen Formerfordernissen der Vereinbarung 11<br />

• Bay. LSG, Beschl. v. 23.9.2<strong>01</strong>5 – L 15 SF 273/14 E<br />

Bemessungskriterien für die Höhe der Terminsgebühr; keine<br />

Erledigungsgebühr durch Annahme eines Anerkenntnisses 13<br />

• LG Stralsund, Beschl. v. 25.9.2<strong>01</strong>5 – 26 Qs 186/15<br />

Mittelgebühr in Verkehrsstrafsachen 15<br />

• KG, Beschl. v. 2.10.2<strong>01</strong>5 – 1 ARs 26/13<br />

Kompensation bei der Pauschgebühr 16<br />

• LAG Nürnberg, Beschl. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – 2 Ta 118/15<br />

Mutwilligkeit der getrennten Rechtsverfolgung nicht im<br />

Festsetzungsverfahren zu prüfen 17<br />

• OVG Berlin‐Brandenburg, Beschl. v. 1.7.2<strong>01</strong>5 – OVG 3 K 56/15<br />

Anfall der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren 19<br />

• AG Tiergarten, Beschl. v. 1.9.2<strong>01</strong>5 – (271 Cs) 234 Js 217/13 (167/13)<br />

Umfang der Pflichtverteidigerbestellung und zusätzliche<br />

Verfahrensgebühr 20<br />

• AG Stadtroda, Beschl. v. 12.11.2<strong>01</strong>5 – 8 OWi 23/15<br />

Zusätzliche Verfahrensgebühr im Bußgeldverfahren 21<br />

• OLG München, Beschl. v. 30.7.2<strong>01</strong>5 – 29 W 482/15<br />

Keine Erstattung der Geschäftsgebühr für die Einreichung einer<br />

Schutzschrift 22<br />

• OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.2<strong>01</strong>5 – 6 W 72/15<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine online‐Schutzschrift;<br />

Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen 23<br />

• BGH, Urt. v. 17.9.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 280/14<br />

Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr bei Zahlungsverzug 25<br />

• VG Karlsruhe, Beschl. v. 23.7.2<strong>01</strong>5 – 7 K 2180/15<br />

Kostenfestsetzung trotz unterlassener Benennung des<br />

Prozessbevollmächtigten in der Kostenentscheidung 28<br />

• BGH, Beschl. v. 12.5.2<strong>01</strong>5 – II ZB 18/14<br />

Rechtsbehelfe im Kostenfestsetzungsverfahren 30<br />

• BGH, Beschl. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 115/15<br />

Wert einer Vollstreckungsgegenklage 31<br />

• OLG Hamm, Beschl. v. 28.7.2<strong>01</strong>5 – 32 W 9/15<br />

Streitwert für ein Richterablehnungsverfahren 32<br />

• VGH Baden‐Württemberg, Beschl. v. 2.10.2<strong>01</strong>5 – 9 S 1048/15<br />

Behandlung eines Klageentwurfs mit PKH‐Antrag als<br />

unbedingte Klage 33<br />

• LAG Schleswig‐Holstein, Beschl. v. 19.2.2<strong>01</strong>5 – 5 Ta 25/15<br />

PKH‐Belege sind sortiert mit entsprechenden Belegnummern<br />

einzureichen 34<br />

• BFH, Beschl. v. 18.8.2<strong>01</strong>5 – III E 4/15<br />

Kein Anspruch des Kostenschuldners auf Absehen des Kostenansatzes<br />

gem. § 10 KostVfg 35<br />

• BGH, Beschl. v. 21.10.2<strong>01</strong>5 – IV ZR 266/14<br />

Deckungsschutz durch Gewährung von Rechtsschutz zur<br />

Abwehr der anwaltlichen Vergütungsforderung 37<br />

• OLG Celle, Beschl. v. 4.8.2<strong>01</strong>5 – 2 Ws 111/15<br />

Rückwirkende Beiordnung des Nebenklagebeistands 39<br />

Impressum<br />

Verlag: ZAP Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 53123 Bonn, Telefon: 0228/91911-62,<br />

Telefax: 0228/91911-66, E-Mail: info@zap-verlag.de, Internet: www.zap-verlag.de.<br />

Schriftleitung: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, E-Mail: fam.hansens@t-online.de.<br />

Ständige Mitarbeiter:<br />

• RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg<br />

• Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich<br />

Redaktion: Anna Kostinski (V.i.S.d.P.), E-Mail: redaktion@zap-verlag.de.<br />

Anzeigenverwaltung: Dr. Miriam Goetz, Telefon: 0228/91911-40, Telefax: 0228/<br />

91911-66, E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de.<br />

Erscheinungsweise: monatlich.<br />

Bezugspreis: Jährlich 190,46 € (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten. Der Abonnementsvertrag<br />

ist auf unbestimmte Zeit geschlossen; Preisänderungen bleiben<br />

vorbehalten.<br />

Kündigung: Sechs Wochen zum Ende des Bezugsjahres.<br />

Druck: Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Schneckenlohe.<br />

ISSN: 1617-545X<br />

Bibliografischer Hinweis: 2000 bis 2004 wurde die Zeitschrift unter<br />

dem Titel „BRAGOreport“ geführt und ab Anfang 2004 in „<strong>RVGreport</strong>“<br />

umbenannt.<br />

Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte. Die Annahme zur Veröffentlichung erfolgt schriftlich. Mit<br />

der Annahme überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche<br />

Verlagsrecht. Eingeschlossen sind insb. die Befugnis zur Einspeicherung<br />

in eine Datenbank sowie das Recht der weiteren Vervielfältigung.<br />

Haftungsausschluss: Verlag, Schriftleitung und Autor/en übernehmen<br />

keinerlei Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der abgedruckten<br />

Inhalte. (Formulierungs-)Hinweise, Beispielsrechnungen, Muster und<br />

Anmerkungen stellen lediglich Arbeitshilfen und Anregungen für die<br />

Lösung typischer Fallgestaltungen dar. Die Verantwortung für die<br />

Verwendung trägt der Leser.<br />

Urheber- und Verlagsrechte: Alle Rechte zur Vervielfältigung und<br />

Verbreitung sind dem Verlag vorbehalten. Der Rechtsschutz gilt auch<br />

gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen.


<strong>RVGreport</strong><br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

VorsRiLG a.D. H. Hansens<br />

In diesem Heft<br />

In seinem Beitrag auf S. 2 befasst sich Burhoff mit der Anwaltsvergütung<br />

im Klageerzwingungsverfahren. Anhand eines Falles aus<br />

der Praxis erörtere ich ab S. 4 die verschiedenen Ansprüche des<br />

PKH-Anwalts gegen die Landeskasse und den unterlegenen Gegner<br />

und Probleme des Forderungsübergangs auf die Landeskasse.<br />

In seinem Urteil auf S. 11 befasst sich der BGH mit den Voraussetzungen,<br />

unter denen ausnahmsweise die Rückforderung von<br />

vereinbartem Anwaltshonorar bei nicht formgerechter Vergütungsvereinbarung<br />

nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein<br />

kann. In dem Beschluss des Bay. LSG auf S. 13 geht es um die<br />

Bemessungskriterien für die Höhe der Terminsgebühr. In Verkehrsstrafsachen<br />

ist nach Auffassung des LG Stralsund, Beschluss auf<br />

S. 15, die Mittelgebühr auch dann angemessen, wenn Umfang und<br />

Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit unterdurchschnittlich<br />

waren, der Mandant jedoch eine Freiheitsstrafe zu erwarten hat.<br />

Mit den Voraussetzungen für die Gewährung einer Pauschgebühr<br />

für einzelne Verfahrensabschnitte befasst sich die Entscheidung des<br />

KG auf S. 16. Nach zutreffender Auffassung des LAG Nürnberg –<br />

Beschluss auf S. 17 – ist die Mutwilligkeit der getrennten Rechtsverfolgung<br />

nicht mehr im Festsetzungsverfahren zu prüfen. Unter<br />

welchen Voraussetzungen die Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren<br />

entsteht, erörtert das OVG Berlin-Brandenburg in seiner<br />

Entscheidung auf S. 19. Die Beschlüsse des AG Tiergarten und AG<br />

Stadtroda ab S. 20 befassen sich mit der zusätzlichen Verfahrensgebühr<br />

in Strafbefehlsverfahren bzw. in Bußgeldverfahren.<br />

Eine Geschäftsgebühr für die Einreichung einer Schutzschrift ist im<br />

nachfolgenden Verfügungsverfahren nach Auffassung des OLG<br />

München im Beschluss auf S. 22 nicht erstattungsfähig. Demgegenüber<br />

bejaht das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung auf<br />

S. 23 die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einreichung einer<br />

online-Schutzschrift. Bei Zahlungsverzug ist nach der Grundsatzentscheidung<br />

des BGH auf S. 25 die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300<br />

VV RVG und nicht die Geschäftsgebühr für ein Schreiben einfacher<br />

Art erstattungsfähig.<br />

Auch wenn der Prozessbevollmächtigte in der Kostengrundentscheidung<br />

nicht aufgeführt ist, kommt eine Festsetzung von Anwaltskosten<br />

in Betracht, meint zu Recht das VG Karlsruhe in seinem<br />

Beschluss auf S. 28. In seiner Entscheidung auf S. 30 erörtert der BGH<br />

die einzelnen Rechtsbehelfe im Kostenfestsetzungsverfahren.<br />

In seinem Beschluss auf S. 31 hat der BGH seine Rechtsprechung<br />

bestätigt, nach der sich der Wert einer Vollstreckungsgegenklage<br />

grds. nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Hauptanspruchs<br />

bemisst. In der Entscheidung des OLG Hamm auf S. 32 geht es um<br />

den Streitwert für ein Ablehnungsverfahren gegen einen Richter.<br />

Der VGH Baden-Württemberg erörtert in seinem Beschluss auf<br />

S. 33 die Folgen der unrichtigen Behandlung eines Klageentwurfs<br />

mit PKH-Antrag als unbedingte Klage. Nach Auffassung des LAG<br />

Schleswig-Holstein im Beschluss auf S. 34 müssen die einem PKH-<br />

Antrag beigefügten Belege sortiert und nummeriert werden.<br />

Nach Auffassung des BFH in seiner Entscheidung auf S. 35 hat der<br />

Kostenschuldner keinen Anspruch auf Absehen des Kostenansatzes<br />

gem. § 10 KostVfg im Falle des dauernden Unvermögens zur<br />

Zahlung der Gerichtskosten.<br />

Nach der Grundsatzentscheidung des BGH auf S. 37 kann die<br />

Rechtsschutzversicherung den Versicherungsnehmer Deckungsschutz<br />

nicht nur durch Zahlung der Anwaltsvergütung, sondern<br />

auch durch Rechtsschutz zur Abwehr der anwaltlichen Vergütungsforderung<br />

gewähren.<br />

Nach Auffassung des OLG Celle in seinem Beschluss auf S. 39<br />

kommt ausnahmsweise die rückwirkende Beiordnung des Nebenklagebeistandes<br />

nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens<br />

in Betracht.<br />

VorsRiLG a.D. H. Hansens<br />

In aller Kürze<br />

Aktuelle Änderungen betreffend<br />

Schutzschriften<br />

Durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des<br />

Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung<br />

und kostenrechtlicher Vorschriften v. 20.11.2<strong>01</strong>5 (BGBl I<br />

2<strong>01</strong>5, S. 2<strong>01</strong>8 ff.) hat der Gesetzgeber auch Änderungen für das<br />

Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgenommen.<br />

Diese betreffen die Einrichtung eines zentralen, elektronischen<br />

Schutzschriftenregisters bei der Landesjustizverwaltung Hessen,<br />

neue Gebührenvorschriften hierzu im JVKostG und eine Änderung<br />

des § 19 RVG (zu den Einzelheiten hierzu s. meine Anm. OLG<br />

München und OLG Frankfurt <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>6, 22 ff. [Hansens], in<br />

diesem Heft).<br />

Einführung des beA verschoben<br />

Die zum 1.1.2<strong>01</strong>6 geplante Einführung des elektronischen Anwaltspostfachs<br />

(beA) ist wegen technischer Probleme auf unbestimmte<br />

Zeit verschoben worden. Näheres hierzu ergibt sich aus der<br />

Presseerklärung der BRAK v. 26.11.2<strong>01</strong>5 (http://www.brak.de/fuerjournalisten/pressemitteilungen-archiv/2<strong>01</strong>5/presseerklaerung-20-2<strong>01</strong>5/).<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 1


Thema des Monats<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Thema des Monats<br />

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg<br />

Anwaltsvergütung für Tätigkeiten im sog.<br />

Klageerzwingungsverfahren<br />

Der Beitrag setzt die Reihe fort, in der wir die Vergütungsfragen zu bestimmten Verfahren(sarten) vorstellen 1 . Die nachfolgenden<br />

Ausführungen behandeln die Anwaltsvergütung im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung/Klageerzwingungsverfahren<br />

(§ 172 StPO) 2 .<br />

I. Allgemeines<br />

Bei der Abrechnung anwaltlicher Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren<br />

ist zu unterscheiden zwischen dem Vertreter<br />

des Antragstellers 3 und dem Vertreter/Verteidiger des<br />

Beschuldigten 4 . Außerdem kommt es darauf an, ob der RA jeweils<br />

bereits (schon) den Auftrag zur vollen Vertretung/Verteidigung<br />

erhalten hatte, oder ob er im Rahmen einer Einzeltätigkeit tätig<br />

geworden ist 5 .<br />

II. Rechtsanwalt des Antragstellers im<br />

Klageerzwingungsverfahren<br />

1. Voller Auftrag<br />

Soll der RA für den Antragsteller nicht nur im Klageerzwingungsverfahren<br />

nach § 172 Abs. 2 StPO tätig werden, sondern hat er von<br />

vornherein den vollen Auftrag den Antragsteller als Verletzten,<br />

der sich ggf. einer erhobenen Anklage als Nebenkläger anschließen<br />

will, zu vertreten, gilt Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG 6 . Der RA ist dann<br />

Vertreter eines Verletzten/Nebenklägers und rechnet nach Teil 4<br />

Abschnitt 1 VV RVG ab 7 .<br />

Wird der RA dem Antragsteller im (gesamten) vorbereitenden<br />

Verfahren als Beistand bestellt 8 , fallen keine Gebühren für<br />

Einzeltätigkeiten an 9 , sondern die Abrechnung erfolgt nach Teil 4<br />

Abschnitt 1 VV RVG 10 . In Betracht kommt dann auch die<br />

Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG 11 .<br />

1<br />

Vgl. u.a. zu Verkehrsstrafsachen <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 282; zu Bußgeldverfahren<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 362; zu Schwurgerichtsverfahren <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 362.<br />

2<br />

Vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren,<br />

7. Aufl., 2<strong>01</strong>5, Rn. 2370 ff.; Burhoff in: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch<br />

für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (RM), 2<strong>01</strong>3, Teil B<br />

Rn. 589 ff.<br />

3<br />

S. nachfolgend unter II.<br />

a) Regelmäßig anfallende Gebühren<br />

Für den RA/Vertreter entstehen im Klageerzwingungsverfahren<br />

• die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG,<br />

• die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren<br />

Nr. 4104 VV RVG.<br />

Für diese Gebühren gelten die allgemeinen Regeln, was insb.<br />

auch hinsichtlich der Abgeltungsbereiche der Gebühren gilt 12 .<br />

b) Keine weiteren Gebühren<br />

Weitere Gebühren entstehen für diesen RA als Vertreter des<br />

Antragstellers für seine Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren<br />

nicht. Dieses ist mit dem Beschluss nach § 175 StPO beendet. Die<br />

vom OLG beschlossene Erhebung der Anklage wird von der Staatsanwaltschaft<br />

durchgeführt (§ 175 Satz 2 StPO). Das vorbereitende<br />

Verfahren ist erst mit dem Eingang der Anklage beim Gericht<br />

beendet 13 . Erst dann entsteht ggf. die gerichtliche Verfahrensgebühr.<br />

2. Einzeltätigkeit<br />

a) Einstellungsbeschwerde<br />

Hat der RA nicht den vollen Auftrag erhalten, sondern wird er für den<br />

Antragsteller nur im Rahmen von Einzeltätigkeiten tätig, gilt Teil 4<br />

Abschnitt 3 VV RVG 14 . Es fallen dann ggf. folgende Gebühren an:<br />

• Soll der RA nur die sog. Einstellungsbeschwerde (§ 172 Abs. 1<br />

StPO) einlegen, entsteht dafür die Verfahrensgebühr Nr. 4302<br />

Nr. 1 VV RVG 15 .<br />

• Soll der RA die Einstellungsbeschwerde (§ 172 Abs. 1 StPO) ggf.<br />

(auch) begründen, entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4302<br />

Nr. 2 VV RVG.<br />

• Ist der RA mit der Beistandsleistung im Einstellungsbeschwerdeverfahren<br />

beauftragt, entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4302<br />

Nr. 3 VV RVG 16 .<br />

4<br />

Vgl. dazu III.<br />

5<br />

Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG.<br />

6<br />

Burhoff/Volpert, RVG 4. Aufl., Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/<br />

N. Schneider, 7. Aufl., Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 23; Burhoff RVGprofessionell<br />

2<strong>01</strong>4, 216.<br />

7<br />

Burhoff RVGprofessionell 2<strong>01</strong>4, 216.<br />

8<br />

§ 172 Abs. 3 Satz 2 StPO, vgl. Burhoff/Kotz, RM, Teil B Rn. 700.<br />

9<br />

Vgl. zu denen II. 2.<br />

10<br />

OLG Stuttgart <strong>RVGreport</strong> 2008, 383 = Justiz 2008, 229 = Rpfleger<br />

2008, 441 = StRR 2008, 359.<br />

11<br />

Vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.<br />

12<br />

Zur Grundgebühr allgemein Burhoff <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 42 m.w.N. zum<br />

Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem.<br />

4 VV RVG Rn. 34 ff.<br />

13<br />

Vgl. Anm. zu Nr. 4104 VV RVG; s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4104 VV<br />

Rn. 4 ff.<br />

14<br />

Burhoff RVGprofessionell 2<strong>01</strong>5, 14.<br />

15<br />

Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 23, Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl.<br />

2<strong>01</strong>5, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 17.<br />

16<br />

Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 27.<br />

2 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Thema des Monats<br />

Hinsichtlich der Frage, welche Gebühren entstehen, wenn der RA<br />

von vornherein gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung und<br />

-begründung beauftragt wird bzw. die Aufträge nacheinander<br />

erteilt werden, gelten die allgemeinen Regeln 17 . Es handelt sich<br />

jeweils um selbstständige Angelegenheiten 18 .EsgiltüberVorbem.<br />

4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG die Bestimmung des § 15 Abs. 6 RVG 19 .<br />

Weitere Gebühren entstehen nicht. Das gilt insb. für die Grundgebühr<br />

Nr. 4100 VV RVG. Diese entsteht nicht zusätzlich 20 .<br />

b) Klageerzwingungsverfahren<br />

Erhält der RA den Auftrag, den Antragsteller nach einer erfolglosen<br />

Einstellungsbeschwerde auch im eigentlichen Klageerzwingungsverfahren<br />

nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO zu vertreten, entsteht dafür<br />

eine Verfahrensgebühr Nr. 43<strong>01</strong> Nr. 5 VV RVG 21 . Diese Verfahrensgebühr<br />

deckt im Verfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO sämtliche<br />

vom RA erbrachte Tätigkeiten ab. Das können sein: Erstellung,<br />

Unterzeichnung und Einreichung des Klageerzwingungsantrags,<br />

Beratung des Antragstellers im weiteren Verfahren und sonstige<br />

Beistandsleistungen, wie z.B. bei gerichtlichen Ermittlungen 22 .<br />

Die Verfahrensgebühr Nr. 43<strong>01</strong> Nr. 5 VV RVG kann, wenn der RA<br />

zunächst auch mit der Einstellungsbeschwerde beauftragt war 23 ,<br />

neben der der Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV RVG entstehen.<br />

Es handelt sich um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG 24 .<br />

Über Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG gilt aber § 15 Abs. 6 RVG. In<br />

jeder Angelegenheit kann dann auch die Postentgeltpauschale<br />

Nr. 7002 VV RVG entstehen 25 .<br />

Erhält der RA später den vollen Auftrag, den Antragsteller im<br />

Strafverfahren zu vertreten 26 , gilt Vorbem. 4.3 Abs. 4 RVG. Die für<br />

die Einzeltätigkeit erhaltenen Gebühren werden angerechnet 27 .<br />

Auch hier entstehen keine weiteren Gebühren, was insb. für die<br />

Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG gilt 28 .<br />

III. Rechtsanwalt als Verteidiger des<br />

Beschuldigten im Klageerzwingungsverfahren<br />

1. Voller Auftrag<br />

Hat der RA von vornherein den vollen Auftrag, den Beschuldigten<br />

im Ermittlungsverfahren zu verteidigen, gilt Vorbem. 4 Abs. 1 VV<br />

RVG 29 . Der RA ist dann (Voll-)Vertreter eines Verletzten/Nebenklägers<br />

und rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. Für ihn<br />

entstehen die Gebühren, die auch für den Vertreter des Antragstellers<br />

entstehen, wenn ihm der volle Auftrag erteilt ist 30 . Die<br />

erbrachten Tätigkeiten werden also – ebenso wie z.B. Tätigkeiten<br />

des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren 31 – durch die<br />

Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV<br />

RVG mitabgegolten 32 .<br />

Hat die Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren<br />

zu einem Mehraufwand des Verteidigers geführt, was i.d.R. der<br />

Fall sein dürfte, ist, wenn bei Ablehnung des Antrags eine<br />

Kostenentscheidung zugunsten des Beschuldigten ergangen ist<br />

(§ 175 StPO), die sog. Differenztheorie anzuwenden. Dabei ist<br />

einmal die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mit Klageerzwingungsverfahren<br />

und einmal ohne Klageerzwingungsverfahren zu<br />

ermitteln. Der insoweit entstehende Differenzbetrag ist vom<br />

Antragsteller zu erstatten 33 .<br />

2. Einzeltätigkeit<br />

Hat der RA nicht den vollen Auftrag, den Beschuldigten im<br />

Ermittlungsverfahren als Verteidiger zu verteidigen, sondern soll<br />

er im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 bis 4 StPO<br />

nur Beistand leisten, entsteht für diese Beistandsleistung nur die<br />

Verfahrensgebühr Nr. 43<strong>01</strong> Nr. 5 VV RVG 34 . Diese Verfahrensgebühr<br />

deckt sämtliche vom RA im Verfahren nach § 172 Abs. 2<br />

bis 4 StPO für den Beschuldigten erbrachte Tätigkeiten ab. Das<br />

können sein: Abgabe einer Erklärung nach § 173 Abs. 2 StPO oder<br />

sonstige Beistandsleistungen, wie z.B. bei gerichtlichen Ermittlungen<br />

35 .<br />

Erhält der RA später den vollen Auftrag, den Beschuldigten<br />

im Strafverfahren zu verteidigen, gilt Vorbem. 4.3 Abs. 4 RVG. Die<br />

für die Einzeltätigkeit erhaltenen Gebühren werden angerechnet<br />

36 .<br />

Bei mehreren Einzeltätigkeiten ist auf die Beschränkung der<br />

Vorbem. 4.3 Abs. 3 Satz 2 VV RVG i.V.m. § 15 Abs. 6 RVG zu achten.<br />

Auch hier entstehen keine weiteren Gebühren, was insb. für die<br />

Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG von Bedeutung ist 37 .<br />

17<br />

Vgl. dazu Burhoff/Kotz/Burhoff, RM, Teil B, Rn. 168.<br />

18<br />

Hartung/Schons/Enders, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 29 m.w.N.<br />

19<br />

Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4. 3 VV Rn. 69 ff. m.w.N.<br />

20<br />

OLG Düsseldorf AGS 2009, 14 = AnwBl. 2009, 312; OLG Köln <strong>RVGreport</strong><br />

2007, 306 = NStZ-RR 2007, 287 = AGS 2007, 452; OLG Schleswig<br />

<strong>RVGreport</strong> 2005, 70 = StV 2006, 206 = JurBüro 2005, 252.<br />

21<br />

Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Vorb. 4.3. VV RVG Rn. 24; Hartung/Schons/Enders, Nr. 43<strong>01</strong><br />

VV RVG Rn. 27.<br />

22<br />

Hartung/Schons/Enders, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 27; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 27.<br />

23<br />

Vgl. dazu II. 2 a.<br />

24<br />

Gerold/Schmidt/Burhoff, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 17 m.w.N.<br />

25<br />

Vgl. die Anm. zu Nr. 7002 VV RVG.<br />

26<br />

Vgl. II. 1.<br />

27<br />

Vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV RVG Rn. 39.<br />

28<br />

OLG Düsseldorf; OLG Köln und OLG Schleswig je a.a.O.<br />

29<br />

Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 23; insoweit zutreffend OLG Koblenz<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 397 = StRR 2<strong>01</strong>4, 511.<br />

30<br />

Vgl. dazu o. II. 1.<br />

31<br />

Vgl. dazu Burhoff <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 12.<br />

32<br />

S. auch noch vgl. auch Burhoff StRR 2<strong>01</strong>2, 172 und <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 213,<br />

ders., RVGprofessionell 2<strong>01</strong>5, 33; ders., <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 397 in der Anm. zu<br />

OLG Koblenz, a.a.O.<br />

33<br />

Burhoff RVGprofessionell 2<strong>01</strong>5, 33; insoweit lückenhaft OLG Koblenz, a.a.O.<br />

34<br />

Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 26; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Vorb. 4.3. VV RVG Rn. 25; Hartung/Schons/Enders, Nr. 43<strong>01</strong><br />

VV RVG Rn. 27.<br />

35<br />

Hartung/Schons/Enders, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 27; AnwKomm-RVG/N.<br />

Schneider, Nr. 43<strong>01</strong> VV RVG Rn. 25 f.<br />

36<br />

Vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV VV RVG Rn. 73.<br />

37<br />

OLG Düsseldorf; OLG Köln und OLG Schleswig je a.a.O.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 3


Fälle aus der Praxis<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Fälle aus der Praxis<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin<br />

Die Crux mit dem Forderungsübergang auf die<br />

Landeskasse<br />

Der in § 59 RVG geregelte Forderungsübergang auf die Landeskasse ist in so manchem Anwaltsbüro unbekannt. Dies ist dann nicht<br />

problematisch, wenn hierdurch die Belange des im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) oder Verfahrenskostenhilfe (VKH)<br />

beigeordneten Rechtsanwalts nicht berührt sind. Jedoch können sich nachteilige Auswirkungen auf den beigeordneten Rechtsanwalt<br />

dann ergeben, wenn die Landeskasse die Auffassung vertritt, der im Wege der PKH oder VKH beigeordnete Rechtsanwalt habe den<br />

Forderungsübergang auf sie vereitelt. Andererseits hat auch manchmal der Vertreter der Landeskasse Probleme mit den praktischen<br />

Auswirkungen des Forderungsübergangs. Dies ergibt sich aus dem nachfolgend geschilderten Fall aus der Praxis, der die Möglichkeiten,<br />

aber auch die Gefahren des Forderungsübergangs auf die Landeskasse für den beigeordneten Rechtsanwalt aufzeigt.<br />

I. Sachverhalt<br />

Das LG Saarbrücken hat der Klägerin durch Beschluss vom 2.4.2<strong>01</strong>4<br />

für eine Zahlungsklage über 6.200 € ratenfreie PKH bewilligt und<br />

ihr ihren Prozessbevollmächtigten RA K beigeordnet. Im Termin<br />

zur mündlichen Verhandlung vom 4.6.2<strong>01</strong>4 sind beide Parteien<br />

anwaltlich vertreten. Nach streitiger Verhandlung beraumt das<br />

LG Saarbrücken einen Verkündungstermin auf dem 25.6.2<strong>01</strong>4 an.<br />

Nach dem dort verkündeten Urteil wird der Beklagte antragsgemäß<br />

auf seine Kosten verurteilt. RA K erwirkt für die Klägerin<br />

einen Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 104 ZPO über insgesamt<br />

1.228,68 €, die sich wie folgt zusammensetzen:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert:<br />

6.200 €) 526,50 €<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert:<br />

6.200 €) 486,00 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VVRVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 1.032,50 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 196,18 €<br />

Summe: 1.228,68 €<br />

Der Rechtspfleger des LG Saarbrücken erlässt den Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

am 15.10.2<strong>01</strong>4 antragsgemäß. Am 11.11.2<strong>01</strong>4<br />

beauftragt RA K für die Klägerin den zuständigen Gerichtsvollzieher<br />

mit der Mobiliarzwangsvollstreckung aus dem zwischenzeitlich<br />

rechtskräftig gewordenen Urteil und diesem Kostenfestsetzungsbeschluss.<br />

Der Beklagte übergibt dem Gerichtsvollzieher<br />

einen Beschluss des zuständigen Insolvenzgerichts aus dem Jahre<br />

2<strong>01</strong>3, nach dem über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet worden ist, das immer noch andauert. Der<br />

Gerichtsvollzieher unterrichtet RA K hiervon und übersendet<br />

diesem auch eine Ablichtung des Beschlusses des Insolvenzgerichts.<br />

Hieraufhin beantragt RA K beim LG Saarbrücken die Festsetzung<br />

der PKH-Anwaltsvergütung wie folgt:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV<br />

RVG (Wert: 6.200 €)<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, § 49 RVG, Nr. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 6.200 €)<br />

360,10 €<br />

332,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 712,50 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG +135,38 €<br />

Summe: 847,88 €<br />

Seinem Antrag fügt er – im Einverständnis der Klägerin – die<br />

vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

vom 15.10.2<strong>01</strong>4 zum Verbleib bei der Gerichtsakte und den<br />

Beschluss des Insolvenzgerichts bei. Ferner erklärt er, dass er<br />

namens der Klägerin auf deren Kostenerstattungsanspruch<br />

gegen den Beklagten verzichte und er selbst nunmehr seine<br />

PKH-Anwaltsvergütung geltend mache.<br />

Der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) gehörte<br />

Bezirksrevisor des LG Saarbrücken wendet gegenüber diesem<br />

Festsetzungsantrag ein, RA K habe seinen Vergütungsanspruch<br />

verwirkt, da er den Forderungsübergang auf die Landeskasse<br />

vereitelt habe.<br />

Welche Entscheidung wird der UdG treffen?<br />

II. Ansprüche der Beteiligten<br />

Aufgrund der Kostenentscheidung in dem Urteil vom 25.6.2<strong>01</strong>4<br />

und der Bewilligung der PKH einschließlich der Beiordnung des RA<br />

K für die Klägerin ergibt sich zwischen den Beteiligten eine Vielzahl<br />

von Ansprüchen.<br />

1. Ansprüche des Rechtsanwalts der Klägerin<br />

a) Gegen die Klägerin<br />

Aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsdienstvertrages<br />

steht dem RA K gegen seine Mandantin ein Anspruch<br />

auf Vergütung zu, der sich nach den Bestimmungen des RVG<br />

bemisst. Die gesetzlichen Gebühren berechnen sich dabei nach der<br />

Wahlanwaltsgebührentabelle des § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG. Diesen<br />

Vergütungsanspruch kann RA K gegen die Klägerin jedoch wegen<br />

der bewilligten PKH – jedenfalls derzeit – nicht geltend machen 1 .<br />

Erst wenn das Prozessgericht die Änderung der PKH-Bewilligung<br />

1<br />

S. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.<br />

4 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Fälle aus der Praxis<br />

gem. § 120a ZPO oder gar deren Aufhebung gem. § 124 ZPO<br />

beschließt, entfällt die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.<br />

b) Gegen den Beklagten<br />

RA K hat gegen den Beklagten gem. § 126 Abs. 1 ZPO das Recht,<br />

den der Klägerin aufgrund der Kostenentscheidung in dem Urteil<br />

vom 25.6.2<strong>01</strong>4 zustehenden Kostenerstattungsanspruch im eigenen<br />

Namen geltend zu machen. Von diesem Betreibungsrecht<br />

hat RA K hier jedoch keinen Gebrauch gemacht.<br />

c) Gegen die Landeskasse<br />

Aufgrund der Beiordnung im PKH-Bewilligungsbeschluss vom<br />

2.4.2<strong>01</strong>4 steht RA K gegen die Landeskasse ein Anspruch auf<br />

Vergütung zu 2 . Dabei berechnen sich die gesetzlichen Gebühren<br />

aus der PKH-Anwaltsgebührentabelle des § 49 RVG, die bei dem<br />

hier einschlägigen Gegenstandswert von 6.200 € geringere<br />

Gebühren als die Wahlanwaltsgebührentabelle des § 13 RVG<br />

vorsieht.<br />

Ferner kann RA K ein Anspruch gegen die Landeskasse auf<br />

weitere Vergütung bis zur Höhe der Wahlanwaltsgebühren<br />

gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 RVG zustehen. Voraussetzung hierfür<br />

wäre jedoch, dass die Klägerin an die Landeskasse einen über die<br />

Gerichtskosten hinausgehenden Betrag geleistet hätte. Diese<br />

Voraussetzung liegt hier nicht vor, da der Klägerin ratenfreie PKH<br />

bewilligt worden war und die Bewilligung auch nicht nachträglich<br />

abgeändert oder aufgehoben wurde.<br />

d) Ansprüche bestehen nebeneinander<br />

Sämtliche Ansprüche des PKH-Anwalts bestehen selbständig<br />

nebeneinander 3 . So kann der RA beispielsweise die PKH-<br />

Anwaltsvergütung gegen die Landeskasse geltend machen und<br />

die Differenz 4 zur Wahlanwaltsvergütung im eigenen Namen<br />

gegen den in die Kosten verurteilten Beklagten gem. § 126 Abs. 1<br />

ZPO betreiben. Derselbe Anspruch kann jedoch nicht gleichzeitig<br />

gegen mehrere Anspruchsgegner geltend gemacht werden.<br />

2. Ansprüche der Klägerin<br />

a) Gegen den Beklagten<br />

Aufgrund der Kostenentscheidung in dem am 25.6.2<strong>01</strong>4 verkündeten<br />

Urteil des LG Saarbrücken hat die Klägerin gegen den<br />

Beklagten Anspruch auf Erstattung ihrer notwendigen Kosten<br />

des Rechtsstreits, insb. der Wahlanwaltsvergütung. Dieser Kostenerstattungsanspruch<br />

ist in dem Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

vom 15.10.2<strong>01</strong>4 tituliert worden.<br />

b) Gegen die Landeskasse<br />

Aufgrund der ratenfreien Bewilligung der PKH im Beschluss vom<br />

2.4.2<strong>01</strong>4 hat die Klägerin ferner gegen die Landeskasse einen<br />

Anspruch auf Freistellung von Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten<br />

und auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüche<br />

des ihr beigeordneten RA K 5 . Dem ist hier Rechnung getragen<br />

worden, indem das LG Saarbrücken die Zustellung der Klage nicht<br />

von der Zahlung der gerichtlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 1210<br />

GKG KV abhängig gemacht hat 6 . Auch nach Beendigung des<br />

Rechtsstreits hat die Justizkasse keine Gerichtskosten gegen die<br />

Klägerin angesetzt.<br />

3. Ansprüche der Landeskasse<br />

Aufgrund der Kostenentscheidung in dem am 25.6.2<strong>01</strong>4 verkündeten<br />

Urteil des LG Saarbrücken hat die Landeskasse gegen den<br />

Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Gerichtskosten 7 .An<br />

sich haftet der Beklagte für diese Gerichtskosten gem. § 31 Abs. 1<br />

GKG als Gesamtschuldner mit der Klägerin. Die Klägerin ist<br />

nämlich gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ebenfalls Kostenschuldnerin,<br />

weil sie mit dem Einreichen der Klage das Verfahren des Rechtszugs<br />

beantragt hat. Wegen der noch andauernden Wirkungen der<br />

ratenfreien PKH-Bewilligung 8 kann die Landeskasse jedoch diesen<br />

Anspruch gegen die Klägerin nicht geltend machen, so dass der<br />

Beklagte für die Gerichtskosten allein haftet.<br />

Ferner steht der Landeskasse gegen den Beklagten aufgrund der<br />

zu seinen Lasten ergangenen Kostenentscheidung im Urteil des LG<br />

Saarbrücken unter den in § 59 Abs. 1 RVG bestimmten Voraussetzungen<br />

ein weiterer Anspruch zu. Zahlt nämlich die Landeskasse<br />

dem der Klägerin im Wege der PKH beigeordneten RA K auf<br />

dessen Antrag seine Vergütung, geht der Anspruch des RA gegen<br />

die Klägerin 9 und gegen den erstattungspflichtigen Beklagten 10<br />

auf die Landeskasse über. Der Anspruch gegen die Klägerin ist<br />

jedenfalls derzeit nicht werthaltig, da der RA diesen Anspruch<br />

wegen der ratenfreien Bewilligung von PKH gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3<br />

ZPO nicht geltend machen kann. Dies gilt dann auch – nach<br />

Forderungsübergang – für die Landeskasse. Mit Auszahlung der<br />

PKH-Anwaltsvergütung geht auf die Landeskasse jedoch auch das<br />

eigene Beitreibungsrecht des PKH-Anwalts gem. § 126 Abs. 1 ZPO<br />

gegen den Beklagten über. Auf die im Zusammenhang hiermit von<br />

dem Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse erhobenen<br />

Einwendungen wird nachfolgend unter IV. eingegangen.<br />

III. Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

Der Begriff der „Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses“<br />

wird in der Praxis regelmäßig in dem Fall verwendet, in dem<br />

der beigeordnete RA zunächst einen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

gem. §§ 103 ff. ZPO auf den Namen der Partei erwirkt und erst<br />

später sein eigenes Beitreibungsrecht nach § 126 Abs.1 ZPO durch<br />

einen Kostenfestsetzungsantrag gegen den erstattungsfähigen<br />

Gegner geltend macht. Der Sache nach handelt es sich nicht um<br />

eine Beitreibung i.S.d. Umschreibung der Vollstreckungsklausel,<br />

vielmehr erlässt der Rechtspfleger nach Anhörung des erstattungspflichtigen<br />

Gegners einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

auf den Namen des PKH-Anwalts 11 .<br />

Um zu verhindern, dass der erstattungspflichtige Beklagte aus<br />

zwei Vollstreckungstiteln in Anspruch genommen werden kann,<br />

6<br />

§§ 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Nr. 1 GKG.<br />

7<br />

§ 29 Nr. 1 GKG.<br />

8<br />

§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.<br />

9<br />

S. oben II.1.a).<br />

2<br />

§§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG.<br />

3<br />

BGH <strong>RVGreport</strong> 2009, 392 (Hansens) = AGS 2<strong>01</strong>0, 30.<br />

4<br />

S. KG JurBüro 1987, 773 = Rpfleger 1987, 333.<br />

5<br />

§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.<br />

10<br />

S. oben II.1.b).<br />

11<br />

S. BGH BGHZ 5, 251, 256; KG KGR Berlin 2004, 456; von Eicken/Dörndorfer,<br />

Die Kostenfestsetzung, 22. Aufl., Rn. B 236; s. hierzu auch BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2007, 351 (Hansens) = Rpfleger 2007, 269.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 5


Fälle aus der Praxis<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

nämlich einmal aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 104<br />

ZPO auf den Namen der obsiegenden Partei und zum zweiten aus<br />

dem Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 126 Abs. 1 ZPO auf den<br />

Namen des PKH-Anwalts, verlangt die Praxis die Rückgabe der<br />

vollstreckbaren Ausfertigung des ersten Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

zu den Gerichtsakten. Der Abgabe eines förmlichen<br />

Verzichtes der erstattungsberechtigten Partei, wozu der PKH-<br />

Anwalt aufgrund der fortbestehenden Prozessvollmacht namens<br />

der Partei befugt ist, bedarf es im Regelfall nicht 12 .<br />

In der Rechtsprechung ist bisher nicht der hier vorliegende Fall<br />

behandelt worden, dass der PKH-Anwalt den auf den Namen der<br />

Partei ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgibt und<br />

stattdessen die PKH-Anwaltsvergütung geltend macht. Zwar<br />

nimmt der PKH-Anwalt seiner Partei die Möglichkeit, bis zum<br />

Ablauf der 30 Jahre betragenden Verjährungsfrist den Kostenerstattungsanspruch<br />

gegen den Gegner geltend zu machen.<br />

Hierzu ist er jedoch aufgrund der fortwirkenden Prozessvollmacht<br />

berechtigt. Ob sich der PKH-Anwalt hierdurch Schadensersatzansprüchen<br />

des Mandanten aussetzt, hat der RA dann in eigener<br />

Verantwortung zu prüfen.<br />

Hier hat RA K etwas leichtsinnig gehandelt, indem er praktisch für<br />

die Klägerin auf deren gesamten Kostenerstattungsanspruch i.H.v.<br />

1.228,68 € verzichtet hat, obwohl er gegenüber der Landeskasse<br />

nur die – niedrigere – PKH-Anwaltsvergütung i.H.v. 847,88 €<br />

geltend gemacht hat. Deshalb hätte ein „Teilverzicht“ auf 847,88 €<br />

genügt, so dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.10.2<strong>01</strong>4 in<br />

Höhe des Differenzbetrags von 380,80 € noch weiterhin hätte<br />

Gültigkeit haben können.<br />

IV. Einwendungen der Landeskasse<br />

Wie unter II.3. erörtert, geht das gem. § 126 Abs. 1 ZPO bestehende<br />

eigene Beitreibungsrecht des RA K gegen den Beklagten mit<br />

Auszahlung der PKH-Anwaltsvergütung auf die Landeskasse über.<br />

Die Landeskasse hatte geltend gemacht, RA K habe diesen<br />

Forderungsübergang vereitelt.<br />

1. Beitreibungsrecht von Insolvenz nicht berührt<br />

Dies trifft jedoch nicht zu. Das eigene Beitreibungsrecht des RA K<br />

besteht nach wie vor. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

wird der Schuldner ausschließlich von seinen im Insolvenzverfahren<br />

nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern<br />

befreit 13 . Voraussetzung für diese Befreiung ist<br />

somit, dass der gegen den Schuldner gerichtete Vermögensanspruch<br />

zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits<br />

begründet war 14 . Daran fehlt es jedoch hier, da das Insolvenzverfahren<br />

bereits im Jahr 2<strong>01</strong>3 eröffnet worden war und der<br />

Rechtsstreit erst im Jahr 2<strong>01</strong>4 begonnen hat. Es spricht deshalb viel<br />

dafür, dass die Landeskasse nach erfolgter Auszahlung der PKH-<br />

Anwaltsvergütung an RA K dessen Beitreibungsrecht gegen den<br />

Beklagten ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

geltend machen kann.<br />

2. Keine bewusste Beeinträchtigung der<br />

Landeskasse<br />

Selbst wenn die Landeskasse jedoch durch die Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten an der<br />

Durchsetzung des Beitreibungsrechts des RA K gegen den<br />

Beklagten gehindert wäre, könnte sie dies dem Vergütungsanspruch<br />

des RA K gegen die Landeskasse nicht entgegenhalten.<br />

Dies kommt nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben 15<br />

ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn RA K oder die<br />

Klägerin in dem Bewusstsein gehandelt hätten, die Landeskasse<br />

ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen.<br />

Zwar hat der im Wege der PKH beigeordnete RA eine letztlich aus<br />

Treu und Glauben hergeleitete Verpflichtung, die Landeskasse bei<br />

der Beitreibung von auf diese übergegangenen Ansprüche gegen<br />

den erstattungspflichtigen Beklagten zu unterstützen. Diese<br />

Verpflichtung hat RA K hier jedoch nicht verletzt. Ein Verstoß<br />

gegen diese Verpflichtung würde nämlich nur dann vorliegen,<br />

wenn RA K in dem Wissen um einen Nachteil für die Landeskasse<br />

gehandelt hätte, ohne hierfür einen sachlichen Grund zu haben.<br />

RA K oder die Klägerin müssen somit gewusst haben, dass sie mit<br />

ihrer Verfahrensweise den Forderungsübergang auf die Landeskasse<br />

vereiteln.<br />

3. Beispiele für Vereitelung<br />

Eine solche – teilweise oder völlige – Vereitelung des Forderungsübergangs<br />

auf die Staatskasse kann beispielsweise in folgenden<br />

Fällen in Betracht kommen:<br />

• Der PKH-Anwalt schließt einen Vergleich, in dem der Gegner<br />

bei der Kostenverteilung im Verhältnis zur Sach- und Rechtslage<br />

übermäßig entlastet wird 16 .<br />

• Der RA rät einem nicht bedürftigen Mandanten, eine zweifelhafte<br />

Forderung an einen bedürftigen Strohmann abzutreten,<br />

dem für die beabsichtigte Klage PKH ohne Ratenzahlungsanordnung<br />

unter Beiordnung des RA bewilligt wird. Hat der RA<br />

dabei für die Abtretung einen sachlichen Grund vorgespiegelt<br />

und wird die Klage deshalb abgewiesen, so kann darin ebenfalls<br />

eine Vereitelung des Forderungsübergangs liegen 17 .<br />

• Der PKH-Anwalt erwirkt für seinen bedürftigen Mandanten<br />

aufgrund der zu dessen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung<br />

einen Kostenfestsetzungsbeschluss gem. §§ 103 ff.<br />

ZPO, der den erstattungspflichtigen Gegner die Aufrechnung<br />

mit Ansprüchen ermöglicht, was sonst bei der Kostenfestsetzung<br />

auf den Namen des PKH-Anwalts gem. § 126 Abs. 2<br />

ZPO ausgeschlossen wäre. Wegen der durchgreifenden Aufrechnung<br />

kann auch die Staatskasse ihren Forderungsübergang<br />

gegen den Gegner nicht geltend machen, da der Kostenerstattungsanspruch<br />

der Partei erloschen ist 18 .<br />

15<br />

§ 242 BGB.<br />

12<br />

S. KG Rpfleger 1962, 161; OLG Düsseldorf NJW 1960, 1160.<br />

13<br />

§ 286 InsO.<br />

14<br />

§ 38 InsO.<br />

16<br />

OLG München JurBüro 2004, 37.<br />

17<br />

S. OLG Köln FamRZ 1995, 940.<br />

18<br />

OLG München AGS 1998, 11 = AnwBl. 1998, 54.<br />

6 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Literaturreport<br />

• Der PKH-Anwalt verzichtet ohne sachlichen Grund auf eine<br />

für seinen bedürftigen Mandanten günstige Kostengrundentscheidung<br />

19 .<br />

Ein solcher oder dem vergleichbarer Sachverhalt hat hier jedoch<br />

nicht vorgelegen. Weder RA K noch die Klägerin haben durch ihr<br />

Verhalten dazu beigetragen, dass die Landeskasse (unterstellt)<br />

aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen<br />

des Beklagten den auf sie übergegangenen Anspruch<br />

gegen den Beklagten nicht geltend machen kann. Dies beruhte<br />

allein auf der im Jahr 2<strong>01</strong>3 vom Insolvenzgericht getroffenen<br />

Entscheidung.<br />

Die Landeskasse kann RA K noch nicht einmal vorwerfen, er habe<br />

sich mit seinem Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung<br />

so lange Zeit gelassen, bis das Insolvenzverfahren<br />

über das Vermögen des Beklagten eröffnet wurde. Denn nach<br />

dem vorliegenden Sachverhalt hatten weder die Klägerin, RA K,<br />

das LG Saarbrücken und auch der Vertreter der Landeskasse bis<br />

zur Vorlage des Eröffnungsbeschlusses als Anlage des Antrags<br />

auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung vom 12.3.2<strong>01</strong>5 überhaupt<br />

Kenntnis davon, dass über das Vermögen des Beklagten<br />

im Jahr 2<strong>01</strong>3 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die<br />

Unkenntnis kann weder der Klägerin noch RA K vorgehalten<br />

werden, da der Beklagte während des gesamten Rechtsstreits<br />

hierzu geschwiegen hatte.<br />

Auch in zeitlicher Hinsicht ist RA K kein Handeln zum Nachteil der<br />

Landeskasse vorzuwerfen. Selbst wenn er unmittelbar nach<br />

Fälligkeit der Anwaltsvergütung 20 nach Erhalt des Urteils vom<br />

25.6.2<strong>01</strong>4 seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse<br />

geltend gemacht hätte, hätte sich keine andere Sachlage ergeben.<br />

Denn auch zu diesem Zeitpunkt hatte das Insolvenzgericht bereits<br />

das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet.<br />

V. Fazit<br />

Die Einwendungen des Vertreters der Landeskasse sind damit<br />

unbegründet. Dem Vergütungsanspruch des RA K kann die<br />

Landeskasse somit nicht entgegenhalten, er habe durch sein<br />

Handeln den Forderungsübergang auf die Landeskasse vereitelt.<br />

Folglich wird der UdG bei richtiger Verfahrensweise die geltend<br />

gemachte Anwaltsvergütung zugunsten des RA K festsetzen.<br />

19<br />

So das SG Berlin RVRreport 2<strong>01</strong>5, 459 (Hansens); BGH <strong>RVGreport</strong> 2007, 111<br />

(ders.) = NJW 2007, 1213; LSG NRW, Beschl. v. 11.4.2008 – L 1 B 33/07 AL; LSG<br />

NRW, Beschl. v. 13.11.2008 – L 20 B 59/08 SO.<br />

20<br />

S. § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG.<br />

Literaturreport<br />

VorsRiLG a.D. H. Hansens<br />

Zeitschriftenüberblick<br />

Die Beteiligung von Rechtsanwälten an Prozessfinanzierern<br />

Markus Hartung und Jakob Weberstaedt AnwBl. 2<strong>01</strong>5, 840<br />

Die Autoren nehmen die Entscheidung des OLG München<br />

(AnwBl. 2<strong>01</strong>5, 898) zum Anlass, um sich mit dem Verhältnis von<br />

Prozessfinanzierungsvertrag und – unzulässiger – Anwaltshonorarvereinbarung<br />

zu befassen. Grundsätzlich darf der RA nicht<br />

selbst als Prozessfinanzierer tätig werden, der Abschluss einer<br />

Erfolgshonorarvereinbarung ist nur unter den engen in § 4a RVG<br />

geregelten Voraussetzungen zulässig. Gegenstand der Entscheidung<br />

des OLG München war jedoch die Frage, wie sich die<br />

Rechtslage darstellt, wenn der Rechtsanwalt an einem Prozessfinanzierer<br />

wirtschaftlich beteiligt ist.<br />

Die Autoren weisen in ihrem Beitrag darauf hin, dass in der<br />

Literatur hierzu die Auffassung vertreten werde, Anwälte dürfen<br />

Beteiligungen an Prozessfinanzierern nur als Minderheitsgesellschafter<br />

übernehmen, wobei die Beteiligung nicht mehr als 30 %<br />

betragen dürfe. Ferner verweisen die Autoren auf das Urteil des<br />

KG (MDR 2003, 599), in dem die anwaltliche Beteiligung bei 90 %<br />

lag, und auf den Beschluss des OLG München (NJW 2<strong>01</strong>2, 2207) in<br />

dem den Anwälten 75 % des Gewinns an dem Prozessfinanzierer<br />

zufließen sollten. In beiden Fällen hätten die Gerichte die<br />

Prozessfinanzierungsverträge als unwirksam nach § 134 BGB<br />

angesehen. Demgegenüber hätten die Anwälte in dem neulich<br />

vom OLG München (AnwBl. 2<strong>01</strong>5, 898) entschiedenen Fall ihre<br />

Beteiligung vor Abschluss des verfahrensgegenständlichen Prozessfinanzierungsvertrags<br />

auf einen Wert von 8.400 € heruntergefahren.<br />

Hartung und Weberstaedt weisen darauf hin, dass das<br />

LG München in jenem Fall den Prozessfinanzierungsvertrag für<br />

wirksam angesehen habe, während das OLG München in seiner<br />

Berufungsentscheidung die Auffassung vertreten habe, auf die<br />

bloße Höhe der Beteiligung könne es nicht ankommen.<br />

In ihrem Beitrag stellen Hartung und Weberstaedt in Zweifel, ob<br />

es überhaupt rein formal auf die 30-Prozent-Schwelle ankommt.<br />

Vielmehr müsse die Rechtsprechung des BVerfG zum Verbot des<br />

anwaltlichen Erfolgshonorars näher ins Blickfeld genommen<br />

werden. Deshalb könne es nicht entscheidend auf die Beteiligungshöhe<br />

ankommen. Vielmehr müsse im Einzelfall geprüft<br />

werden, ob die Beteiligung des Anwalts an einem Prozessfinanzierer<br />

eine dem Erfolgshonorar vergleichbare Anreizwirkung<br />

schaffe.<br />

Ferner weisen Hartung und Weberstaedt darauf hin, dass das OLG<br />

München in dem besprochenen Fall die RAe für verpflichtet<br />

gesehen hatte, den Mandanten auf die Einzelheiten der Prozessfinanzierung<br />

hinzuweisen. In jenem Fall war hinter dem eigentlichen<br />

Prozessfinanzierer ein Refinanzierer tätig, was zur Folge<br />

hatte, dass der Mandant bei Beauftragung des zweiten Prozessfinanzierers<br />

günstigere Konditionen hätte erreichen können. Dem<br />

halten die Autoren entgegen, dabei handele es sich um eine<br />

wirtschaftliche Beratung, die der Anwalt seinem Mandanten i.d.R.<br />

nicht schulde. Hier sei dies jedoch deshalb vertretbar, weil die RAe<br />

nach dem Inhalt des Mandats auch die wirtschaftlichen Interessen<br />

des Mandanten wahrzunehmen hatten.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 7


Literaturreport<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Erstattung einer weiteren Geschäftsgebühr bei Geltendmachung<br />

eigener Vergütungsansprüche gegenüber dem<br />

Mandanten durch den Rechtsanwalt?<br />

Horst-Reiner Enders JurBüro 2<strong>01</strong>5, 449<br />

In seinem Beitrag untersucht der Autor die Frage, ob der RA, der<br />

seinen Mandanten zur Zahlung der fälligen Vergütung auffordert,<br />

hierfür eine gesonderte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG<br />

ansetzen und vom Mandanten erstattet verlangen kann. § 91<br />

Abs. 2 Satz 3 ZPO gibt nach Auffassung des Autors hierfür keine<br />

Anspruchsgrundlage, weil diese Vorschrift nicht vorprozessual<br />

„entstandene Anwaltskosten“ betreffe. Jedoch könne sich – nach<br />

allerdings umstrittener Auffassung –ein Erstattungsanspruch aus<br />

§§ 280, 286 BGB auf Ersatz des Verzugsschadens ergeben. Die<br />

danach zu erstattende Anwaltsvergütung berechnet sich nach den<br />

weiteren Ausführungen des Autors nach Nr. 2300 VV RVG und<br />

nicht nach Nr. 23<strong>01</strong> VV RVG, der für einen auf ein Schreiben<br />

einfacher Art beschränkten Auftrag lediglich eine 0,3 Geschäftsgebühr<br />

vorsehe. Selbst wenn man keinen Schadensersatzanspruch<br />

des RA bejahe, könne dieser bei Verzug seines Mandanten für die<br />

Zahlungsaufforderung jedenfalls die in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB<br />

geregelte Pauschale von 40 € verlangen, wenn der Schuldner kein<br />

Verbraucher sei.<br />

Die Ablehnung der Beratungshilfe – die Schriftform und ihre<br />

Praxisauswirkungen<br />

Stefan Lissner JurBüro 2<strong>01</strong>5, 451<br />

Der Autor nimmt die Entscheidung des BVerfG (<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5,<br />

393 [Hansens] = AGS 2<strong>01</strong>5, 415) zum Anlass, zu erörtern, ob und<br />

unter welchen Voraussetzungen der Rechtsuchende auf die<br />

Selbsthilfe verwiesen werden kann. Dabei teilt Lissner die<br />

Auffassung des BVerfG, dass der Rechtsuchende nicht darauf<br />

verwiesen werden darf, sich von der Behörde beraten zu lassen,<br />

deren Entscheidung er gerade anfechten wolle. Außerdem geht<br />

Lissner auch auf andere Fallgestaltungen ein, in denen keine<br />

Verweisung auf die Selbsthilfe erfolgen dürfe. Schließlich vertritt<br />

der Autor mit dem BVerfG die Auffassung, dass ein Beratungshilfeantrag<br />

nur durch einen begründeten und mit einer Rechtsmittelbelehrung<br />

versehenen Beschluss beschieden werden dürfe.<br />

Folglich sei eine mündliche Zurückweisung im Regelfall nicht<br />

denkbar. Allenfalls komme eine mündliche Behandlung eines<br />

Beratungshilfeantrags bei Rücknahme oder Verzicht auf Beratungshilfe<br />

oder bei sonstiger Erledigung des Begehrens des<br />

Rechtsuchenden in Betracht.<br />

Einstweilige Befreiung nach § 122 Abs. 2 ZPO von den<br />

Gerichtskosten für den Gegner des PKH-Beteiligten<br />

Hagen Schneider AGS 2<strong>01</strong>5, 366<br />

Ist einer Partei PKH bewilligt, hat dies für sie die in § 122 Abs. 1<br />

ZPO beschriebenen Auswirkungen. Jedoch kann die PKH-Bewilligung<br />

sich unter den in § 122 Abs. 2 ZPO geregelten Voraussetzungen<br />

auch auf den Gegner auswirken. Dieser ist dann<br />

ebenfalls einstweilen von der Zahlung der Gerichtskosten befreit.<br />

Voraussetzung hierfür ist, dass dem Kläger, dem Berufungskläger<br />

oder dem Revisionskläger PKH ohne Zahlungsbestimmungen<br />

bewilligt worden ist.<br />

Anhand von mehreren Beispielen stellt Schneider den Anwendungsbereich<br />

des § 122 Abs. 2 ZPO dar und verdeutlicht auch die<br />

praktischen Auswirkungen. Im zweiten Teil seines Beitrags<br />

befasst sich der Autor mit der Einziehung der Kosten vom<br />

Gegner, die in § 125 ZPO geregelt ist. Gemäß § 125 Abs. 2 ZPO sind<br />

die Gerichtskosten, von deren Zahlung der Gegner nach dem<br />

soeben erörterten § 122 Abs. 2 ZPO einstweilen befreit ist, von<br />

diesem einzuziehen, soweit er rechtskräftig in die Prozesskosten<br />

verurteilt oder der Rechtsstreit ohne Urteil über die Kosten<br />

beendet ist. Hierzu erörtert Schneider anhand mehrerer Beispielsfälle,<br />

ob und ggf. in welcher Weise eine Inanspruchnahme<br />

des Gegners bei Abschluss eines Vergleichs mit oder ohne<br />

Kostenregelung in Betracht kommt. Abschließend befasst sich<br />

der Autor mit den gegebenen Rechtsbehelfen.<br />

Verfahrenswert im Verbundverfahren<br />

ohne Autorenangabe AG kompakt 2<strong>01</strong>5, 86<br />

Anhand von Beispielen wird der Verfahrenswert im Verbundverfahren<br />

in vielen Fallgestaltungen behandelt. Dabei wird darauf<br />

hingewiesen, dass gem. § 50 FamGKG für jedes Anrecht ein<br />

Betrag i.H.v. 10 % des dreifachen Nettoeinkommens beider<br />

Ehegatten anzusetzen sei. Dabei sei auf die Verhältnisse zum<br />

Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags abzustellen.<br />

Kinderfreibeträge seien demgegenüber von dem Nettoeinkommen<br />

der Eheleute nicht abzuziehen. Ferner wird in dem Beitrag<br />

darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung jedes Anrecht zu<br />

berücksichtigen sei, auch wenn diesbezüglich der Versorgungsausgleich<br />

unterbleibe, etwa wegen Geringfügigkeit, wegen vertraglichen<br />

Ausschlusses oder wegen grober Unbilligkeit. Ferner<br />

wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen eine Erhöhung,<br />

aber auch eine Ermäßigung des Regelwertes in Betracht komme.<br />

Im zweiten Teil werden die Verfahrenswerte bei Kindschaftssachen<br />

erörtert, im dritten Teil geht es um die Bewertung<br />

güterrechtlicher Angelegenheiten.<br />

In einem weiteren Teil des Beitrags wird darauf hingewiesen,<br />

dass auch im Verbundverfahren unzulässige Anträge zu bewerten<br />

seien. Am Ende werden die kostenrechtlichen Auswirkungen<br />

eines im Verbundverfahren über nicht anhängige Gegenstände<br />

geschlossenen Vergleichs und von Verhandlungen über nicht<br />

anhängige Gegenstände über potentielle Folgesachen erörtert.<br />

Buchbesprechungen<br />

Kosten in Familiensachen<br />

Dipl.-Rpfl. Renate Baronin von König, Vizepräsident des OLG<br />

a.D. Hans Helmut Bischof<br />

2. Aufl. 2<strong>01</strong>5, 392 S., 54 €, Verlag Ernst und Werner Gieseking<br />

Die gerade erschienene 2. Auflage bringt das Praxisbuch auf den<br />

aktuellen Stand von Mitte 2<strong>01</strong>5. Die bis dahin erfolgten Gesetzesänderungen<br />

wie etwa das 2. KostRMoG oder das Gesetz zur<br />

Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts sind<br />

selbstverständlich eingearbeitet. Die neu veröffentlichte Rechtsprechung<br />

und Literatur sind bis April/Mai 2<strong>01</strong>5 berücksichtigt.<br />

Der Aufbau des Handbuchs orientiert sich an den Erfordernissen<br />

der Praxis. Im ersten Abschnitt des Buches befasst sich von König<br />

auf rund 100 Seiten mit den Verfahrens- und Gegenstandswerten<br />

in Familiensachen. Eine zehnseitige Einleitung führt in diese<br />

Rechtsgebiete ein. Dem folgt eine kurze Darstellung der Grund-<br />

8 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Literaturreport<br />

sätze für die Ermittlung des Verfahrenswertes. Dem schließen<br />

sich die Verfahrenswerte in den einzelnen Familiensachen an. Der<br />

zweite ebenfalls von von König bearbeitete Abschnitt befasst sich<br />

auf knapp 70 Seiten mit den Gerichtskosten. Dem schließt sich<br />

eine rund 80 Seiten umfassende Darstellung derselben Autorin<br />

hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten an, die insgesamt etwas<br />

knapp ausgefallen ist. Beispielsweise ist die Darstellung der<br />

Einigungsgebühr ab Rn. 523 ff. und Rn. 562 ff. etwas zu kurz<br />

geraten. So vermisse ich etwa eine nähere Auseinandersetzung<br />

mit der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob und ggf.<br />

unter welchen Voraussetzungen die Mitwirkung des RA an einer<br />

Zwischenvereinbarung in einem Sorgerechtsverfahren die Einigungsgebühr<br />

nach Nr. 1003 VV RVG auslöst (s. hierzu etwa OLG<br />

Celle <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 258 [Hansens] = AGS 2<strong>01</strong>5, 325).<br />

In dem rund 70 Seiten umfassenden vierten Abschnitt geht von<br />

König auf die Besonderheiten bei Verfahrenskostenhilfe und Beratungshilfe<br />

ein, wobei sowohl das Verfahrensrecht als auch das<br />

anwaltliche Vergütungsrecht behandelt wird. Unter Rn. 677 ff.<br />

vertritt die Autorin die zutreffende Auffassung, dass die dem<br />

VKH-Anwalt für die außergerichtliche Vertretung angefallene<br />

Geschäftsgebühr auf die dem RA aus der Staatskasse zustehende<br />

Verfahrensgebühr nur dann anzurechnen ist, wenn der Anwalt<br />

die Geschäftsgebühr auch tatsächlich erhalten hat. Dabei sei der<br />

Anrechnungsbetrag zunächst auf die Differenz zwischen der<br />

Regelvergütung und der VKH-Anwaltsvergütung zu verrechnen.<br />

Für die Vergütung des Beratungshilfe gewährenden RA in<br />

Familiensachen neigt die Autorin unter Rn. 726 der wohl herrschenden<br />

Auffassung in der Rechtsprechung zu, dass dort bis zu<br />

vier verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vorliegen<br />

können, wenn Gegenstand der Beratungshilfe die Voraussetzungen<br />

einer Ehescheidung und der Folgesachen ist.<br />

Im fünften Abschnitt des Handbuchs befasst sich Bischof auf rund<br />

40 Seiten mit den Kosten der Mediation. Der von von König<br />

bearbeitete Anhang besteht aus einer tabellarischen Übersicht der<br />

Verfahrens/-Gegenstandswerte in Familiensachen, in der alphabetisch<br />

geordnet von „Abstammungssachen“ bis „Widerantrag“ die<br />

Wertvorschriften und die betreffenden Werte abgedruckt sind.<br />

Die vielen Beispiele, Übersichten und Muster erleichtern die<br />

praktische Anwendung der Rechtsmaterie.<br />

Fazit:<br />

Ein handliches Praxisbuch, das dem Leser schnell einen Überblick<br />

über die Kosten in Familiensachen gibt, ohne sich allzu sehr in<br />

Einzelheiten zu verlieren.<br />

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz<br />

Dr. Steffen Müller-Rabe, Dr. Hans-Jochem Mayer, Detlef<br />

Burhoff<br />

22. Auflage 2<strong>01</strong>5, XXV, 2.293 S., 125 €, Verlag C.H. Beck<br />

Das Standardwerk zum RVG liegt nunmehr in 22. Auflage vor.<br />

Rechtsprechung und Literatur sind bis Juli 2<strong>01</strong>5 berücksichtigt.<br />

Dabei haben die Autoren die zum 2. KostRMoG veröffentlichte<br />

Rechtsprechung und Literatur eingearbeitet. Neu eingefügt<br />

wurde der knapp 40 Seiten umfassende Anhang XIII betreffend<br />

die Kostenfestsetzung, in dem Müller-Rabe sowohl Grundsätze<br />

des Kostenfestsetzungsverfahrens als auch der Kostenerstattung<br />

erörtert. So gibt der Autor beispielsweise unter Rn. 96 ff.<br />

einen Überblick über die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit<br />

von Privatgutachtenkosten. Ob die Gebühr für die Beratung,<br />

sei sie vereinbart oder sei es die übliche Gebühr, als Kosten des<br />

nachfolgenden Rechtsstreits erstattungsfähig ist, ist in der<br />

Rechtsprechung umstritten. Müller-Rabe erläutert diese Problematik<br />

ab Rn. 146 auf rund 1 ¼ Seiten und spricht sich dafür aus,<br />

dass die Gebühr für die Beratung jedenfalls bis zur Höhe der für<br />

einen anderen Auftrag sonst angefallenen gesetzlichen Vergütung<br />

erstattungsfähig ist. Damit liegt der Autor auf der Linie<br />

des LG Berlin (<strong>RVGreport</strong> 2008, 168 [Hansens] = AGS 2008, 515).<br />

Die Ausführungen zum Gegenstandswert im Anhang VI bis XII auf<br />

rund 180 Seiten sind erweitert und aktualisiert worden. So haben<br />

die Autoren bereits den neuen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit<br />

2<strong>01</strong>4 ausgewertet.<br />

Die Kommentierungen zum RVG und zum VV RVG sind – wie<br />

von den Vorauflagen gewohnt – ausführlich, ausgewogen und<br />

im Regelfall gut begründet. So vertritt Müller-Rabe unter § 11 Rn.<br />

30 die Auffassung, dass die Vergütung der Patentanwälte nicht<br />

der Vergütungsfestsetzung unterliegt. Der BGH (<strong>RVGreport</strong><br />

2<strong>01</strong>5, 417 [Hansens]) hat sich dieser Auffassung in seiner nach<br />

Redaktionsschluss des Kommentars ergangenen Entscheidung<br />

angeschlossen. Nicht ganz eindeutig sind die Ausführungen von<br />

Müller-Rabe zur Festsetzung der Vergütung des im Rahmen der<br />

Zwangsvollstreckung tätigen RA. Unter § 11 Rn. 89 macht der<br />

Autor lediglich Ausführungen zu einzelnen Auslagenpositionen<br />

des RA, nicht hingegen zur Festsetzbarkeit der anwaltlichen<br />

Vergütung. Demgegenüber enthielt die Vorauflage unter § 11<br />

RVG Rn. 89 einige Ausführungen des Autors zur Festsetzbarkeit<br />

(vgl. zu dieser Problematik OLG Celle <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 418<br />

[Hansens]).<br />

Die Bestimmung der Gebühr für die Beratung nach § 34 Abs. 1 RVG<br />

bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Gute Hilfe<br />

bieten dabei die Ausführungen von Mayer unter § 34 Rn. 44 ff. Die<br />

unter Rn. 50 wiedergegebenen Rechtsprechungsnachweise könnten<br />

noch um die Entscheidungen des AG Fulda (Info M 2<strong>01</strong>1, 249);<br />

des AG Bielefeld (AGS 2<strong>01</strong>0, 160), des AG Steinfurth (<strong>RVGreport</strong><br />

2<strong>01</strong>4, 307 [Hansens] = AnwBl. 2<strong>01</strong>4, 364), des AG Brühl (<strong>RVGreport</strong><br />

2009, 460 [Hansens] = AGS 2008, 589) sowie des AG Emmerich<br />

(AGS 2008, 484) ergänzt werden.<br />

Zur Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen<br />

(Nr. 1<strong>01</strong>0 VV RVG) vertritt Mayer unter Nr. 1<strong>01</strong>0 VV RVG<br />

Rn. 2 die m.E. zutreffende Auffassung, die Gebühr erfordere in<br />

subjektiver Hinsicht nicht zwingend, dass der RA seine Partei in<br />

den drei Terminen auch selbst vertreten haben muss (s. hierzu<br />

Hansens <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 410); die Angabe der Jahreszahl 2<strong>01</strong>4 in<br />

der Fußnote 9 ist ein Druckfehler.<br />

In manchem RVG-Kommentar führen die Erläuterungen der<br />

Gebührentatbestände in Straf- und Bußgeldsachen geradezu ein<br />

Schattendasein. Beispielhaft sei hier auf die doch sehr knappen<br />

Ausführungen von Kroiß in Mayer/Kroiß (RVG, 6. Aufl.) verwiesen,<br />

in dem die gesamte Kommentierung der Teile 4 und 5 VV<br />

RVG einschließlich des Gesetzestextes nur 70 Seiten umfasst.<br />

Wesentlich umfangreicher und auch praxisgerechter sind demgegenüber<br />

im Gerold/Schmidt die Ausführungen von Burhoff<br />

zu den Teilen 4 und 5 VV RVG auf gut 220 Seiten. Geradezu<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 9


<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

beispielhaft erörtert Burhoff unter Nr. 4141 VV RVG und Nr. 5115<br />

VV RVG sämtliche Facetten der zusätzlichen Verfahrensgebühr<br />

auf zusammengenommen 22 Seiten. Dabei werden sämtliche<br />

Konstellationen dieser Gebühren praxisgerecht dargestellt.<br />

Fazit:<br />

Mit all‘ diesen Neuerungen findet der Leser des Gerold/Schmidt ausführliche<br />

Darlegungen zum Vergütungsrecht, zum Gegenstandswert<br />

und zur Kostenfestsetzung und Kostenerstattung in einem<br />

einzigen Buch vor.<br />

Den Gerold/Schmidt als Standardkommentar zum RVG zu<br />

bezeichnen, hieße – in Anlehnung an den griechischen Dichter<br />

Aristophanes – nachtaktive Großvögel in die griechische Landeshauptstadt<br />

zu tragen. Die 22. Auflage dieses zu Recht bei<br />

Anwälten und Gerichten beliebten Kommentars bestätigt erneut<br />

seine Stellung als „Platzhirsch“.<br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

? Fragen<br />

1. K erhebt – vertreten durch RA A – beim zuständigen<br />

Landgericht Zahlungsklage über 10.000 €, die nach streitiger<br />

mündlicher Verhandlung Erfolg hat. Innerhalb der Berufungsfrist<br />

erhält der Kläger von RA A eine Berufungsschrift der<br />

Gegenseite ohne Anträge und ohne Begründung. K kündigt<br />

das Mandat mit RA A und beauftragt nunmehr RA B für seine<br />

Vertretung im Berufungsverfahren. K übersendet RA B die<br />

beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift. RA B holt von K<br />

ergänzende Informationen über den Gegenstand des Rechtsstreits<br />

ein, prüft die Berufungsschrift und teilt K mit, derzeit<br />

sei gegenüber dem Berufungsgericht nichts zu veranlassen.<br />

Kurze Zeit später erhält RA B eine beglaubigte Abschrift der<br />

Berufungsrücknahme.<br />

Welche Vergütung steht den beiden RAen zu?<br />

2. Kaufmann K erhält von seinem Wettbewerber W eine Abmahnung<br />

und Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten<br />

Unterlassungserklärung wegen angeblicher wettbewerbswidriger<br />

Werbung. K beauftragt RA R, ihn in dem zu erwartenden<br />

Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem<br />

zuständigen LG zu vertreten. RA R reicht bei dem LG eine<br />

Schutzschrift ein, in der er ausführlich den Sach- und Streitstand<br />

und seine rechtlichen Erwägungen vorträgt. Kurz darauf<br />

erhält er eine beglaubigte Abschrift eines Antrags auf Erlass<br />

einer einstweiligen Verfügung des W nebst kurzfristiger<br />

Terminsanberaumung zugestellt. Einige Tage vor dem angesetzten<br />

Verhandlungstermin erhält RA R von dem LG die<br />

Rücknahme des Verfügungsantrags zugestellt. Das LG erlegt<br />

dem W die Kosten des Verfahrens auf und setzt den Streitwert<br />

auf 20.000 € fest.<br />

Welche Anwaltskosten kann K aufgrund der Kostenentscheidung<br />

von W erstattet verlangen?<br />

3. RA S hat für den Arbeitnehmer N am 10.10. beim zuständigen<br />

Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage betreffend die Kündigung<br />

vom 7.10. und am 15.11. eine weitere Kündigungsschutzklage<br />

betreffend die Kündigung vom 7.11. erhoben. In beiden<br />

Verfahren ordnet das Arbeitsgericht RA S dem N im Wege der<br />

PKH ohne Einschränkungen bei.<br />

Nach Beendigung der Rechtsstreite beantragt RA S in jedem<br />

dieser beiden Verfahren die Festsetzung der ihm aus der<br />

Landeskasse zustehenden Vergütung gem. § 55 RVG. Der<br />

Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) vertritt nach Anhörung<br />

des Bezirksrevisors als Vertreter der Landeskasse die<br />

Auffassung, das Betreiben der beiden getrennt geführten<br />

Kündigungsschutzprozesse sei mutwillig, da RA S die erste<br />

Kündigungsschutzklage nach dem Ausspruch der Kündigung<br />

vom 7.11. hätte erweitern können. Der UdG setzt deshalb nur die<br />

Vergütung fest, die in einem gemeinsamen Kündigungsschutzprozess<br />

angefallen wäre.<br />

Was kann RA S hiergegen unternehmen?<br />

! Lösungen<br />

1. RA A hat durch Einreichen der Zahlungsklage und durch die<br />

Wahrnehmung des Verhandlungstermins (s. Nr. 31<strong>01</strong> Nr. 1 VV<br />

RVG) die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG<br />

verdient. Für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins ist<br />

RA A die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen.<br />

Die Empfangnahme der Berufungsschrift und deren Weiterleitung<br />

an den K gehört gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG noch<br />

zum Rechtszug und hat deshalb keine gesonderte Gebühr<br />

ausgelöst (s. OVG Berlin-Brandenburg <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>6, 19<br />

[Hansens]).<br />

RA A rechnet deshalb seine Vergütung wie folgt ab:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert:<br />

10.000 €)<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert:<br />

10.000 €)<br />

725,40 €<br />

669,60 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 1.415 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 268,85 €<br />

Summe: 1.683,85 €<br />

10 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

K hat RA B einen unbedingten Auftrag zur Vertretung im<br />

Berufungsverfahren erteilt, so dass sich dessen Gebühren gem.<br />

Vorbem. 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG nach Teil 3 VV RVG berechnen.<br />

RA B hat die 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV<br />

RVG verdient, weil er für K das Geschäft betrieben hat<br />

(s. Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG). Hierfür genügen Anwaltstätigkeiten,<br />

die intern bleiben, so dass der RA nicht notwendig nach<br />

außen tätig werden muss (OVG Berlin-Brandenburg <strong>RVGreport</strong><br />

2<strong>01</strong>6, 19 [Hansens]). Die Verfahrensgebühr ist somit<br />

bereits für das Einholen der ergänzenden Informationen,<br />

für die Prüfung, ob auf die Berufung etwas zu veranlassen<br />

ist, und für die diesbezügliche Beratung des K angefallen. Eine<br />

der in Abs. 1 der Anm. zu Nr. 32<strong>01</strong> VV RVG aufgeführten<br />

Tätigkeiten hat RA B nicht entfaltet, so dass nur die ermäßigte<br />

Verfahrensgebühr berechnet werden kann.<br />

Somit erstellt RA B seinem Mandanten folgende Kostenberechnung:<br />

Für die Tätigkeit im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen<br />

Verfügung hat RA R nur die 0,8 Verfahrensgebühr nach<br />

Nr. 3100, 31<strong>01</strong> VV RVG verdient, da er lediglich die Informationen<br />

des Mandanten entgegengenommen hat (s. Vorbem. 3<br />

Abs. 2 VV RVG). Die 1,3 Verfahrensgebühr wäre nur dann<br />

entstanden, wenn RA R eine der in Nr. 31<strong>01</strong> Nr. 1 VV RVG<br />

aufgeführten Tätigkeiten entfaltet hätte, was hier nicht der<br />

Fall war. Sowohl das Einreichen der Schutzschrift als auch<br />

die Tätigkeit im anschließenden Verfügungsverfahren stellen<br />

gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (s. OLG München<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>6, 22 [Hansens]), so dass der RA nur die<br />

Verfahrensgebühr mit dem höchsten Gebührensatz berechnen<br />

kann.<br />

Folglich steht RA R folgende Vergütung zu:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert:<br />

20.000 €) 964,60 €<br />

2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 187,07 €<br />

Summe: 1.171,67 €<br />

1. 1,1 Verfahrensgebühr, Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG<br />

(Wert: 10.000 €) 613,80 €<br />

2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 120,42 €<br />

Summe: 754,22 €<br />

2. RA R hatte von Anfang an den Auftrag, in dem zu erwartenden<br />

Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für den<br />

Mandanten als Verfahrensbevollmächtigter tätig zu werden.<br />

Deshalb ist dem RA für das Einreichen der Schutzschrift die 1,3<br />

Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG angefallen, die einen<br />

Schriftsatz mit Sachvortrag darstellt (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2008,<br />

223 [Hansens] = zfs 2008, 406 mit Anm. Hansens; BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2009, 265 [ders.]). Damit scheidet auch der Anfall<br />

einer 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG aus.<br />

Diese Vergütung ist – wegen der Möglichkeit des K zum<br />

Vorsteuerabzug – ohne Umsatzsteuer gem. § 91 Abs. 1 Satz 1<br />

ZPO erstattungsfähig (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2007, 348 [Hansens]<br />

= AGS 2007, 477; BGH <strong>RVGreport</strong> 2008, 223 [ders.]; s. ferner<br />

OLG München <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>6, 22 [ders.]).<br />

3. Gegen die teilweise Zurückweisung des Festsetzungsantrags<br />

ist gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG die – unbefristete –<br />

Erinnerung gegeben. Diese hat auch Aussicht auf Erfolg,<br />

weil nach einer weit verbreiteten Auffassung die Frage, ob das<br />

Betreiben zweier Kündigungsschutzprozesse mutwillig oder<br />

erforderlich war, bereits im PKH-Bewilligungsverfahren zu<br />

prüfen ist. Ist – wie hier – PKH ohne Einschränkung für jedes<br />

Verfahren bewilligt und der RA beigeordnet worden, ist eine<br />

Prüfung im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht mehr<br />

vorzunehmen. Der UdG ist an die uneingeschränkt für beide<br />

Verfahren beschlossene Beiordnung des RA S gebunden (LAG<br />

Nürnberg <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>6, 17 [Hansens]; BAG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1,<br />

275 [ders.]).<br />

Rechtsprechungsreport<br />

Anwaltsvergütung<br />

Rückforderung von vereinbartem<br />

Anwaltshonorar bei nicht eingehaltenen<br />

Formerfordernissen der<br />

Vereinbarung<br />

§§ 3a Abs. 1 Satz 1, 4b RVG; §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 242 BGB<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Rückforderung von<br />

vereinbartem Anwaltshonorar nach Treu und Glauben ausgeschlossen<br />

ist, wenn bei der Vereinbarung des Honorars die<br />

gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde.<br />

BGH, Urt. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 100/13<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger war im Jahr 20<strong>01</strong> vom LG Nürnberg-Fürth zu einer<br />

mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die er auch verbüßt<br />

hat. Im Jahr 2008 beauftragte er die beklagten RAe mit seiner<br />

Vertretung in einem Wiederaufnahmeverfahren. Am 21.7.2008<br />

vereinbarten die Parteien mündlich die Zahlung einer pauschalen<br />

Vergütung i.H.v. 20.000 €, die der Kläger in Teilbeträgen an die<br />

RAe vollständig zahlte. Auf Anforderung des Beklagten zu 1 zahlte<br />

der Kläger dann weitere 2.380 €. Für die Tätigkeit der Beklagten in<br />

einem weiteren Wiederaufnahmeverfahren gegen einen Strafbefehl<br />

des AG Nürnberg zahlte der Kläger an die Beklagte 5.000 €.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 11


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Hierfür erteilten die Beklagten dem Kläger eine Kostenberechnung<br />

nach dem RVG und erstatteten ihm den nach dieser Berechnung<br />

überzahlten Betrag von 4.334,19 €.<br />

Mit seiner vor dem LG Hamburg erhobenen Klage verlangte der<br />

Kläger die Differenz zwischen den geleisteten Zahlungen abzüglich<br />

des Erstattungsbetrags und der nach seiner Ansicht für das<br />

Wiederaufnahmeverfahren betreffend das Urteil des LG geschuldeten<br />

gesetzlichen Vergütung i.H.v. 1.102,18 €, mithin einen Betrag<br />

von 26.943,63 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten.<br />

Das LG Hamburg hat der Klage mit Ausnahme der<br />

vorgerichtlichen Anwaltskosten stattgegeben. Das OLG Hamburg<br />

hat die Verurteilung der Beklagten auf den Betrag von 2.380 €<br />

zzgl. Zinsen herabgesetzt und die weitergehende Klage abgewiesen.<br />

Die hiergegen eingelegte Revision des Klägers hatte beim<br />

BGH überwiegend Erfolg. Die Anschlussrevision der Beklagten hat<br />

der BGH zurückgewiesen.<br />

II. Anwaltsvergütung für das Wiederaufnahmeverfahren vor<br />

dem LG<br />

1. Vergütungsvereinbarung formunwirksam<br />

Der BGH hat zunächst die Auffassung des OLG Hamburg geteilt,<br />

die zwischen den Parteien am 21.7.2008 mündlich getroffene<br />

Vereinbarung über die Zahlung eine pauschalen Vergütung i.H.v.<br />

25.000 € halte die durch § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG vorgeschriebene<br />

Schriftform nicht ein.<br />

2. Folgen des Formmangels<br />

Dieser Formmangel mache die Vereinbarung zwar nicht nichtig.<br />

Er führe jedoch dazu, dass der Anspruch der Beklagten auf die<br />

gesetzliche Vergütung beschränkt sei (so auch BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2<strong>01</strong>4, 358 [Hansens] = zfs 2<strong>01</strong>4, 524 mit Anm. Hansens =<br />

AGS 2<strong>01</strong>4, 319 mit Anm. Schons). Diese gesetzliche Vergütung<br />

belaufe sich einschließlich der Auslagen auf 1.102,18 €. Hinsichtlich<br />

der über die gesetzliche Vergütung hinaus erbrachten Zahlungen<br />

hat der Kläger nach den weiteren Ausführungen einen Herausgabeanspruch<br />

gegen die Beklagten (§ 4b Satz 2 RVG; § 812<br />

Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB).<br />

3. Kein Ausschluss des Herausgabeanspruchs des Klägers<br />

Dieser Herausgabeanspruch sei nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen.<br />

Zwar könne nach dieser Vorschrift das zur Erfüllung<br />

einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden,<br />

wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht<br />

verpflichtet war. Jedoch erfordere dies eine positive Kenntnis<br />

des Leistenden zum Zeitpunkt der Zahlung, nicht zur Leistung<br />

verpflichtet gewesen zu sein. Allein die Kenntnis der Tatsache,<br />

aus denen sich das Fehlen der rechtlichen Verpflichtung ergebe,<br />

genüge nicht. Der Leistende müsse vielmehr auch gewusst<br />

haben, dass er nach der Rechtslage nichts schulde. Eine derartige<br />

positive Kenntnis lag hier nach Auffassung des BGH nicht vor. Sie<br />

folge auch nicht aus der Äußerung des Klägers, er brauche keine<br />

Honorarvereinbarung, da die Zahlung für ihn eine Sache der Ehre<br />

sei. Aus dieser Äußerung lasse sich nämlich nicht entnehmen,<br />

dass der Kläger wusste, er sei ohne eine in Textform geschlossene<br />

Vergütungsvereinbarung rechtlich nicht zur Zahlung der<br />

vereinbarten Vergütung verpflichtet.<br />

4. Kein Verzicht auf Bereicherungsanspruch<br />

Nach den weiteren Ausführungen des BGH kann – unabhängig<br />

von § 814 BGB – eine Rückforderung nach § 242 BGB auch bei<br />

bloßen Zweifeln an der Verpflichtung ausgeschlossen sein. Dies<br />

setzte voraus, dass dem Empfänger erkennbar gemacht werde,<br />

der Leistende wolle die Leistung auch für den Fall bewirken, dass<br />

keine Verpflichtung dazu bestehe. Aus dem Verhalten des<br />

Leistenden müsse der Empfänger somit schließen dürfen, der<br />

Leistende wolle die Leistung – unabhängig vom Schuldgrundgedanken<br />

– gegen sich gelten lassen.<br />

Ein solches treuwidriges Verhalten des Klägers lag hier nach<br />

Auffassung des BGH nicht vor. Sein Verhalten wäre hier nur dann<br />

treuwidrig gewesen, wenn er an einer in vollem Umfang<br />

wirksamen Verpflichtung gezweifelt hätte, sich gleichwohl in<br />

einer Weise verhalten hätte, dass der Leistungsempfänger<br />

annehmen dürfe, der Leistende sei sich der Möglichkeit einer<br />

fehlenden Verpflichtung bewusst, wolle hieraus aber keine<br />

Rechte ableiten. Derartiges lasse sich jedoch aus den erwähnten<br />

Äußerungen des Klägers nicht entnehmen. Sie können nach den<br />

Ausführungen des BGH aus der Sicht der Beklagten auch allein<br />

die Frage des Nachweises der Vereinbarung betroffen haben.<br />

Wenn der an seiner Verpflichtung zweifelnde Leistende zu<br />

erkennen gebe, dass er die Leistung in jedem Fall gelten lassen<br />

wolle, gleicht dies nach den weiteren Ausführungen des BGH<br />

einem Verzicht auf die Rückforderung. Hieran seien jedoch<br />

strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich sei der unmissverständliche<br />

rechtsgeschäftliche Wille, auf die Forderung zu<br />

verzichten. Dabei seien an die Feststellung eines solchen Willens<br />

strenge Anforderungen zu stellen. Er dürfe nicht vermutet<br />

werden. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass dies insb. im<br />

vorliegenden Fall gelte, wenn sich der Erklärende mit dem<br />

Verzicht des Schutzes behebe, den zwingende Formvorschriften<br />

gerade bezweckten. Das in § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG geregelte<br />

Erfordernis der Textform diene neben Beweiszwecken und der<br />

Information der Beteiligten auch ihrer Warnung, dass die<br />

vereinbarte Vergütung von den gesetzlichen Gebühren abweiche.<br />

Wenn man das Verhalten eines Mandanten, der Zahlungen auf<br />

eine nur mündlich getroffene Honorarvereinbarung leistet, als<br />

Verzicht auf eine Rückforderung bewerten wolle, ohne festzustellen,<br />

dass der Mandant der in der Formvorschrift vorgesehenen<br />

Belehrung nicht bedürfe und an der Wirksamkeit der<br />

eingegangenen Verpflichtung zweifelte, würden diese Schutzzwecke<br />

verfehlt. Folglich kommt – so fährt der BGH fort – eine<br />

Auslegung des Verhaltens des Mandanten als Verzicht nur in<br />

Betracht, wenn der Mandant für den RA erkennbar zumindest<br />

mit der Möglichkeit rechne, es könne wegen des Formmangels<br />

an einer Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Honorars<br />

fehlen. Ein derartiges Bewusstsein des Klägers war hier jedoch<br />

nicht festzustellen.<br />

5. Kein Ausschluss der Berufung auf den Formmangel nach<br />

Treu und Glauben<br />

Die Berufung auf einen Formmangel kann nach den weiteren<br />

Ausführungen des BGH zwar dann ausgeschlossen sein, wenn es<br />

nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen<br />

mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar wäre,<br />

das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Auch<br />

hierbei seien jedoch strenge Maßstäbe anzulegen. Das Ergebnis<br />

dürfe die betroffene Partei nicht bloß hart treffen, sondern müsse<br />

schlechthin untragbar sein.<br />

Diese Voraussetzungen haben hier jedoch nicht vorgelegen. Der<br />

BGH hat die Auffassung vertreten, die Berufung des Klägers auf<br />

den Formverstoß führe nicht zu einem schlechthin untragbaren<br />

12 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

Ergebnis. Der Beklagte zu 1 sei sich des Formmangels bewusst<br />

gewesen. Er habe sich als RA auf die Verletzung der Formvorschrift<br />

eingelassen, ohne vom Kläger in einer untragbaren<br />

Weise bedrängt worden zu sein, anstelle der vereinbarten<br />

Vergütung nur die gesetzlichen Gebühren zu erhalten.<br />

Da der Kläger für das Wiederaufnahmeverfahren vor dem LG<br />

Nürnberg-Fürth auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung<br />

Zahlungen von insgesamt 25.000 € geleistet hatte, die über die<br />

gesetzliche Vergütung i.H.v. 1.102,18 € hinausgingen, stand ihm<br />

somit ein Herausgabeanspruch i.H.v. 23.897,82 € zu.<br />

6. Weitere Zahlung von 2.380 €<br />

Das LG Hamburg hatte die Beklagten auch zur Rückzahlung des<br />

von dem Beklagten zu 1 geforderten und erhaltenen Betrags von<br />

2.380 € nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Anschlussrevision<br />

der Beklagten hatte keinen Erfolg. Selbst wenn –<br />

wie die beklagten RAe geltend gemacht hatten – eine gesonderte<br />

Vereinbarung über das Zusatzhonorar zustande gekommen<br />

sei, so wäre die wegen der fehlenden Textform nichtig<br />

gewesen. Den Beklagten hätte insoweit ein Anspruch auf die<br />

gesetzliche Vergütung zugestanden. Ein solcher Anspruch sei<br />

jedoch nicht entstanden, weil die Tätigkeit der Beklagten, die mit<br />

dem zusätzlichen Betrag von 2.380 € vergütet werden sollte,<br />

noch das Wiederaufnahmeverfahren vor dem LG betroffen habe.<br />

Auch diese Tätigkeit sei deshalb mit der gesetzlichen Vergütung i.<br />

H.v. 1.102,18 € abgegolten. Auch insoweit hätten keine Umstände<br />

vorgelegen, die den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung gem.<br />

§ 814 BGB ausschließen würden.<br />

III. Anwaltsvergütung für Wiederaufnahmeverfahren<br />

vor dem AG<br />

Insoweit hat der BGH die Auffassung des OLG Hamburg geteilt,<br />

die Angelegenheit sei abgeschlossen. Der Kläger habe zwar<br />

aufgrund der Vereinbarung an die Beklagten 5.000 € gezahlt. Die<br />

Beklagten hätten jedoch dem Kläger den über die gesetzlichen<br />

Gebühren von 665,81 € hinausgehenden Betrag von 4.334,19 €<br />

erstattet.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Der IX. ZS des BGH hat seine vor kurzem unter Aufgabe der<br />

bisherigen Rechtsprechung geäußerte Auffassung, bei Verstoß<br />

einer Vergütungsvereinbarung gegen Formvorschriften oder die<br />

Voraussetzungen für den Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung<br />

stehe dem RA die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe<br />

der gesetzlichen Vergütung zu (so BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 340<br />

[Hansens]), bestätigt.<br />

Ausführlich hat sich der BGH hier mit den Voraussetzungen des<br />

Herausgabeanspruchs des Mandanten für die über die gesetzliche<br />

Vergütung hinaus geleisteten Zahlungen auf eine formunwirksame<br />

Vergütungsvereinbarung befasst. Die hohen Anforderungen<br />

an den Ausschluss eines solchen Herausgabeanspruchs<br />

nach § 814 BGB oder unter dem Gesichtspunkt von Treu und<br />

Glauben nach § 242 BGB werden in der Praxis nur selten gegeben<br />

sein oder festgestellt werden können. Deshalb ist es im eigenen<br />

Interesse des RA, die Formerfordernisse einer Vergütungsvereinbarung<br />

oder die gesetzlichen Erfordernisse für den<br />

Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung unabhängig von<br />

den Äußerungen des Mandanten strikt einzuhalten. Vor Beginn<br />

der Anwaltstätigkeit wird der Mandant – besonders derjenige<br />

in einer Strafsache – eine größere Bereitschaft haben, eine<br />

Vergütungsvereinbarung formgerecht abzuschließen als nach –<br />

ggf. erfolgloser – Tätigkeit des Anwalts. Der als Beklagter zu 1 auf<br />

Herausgabe in Anspruch genommene RA hatte dies nicht beachtet.<br />

Er hat hier ein hohes Lehrgeld zahlen müssen, nämlich die<br />

Rückzahlung von 26.277,82 €.<br />

H. Hansens<br />

Bemessungskriterien für die Höhe<br />

der Terminsgebühr; keine Erledigungsgebühr<br />

durch Annahme<br />

eines Anerkenntnisses<br />

§ 14 Abs. 1 RVG; Nr. 1006, 3106 VV RVG<br />

Leitsätze des Gerichts:<br />

1. Die Dauer des Termins ist nicht allein wesentliches<br />

Bemessungskriterium der Terminsgebühr. Sie ist (nur)<br />

bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit<br />

maßgebliches Kriterium, der bei der Bewertung der<br />

Terminsgebühr jedoch besondere Bedeutung hat.<br />

2. Es begegnet keinen Bedenken, wenn in den Fällen, in<br />

denen aus der Sitzungsniederschrift nicht ersichtlich ist,<br />

wieviel Zeit die Erörterung der einzelnen formlos verbundenen<br />

Verfahren jeweils in Anspruch genommen hat,<br />

die gesamte Verfahrensdauer durch die Anzahl der Verfahren<br />

geteilt wird.<br />

3. Die Annahme eines Anerkenntnisses ist nicht ausreichend,<br />

um die Erledigungsgebühr auszulösen. Wie auch<br />

bei einer Klagerücknahmeerklärung liegt darin noch<br />

keine über die normale Prozessführung hinausgehende,<br />

qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung.<br />

Bay. LSG, Beschl. v. 23.9.2<strong>01</strong>5 – L 15 SF 273/14 E<br />

I. Sachverhalt<br />

In dem Klageverfahren vor dem SG München ging es um die<br />

Rückforderung unter Vorbehalt gewährten Kinderzuschlags nach<br />

§ 6a BKGG. Das SG München hat dem Kläger PKH unter<br />

Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Dieser<br />

begründete nach erfolgter Akteneinsicht die Klage. Ferner<br />

nahm der RA am 26.6.2<strong>01</strong>3 die mündliche Verhandlung wahr.<br />

Das SG München hatte drei weitere Verfahren mit dem betreffenden<br />

Kindergeldverfahren formlos verbunden. In sämtlichen<br />

Verfahren wurde der Kläger von dem RA vertreten. Die<br />

mündliche Verhandlung in allen vier Sachen dauerte von 11:50 Uhr<br />

bis 12:36 Uhr. Dem Sitzungsprotokoll ist nicht zu entnehmen,<br />

welcher Zeitraum auf die einzelnen Verfahren entfiel. Das verfahrensgegenständliche<br />

Verfahren wurde durch angenommenes<br />

Anerkenntnis beendet.<br />

Hieraufhin beantragte der dem Kläger beigeordnete RA die<br />

Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse:<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 13


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 3103 VV RVG 170,00 €<br />

2. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 €<br />

3. Erledigungsgebühr, Nr. 1002, 1006 VV RVG 190,00 €<br />

4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

5. Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG 51,00 €<br />

6. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 651,00 €<br />

8. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG +123,69 €<br />

Summe: 774,69 €<br />

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) hat hiervon die<br />

Erledigungsgebühr in vollem Umfang und die Terminsgebühr in<br />

Höhe eines 80 € übersteigenden Betrags abgesetzt. Die hiergegen<br />

gerichtete Erinnerung hat das SG München zurückgewiesen.<br />

Die dagegen eingelegte Beschwerde des RA hatte<br />

auch beim Bay. LSG keinen Erfolg.<br />

II. Höhe der Terminsgebühr<br />

Das Bay. LSG hat zunächst darauf hingewiesen, dass der RA bei<br />

Betragsrahmengebühren i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im<br />

Einzelfall unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 RVG nach<br />

billigem Ermessen bestimme (so auch Bay. LSG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5,<br />

262 [Hansens]). Die hier von dem RA mit 200 € bestimmte<br />

Terminsgebühr entspreche – auch unter Berücksichtigung eines<br />

Toleranzrahmens von 20 % – nicht billigem Ermessen. Die UdG<br />

habe deshalb die Gebühr neu festsetzen müssen, ohne an die<br />

Bestimmung durch den RA gebunden zu sein.<br />

1. Wesentliches Kriterium: Dauer des Termins<br />

Nach den weiteren Ausführungen des Bay. LSG ist für die<br />

Bemessung der Terminsgebühr die Dauer des Termins das<br />

wesentliche Kriterium. Hierdurch werde nämlich der Aufwand<br />

des RA in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine<br />

Anwesenheit bei dem Termin habe. Daneben seien jedoch alle<br />

anderen Kriterien des § 14 RVG ebenfalls als maßgeblich zu<br />

berücksichtigen. Damit hat das Bay. LSG der Auffassung einiger<br />

Gerichte (so Thür. LSG NZS 2<strong>01</strong>3, 720) widersprochen, die Dauer<br />

des Termins sei allein wesentliches Bemessungskriterium. Vielmehr<br />

sei die Dauer des Termins bei der Beurteilung des Umfangs<br />

der anwaltlichen Tätigkeit maßgebliches Kriterium, der bei<br />

der Bewertung der Terminsgebühr besondere Bedeutung habe<br />

(s. Bay. LSG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 262 [Hansens]).<br />

2. Terminsdauer bei gemeinsamer Verhandlung mehrerer<br />

Verfahren<br />

Vorliegend hat sich aus der Sitzungsniederschrift nicht ergeben,<br />

welcher Zeitraum der gesamten mündlichen Verhandlung mit<br />

einer Dauer von 46 Minuten für alle vier verhandelten Verfahren<br />

auf das hiesige Verfahren entfiel. In einem solchen Fall ist es nach<br />

den Ausführungen des Bay. LSG sachgerecht, die gesamte<br />

Verhandlungsdauer durch die Anzahl der Verfahren zu teilen<br />

(so auch Hess. LSG JurBüro 2<strong>01</strong>4, 412; LSG NRW, Beschl. v.<br />

18.6.2<strong>01</strong>2 – L 12 AS 2173/11 B). Damit sei von einer Terminsdauer<br />

für jedes Verfahren von nur 11,5 Minuten auszugehen. Demgegenüber<br />

ist das Bay. LSG nicht der Auffassung des RA gefolgt,<br />

in solchen Fällen sei für jedes einzelne Verfahren eine normale<br />

Verhandlungsdauer zu unterstellen. Bei dieser Vorgehensweise<br />

würde nämlich die Gefahr unzulässiger Doppelvergütungen bestehen.<br />

Es würden fiktive Tätigkeiten ohne gesetzliche Grundlage<br />

vergütet werden.<br />

Eine Verhandlungsdauer von 11,5 Minuten liege weit unter der<br />

durchschnittlichen Verfahrensdauer am SG und führe dazu, eine<br />

unterhalb der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr anzusetzen.<br />

III. Erledigungsgebühr<br />

Die von dem RA angesetzte Erledigungsgebühr ist nach den<br />

weiteren Ausführungen des Bay. LSG nicht entstanden. Diese<br />

erfordere, dass sich der Rechtsstreit „durch die anwaltliche<br />

Mitwirkung“ erledigt habe. Damit sei eine besondere Tätigkeit<br />

des RA im Sinne einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung<br />

bei der Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung<br />

erforderlich. Somit müsse der Anwalt mit seiner Aktivität<br />

einen wesentlichen Beitrag zur Erledigung des Rechtsstreits<br />

geleistet haben.<br />

Hierfür ist nach Auffassung des Bay. LSG hier nichts ersichtlich.<br />

Die bloße Annahme eines Anerkenntnisses sei für sich allein<br />

genommen nicht ausreichend, um die Erledigungsgebühr auszulösen.<br />

Die Abgabe einer solchen Prozesserklärung werde<br />

vielmehr mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Dass der RA<br />

sich außergerichtlich um die Erledigung des Rechtsstreits<br />

bemüht und mit dieser Aktivität einen wesentlichen Beitrag zur<br />

Erledigung des Rechtsstreits geleistet habe, sei nicht ersichtlich.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Terminsgebühr<br />

Damit setzt das Bay. LSG seine Rechtsprechung zur Bestimmung<br />

der Terminsgebühr fort. In seinem in <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 262<br />

(Hansens) veröffentlichten Beschluss hatte der Senat entschieden,<br />

dass auch Wartezeiten des RA im Zeitraum zwischen dem in der<br />

Ladung mitgeteilten Terminsbeginn und dem tatsächlichen Aufruf<br />

der Sache bei der Terminsdauer zu berücksichtigen seien. Sowohl<br />

in jenem als auch in diesem Verfahren hat der Senat eine<br />

Feststellung vermieden, welche Verhandlungsdauer eine Mittelgebühr<br />

auslöst. Das SG München hatte in jenem Fall die<br />

Auffassung vertreten, die durchschnittliche Verhandlungsdauer<br />

am SG betrage 30–40 Minuten.<br />

2. Erledigungsgebühr<br />

In der Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass die die<br />

Erledigungsgebühr auslösende ursächliche Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten<br />

qualifiziert auf die Erledigung gerichtet sein<br />

muss. Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung über das Maß<br />

hinausgehen, das bereits durch den Tatbestand der Verfahrensgebühr<br />

für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren abgegolten wird<br />

(vgl. hierzu etwa BSG – 1. Senat – zfs 2007, 86 und <strong>RVGreport</strong><br />

2007, 202 [Hansens] = zfs 2007, 53; BSG – 11. Senat – <strong>RVGreport</strong><br />

2007, 421 [ders.] = SGB 2007, 291 und <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 149 [ders.] =<br />

JurBüro 2<strong>01</strong>4, 300; BSG – 14. Senat – <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 393 [ders.] =<br />

AGS 2<strong>01</strong>3, 519; BVerwG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 103 [ders.]; OVG Bremen<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 304 [ders.]; zum Anfall der Erledigungsgebühr bei<br />

Teilerfolg s. OVG NRW <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 19 [ders.]).<br />

In Anwendung dieser Grundsätze ist in der Tat allein die Annahme<br />

eines Anerkenntnisses keine qualifizierte auf die Erledigung<br />

gerichtete Mitwirkung des RA. Anders wäre dies zu beurteilen,<br />

wenn der RA hier durch außergerichtliche Verhandlungen den<br />

Beklagten veranlasst hätte, im Verhandlungstermin ein Anerkenntnis<br />

abzugeben. Eine solche, sich nicht aus den Gerichtsakten<br />

ergebende Tätigkeit müsste der RA dann in seinem Festsetzungsantrag<br />

ausdrücklich vortragen.<br />

H. Hansens<br />

14 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

Mittelgebühr in Verkehrsstrafsachen<br />

§ 14 RVG<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 RVG ist der Gebührenansatz eines<br />

Rechtsanwalts dann, wenn die beantragte Gebühr um<br />

mehr als 20 Prozent über der angemessenen Höhe liegt.<br />

2. Bei einem Verkehrsstrafverfahren ist der Ansatz von<br />

Mittelgebühren angemessen, wenn es sich zwar um eine<br />

Angelegenheit mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad<br />

und unterdurchschnittlichem Umfang handelte,<br />

die Sache aber für den Angeklagten wegen einer zu<br />

erwartenden Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung<br />

ausgesetzt hätte werden können, von hoher Bedeutung<br />

war.<br />

LG Stralsund, Beschl. v. 25.9.2<strong>01</strong>5 – 26 Qs 186/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der RA hatte den Angeklagten in einem Strafverfahren, in dem<br />

diesem u.a. vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis und ein<br />

Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz zur Last gelegt<br />

wurde, verteidigt. Der Angeklagte ist freigesprochen worden. Der<br />

Verteidiger hat nun Kostenfestsetzung beantragt. Dabei hat er die<br />

Mittelgebühren eines Wahlanwalts zugrunde gelegt. Festgesetzt<br />

worden sind von der Rechtspflegerin nur Gebühren unterhalb der<br />

Mittelgebühren. Das hat sie mit der geringen Bedeutung der Sache<br />

für den Angeklagten und der unterdurchschnittlichen Tätigkeiten<br />

des RA begründet. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde<br />

des RA hatte Erfolg.<br />

II. Grundsätze für die Bemessung von Rahmengebühren<br />

1. Ausgangspunkt: Grundsätzlich Mittelgebühr<br />

Das LG nimmt zunächst noch einmal allgemein zur Gebührenbemessung<br />

nach § 14 Abs. 1 RVG Stellung. Ausgangspunkt für die Gebühr,<br />

die der RA gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung<br />

aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen<br />

hat, sei grds. der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr.<br />

Die Mittelgebühr solle gelten, wenn sämtliche gem. § 14 Abs. 1<br />

Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere<br />

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung<br />

der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des<br />

Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind. Sie gelte<br />

wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aber auch, wenn<br />

erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig<br />

seien oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches<br />

Übergewicht erhalte, dass dadurch das geringere Gewicht mehrerer<br />

anderer Merkmale kompensiert werde.<br />

Bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und<br />

der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren habe<br />

der RA ein weites billiges Ermessen. Die von ihm getroffene<br />

Bestimmung sei, wenn – wie hier – ein Dritter die Gebühr zu<br />

ersetzen hat, gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (nur dann) nicht<br />

verbindlich, wenn sie unbillig sei. Unbillig sei der Gebührenansatz<br />

nach h.M. dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als<br />

20 Prozent über der angemessenen Höhe liege.<br />

2. Gebührenbemessung im konkreten Einzelfall<br />

Unter Anwendung dieses Maßstabes ließ sich nach Auffassung<br />

des LG eine Unbilligkeit hier nicht feststellen. Vielmehr sei die<br />

Ansetzung von Mittelgebühren angemessen (gewesen). Ausgehend<br />

von der Mittelgebühr sei festzustellen, dass es sich um ein<br />

Verkehrsstrafverfahren mit einer simplen Fragestellung, nämlich<br />

der Fahrereigenschaft des Angeklagten, handelte. Rechtliche<br />

Schwierigkeiten habe es nicht gegeben. Die Anzahl der Zeugen<br />

sowie der Umfang ihrer Vernehmungen sei gering gewesen, auch<br />

seien die Aussagen der verschiedenen Zeugen nicht schwierig zu<br />

erfassen gewesen. Der Aktenumfang bis zur Anklageerhebung<br />

war ebenfalls gering, er habe 41 Seiten betragen, von denen nur<br />

fünf Seiten (die Strafanzeige und die Aussagen der Zeugen)<br />

relevant gewesen seien. Es habe sich um eine Angelegenheit<br />

mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem<br />

Umfang gehandelt.<br />

Dies würde – so das LG – eine Unterschreitung der Mittelgebühr<br />

rechtfertigen. Aber: Entscheidend komme es hier jedoch auf die<br />

Bedeutung der Sache für den ehemaligen Angeklagten an. Bei<br />

einem Verkehrsstrafverfahren sei der Ansatz von Mittelgebühren<br />

angemessen, wenn es sich zwar um eine Angelegenheit mit<br />

unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem<br />

Umfang handelte, die Sache aber für den Angeklagten<br />

wegen einer zu erwartenden Freiheitsstrafe, die nicht mehr<br />

zur Bewährung ausgesetzt hätte werden können, von hoher<br />

Bedeutung war. In Anbetracht der umfangreichen Vorstrafenliste,<br />

die eine Vielzahl von einschlägigen Delikten enthält, hätte hier<br />

nach Auffassung des LG der Angeklagte im Falle eines Schuldspruchs<br />

tatsächlich mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe zu<br />

rechnen gehabt, deren Vollstreckung nicht mehr zur Bewährung<br />

hätte ausgesetzt werden können. Diese Gewichtigkeit hebe die<br />

die vorgenannten Bemessungsgründe in dem Sinne auf, als dass<br />

hier von einer Mittelgebühr ausgegangen werden könne.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung rückt einige Aspekte in den Fokus, die bei der<br />

Bemessung der Rahmengebühr nach § 14 RVG von praktischer<br />

Bedeutung sind.<br />

1. Bedeutung der Mittelgebühr<br />

Auszugehen ist bei der Ermittlung der angemessenen Gebühr<br />

von der Mittelgebühr. Auf dieser Grundlage sind dann in einer<br />

Gesamtschau alle Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu bewerten<br />

und dann zu entscheiden, ob Zuschläge oder Abschläge zu/von<br />

der Mittelgebühr zu machen sind (vgl. dazu auch Burhoff, RVG<br />

Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2<strong>01</strong>5, Teil A: Rahmengebühren<br />

[§ 14]; Rn. 1603 m.w.N.). Das wird von den Vertretern der<br />

Staatskasse leider häufig übersehen bzw., man schaut mehr nach<br />

Kriterien, die einen Abschlag rechtfertigen (sollen), als nach<br />

denen, mit denen man entweder einen Zuschlag begründen kann<br />

oder die einen Abschlag ggf. kompensieren. Dabei kommt der<br />

Bedeutung der Angelegenheit für den Beschuldigten/Angeklagten<br />

ein erhebliches Gewicht zu. Das gilt vor allem, wenn es um<br />

die Verhängung einer Haftstrafe geht (vgl. dazu z.B. OLG Düsseldorf<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1, 57 = StRR 2<strong>01</strong>1, 119 und <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 54 =<br />

NStZ-RR 2<strong>01</strong>3, 63 = JurBüro 2<strong>01</strong>3, 80). Das ist darauf zurückzuführen,<br />

weil es bei der „Bedeutung der Angelegenheit“ i.S.d.<br />

§ 14 Abs. 1 RVG wesentlich um die Perspektive des Mandanten,<br />

nicht die seines RA geht. Dabei kommt es sowohl auf eine<br />

tatsächliche, als auch auf eine ideelle, gesellschaftliche, wirt-<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 15


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

schaftliche oder eine rechtliche Bedeutung gerade für den<br />

Betroffenen an (LG Essen, Beschl. v. 8.9.2<strong>01</strong>5 – 57 Qs 117/15).<br />

Und das gilt nicht nur – wie hier in Verkehrsstrafsachen –<br />

sondern in anderen Strafsachen ohne weiteres auch.<br />

2. Toleranzgrenze<br />

Hinsichtlich der zulässigen Abweichung von maximal 20 Prozent<br />

von der angemessenen Gebühr entspricht die Entscheidung i.Ü.<br />

der h.M. (vgl. dazu Burhoff, RVG, Teil A: Rahmengebühr [§ 14],<br />

Rn. 1620 m.w.N.).<br />

D. Burhoff<br />

Kompensation bei der Pauschgebühr<br />

§ 51 RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Auch bei einem auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkten<br />

Antrag auf Gewährung einer Pauschgebühr ist stets im<br />

Wege der Gesamtschau zu prüfen, ob die dem Verteidiger für<br />

seine Tätigkeit im gesamten Verfahren gewährte Regelvergütung<br />

insgesamt noch zumutbar ist oder ob ihm wegen<br />

besonderer Schwierigkeiten in einem Verfahrensabschnitt<br />

mit der dafür vorgesehenen Gebühr ein ungerechtfertigtes<br />

Sonderopfer abverlangt wird. Hierbei kann der erhöhte Arbeits-<br />

und Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt durch<br />

eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme in anderen<br />

Teilen kompensiert werden.<br />

KG, Beschl. v. 2.10.2<strong>01</strong>5 – 1 ARs 26/13<br />

I. Sachverhalt<br />

Die RAin war Pflichtverteidigerin des Angeklagte, der nach 68<br />

Hauptverhandlungstagen vom Vorwurf der Untreue freigesprochen<br />

worden war. Die RAin hatte an 56 Hauptverhandlungsterminen<br />

teilgenommen. Ihre gesetzlichen Gebühren dafür betragen<br />

20.114 €. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer betrug<br />

für die RAin zwei Stunden und 32 Minuten. Sie hat beantragt,<br />

ihr anstelle der 132 € betragenden Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG<br />

a.F.) eine Pauschgebühr i.H.v. min. 1.000 € sowie anstelle der<br />

264 € betragenden Verfahrensgebühr (Nr. 4118 VV RVG a.F.) eine<br />

Pauschgebühr i.H.v. mindestens 5.000 € zu bewilligen. Der Antrag<br />

hatte nur teilweise Erfolg.<br />

II. Zulässigkeit des Pauschgebührenantrags trotz Festsetzung<br />

der Wahlanwaltsgebühren<br />

Das KG hat die Frage, ob der Antrag der RAin überhaupt noch<br />

zulässig ist, offen gelassen. Zwar habe diese gem. § 52 Abs. 1 und<br />

Abs. 2 RVG bereits Wahlverteidigergebühren festsetzen lassen<br />

und insoweit von ihrem Bestimmungsrecht gem. § 14 RVG<br />

Gebrauch gemacht. Auf die Frage, ob in einem solchen Fall ein<br />

danach gestellter Antrag gem. § 51 RVG unzulässig ist (so OLG<br />

Karlsruhe <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 188 [Burhoff]), komme es hier aber<br />

nicht an. Denn die RAin habe lediglich die Terminsgebühren<br />

festsetzen lassen, so dass allenfalls für diesen Verfahrensabschnitt<br />

das Antragsrecht nach § 51 RVG „verbraucht“ sein könnte,<br />

nicht jedoch für die geltend gemachten Pauschgebühren<br />

betreffend die Verfahrensabschnitte „Grundgebühr“ und „Verfahrensgebühr“.<br />

III. Pauschgebühr nur in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühr<br />

Das KG hat der RAin anstelle der Grundgebühr eine Pauschgebühr<br />

von 300 € und anstelle der Verfahrensgebühr eine<br />

Pauschgebühr von 580 €, und damit jeweils in Höhe der<br />

Wahlanwaltshöchstgebühren nach Nr. 4100, 4118 VV RVG a.F.,<br />

bewilligt. Die gesetzlichen Gebühren seien zwar wegen des<br />

besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der von<br />

der RAin in diesen Verfahrensabschnitten geleisteten Arbeit nicht<br />

zumutbar. Darüber hinaus gehende Pauschvergütungen seien<br />

jedoch nicht gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtsprechung der<br />

Obergerichte (zuletzt u.a. OLG Nürnberg <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 181 =<br />

StRR 2<strong>01</strong>5, 157 = AGS 2<strong>01</strong>5, 173 = Rpfleger 2<strong>01</strong>5, 355; so auch KG<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 229) werde die Pauschgebühr grds. durch die<br />

Obergrenze der Wahlverteidigergebühren begrenzt wird. Zwar<br />

könnten die wahlanwaltliche Höchstgebühr ausnahmsweise<br />

überschritten werden (vgl. etwa KG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 229<br />

betreffend einen Zeugenbeistand). Ein solcher Ausnahmefall<br />

liege hier aber nicht vor.<br />

IV. Kompensation unter Berücksichtigung aller Verfahrensabschnitte<br />

In dem Zusammenhang verneint das KG, dass die Pauschgebühren<br />

in Höhe (nur) der Wahlanwaltshöchstgebühr hier in einem grob<br />

unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme der RAin stehen<br />

würden. Das richte sich nach einer Gesamtschau. Dabei sei auch<br />

bei einem auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkten Antrag<br />

stets im Wege der Gesamtschau zu prüfen, ob die dem Verteidiger<br />

für seine Tätigkeit im gesamten Verfahren gewährte Regelvergütung<br />

insgesamt noch zumutbar ist oder ob ihm wegen<br />

besonderer Schwierigkeiten in einem Verfahrensabschnitt mit der<br />

dafür vorgesehenen Gebühr ein ungerechtfertigtes Sonderopfer<br />

abverlangt werde. Hierbei könne der erhöhte Arbeits- und<br />

Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt durch eine unterdurchschnittliche<br />

Inanspruchnahme in anderen Teilen mit der Folge<br />

kompensiert werden, dass mit den im VV RVG bestimmten<br />

Gebühren in der Summe die erbrachte Tätigkeit des RA noch<br />

ausreichend bezahlt werde.<br />

An dieser Auffassung hält das KG hier ausdrücklich fest. Die<br />

Zulässigkeit einer Kompensation im Wege der Gesamtschau sei<br />

nicht „systemwidrig“ (so aber Burhoff StRR 2<strong>01</strong>2, 458, 459),<br />

sondern im Gegenteil systemkonform. Bereits nach dem früheren<br />

Recht (§ 99 BRAGO) habe dem gerichtlich bestellten RA für<br />

das ganze Verfahren „oder für einzelne Teile des Verfahrens“ auf<br />

Antrag eine Pauschvergütung bewilligt werden können. Auch in<br />

letzterem Fall war nach einhelliger Meinung auf eine Gesamtschau<br />

aller von dem RA erbrachten Tätigkeiten abzustellen.<br />

Werde der RA nämlich, wie es der Regelfall sei, für das ganze<br />

Verfahren bestellt und in Anspruch genommen, lasse sich die<br />

Frage, ob dem RA mit der gesetzlichen Vergütung ein Sonderopfer<br />

für besondere Erschwernisse in einzelnen Teilen des<br />

Verfahrens abverlangt würde, nur dann zuverlässig beurteilen,<br />

wenn man nicht nur diese einzelnen Verfahrensteile, sondern die<br />

gesamte Inanspruchnahme des RA in den Blick nehme.<br />

An diesem Grundgedanken habe sich nichts dadurch geändert,<br />

dass nunmehr nach dem RVG für das ganze Verfahren „oder für<br />

einzelne Verfahrensabschnitte“ auf Antrag eine Pauschgebühr zu<br />

bewilligen sei. Dies gilt umso mehr als der Gesetzgeber, was<br />

16 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (vgl. BVerfG NJW<br />

2007, 3420), die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1<br />

Satz 1 RVG von dem zusätzlichen Merkmal der Unzumutbarkeit<br />

abhängig gemacht habe, welches den Anwendungsbereich des<br />

§ 51 Abs. 1 RVG zugleich einschränken und den Ausnahmecharakter<br />

dieser Regelung zum Ausdruck bringen solle (vgl. BT-<br />

Drucks. 15/1971, S. 2<strong>01</strong>).<br />

Die Gesamtschau ergebe hier aber, dass der RAin kein unzumutbares<br />

Sonderopfer abverlangt werde, wenn die Pauschgebühren<br />

für die Verfahrensabschnitte „Grundgebühr“ und „Verfahrensgebühr“<br />

nicht höher festgesetzt werden, als es der Höchstvergütung<br />

eines Wahlanwalts entspräche. Die höhere Belastung<br />

in diesen Verfahrensabschnitten werde durch den deutlich unterdurchschnittlichen<br />

Zeitaufwand in den Hauptverhandlungsterminen<br />

so weit ausgeglichen, dass die Vergütung für ihre<br />

Inanspruchnahme nicht als unzumutbar bezeichnet werden<br />

könne.<br />

V. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung stößt mir sauer auf.<br />

1. Anwaltstätigkeiten nicht mitgeteilt<br />

Der (Einzelrichter-)Beschluss krankt schon daran, dass das KG es<br />

nicht für nötig hält, mehr Verfahrensumstände mitzuteilen, als<br />

nur die Zahl der 68 Hauptverhandlungstage, von denen die RAin<br />

an 56 Terminen mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei<br />

Stunden und 32 Minuten teilgenommen hat. Was darüber hinaus<br />

an Tätigkeiten von der Pflichtverteidigerin erbracht worden ist,<br />

erfährt man nicht. Auch bleibt im Dunklen, welchen Umfang die<br />

Akten hatten, in die sich die RAin hat einarbeiten müssen. All das<br />

sind aber Umstände, die für die Bewilligung einer Pauschgebühr<br />

von Bedeutung sind und die die Prüfung der Frage ermöglicht<br />

hätten, ob nicht ggf. schon danach, der Pauschgebührenantrag<br />

der Pflichtverteidigerin übersetzt war. Immerhin hatte sie mehr<br />

als das Dreifache der Wahlanwaltshöchstgebühr für die Grundgebühr<br />

Nr. 4100 VV RVG a.F. und mehr als das Achtfache der<br />

gerichtlichen Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG a.F. verlangt.<br />

Vielleicht wäre die Sache dann schon an der Stelle zu Ende und<br />

das KG hätte sich den misslungenen Ausflug in die Frage der<br />

Kompensation sparen können.<br />

2. Kompensation<br />

Aber das ist nicht der wesentliche Grund dafür, warum mir die<br />

Entscheidung des KG sauer aufstößt. Das ist vielmehr die<br />

Formulierung: „Die Zulässigkeit einer Kompensation im Wege der<br />

Gesamtschau ist nicht „systemwidrig“ (so aber Burhoff StRR 2<strong>01</strong>2,<br />

458, 459), sondern im Gegenteil systemkonform“, denn sie beinhaltet<br />

den Vorhalt, um nicht zu sagen „Vorwurf“, dass ich das System<br />

der RVG, respektive das der Pauschgebühr nach § 51 RVG, nicht<br />

verstanden habe. Mir sind in Zusammenhang mit dem RVG und<br />

dessen Umsetzung schon viele Vorhalte/Vorwürfe gemacht<br />

worden. Der aber noch nicht. Und er ist – und daran halte ich<br />

fest – unberechtigt und falsch.<br />

M.E. entscheidet vielmehr das KG „systemwidrig“. Ich darf den<br />

Blick des Einzelrichters – warum entscheidet eine solche Frage<br />

eigentlich nicht der Senat? – noch einmal zurücklenken auf die<br />

Gesetzesbegründung zu § 51 RVG. In der BT-Drucks. 15/1971,<br />

S. 2<strong>01</strong> heißt es zu der vom RVG ausdrücklich geschaffenen<br />

Möglichkeit, eine Pauschgebühr auch verfahrensabschnittsweise<br />

beantragen zu können, was bis dahin in der Rechtsprechung der<br />

OLG umstritten war:<br />

„Absatz 1 Satz 1 sieht vor, dass die Pauschgebühr entweder für das<br />

ganze Verfahren oder, wenn nur einzelne Verfahrensabschnitte<br />

besonders umfangreich oder schwierig gewesen sind, für diese<br />

einzelnen Verfahrensabschnitte gewährt wird … ..Wird nur für einen<br />

einzelnen Verfahrensabschnitt eine Pauschgebühr gewährt, sind nach<br />

Absatz 1 Satz 3 die Gebühren des Vergütungsverzeichnisses, an deren<br />

Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen“.<br />

Dieses Zusammenspiel zeigt m.E. mehr als deutlich, dass es bei<br />

der verfahrensabschnittsweisen Beantragung einer Pauschgebühr<br />

bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 51 RVG immer<br />

auch nur auf diesen Verfahrensabschnitt und die in ihm erbrachten<br />

Tätigkeiten ankommen kann. Alles andere führt dazu,<br />

dass „Birnen mit Äpfeln“ verglichen werden, bzw.: Man negiert<br />

(auch) den Willen des Pflichtverteidigers, der sich mit den<br />

gesetzlichen Gebühren für andere Verfahrensabschnitte zufrieden<br />

gibt und sie als zumutbar ansieht. Etwas anderes folgt auch nicht<br />

aus der vom KG in dem Zusammenhang bemühten Entscheidung<br />

des BVerfG NJW 2007, 3420. Denn deren Grundsätze sind bei<br />

einer verfahrensabschnittsweise beantragen Pauschgebühr auf<br />

den Verfahrensabschnitt zu beschränken, der auf dem Prüfstand<br />

stand. Alles andere wäre – um die Formulierung des KG<br />

aufzugreifen, nicht „systemkonform“, sondern „systemwidrig“.<br />

3. Dauer des Festsetzungsverfahrens<br />

Das KG hat offenbar über den Antrag der RAin erst nach gut zwei<br />

Jahren entschieden, was sich unschwer aus dem Aktenzeichen<br />

1 ARs 26/13 erkennen lässt. Warum es so lange gedauert hat,<br />

erschließt sich aus dem vorliegenden Beschluss nicht. Aber<br />

vielleicht hat das KG ja so lange gebraucht, um zu erkennen,<br />

was nach seiner Ansicht „systemkonform“ oder aber „systemwidrig“<br />

ist. M.E. ist das aber ganz einfach.<br />

D. Burhoff<br />

Mutwilligkeit der getrennten<br />

Rechtsverfolgung nicht im Festsetzungsverfahren<br />

zu prüfen<br />

§§ 48, 55, 56 RVG; § 114 Abs. 2 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht<br />

festgestellt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht<br />

mutwillig ist und somit nicht gegen die Pflicht zur kostensparenden<br />

Rechtsverfolgung verstößt. Im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

nach § 55 RVG kann daher nicht (noch<br />

einmal) geprüft werden, ob die Rechtsverfolgung nicht<br />

kostengünstiger in einer Klage (ggf. im Wege der Klageerweiterung)<br />

statt in mehreren Klagen hätte erfolgen müssen.<br />

LAG Nürnberg, Beschl. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – 2 Ta 118/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob gegen die Beklagte<br />

vor dem ArbG Nürnberg mit Schriftsätzen vom 22.1.2<strong>01</strong>4 für<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 17


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

insgesamt 13 Arbeitnehmer jeweils getrennte Lohnklagen für die<br />

Monate August und September 2<strong>01</strong>3 nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz.<br />

Insgesamt hat die RAin Löhne i.H.v. 62.603,30 €<br />

brutto geltend gemacht, davon im vorliegenden Verfahren<br />

4.877,20 € brutto. Bei Einreichung der Klagen regte die Prozessbevollmächtigte<br />

an, die Klagen einheitlich einer Kammer vorzulegen,<br />

da die Sachverhalte und die Beklagtenseite identisch<br />

seien. Die Verfahren wurden jedoch entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan<br />

auf unterschiedliche Kammern verteilt und auch<br />

später nicht verbunden.<br />

Die RAin wurde den jeweiligen Klägern in allen dreizehn Verfahren<br />

im Wege der PKH beigeordnet. Die Verfahren endeten durch<br />

gerichtlich festgestellten Vergleich. Nach Abschluss der Verfahren<br />

machte die RAin jeweils ihre Vergütung geltend und erhielt<br />

insgesamt 13.276,27 € ausgezahlt, im vorliegenden Verfahren einen<br />

Betrag von 1.094,21 €. Gegen diese Festsetzungen legte der<br />

Bezirksrevisor Erinnerung mit der Begründung ein, der RAin<br />

stünde nur die Vergütung zu, die entstanden wäre, wenn sie alle<br />

Ansprüche der 13 Klagen zumindest in einer, höchstens in zwei<br />

Klagen geltend gemacht hätte. Dann ergebe sich ein Vergütungsbetrag<br />

i.H.v. nur 1.885,56 €, so dass der überzahlte Betrag von<br />

11.390,71 € zurückzufordern sei.<br />

Die RAin hat geltend gemacht, die Einzelsachverhalte seien so<br />

unterschiedlich gewesen, dass die Verfolgung der Ansprüche in einer<br />

einzigen Klage nicht sachdienlich gewesen wäre. Außerdem hätten<br />

verschiedene Kläger unterschiedliche Vergleichsbereitschaft gezeigt.<br />

Ferner wären bei Geltendmachung in einer Klage die jeweils anderen<br />

Kläger nicht mehr als Zeugen, sondern lediglich als Partei zu<br />

vernehmen gewesen. Letztlich hat die RAin darauf verwiesen, dem<br />

ArbG sei bekannt bekannt gewesen, dass weitere zwölf ähnlich<br />

gelagerte Verfahren anhängig seien. Gleichwohl habe das Gericht für<br />

jedes Verfahren getrennt PKH bewilligt und sie beigeordnet.<br />

Das ArbG Nürnberg hat die Erinnerung des Bezirksrevisors<br />

zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors<br />

hatte beim LAG keinen Erfolg.<br />

II. Keine Prüfung im Festsetzungsverfahren<br />

1. Meinungsstand<br />

Ob das Vorliegen eines (tatsächlichen oder vermeintlichen)<br />

Verstoßes der Partei bzw. des ihr im Rahmen der PKH beigeordneten<br />

RA gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung<br />

im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu prüfen ist,<br />

ist in der Rechtsprechung umstritten:<br />

• Nach einer Auffassung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle<br />

(UdG) diese Frage im Festsetzungsverfahren zu prüfen<br />

und ggf. zu berücksichtigen (LAG München, Beschl. v. 23.7.2<strong>01</strong>2<br />

– 10 Ta 284/11; OLG Hamm JurBüro 2009, 98).<br />

• Nach der Gegenauffassung ist im Festsetzungsverfahren eine<br />

solche Prüfung nicht vorzunehmen (Hess. LAG <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2,<br />

100 [Hansens] = zfs 2<strong>01</strong>2, 166 mit Anm. Hansens unter Aufgabe<br />

von <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 36 [ders.] = NJW 2<strong>01</strong>1, 3260; BAG<br />

<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1, 275 [ders.] = NJW 2<strong>01</strong>1, 1161; LAG Sachsen-<br />

Anhalt, Beschl. v. 28.12.2<strong>01</strong>0 – 2 Ta 172/10).<br />

2. Auffassung des LAG Nürnberg<br />

Das LAG Nürnberg hat sich der letztgenannten Auffassung<br />

angeschlossen. Spätestens seit dem Inkrafttreten des § 114 Abs. 2<br />

ZPO am 1.1.2<strong>01</strong>4 sei nämlich kein Raum mehr für eine Prüfung<br />

durch den UdG, ob die Rechtsverfolgung kostengünstiger in einem<br />

statt in mehreren Verfahren hätte erfolgen müssen. Eine derartige<br />

Überprüfung müsse nämlich bereits im Verfahren über die<br />

Bewilligung von PKH und über die anwaltliche Beiordnung<br />

vorgenommen werden, da dies Teil der Prüfung der Mutwilligkeit<br />

der Rechtsverfolgung sei (BAG a.a.O.; BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>4, 81<br />

[Hansens] = zfs 2<strong>01</strong>4, 106 mit Anm. Hansens).<br />

a) Gesetzeswortlaut<br />

Für seine Auffassung hat sich das LAG Nürnberg auch auf den<br />

Wortlaut des § 114 Abs. 1 ZPO gestützt, nach dem die beabsichtigte<br />

Rechtsverfolgung nicht mutwillig sein darf. Hieraus werde<br />

deutlich, dass schon vor oder jedenfalls kurze Zeit nach dem<br />

Beginn der Rechtsverfolgung und nicht erst nach Beendigung des<br />

Verfahrens feststehen soll, ob und ggf. in welchem Umfang PKH<br />

bewilligt wird.<br />

b) Keine Korrektur der richterlichen Entscheidung<br />

durch den UdG<br />

Wenn das Prozessgericht bereits im PKH-Verfahren über die Frage<br />

der kostensparenden Rechtsverfolgung entschieden habe, steht<br />

nach den weiteren Ausführungen des LAG mit bindender Wirkung<br />

für das Festsetzungsverfahren fest, dass die Klageerhebung, so wie<br />

sie erfolgt oder beabsichtigt ist, nicht gegen die Verpflichtung zur<br />

kostensparenden Rechtsverfolgung verstößt. Anderenfalls könne<br />

nämlich der UdG über die Festsetzung der Anwaltsvergütung die<br />

vom Richter getroffene Entscheidung korrigieren.<br />

c) Grundsätze der Kostenerstattung nicht übertragbar<br />

Die Rechtsprechung des BGH (<strong>RVGreport</strong> 2007, 309 [Hansens] =<br />

AGS 2007, 541), nach der im Kostenfestsetzungsverfahren zu<br />

prüfen und zu berücksichtigen ist, wenn die erstattungsberechtigte<br />

Partei gegen ihre Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung<br />

niedrig zu halten, verstoßen hat, ist nach Auffassung des<br />

LAG Nürnberg auf das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG<br />

nicht übertragbar. Die Kostenfestsetzung nach § 103 ff. ZPO setze<br />

eine Kostengrundentscheidung voraus, während eine solche im<br />

Verfahren nach § 55 RVG nicht erforderlich sei. Dort sei aber vor<br />

der Bewilligung der PKH die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung<br />

bereits geprüft worden. Folglich bestehe in Verfahren nach § 55<br />

RVG im Gegensatz zum Kostenfestsetzungsverfahren nach den<br />

§§ 103 ff. ZPO keine Notwendigkeit für eine Prüfung, ob gegen<br />

den Grundsatz der kostensparenden Rechtsverfolgung durch<br />

getrennte Klageerhebung verstoßen wurde.<br />

d) Bindung des UdG an PKH-Bewilligung<br />

Die Staatskasse könne zwar im Festsetzungsverfahren nach § 55<br />

RVG alle Einwendungen der Partei gegen den Vergütungsanspruch<br />

geltend machen und damit auch Schadensersatzansprüche<br />

gegen den RA wegen mangelnder Aufklärung über<br />

die kostengünstigste Rechtsverfolgung dem Vergütungsanspruch<br />

des RA entgegenhalten (s. OLG Koblenz NJW-RR 2<strong>01</strong>5, 388). Dies<br />

gilt nach Auffassung des LAG Nürnberg jedoch nicht für solche<br />

Einwendungen, über die das Prozessgericht bereits im Rahmen<br />

der Bewilligung von PKH entschieden habe. Da hier das ArbG<br />

Nürnberg nicht von der Mutwilligkeit der gesonderten Klageerhebung<br />

ausgegangen sei, sondern für jedes einzelne Verfahren<br />

PKH bewilligt und die RAin beigeordnet habe, seien sowohl der<br />

UdG als auch die über die Erinnerung und Beschwerde entscheidenden<br />

Richter hieran gebunden.<br />

18 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

III. Kein Verstoß gegen den Grundsatz der kostensparenden<br />

Prozessführung<br />

Abschließend hat das LAG Nürnberg die Auffassung vertreten,<br />

vorliegend liege infolge der getrennten Verfahrensführung kein<br />

Verstoß gegen den Grundsatz der kostensparenden Prozessführung<br />

vor. Zwar habe die RAin hier für insgesamt 13 Kläger<br />

gleichzeitig mit weitgehend identischer Klagebegründung aus<br />

dem weitgehend identischen Lebenssachverhalt gegen dieselbe<br />

Beklagte getrennte Klagen erhoben.<br />

Jedoch habe die RAin sachliche Gründe dargetan, die die getrennte<br />

Prozessführung plausibel erklärten. So hatte die RAin geltend<br />

gemacht, eine gemeinsame Besprechung mit den einzelnen Klägern<br />

habe aus tatsächlichen Gründen nicht stattfinden können, da diese<br />

zu verschiedenen Einsatzzeiten gearbeitet hätten. Die Kläger hätten<br />

auch unterschiedliche Klageziele verfolgt und seien auch nur<br />

zum Teil und in unterschiedlicher Höhe vergleichsbereit gewesen.<br />

Da für die gearbeiteten Stunden keine unterzeichneten Stundenzettel<br />

oder Lohnabrechnungen vorgelegen hätten, sei der Nachweis<br />

nur durch die gegenseitige Zeugenvernehmung möglich gewesen,<br />

was bei einer einzigen Klage für alle 13 Mandanten nicht in<br />

Betracht gekommen wäre. Diesem Argument der RAin hat das LAG<br />

allerdings entgegengehalten, auch einfache Streitgenossen eines<br />

gemeinsamen Rechtsstreits könnten als Zeugen vernommen<br />

werden, wenn sie als Partei nicht selbst betroffen seien. Allerdings<br />

hätte dies im Einzelfall zu einer schwierigen Abgrenzung geführt,<br />

die auch zu erheblichen Verfahrensverzögerungen hätte führen<br />

können. Deshalb sei es nicht rechtsmissbräuchlich bzw. nicht<br />

mutwillig, den hinsichtlich der gegenseitigen Zeugenstellung sicheren<br />

Weg der getrennten Klageerhebung zu gehen.<br />

Schließlich hat das LAG darauf verwiesen, eine gemeinsame Klage<br />

hätte zur Überfrachtung des Verfahrens wegen der Zahl der<br />

Kläger, aber auch aufgrund der möglichen Interessenlage geführt.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Die hier auch vom LAG Nürnberg hier vertretene Auffassung setzt<br />

sich in der Rechtsprechung immer mehr durch. Bezeichnender<br />

Weise scheint diese Problematik – was die Rechtsprechung der<br />

Obergerichte angeht – nur die Arbeitsgerichtsbarkeit zu befassen.<br />

In dem Fall des LAG München (a.a.O.) ging es immerhin um rund<br />

40 Verfahren gegen dieselben beiden Beklagten.<br />

Der im Wege der PKH beigeordnete Prozessbevollmächtigte in<br />

vergleichbarer Lage sollte deshalb bereits in seinem Festsetzungsantrag<br />

unter Hinweis auf die Rechtsprechung geltend machen, die<br />

Frage der Mutwilligkeit der getrennten Klageerhebung sei im<br />

Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht zu prüfen.<br />

H. Hansens<br />

Anfall der Verfahrensgebühr im<br />

Rechtsmittelverfahren<br />

§ 19 Abs. 1 Satz 2 RVG; Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Dem Prozessbevollmächtigten entsteht die Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG, wenn er im Rahmen der<br />

Erfüllung seines Prozessauftrags im Rechtsmittelverfahren<br />

tätig geworden ist und dies über die in § 19 Abs. 1 Satz 2 RVG<br />

genannten Neben- und Abwicklungstätigkeiten hinausgeht.<br />

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.7.2<strong>01</strong>5 – OVG 3 K 56/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der RA hatte seinen Mandanten zunächst im erstinstanzlichen<br />

Verfahren vor dem VG Frankfurt/O. vertreten. Von dem VG erhielt<br />

der RA die Mitteilung, die Akten seien im Hinblick auf eine<br />

erhobene Beschwerde dem OVG Berlin-Brandenburg vorgelegt<br />

worden. Diese – nicht begründete und entgegen § 67 Abs. 4<br />

VwGO von der Partei persönlich verfasste – Beschwerdeschrift lag<br />

dem RA seinerzeit nicht vor. Der RA hat gegen seinen Auftraggeber<br />

im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG für die<br />

Tätigkeit im Beschwerdeverfahren eine 1,1 Verfahrensgebühr nach<br />

Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG geltend gemacht. Den Ansatz dieser<br />

Gebühr hat der RA damit begründet, sein Mandant habe nach der<br />

Mitteilung von der Aktenversendung seinen anwaltlichen Rat in<br />

Anspruch genommen.<br />

Die UdG hat die Festsetzung der Verfahrensgebühr abgelehnt. Der<br />

hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte<br />

beim VG Frankfurt/O. keinen Erfolg. Die dagegen von dem RA<br />

erhobene Beschwerde hat das OVG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.<br />

II. Anfall der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren<br />

Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr für<br />

das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Ob<br />

eine anwaltliche Tätigkeit noch durch die in der ersten Instanz<br />

verdiente Verfahrensgebühr abgegolten wird oder ob sie bereits<br />

die Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren auslöst,<br />

richtet sich u.a. nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG. Dort sind<br />

diejenigen Tätigkeiten aufgeführt, die (noch) zum Rechtszug<br />

(der ersten) Instanz gehören. Hierunter fallen etwa die Zustellung<br />

oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften<br />

und ihre Mitteilung an den Auftraggeber.<br />

III. Beratung des Mandanten<br />

Nach den Ausführungen des OVG Berlin-Brandenburg stellt es<br />

keine Neben- oder Abwicklungstätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 9 RVG mehr dar, wenn der RA den begründeten Rechtsmittelschriftsatz<br />

entgegennimmt, diesen mit seinem Mandanten<br />

bespricht oder intern prüft, ob sich der Mandant gegen das<br />

eingelegte Rechtsmittel wehren soll. Hierfür hat sich das OVG auf<br />

die Entscheidung des BGH (<strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 58 [Hansens] = AGS<br />

2<strong>01</strong>3, 7 = zfs 2<strong>01</strong>3,103 mit Anm. Hansens) berufen. Diese BGH-<br />

Entscheidung betraf eine lediglich zur Fristwahrung eingelegte<br />

Berufung ohne Begründung. Eine solche Tätigkeit hatte hier der<br />

RA nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg jedoch nicht<br />

entfaltet. Das OVG hat darauf hingewiesen, dass zu dem Zeitpunkt,<br />

zu dem die Beratung stattgefunden habe, dem Beschwerdeführer<br />

die ohnehin nicht begründete und auch nicht von einem<br />

RA verfasste Beschwerdeschrift noch gar nicht vorlag. Deshalb<br />

könne es sich nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit<br />

dem eingelegten Rechtsmittel gehandelt haben. Somit gehöre<br />

diese Tätigkeit noch zum ersten Rechtszug.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Ich habe Bedenken, ob die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg<br />

richtig ist, weil das Gericht gebührenrechtliche Fragen mit<br />

erstattungsrechtlichen Problemen vermischt.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 19


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

1. Auftrag für das Rechtsmittelverfahren<br />

Voraussetzung für den Anfall einer Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren<br />

ist zunächst einmal ein entsprechender Auftrag.<br />

Davon ist das OVG offensichtlich ausgegangen, da es sonst auf<br />

eine von dem RA auftragslos entfaltete Tätigkeit nicht angekommen<br />

wäre.<br />

2. Tätigkeit im Rechtsmittelverfahren<br />

Um die Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren auszulösen,<br />

genügt – wie sich aus Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG ergibt – das<br />

Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Dabei ist<br />

es noch nicht einmal erforderlich, dass der Gegner das erwartete<br />

Rechtsmittel schon eingelegt hat. Von den hierunter fallenden<br />

Anwaltstätigkeiten hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9<br />

RVG nur einige Neben- und Abwicklungstätigkeiten ausgenommen,<br />

die er als zum (ersten) Rechtszug gehörig ansieht. Hierunter<br />

fallen etwa<br />

• die Empfangnahme von Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung<br />

an den Auftraggeber (BAG <strong>RVGreport</strong> 2008, 229<br />

[Hansens] = JurBüro 2008, 606);<br />

• die Weiterleitung der Bitte des Rechtsmittelführers, die<br />

Gegenseite möge noch keinen Prozessbevollmächtigten bestellen<br />

(s. KG JurBüro 1979, 388; Hansens NJW 1992, 1148).<br />

Derartige zum ersten Rechtszug gehörige Abwicklungstätigkeiten<br />

hat der RA hier nicht entfaltet.<br />

Da es für den Anfall der zweitinstanzlichen Verfahrensgebühr<br />

eines nach außen hin erkennbaren Tätigwerdens des RA nicht<br />

bedarf (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2005, 275 [Hansens] = AGS 2005, 413),<br />

können auch Tätigkeiten des RA die Verfahrensgebühr auslösen,<br />

die intern bleiben. Dazu genügt – wie sich schon aus Vorbem. 3<br />

Abs. 2 VV RVG ergibt – das Betreiben des Geschäfts einschließlich<br />

der Information (OLG Naumburg JurBüro 2<strong>01</strong>2, 312). Dazu reicht<br />

es aus, wenn der RA Informationen entgegennimmt oder er mit<br />

seinem Mandanten bespricht, wie er auf das von der Gegenseite<br />

eingelegte Rechtsmittel reagieren soll. Sogar die interne Prüfung<br />

des RA, ob sich der Mandant gegen das eingelegte Rechtsmittel<br />

wehren soll, lässt die Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz<br />

entstehen (BGH <strong>RVGreport</strong> 2008, 66 [Hansens] = AGS<br />

2008, 155). Somit genügt bereits die Prüfung der Rechtsmittelschrift<br />

daraufhin, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen ist.<br />

Diese Prüfung muss allerdings Fragen betreffen, die sich auf das<br />

Rechtsmittelverfahren beziehen.<br />

3. Auswirkungen auf diesen Fall<br />

In Anwendung dieser Grundsätze kann hier dem RA die geltend<br />

gemachte 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG<br />

durchaus angefallen sein. Hier lag dem RA zwar nicht die<br />

Rechtsmittelschrift vor, die i.Ü. – was er zu jenem Zeitpunkt<br />

noch nicht wusste – weder begründet noch durch einen RA<br />

verfasst war. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass der Mandant<br />

dem RA nach Erhalt der Mitteilung des VG, die Akten seien im<br />

Hinblick auf eine Beschwerde dem OVG Berlin-Brandenburg<br />

vorgelegt worden sind, einen Prozessauftrag für die Beschwerdeinstanz<br />

erteilt hat und ihn um anwaltlichen Rat<br />

gebeten hat, was im Hinblick auf diese Mitteilung zu veranlassen<br />

sei. Dieser Rat konnte zu jenem Zeitpunkt lediglich zum Inhalt<br />

haben, derzeit sei noch nichts zu veranlassen, erst nach Kenntnis<br />

von der Rechtsmittelbegründung könne man sehen, wogegen<br />

sich der Beschwerdeführer wende, danach richte sich die Rechtsverteidigung<br />

in der Beschwerdeinstanz. Dies genügt m.E.<br />

bereits, die 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 32<strong>01</strong> VV RVG<br />

auszulösen.<br />

Ich kann somit der Auffassung des OVG nicht folgen, die Beratung<br />

habe noch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit<br />

dem eingelegten Rechtsmittel betreffen können. Denn dies ist<br />

für den Anfall der Verfahrensgebühr gerade nicht erforderlich.<br />

Es genügt, wenn der mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren<br />

beauftragte RA den Mandanten, der um entsprechenden<br />

Rat bittet, auf den weiteren Verfahrensgang hinweist und<br />

ihn darüber belehrt, dass derzeit eine eigene Tätigkeit im<br />

Rechtsmittelverfahren noch nicht erforderlich sei. Der Mandant<br />

hat es ja in der Hand, ob er seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten<br />

auch mit der weiteren Vertretung im Rechtsmittelverfahren<br />

beauftragt. Denn auch im anwaltlichen Gebührenrecht<br />

gilt die schöne Phrase: „Wer die Musik bestellt, muss sie<br />

auch bezahlen.“<br />

4. Notwendigkeit nicht entscheidend<br />

Ob eine solche Beratung im Rahmen des Rechtsmittelauftrags<br />

notwendig war, was hier wohl wegen der fehlenden Begründung<br />

und der erkennbar unzulässigen Beschwerde wohl zu verneinen<br />

ist (s. den Fall des BAG <strong>RVGreport</strong> 2008, 229 [Hansens] = JurBüro<br />

2008, 319), ist eine andere Frage. Sie stellte sich hier jedoch nicht,<br />

weil es hier nicht um Kostenerstattung ging, sondern um den<br />

Vergütungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten gegen<br />

den eigenen Auftraggeber, was dem OVG Berlin-Brandenburg<br />

wohl aus dem Blickfeld geraten war.<br />

H. Hansens<br />

Umfang der Pflichtverteidigerbestellung<br />

und zusätzliche<br />

Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4141 VV RVG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Zum Entstehen und zur Erstattung der zusätzlichen Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren.<br />

AG Tiergarten, Beschl. v. 1.9.2<strong>01</strong>5 – (271 Cs) 234 Js 217/13 (167/13)<br />

I. Sachverhalt<br />

Gegen den ehemaligen Beschuldigten war ein Strafverfahren<br />

wegen Vortäuschung einer Straftat anhängig. In dem wurde ihm<br />

der RA vor Erlass eines Strafbefehls nach § 408b StPO für das<br />

Strafbefehlsverfahren beigeordnet; die Festsetzung einer Freiheitsstrafe<br />

mit Strafaussetzung zur Bewährung war beantragt.<br />

Der RA hat die ehemalige Beschuldigte umfassend beraten. Es<br />

wurde ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />

gestellt, dem das AG nachgegangen ist. Der Sachverständige<br />

kam zu dem Ergebnis, dass die Beschuldigte zum<br />

Tatzeitpunkt vollständig schuldunfähig ist. Die Staatsanwaltschaft<br />

bestand aber dennoch auf den Erlass des Strafbefehls und<br />

auf Durchführung einer Hauptverhandlung. Der RA hat dann im<br />

20 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

Gespräch mit dem Amtsrichter erreicht, dass das Verfahren nach<br />

§ 153a StPO eingestellt worden ist. Eine Hauptverhandlung hätte<br />

die Mandantin um Jahre in ihrer Therapie zurück geworfen.<br />

Im Festsetzungsverfahren hat er (auch) die zusätzliche Gebühr<br />

Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der<br />

Geschäftsstelle (UdG) hat diese nicht festgesetzt und das damit<br />

begründet, dass zwar eine Mitwirkung des Verteidigers an der<br />

Einstellung des Verfahrens ersichtlich sei, jedoch werde seine<br />

Tätigkeit nicht von dem Umfang der Beiordnung erfasst. Die<br />

Beiordnung sei gem. § 408b StPO lediglich für das Strafbefehlsverfahren<br />

erfolgt. Das Strafverfahren ermögliche die Verurteilung<br />

zu einer Freiheitsstrafe (zur Bewährung) im summarischen<br />

Verfahren nach Aktenlage ohne dem Erfordernis einer Hauptverhandlung.<br />

Die Bestellung nach § 408b StPO beziehe sich nur<br />

auf das Strafbefehlsverfahren und gelte nicht für die Hauptverhandlung.<br />

Somit könne die Mitwirkung an der Beendigung des<br />

Verfahrens nicht mehr von der Beiordnung erfasst sein, da dies<br />

dem Sinn der Beiordnung widerspreche. Die dagegen gerichtete<br />

Erinnerung des Verteidigers hatte beim AG Erfolg.<br />

II. Bestellung umfasst zusätzliche Verfahrensgebühr<br />

Unstrittig war, dass der Verteidiger durch seine Gespräche mit der<br />

Beschuldigten (und dem AG) dazu beigetragen hat, dass das<br />

Verfahren gem. § 153a StPO beendet worden konnte. Insoweit<br />

sind UdG und Richter einer Meinung.<br />

Der Argumentation des UdG, diese Tätigkeit sei von der nur<br />

beschränkten Beiordnung nicht erfasst, hat sich das AG dann aber<br />

nicht angeschlossen. Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV<br />

RVG setze eine „anwaltliche Mitwirkung“ daran, dass die „Hauptverhandlung<br />

entbehrlich“ wird, voraus. Warum dies nicht schon im<br />

Strafbefehlsverfahren möglich sein solle, sei nicht erkennbar. Wäre<br />

es nicht zu einer Einstellung gekommen, hätte das Gericht den<br />

Strafbefehl voraussichtlich erlassen oder es hätte direkt eine<br />

Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 StPO). Nach etwaigem<br />

Erlass des Strafbefehls hätte es allein an der Angeschuldigten<br />

und dem Verteidiger gelegen, ob ein Einspruch eingelegt und so<br />

eine Hauptverhandlung herbeigeführt wird. All dies sei durch die<br />

frühzeitige Verfahrenseinstellung unter Mitwirkung des Verteidigers<br />

verhindert worden. Dass sich die Beiordnung nach § 408b<br />

StPO nur auf das Strafbefehlsverfahren und nicht auf eine<br />

Hauptverhandlung erstrecke, ändere nichts an dem Gebührenanspruch.<br />

Dieser knüpft denklogisch nicht an eine Hauptverhandlung<br />

an. Dazu sei es ja auch gerade nicht gekommen. Und eine<br />

Tätigkeit im Rahmen einer Hauptverhandlung – die ihm nicht<br />

erstattet werden könnte – werde vom Verteidiger auch nicht<br />

geltend gemacht.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung des AG ist zutreffend.<br />

1. Umfang der Bestellung<br />

Der UdG hatte aus dem in Rechtsprechung und Literatur bestehenden<br />

Streit in der Frage nach der Reichweite der Bestellung des<br />

Pflichtverteidigers (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche<br />

Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2<strong>01</strong>5, Rn. 3460 m.w.N.) den<br />

falschen Schluss gezogen. Gestritten wird nämlich (nur) darum, ob<br />

sich die Bestellung auch auf die Hauptverhandlung erstreckt, oder<br />

nicht, was z.T. von den OLG bejaht wird (vgl. u.a. OLG Düsseldorf<br />

StraFo 2008, 441; OLG Celle <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 4<strong>01</strong> = StRR 2<strong>01</strong>1, 361;<br />

OLG Köln StV 2<strong>01</strong>0, 68 = StRR 2<strong>01</strong>0, 68).<br />

2. Tätigkeit im Strafbefehlsverfahren<br />

Aber auf diese Frage kam es hier, wie das AG zutreffend ausgeführt<br />

hat, gar nicht an. Denn es ging nicht um Tätigkeiten in<br />

Zusammenhang mit einer Hauptverhandlung, sondern um die<br />

Frage, ob der von der StA beantragte Strafbefehl überhaupt<br />

erlassen werden kann/soll, ggf. eine Hauptverhandlung durchzuführen<br />

ist und/oder, ob nicht das Verfahren, was dann auch<br />

geschehen ist, ggf. eingestellt werden kann. Das sind aber<br />

Tätigkeiten des RA im eigentlichen „Strafbefehlsverfahren“, in<br />

dem der RA aber – so sieht es der UdG ebenfalls – bestellt war.<br />

3. Anfall der zusätzlichen Gebühr<br />

Wenn seine Tätigkeit in diesem Verfahrensstadium dazu führt,<br />

dass eine Hauptverhandlung entbehrlich ist/wird, entsteht dafür<br />

die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG. Das entspricht dem<br />

ursprünglichen Sinn und Zweck dieser Gebühr, die den Einsatz des<br />

RA an dieser Stelle honorieren und den dadurch entstehenden<br />

Ausfall durch Wegfall der Terminsgebühr ausgleichen will. Dass<br />

diese Tätigkeit Auswirkungen auf den Ausgang eines Verfahrensabschnitts<br />

– gerichtliches Verfahren – hat, für den der RA<br />

möglicherweise nicht bestellt ist bzw. auf den sich die Bestellung<br />

möglicherweise nicht erstreckt (s.o.), ist für das Entstehen der<br />

Gebühr und die Erstattungsfähigkeit unerheblich. Der RA ist in<br />

diesem Verfahrensstadium tätig geworden, ein Strafbefehl ist<br />

nicht erlassen und dadurch ist eine Hauptverhandlung entbehrlich<br />

geworden. Für dieses Verfahrensstadium war er aber Pflichtverteidiger<br />

und hat daher einen Anspruch auch auf die zusätzliche<br />

Gebühr Nr. 4141 VV RVG.<br />

D. Burhoff<br />

Zusätzliche Verfahrensgebühr im<br />

Bußgeldverfahren<br />

Nr. 5115 VV RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Der Antrag, das Verfahren an die Bußgeldstelle wegen<br />

offensichtlich ungenügender Aufklärung bezüglich der Fahreridentität<br />

zurückzuverweisen, ist eine für den Anfall der<br />

zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG erforderliche<br />

Mitwirkung des Anwalts an der späteren Einstellung<br />

des Verfahrens durch die Bußgeldstelle.<br />

AG Stadtroda, Beschl. v. 12.11.2<strong>01</strong>5 – 8 OWi 23/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der RA hat den Betroffenen in einem straßenverkehrsrechtlichen<br />

Bußgeldverfahren wegen eines Abstandsverstoßes (§ 4 StVO)<br />

vertreten. Der Verteidiger hat gegen den Bußgeldbescheid der<br />

Zentralen Bußgeldstelle der Thüringer Polizei Einspruch eingelegt,<br />

diesen begründet und beantragt, das Verfahren wegen offensichtlich<br />

ungenügender Sachverhaltsaufklärung unter Einholung der<br />

Zustimmung der Staatsanwaltschaft (StA) an die Verwaltungsbehörde<br />

zurückzuverweisen. Der Sachverhalt sei insb. wegen der<br />

schlechten Qualität des Lichtbildes ungenügend aufgeklärt. Die<br />

StA hat dem Antrag zugestimmt. Das AG hat einen bereits<br />

anberaumten Termin zur Hauptverhandlung aufgehoben und die<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 21


Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Sache wegen offensichtlich ungenügender Aufklärung an die<br />

Zentrale Bußgeldstelle zurückverwiesen. Diese hat dann den<br />

Bußgeldbescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt sowie<br />

die Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.<br />

Der Verteidiger hat die Festsetzung auch einer zusätzlichen<br />

Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG beantragt. Die Thüringer<br />

Polizei hat dies als unbillig zurückgewiesen, weil die Gebühr zur<br />

Vermeidung der Hauptverhandlung nicht entstanden sei. Eine<br />

entsprechende Förderung des Verfahrens durch anwaltliche<br />

Tätigkeit sei nicht erfolgt. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />

des Verteidigers/Betroffenen hatte Erfolg.<br />

II. Anwaltliche Mitwirkung bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr<br />

Die zusätzliche Verfahrensgebühr entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 der<br />

Anm. zu Nr. 5115 VV RVG, wenn das Bußgeldverfahren vor der<br />

Verwaltungsbehörde durch die anwaltliche Mitwirkung endgültig<br />

eingestellt wird.<br />

Nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5115 VV RVG entsteht die Gebühr<br />

nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete<br />

Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Das AG wertet den Antrag, das<br />

Verfahren an die Bußgeldstelle wegen offensichtlich ungenügender<br />

Aufklärung bezüglich der Fahreridentität zurückzuverweisen,<br />

als eine für den Anfall der Erledigungsgebühr erforderliche<br />

Mitwirkung des RA an der Einstellung des Verfahrens durch<br />

die Bußgeldstelle. Mitwirkung müsse in einem weiten Sinn<br />

verstanden werden. Mit der Bestimmung sollen Tätigkeiten des<br />

Verteidigers honoriert werden, die zu einer Vermeidung einer<br />

Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der<br />

Hauptverhandlungsgebühr führten. Mitwirkung bedeute, dass<br />

der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung<br />

des Verfahrens zumindest gefördert haben müsse. Es genüge<br />

hierfür jede Tätigkeit, die zur Förderung der Verfahrenserledigung<br />

geeignet ist. Eine besondere, nicht nur unwesentliche und<br />

gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit<br />

sei nicht erforderlich. Die Bußgeldbehörde habe danach gewusst,<br />

dass sie einen Bußgeldbescheid nur gegenüber dem Betroffenen<br />

erlassen konnte, wenn klar war, dass die Beweismittel für eine<br />

Ahndung ausreichen. Komme sie dann zu dem Ergebnis, dass die<br />

übrigen Beweismittel nicht ausreichen und stelle sie deshalb das<br />

Verfahren ein, habe die Tätigkeit des Verteidigers diese Art der<br />

Verfahrenserledigung objektiv gefördert.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung ist zutreffend. Allerdings kommt es m.E. nicht<br />

darauf an, „dass die Bußgeldbehörde gewusst hat, dass sie einen<br />

Bußgeldbescheid nur gegenüber dem Betroffenen erlassen konnte, wenn<br />

klar war, dass die Beweismittel für eine Ahndung ausreichen“. Denn das<br />

ist/sollte immer der Fall sein. Zutreffend ist es allerdings, wenn<br />

das AG darauf abstellt, dass für den Anfall der Gebühr nach<br />

Nr. 5115 VV RVG lediglich eine Tätigkeit des Verteidigers, welche<br />

die Verfahrenserledigung fördert, erforderlich ist. Eine besondere,<br />

nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche<br />

Erledigung gerichtete Tätigkeit ist dabei nicht erforderlich (LG<br />

Oldenburg <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 320 = VRR 2<strong>01</strong>3, 316 = zfs 2<strong>01</strong>3, 467 =<br />

AGS 2<strong>01</strong>3, 408; LG Potsdam <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 275 = AGS 2<strong>01</strong>3, 280 =<br />

VRR 2<strong>01</strong>3, 317). Für Mitwirkung reicht jede zur Förderung der<br />

Einstellung geeignete Tätigkeit aus (BGH <strong>RVGreport</strong> 2008, 431<br />

= VRR 2008, 438 = zfs 2008, 709; OLG Stuttgart <strong>RVGreport</strong><br />

2<strong>01</strong>0, 263 = VRR 2<strong>01</strong>0, 320; LG Hamburg DAR 2008, 611 =<br />

AGS 2008, 597; LG Köln AGS 2007, 351; LG Oldenburg, a.a.O.;<br />

LG Stralsund <strong>RVGreport</strong> 2005, 272 = AGS 2005, 442). Und daher<br />

ist eben auch die Einlegung des Einspruchs mit Begründung<br />

ausreichend (vgl. LG Kiel zfs 2007, 106; LG Potsdam, a.a.O.). Auf<br />

den zusätzlichen Antrag, das Verfahren nach § 69 Abs. 5 OWiG an<br />

die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen, kam es hier also<br />

gar nicht mehr an (zum Katalog von Mitwirkungstätigkeiten<br />

s. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2<strong>01</strong>5, Nr. 4141<br />

VV RVG Rn. 11 m.w.N. aus der Rechtsprechung).<br />

D. Burhoff<br />

Kostenerstattung<br />

Keine Erstattung der Geschäftsgebühr<br />

für die Einreichung einer<br />

Schutzschrift<br />

Nr. 2300, 3100 VV RVG; § 91 Abs. 1 ZPO<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Die von dem Antragsgegner eines Verfahrens auf Erlass einer<br />

einstweiligen Verfügung im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

neben der 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG geltend<br />

gemachte 0,65 Geschäftsgebühr für die Einreichung der<br />

Schutzschrift ist nicht erstattungsfähig.<br />

OLG München, Beschl. v. 30.7.2<strong>01</strong>5 – 29 W 482/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem<br />

LG München I hatte die obsiegende Antragsgegnerin neben der<br />

ihrem Verfahrensbevollmächtigten angefallenen 1,3 Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 3100 VV RVG auch eine 0,65 Geschäftsgebühr<br />

nach Nr. 2300 VV RVG für die Einreichung der Schutzschrift<br />

geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG hat diese Kosten<br />

antragsgemäß festgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten<br />

sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht,<br />

die Kosten für die Schutzschrift seien neben der Verfahrensgebühr<br />

nicht gesondert zu erstatten.<br />

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte beim OLG<br />

München Erfolg.<br />

II. Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr<br />

Nach Auffassung des OLG München war hier die neben der<br />

Verfahrensgebühr geltend gemachte Geschäftsgebühr für die<br />

Einreichung der Schutzschrift nicht erstattungsfähig. Die im<br />

Vorfeld eines Rechtsstreits entstandene Geschäftsgebühr könne<br />

nämlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den unterlegenen<br />

Gegner neben der Verfahrensgebühr geltend gemacht<br />

werden.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Der Beschluss bedarf einiger Anmerkungen. Das OLG München<br />

hat es sich mit seiner Entscheidung etwas einfach gemacht und<br />

die Geschäftsgebühr nicht als erstattungsfähig angesehen. Bevor<br />

man jedoch die Frage der Erstattungsfähigkeit prüft, ist zunächst<br />

festzustellen, ob dem Verfahrensbevollmächtigten der Antrags-<br />

22 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

gegnerin die geltend gemachte Geschäftsgebühr überhaupt<br />

angefallen ist. Daran habe ich große Zweifel.<br />

1. Entstandene Anwaltsvergütung<br />

Der an den RA gerichtete Auftrag, bei dem Gericht eine Schutzschrift<br />

einzureichen, ist grds. immer ein Auftrag für eine Tätigkeit<br />

in einem gerichtlichen Verfahren, so dass nicht Teil 2 VV<br />

RVG mit der dort geregelten Geschäftsgebühr, sondern Teil 3 VV<br />

RVG Anwendung findet. Dort stellt sich lediglich die Frage, ob<br />

dem Verfahrensbevollmächtigten bereits ein allgemeiner Verfahrensauftrag<br />

für das (erwartete) Verfahren auf Erlass einer<br />

einstweiligen Verfügung vorliegt. Dann ist durch das Einreichen<br />

der Schutzschrift die 1,3 Verfahrensgebühr angefallen, da die<br />

Schutzschrift jedenfalls Sachvortrag enthält (s. hierzu Nr. 31<strong>01</strong><br />

Nr. 1 VV RVG).<br />

Ist der RA nicht zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt, entsteht<br />

ihm für die Einreichung der Schutzschrift eine 0,8 Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 3403 VV RVG, da es sich dann um eine<br />

sonstige Einzeltätigkeit handelt.<br />

Vorliegend sollte der RA der Antragsgegnerin wohl von Anfang<br />

an auch als Verfahrensbevollmächtigter tätig werden, so dass das<br />

Einreichen der Schutzschrift die 1,3 Verfahrensgebühr ausgelöst<br />

hat (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2009, 265 [Hansens]; OLG Nürnberg<br />

<strong>RVGreport</strong> 2005, 230 [ders.] = AGS 2005, 339 mit Anm.<br />

N. Schneider; OLG Hamburg <strong>RVGreport</strong> 2007, 425 [ders.] = AGS<br />

2007, 448 mit Anm. N. Schneider unter Aufgabe von <strong>RVGreport</strong><br />

2006, 29 [ders.] = AGS 2005, 495 mit Anm. N. Schneider).<br />

Unabhängig davon, ob der RA die Schutzschrift im Rahmen eines<br />

Verfahrensauftrags oder im Rahmen eines Auftrags für eine<br />

sonstige Einzeltätigkeit einreicht, wird er im Rahmen derselben<br />

gebührenrechtlichen Angelegenheit tätig, wenn er den Auftraggeber<br />

auch im späteren Eilverfahren als Verfahrensbevollmächtigter<br />

vertritt (s. OLG Bamberg AGS 2003, 537 mit Anm.<br />

N. Schneider; OLG Hamm JurBüro 1989, 962 jeweils zur BRAGO).<br />

Dies hat zur Folge, dass der RA für das Einreichen der Schutzschrift<br />

und für die weitere Tätigkeit im Verfügungsverfahren nur<br />

eine einzige Verfahrensgebühr höchstens mit einem Satz von<br />

1,3 berechnen kann.<br />

2. Rechtslage ab 1.1.2<strong>01</strong>6<br />

Mit dem Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des<br />

Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung<br />

und kostenrechtlicher Vorschriften v. 20.11.2<strong>01</strong>5 (BGBl I<br />

2<strong>01</strong>5, S. 2<strong>01</strong>8 ff.) hat der Gesetzgeber auch Änderungen für das<br />

Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgenommen.<br />

a) Elektronisches Schutzschriftenregister<br />

Aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen<br />

Rechtsverkehrs mit den Gerichten ist zum 1.1.2<strong>01</strong>6 die neue<br />

Vorschrift des § 945a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Kraft getreten, nach der<br />

die Länder ein zentrales, elektronisches Schutzschriftenregister<br />

führen. Dabei ist offen geblieben, welche Stelle das länderübergreifende<br />

Register führen soll. Die Länder haben sich zwischenzeitlich<br />

darauf verständigt, dass Hessen Betreiber des Registers<br />

sein wird. Dementsprechend ist die Bestimmung des § 945a<br />

Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Art. 6 Nr. 1 des eingangs genannten<br />

Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts pp. geändert<br />

worden. Statt der Wörter „Die Länder führen“ heißt es nunmehr<br />

„Die Landesjustizverwaltung Hessen führt für die Länder“.<br />

Damit wird gleichzeitig klargestellt, dass der Betrieb des Registers<br />

keine gerichtliche Angelegenheit der Gerichte des Landes Hessen<br />

ist, sondern das Register durch die Landesjustizverwaltung Hessen<br />

geführt wird.<br />

b) Justizverwaltungskosten<br />

Außerdem hat der Gesetzgeber in Art. 7 des eingangs erwähnten<br />

Gesetzes das Justizverwaltungskostengesetz (JVKostG) ergänzt.<br />

Im KV wird eine neue Nr. 1160 eingefügt, nach der für die<br />

Einstellung einer Schutzschrift ein Gebührenbetrag i.H.v. 83 €<br />

anfällt. In § 15a JVKostG n.F. ist geregelt, dass die Gebühr für die<br />

Einstellung einer Schutzschrift derjenige schuldet, der die Schutzschrift<br />

eingereicht hat.<br />

c) Anwaltsvergütung<br />

Durch Art. 8 des eingangs erwähnten Gesetzes ist § 19 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 1a RVG eingefügt worden, nach dem zu dem Rechtszug oder<br />

dem Verfahren auch die Einreichung von Schutzschriften gehört.<br />

Mit dieser Änderung soll klargestellt werden, dass die Einreichung<br />

von Schutzschriften zu dem (künftigen) Verfahren gehört, zu dem<br />

sie eingereicht werden. Für den RA, der einen Prozess- bzw.<br />

Verfahrensauftrag erhalten hat, wird deshalb die Einreichung der<br />

Schutzschriften mit der Verfahrensgebühr für das gerichtliche<br />

Verfahren abgegolten.<br />

Die Neufassung war deshalb erforderlich, weil § 19 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 1 RVG an sich Tätigkeiten als nicht zu dem Rechtszug oder zu<br />

dem Verfahren gehörend bezeichnet, in denen ein besonderes<br />

gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet. Die Einreichung<br />

einer Schutzschrift bei der Landesjustizverwaltung<br />

Hessen stellt jedoch ein solches besonderes behördliches Verfahren<br />

dar. Infolge der ausdrücklichen Regelung in dem neu<br />

eingefügten § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a RVG wird nunmehr eine<br />

Anwendung von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG ausdrücklich<br />

ausgeschlossen.<br />

d) Inkrafttreten<br />

Nach Art. 10 Abs. 2 des eingangs genannten Gesetzes sind die<br />

vorgenannten Änderungen am 1.1.2<strong>01</strong>6 in Kraft getreten.<br />

H. Hansens<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten<br />

für eine online-Schutzschrift;<br />

Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen<br />

§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO; Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG; § 195 BGB; § 2 Abs. 1 JVEG<br />

Leitsätze des Gerichts:<br />

1. Die Kosten für die Einreichung einer Online-Schutzschrift<br />

bei einem zentralen Schutzschriftenregister sind – wenn<br />

ein Eilantrag eingereicht worden ist – im Rahmen von<br />

Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG als Kosten des Rechtsstreits erstattungsfähig.<br />

2. Die Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen richtet<br />

sich ungeachtet der allgemeinen Verweisung auf die für<br />

die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften in<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 23


Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

§ 91 Abs. 1 Satz 2, zweiter Halbsatz ZPO nicht nach § 2<br />

Abs. 1 JVEG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften.<br />

OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.2<strong>01</strong>5 – 6 W 72/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Antragsgegner hatte bei einem zentralen Schutzschriftenregister<br />

eine online-Schutzschrift einreichen lassen, wodurch<br />

ihm Kosten i.H.v. 45 € angefallen waren. Im hieraufhin von der<br />

Antragstellerin eingeleiteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen<br />

Verfügung vor dem LG Frankfurt/M. obsiegte der<br />

Antragsgegner. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Antragsgegner<br />

die vorgenannten Kosten für die Hinterlegung der<br />

Schutzschrift i.H.v. 45 € sowie weitere Fahrtkosten und Verdienstausfall<br />

i.H.v. 615 € geltend gemacht. Beide Kostenpositionen<br />

hat der Rechtspfleger des LG Frankfurt/M. antragsgemäß<br />

festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der<br />

Antragstellerin hatte beim OLG Frankfurt keinen Erfolg.<br />

II. Kosten für die Hinterlegung der Schutzschrift<br />

1. Anfall<br />

Der Antragsgegner hatte die Kosten für die Hinterlegung der<br />

Schutzschrift bei einem zentralen Schutzschriftenregister i.H.v.<br />

45 € durch eine Rechnung belegt. Nach Auffassung des OLG<br />

Frankfurt handelte es sich dabei um „Entgelte für Post- und<br />

Telekommunikationsdienstleistungen i.S.v. Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG“.<br />

2. Kostenerstattung<br />

Diese Kosten sind nach den weiteren Ausführungen des OLG<br />

Frankfurt als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung (richtig<br />

wohl: Rechtsverteidigung) erstattungsfähig, da es hier nach der<br />

Hinterlegung der Schutzschrift aufgrund des dann eingegangenen<br />

Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu einem<br />

Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten gekommen<br />

sei. Die Antragstellerin hatte sich gegen die Erstattungsfähigkeit<br />

der Kosten gewandt und sich auf die Entscheidung des OLG<br />

Hamburg JurBüro 2<strong>01</strong>4, 145 = AGS 2<strong>01</strong>4, 47 bezogen. In jenem Fall<br />

hatte jedoch der Antragsgegner in einer wettbewerbsrechtlichen<br />

Streitigkeit im Hinblick auf den sog. fliegenden Gerichtsstand<br />

Schutzschriften bei allen deutschen Landgerichten eingereicht.<br />

Nach Auffassung des OLG Hamburg waren nur diejenigen Kosten<br />

erstattungsfähig, die durch die Einreichung der Schutzschrift bei<br />

dem Gericht angefallen sind, bei dem später der Verfügungsantrag<br />

eingegangen ist.<br />

Diese Entscheidung des OLG Hamburg war hier nach Auffassung<br />

des OLG Frankfurt nicht anwendbar, weil der Antragsgegner<br />

seine Schutzschrift gerade nicht bei mehreren Landgerichten,<br />

sondern bei einem zentralen Schutzschriftenregister eingereicht<br />

hatte.<br />

III. Fahrtkosten und Verdienstausfall-Entschädigung<br />

1. Anfall<br />

Der Rechtspfleger hatte ferner in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

zugunsten des Antragsgegners Fahrtkosten<br />

und eine Verdienstausfallentschädigung i.H.v. 615 €<br />

berücksichtigt. Durch welche Fahrt(en) diese Kosten angefallen<br />

sind, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht genau<br />

entnehmen. Allenfalls kann man Rückschlüsse aus dem Einwand<br />

der Antragstellerin hierauf ziehen. Diese hatte nämlich geltend<br />

gemacht, der entsprechende Kostenerstattungsanspruch des<br />

Antragsgegners sei verjährt, weil die Kosten nicht binnen drei<br />

Monaten nach dem jeweiligen Gerichtstermin beantragt worden<br />

seien (§ 2 Abs. 1 JVEG).<br />

2. Keine Verjährung<br />

Dem hat das OLG Frankfurt entgegengehalten, diese Bestimmung<br />

sei nicht anwendbar. Die Verweisung in § 91 Abs. 1 Satz 2<br />

HS 2 ZPO auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden<br />

Vorschriften beziehe sich nicht auf die Verjährung, sondern<br />

betreffe nur Umfang und Höhe der erstattungsfähigen Parteiaufwendungen<br />

(so auch OVG Rheinland-Pfalz Rpfleger 2006, 48<br />

= NVwZ-RR 2006, 438). Für diese Auslegung hat sich das OLG<br />

sowohl auf den Wortlaut als auch auf Sinn und Zweck der<br />

Vorschriften bezogen. Der Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden<br />

Partei entstehe nämlich – anders als der Entschädigungsanspruch<br />

des Zeugen – erst aufgrund der die Instanz<br />

abschließenden Entscheidung. Aufwendungen, die ein Beteiligter<br />

durch die Wahrnehmung eines Gerichtstermins habe, können<br />

von ihm daher nicht unmittelbar im Anschluss an den Termin<br />

geltend gemacht werden. Somit richte sich die Verjährung<br />

von Kostenerstattungsansprüchen nach den allgemeinen Vorschriften.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Das OLG Frankfurt hat leider einige für den Anfall und die<br />

Erstattungsfähigkeit der entsprechenden Auslagenpositionen<br />

maßgeblichen Umstände nicht mitgeteilt, so dass nicht abschließend<br />

beurteilt werden kann, ob den Ausführungen des OLG zu<br />

folgen ist.<br />

1. Kosten für die Hinterlegung der Schutzschrift<br />

a) Einordnung der Auslagen<br />

Nach Auffassung des OLG handelt es sich bei den Kosten i.H.v.<br />

45 € um Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen,<br />

die der Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigte des<br />

Antragsgegners nach Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG abrechnen kann. Unter<br />

Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG fallen beispielsweise das Porto für Briefe,<br />

Einschreiben oder förmliche Zustellungen, ferner das Porto für<br />

Päckchen oder Pakete sowie Telefon-, Telefax- oder E-Mail-<br />

Auslagen für die einzelne Übermittlung von Schriftsätzen, die<br />

dem RA selbst für die angegebenen Übermittlungsarten angefallen<br />

sind. Die Höhe des glatten Betrags von 45 € lässt Zweifel<br />

aufkommen, ob es sich tatsächlich um solche Übermittlungskosten<br />

des RA an das zentrale Schutzschriftenregister gehandelt<br />

hat. Außerdem wird in einem solchen Fall dann auch keine<br />

gesonderte Rechnung vorliegen.<br />

Vielmehr spricht das LG Frankfurt/M. in den Beschlussgründen<br />

von „Kosten für die Hinterlegung“ der online-Schutzschrift. Für<br />

die Hinterlegung entstehen dem RA jedoch keine Post- und<br />

Telekommunikationsentgelte. Es spricht somit einiges dafür,<br />

dass es sich um die von dem betreffenden zentralen Schutzschriftenregister<br />

angesetzten Kosten handelt. Diese unterfallen<br />

jedoch nicht der Vorschrift der Nr. 70<strong>01</strong> VV RVG. Vielmehr<br />

kann der RA, der derartige Kosten für den Mandanten verauslagt<br />

hat, diese nach Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. §§ 675, 670<br />

BGB von dem Auftraggeber ersetzt verlangen. Voraussetzung<br />

hierfür ist, dass der RA die betreffende Auslagenposition den<br />

Umständen nach für erforderlich halten durfte. Das wird hier zu<br />

bejahen sein.<br />

24 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

b) Erstattungsfähigkeit<br />

Handelt es sich um die von dem zentralen Schutzschriftenregister<br />

berechneten Kosten für die Hinterlegung der online-Schutzschrift,<br />

so sind diese dann grds. erstattungsfähig, wenn die<br />

Einreichung der Schutzschrift notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO<br />

war. Dies beurteilt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Danach<br />

sind die Kosten einer Schutzschrift zur Verteidigung gegen einen<br />

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung grds.<br />

erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird.<br />

Dies gilt auch dann, wenn dieser Antrag nach Einreichung der<br />

Schutzschrift abgelehnt oder zurückgenommen wird (BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2007, 348 [Hansens] = AGS 2007, 477; BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2008, 223 [ders.] = AGS 2008, 274 mit Anm. N. Schneider = zfs<br />

2008, 406 mit Anm. Hansens; s.a. BGH <strong>RVGreport</strong> 2009, 265<br />

[ders.], sämtlich für die durch die Einreichung der Schutzschrift<br />

angefallenen Anwaltskosten).<br />

c) Rechtslage ab dem 1.1.2006<br />

Zum 1.1.2006 ist die neue Vorschrift des § 945a Abs. 1 Satz 1 ZPO<br />

in Kraft getreten, nach der die Länder ein zentrales elektronisches<br />

Schutzschriftenregister führen. Durch Art. 6 des Gesetzes zur<br />

Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts<br />

sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher<br />

Vorschriften v. 20.11.2<strong>01</strong>5 (BGBl. I 2<strong>01</strong>5, S. 2<strong>01</strong>8 ff.) ist<br />

diese Vorschrift dahin geändert worden, dass das zentrale Schutzschriftenregister<br />

von der Landesjustizverwaltung Hessen für die<br />

Bundesländer geführt wird. Ferner hat Art. 7 des vorgenannten<br />

Gesetzes im JVKostG KV eine neue Nr. 1160 eingeführt, wonach für<br />

die Einstellung der Schutzschrift ein Gebührenbetrag i.H.v. 83 €<br />

anfällt, für den nach dem ebenfalls neu eingefügten § 15a JVKostG<br />

derjenige haftet, der die Schutzschrift eingereicht hat. Diese<br />

Gebühr für die Hinterlegung der Schutzschrift bei dem elektronischen<br />

Schutzschriftenregister der Landesjustizverwaltung Hessen<br />

wird als notwendige Kosten der Rechtsverteidigung des<br />

Antragsgegners erstattungsfähig sein, wenn die Einreichung der<br />

Schutzschrift überhaupt notwendig in diesem Sinne war.<br />

Zur Anwaltsvergütung bei Einreichung einer Schutzschrift s. OLG<br />

München <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 22 (Hansens), vorstehend.<br />

2. Fahrtkosten<br />

a) Erstattungsfähigkeit<br />

Geht man davon aus, dass dem Antragsgegner die Fahrtkosten<br />

für die Wahrnehmung eines oder mehrerer Verhandlungstermine<br />

vor dem LG Frankfurt/M. angefallen sind, so sind diese dem<br />

Grunde nach erstattungsfähig. Schon im „normalen“ Zivilprozess<br />

ist die Anwesenheit der Partei im Termin zur mündlichen<br />

Verhandlung neben ihrem Prozessbevollmächtigten grds. notwendig<br />

(s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2008, 113 [Hansens] = Rpfleger 2008,<br />

279). Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn von vornherein<br />

erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die<br />

Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis<br />

nichts beitragen kann. Ferner müssen die Terminsreisekosten in<br />

einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung des Rechtsstreits<br />

stehen. So hat der BGH (a.a.O.) bei einem noch streitigen<br />

Klagebetrag i.H.v. 568,35 € Terminsreisekosten für eine Bahnfahrt<br />

i.H.v. 116,50 € als erstattungsfähig angesehen, die tatsächlich für<br />

eine Anreise mit dem Flugzeug geltend gemachten Kosten i.H.v.<br />

279,70 € hingegen nicht.<br />

Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines<br />

Arrestes ist die Erstattungsfähigkeit von Terminsreisekosten noch<br />

großzügiger zu betrachten. Dies beruht auf dem Umstand, dass<br />

der Anspruch und der Grund glaubhaft zu machen sind (§§ 920<br />

Abs. 2, 936 ZPO), was auch durch eidesstattliche Versicherung der<br />

anwesenden Partei erfolgen kann (§ 294 ZPO).<br />

b) Verjährung<br />

Für die Verjährung von im Kostenfestsetzungsverfahren geltend<br />

gemachten Terminsreisekosten der Partei gelten die allgemeinen<br />

Verjährungsregelungen. Danach gilt für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch<br />

allgemein und für Terminsreisekosten im<br />

Besonderen die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Diese<br />

somit 30 Jahre betragende Verjährungsfrist beginnt im Regelfall<br />

mit der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung (BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2006, 233 [Hansens] = AGS 2007, 219). Diese Verjährungsfrist<br />

war bei dem vor dem LG Frankfurt/M. im Mai 2<strong>01</strong>5 beendeten<br />

Verfahren längst nicht verstrichen.<br />

H. Hansens<br />

Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr<br />

bei Zahlungsverzug<br />

§§ 280 Abs. 2, 286 BGB; § 14 RVG; Nr. 2300, 2302 a.F. VV RVG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich<br />

einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts<br />

zweckmäßig und erforderlich; ein Mandat zur außergerichtlichen<br />

Vertretung muss im Regelfall nicht auf ein<br />

Schreiben einfacher Art beschränkt werden.<br />

BGH, Urt. v. 17.9.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 280/14<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Mandantin des später klagenden RA führte bei dem Kraftfahrzeug<br />

des Beklagten Reparaturarbeiten durch. Die Bezahlung<br />

von Restbeträgen aus den beiden Rechnungen der Mandantin<br />

vom 7. und 11.3.2<strong>01</strong>1 blieb der Beklagte schuldig. Auch auf eine<br />

Zahlungsaufforderung sowie auf eine Mahnung der Mandantin<br />

reagierte der Beklagte nicht. Die Mandantin beauftragte hieraufhin<br />

den RA mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer<br />

Interessen. Mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 20.7.2<strong>01</strong>1<br />

forderte der RA den Beklagten zunächst zum Ausgleich der<br />

einen Rechnung nebst einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300<br />

VV RVG zzgl. Auslagen auf. Mit anwaltlichem Mahnschreiben<br />

vom 30.8.2<strong>01</strong>1 verlangte der RA dann Entsprechendes hinsichtlich<br />

der zweiten Rechnung. Der Beklagte beglich im September 2<strong>01</strong>1<br />

die Rechnungen der Mandantin. Die eingeforderten Rechtsanwaltskosten<br />

zahlte er hingegen nicht.<br />

Der RA, der sich die Forderungen der Mandantin hatte abtreten<br />

lassen, begehrte mit seiner Klage vor dem AG Hamburg-<br />

Barmbek Zahlung der beiden Geschäftsgebühren. Das AG hat<br />

ihm lediglich zwei 0,3 Geschäftsgebühren nach Nr. 2302 VV RVG<br />

a.F. = Nr. 23<strong>01</strong> VV RVG n.F. nebst Auslagen für jeweils ein<br />

Schreiben einfacher Art zugesprochen. Die – vom AG zugelassene<br />

– Berufung wegen der Zahlung der Differenz i.H.v. zwei 1,0<br />

Geschäftsgebühren (nach den Urteilsgründen des BGH zwei 0,8<br />

Gebühren) zzgl. anteiliger Auslagen hatte beim LG Hamburg<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 25


Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat der BGH – durch<br />

Versäumnisurteil – das landgerichtliche Urteil aufgehoben und<br />

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das<br />

Berufungsgericht zurückverwiesen.<br />

II. Materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch<br />

Der BGH hat auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, nach<br />

der der Schädiger dem Geschädigten nur solche durch das<br />

Schadensereignis verursachten RA-Kosten zu ersetzen hat, die<br />

aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte<br />

erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei sei die ex ante-<br />

Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person maßgeblich<br />

(so etwa BGH AGS 2<strong>01</strong>2, 360). Hierbei seien keine<br />

überzogenen Anforderungen zu stellen. Vielmehr komme es<br />

darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls<br />

aus der Sicht des Geschädigten darstelle (BGH zfs 1995,<br />

48 = AGS 1995, 30).<br />

1. Beauftragung eines Rechtsanwalts<br />

Ein solcher Schadensfall liegt nach den weiteren Ausführungen des<br />

BGH auch dann vor, wenn der Schuldner einer Entgeltforderung in<br />

Zahlungsverzug gerate (so BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>5, 384 [Hansens] =<br />

zfs 2<strong>01</strong>5, 585 mit Anm. Hansens). Regelmäßig sei zur Beitreibung<br />

einer solchen Forderung selbst in einfach gelagerten Fällen die<br />

Beauftragung eines RA erforderlich und zweckmäßig. Das<br />

seinerseits Erforderliche tue der Gläubiger dadurch, dass er den<br />

Schuldner in Verzug setze. Jedoch müsse er eine weitere Verzögerung<br />

der Erfüllung seiner Forderung nicht hinnehmen. Vielmehr<br />

könne er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung<br />

eines RA Nachdruck verleihen.<br />

2. Kein auf ein Schreiben einfacher Art beschränkter Auftrag<br />

Wenn der Gläubiger einer Entgeltforderung nach den vorstehenden<br />

Grundsätzen die Einschaltung eines RA für erforderlich und<br />

zweckmäßig halten darf, muss er nach den weiteren Ausführungen<br />

des BGH einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung i.d.R.<br />

nicht auf ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 VV RVG a.F.<br />

= Nr. 23<strong>01</strong> VV RVG n.F. beschränken.<br />

Wenn der Schuldner in Verzug gerät, sei er zur Zahlung<br />

regelmäßig entweder nicht willens oder nicht in der Lage. Dies<br />

könne für den Gläubiger offen zutage treten, wenn der Schuldner<br />

Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung erhebe<br />

oder auf seine Zahlungsunfähigkeit hinweise. Hingegen bleibe der<br />

Grund für die Nichtzahlung für den Gläubiger im Dunkeln, wenn<br />

der Schuldner auch auf eine Mahnung nicht reagiere.<br />

a) Anwaltliche Beratung im Regelfall erforderlich<br />

In jedem Fall darf der Gläubiger nach Auffassung des BGH eine<br />

rechtliche Beratung für erforderlich und zweckmäßig halten,<br />

die sich zunächst mit dem weiteren Vorgehen zu befassen hat.<br />

Wenn der Schuldner zahlungsunfähig sei oder eine ernsthafte und<br />

endgültige Erfüllungsverweigerung vorliege, so können außergerichtliche<br />

Zahlungsaufforderungen durch den RA als nicht erfolgversprechend<br />

und daher nicht als zweckmäßig anzusehen sein.<br />

Vielmehr komme in einem solchen Fall eine sofortige Titulierung<br />

der Forderung in Betracht. Anders sei dies hingegen, wenn der<br />

Schuldner weitere Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gegeben<br />

habe oder bislang gar nicht reagiert habe. Hier könne sich der<br />

Versuch einer außergerichtlichen Erledigung unter Zuhilfenahme<br />

des RA anbieten.<br />

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass all dies der Gläubiger grds.<br />

nicht wissen könne, da er i.d.R. nicht rechtskundig sei. So kenne er<br />

die Konsequenzen der Zahlungsunfähigkeit oder der ernsthaften<br />

und endgültigen Erfüllungsverweigerung nicht. Konsequenzen für<br />

Art und Umfang des dem RA zu erteilenden Mandates könne der<br />

Gläubiger allenfalls daraus ziehen, wenn er näheres Wissen über<br />

das anwaltliche Gebührenrecht hätte. Daran fehle es dem<br />

Gläubiger jedoch im Regelfall. Er wisse nämlich regelmäßig nicht,<br />

dass der Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung auf ein<br />

Schreiben einfacher Art beschränkt werden oder ein Klageauftrag<br />

unbedingt oder bedingt für den Fall des Scheiterns der außergerichtlichen<br />

Bemühungen erteilt werden könne. Deshalb sei der<br />

Gläubiger regelmäßig auf eine Beratung über die Möglichkeiten<br />

des weiteren Vorgehens angewiesen.<br />

b) Beratung über die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens<br />

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass das RVG einen gesonderten<br />

Gebührentatbestand für eine solche Zweckmäßigkeitsberatung<br />

nicht kenne. Vielmehr setze das RVG den bereits informierten<br />

Mandanten voraus, der sich von vornherein mit einem bestimmten<br />

Auftrag an den RA wendet. Aus dem Fehlen eines gesonderten<br />

Gebührentatbestandes dürfe aber nicht geschlossen werden, der<br />

RA habe die Zweckmäßigkeitsberatung kostenlos zu erbringen.<br />

Vielmehr sei eine solche Beratung Bestandteil sowohl eines<br />

unbeschränkten Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung<br />

i.S.v. Nr. 2300 VV RVG als auch eines solchen zur gerichtlichen<br />

Vertretung, der die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG<br />

auslöse. Nach Vorbem. 2.2.3 Abs. 3 VV RVG bzw. Vorbem. 3 Abs. 2<br />

VV RVG entstehen beide Gebühren für das Betreiben des<br />

(jeweiligen) Geschäfts einschließlich der Information. Im Hinblick<br />

auf die Beratung des Mandanten über die Möglichkeit eines<br />

weiteren Vorgehens seien sie deckungsgleich.<br />

c) Beschränkter Auftrag umfasst keine<br />

Zweckmäßigkeitsberatung<br />

Wenn der Auftrag hingegen nach Nr. 2302 VV RVG a.F. = Nr. 23<strong>01</strong><br />

VV RVG n.F. auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt sei,<br />

umfasse dieser keine Zweckmäßigkeitsberatung. Zwar ergebe sich<br />

aus der Regelungssystematik der Nr. 2300 ff. VV RVG, dass es sich<br />

bei Nr. 2302 VV RVG a.F. nicht um eine eigenständige Gebühr,<br />

sondern um einen Ermäßigungstatbestand für die Geschäftsgebühr<br />

der Nr. 2300 VV RVG handele. Folglich entstehe auch die<br />

ermäßigte Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich<br />

der Information. Hieraus ergebe sich jedoch lediglich, dass der RA<br />

auch das Schreiben einfacher Art nicht ungeprüft versenden dürfe,<br />

er müsse vielmehr prüfen, ob nach der ihm geschilderten Sachlage<br />

ein solches Schreiben rechtlich in Betracht komme (BGH AnwBl.<br />

1983, 512 = NJW 1983, 2451).<br />

Wegen der niedrigen Gebühr i.H.v. 0,3 hat es damit aber nach<br />

Auffassung des BGH sein Bewenden. Somit müsse der RA nicht<br />

beurteilen, ob ein Schreiben einfacher Art zur Wahrnehmung der<br />

Rechte des Gläubigers ausreichend und zweckmäßig sei. Wenn<br />

der Mandant in der Angelegenheit umfassend vertreten werden<br />

wolle, gehe die Verantwortung des RA weiter. Dies gelte auch für<br />

den Umfang der von dem RA zu entfaltenden Tätigkeit, mag es<br />

nach außen auch bei einem einfachen Schreiben bleiben.<br />

d) Kein Beratungsbedarf über die Möglichkeiten des weiteren<br />

Vorgehens<br />

Selbst wenn der Gläubiger ausnahmsweise nicht auf eine Beratung<br />

über die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens angewie-<br />

26 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

sen sei, weil er selbst über entsprechende Kenntnisse verfüge und<br />

diese auch auf den konkreten Fall anwenden könne, sei die<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine außergerichtliche Vertretung<br />

durch einen RA regelmäßig nicht auf eine Gebühr nach<br />

Nr. 2302 VV RVG a.F. beschränkt. Vielmehr sei auch in einem<br />

solchen Fall die Beauftragung eines RA zur außergerichtlichen<br />

Vertretung i.S.d. Nr. 2300 VV RVG zweckmäßig, wenn der<br />

Versuch einer außergerichtlichen Beitreibung nicht schon von<br />

vornherein ausscheide, wie etwa im Falle einer ernsthaften und<br />

endgültigen Erfüllungsverweigerung.<br />

3. Umfassender Vertretungsauftrag regelmäßig erforderlich<br />

Der BGH kommt somit zu dem Ergebnis, dass die Beauftragung<br />

zur außergerichtlichen Vertretung i.S.d. Nr. 2300 VV RVG aus der<br />

maßgeblichen ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich<br />

denkenden Person regelmäßig erforderlich sein werde, weil der<br />

Gläubiger bei Auftragserteilung nicht absehen könne, wie sich<br />

der Schuldner verhalten werde. Dies gelte insb. dann, wenn der<br />

Schuldner auf Mahnungen des Gläubigers nicht reagiert hat.<br />

Deshalb sei der Gläubiger grds. nicht gehalten, seinen Auftrag<br />

zunächst auf ein Schreiben einfacher Art zu beschränken und<br />

diesen im Bedarfsfalle zu erweitern. Der Schuldner sei über den<br />

weiten Gebührenrahmen der Nr. 2300 VV RVG, der am unteren<br />

Ende nahe an die 0,3 Gebühr der Nr. 2302 VV RVG heranreiche,<br />

ausreichend geschützt. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass<br />

allein der Schuldner es in der Hand habe, sich vertragstreu zu<br />

verhalten und auf diese Weise den materiellen Kostenerstattungsanspruch<br />

des Gläubigers gar nicht erst zur Entstehung<br />

gelangen zu lassen.<br />

Der BGH hat deshalb das landgerichtliche Urteil aufgehoben und<br />

die Sache an das LG Hamburg zurückverwiesen. Für das weitere<br />

Vorgehen hat der BGH noch folgende rechtlichen Hinweise<br />

erteilt.<br />

III. Inhalt des erteilten Auftrags<br />

1. Inhalt<br />

Aus dem Umstand, dass hier die Mandantin eine unbeschränkte<br />

Beauftragung des RA mit ihrer außergerichtlichen Vertretung für<br />

zweckmäßig und erforderlich halten durfte, folgt nach den<br />

weiteren Ausführungen des BGH jedoch noch nicht, dass ein<br />

solcher Auftrag auch erteilt worden sei. Hierzu habe das LG<br />

bisher keine Feststellungen getroffen.<br />

2. Eine oder zwei Angelegenheiten<br />

Aus dem noch aufzuklärenden Inhalt des Auftrags ergibt sich<br />

nach den weiteren Ausführungen des BGH auch, ob der RA in<br />

einer oder ob er in zwei gebührenrechtlichen Angelegenheiten<br />

tätig geworden sei. Ergebe sich aus dem Auftrag, dass der RA in<br />

zwei Angelegenheiten i.S.v. § 15 RVG tätig werden sollte, so stelle<br />

sich im Verhältnis zum Beklagten die Frage der Erstattungsfähigkeit.<br />

Denn die Forderungen, die der RA außergerichtlich mit zwei<br />

Zahlungsaufforderungen geltend gemacht habe, könnten aus<br />

einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsen seien. Hierzu<br />

hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Rechnungen für die<br />

Reparaturarbeiten ein und dasselbe Kraftfahrzeug betroffen<br />

hatten, und die Mandantin diese Rechnungen im Abstand von<br />

nur vier Tagen erstellt hatte. In diesem Fall stelle sich die Frage, ob<br />

die Mandanten die Aufspaltung der Forderungen in zwei<br />

Angelegenheiten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte.<br />

Hätte sie die Forderungen in getrennten Prozessen verfolgt, wäre<br />

ein Antrag auf Festsetzung der hierdurch entstandenen Mehrkosten<br />

rechtsmissbräuchlich (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 463<br />

[Hansens] = zfs 2<strong>01</strong>2, 702 mit Anm. Hansens = AGS 2<strong>01</strong>2, 511;<br />

BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 108 [ders.] = AGS 2<strong>01</strong>3, 95).<br />

IV. Gebührenhöhe<br />

Bei Rahmengebühren wie auch hier der in Rede stehenden Geschäftsgebühr<br />

nach Nr. 2300 VV RVG bestimmt der RA gem. § 14<br />

Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung<br />

aller Umstände nach billigem Ermessen. Bei der Geschäftsgebühr<br />

besteht dieses Bestimmungsrecht des RA nach Auffassung des<br />

BGH jedoch nicht unbeschränkt. Vielmehr könne er eine Gebühr<br />

von mehr als 1,3 nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich<br />

oder schwierig war. Dies sei von dem RA darzulegen und<br />

erforderlichen Falls zu beweisen. Erst dann bestehe das Bestimmungsrecht<br />

unter Ausschöpfung des gesamten Gebührenrahmens,<br />

dessen Ausschöpfung einer vollen gerichtlichen Nachprüfung<br />

entzogen sei (BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>2, 375 [Hansens] = zfs<br />

2<strong>01</strong>2, 584 mit Anm. Hansens = AGS 2<strong>01</strong>2, 373 mit Anm. Schons).<br />

Sei die Geschäftsgebühr von einem Dritten zu ersetzen, so trage<br />

die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit der<br />

getroffenen Bestimmung gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG der<br />

ersatzpflichtige Dritte (BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1, 145 [Hansens]). Dies<br />

folgert der BGH aus der Formulierung von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG<br />

(„ …nicht verbindlich, wenn …“). Dabei müsse allerdings berücksichtigt<br />

werden, dass dem Dritten die für die Bestimmung der<br />

Gebühr maßgeblichen Umstände häufig nicht vollständig bekannt<br />

seien. Selbst der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit werde<br />

dem Dritten nur insoweit bekannt, als diese nach außen gerichtet<br />

sei. Deshalb treffe seinen Gegner, also den Erstattungsberechtigten,<br />

eine sekundäre Darlegungslast. Diese entstehe allerdings<br />

erst dann, wenn der Dritte die Unbilligkeit der getroffenen<br />

Bestimmung geltend gemacht und den ihm möglichen Tatsachenvortrag<br />

gehalten habe.<br />

Diese Grundsätze gelten nach den weiteren Ausführungen des<br />

BGH nicht nur für den prozessualen, sondern auch für den<br />

materiellen Kostenerstattungsanspruch (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1,<br />

136 [Hansens] = zfs 2<strong>01</strong>1, 465 mit Anm. Hansens = AGS 2<strong>01</strong>1, 120<br />

mit Anm. Schons). Aus dem Umstand, dass der V. ZS des BGH<br />

diese Regelung auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch<br />

angewandt habe (BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>1, 145 [Hansens]),<br />

folge nicht, dass eine Anwendung auf den materiell-rechtlichen<br />

Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen sei.<br />

V. Bedeutung für Praxis<br />

Eine gut begründete Entscheidung, in der der IX. ZS des BGH<br />

praktisch alle wichtigen gebühren- und erstattungsrechtlichen<br />

Fragen angesprochen hat.<br />

1. Inhalt des erforderlichen Auftrags<br />

Mit wünschenswerter Deutlichkeit hat der BGH entschieden, dass<br />

der Gläubiger im Falle des Zahlungsverzugs seines Schuldners<br />

erstattungsrechtlich nicht verpflichtet ist, das seinem RA zu<br />

erteilende Mandat auf ein Schreiben einfacher Art zu beschränken.<br />

2. Anzahl der Angelegenheiten<br />

Hier spricht in der Tat viel dafür, dass die Mandantin verpflichtet<br />

war, ihrem RA nur einen einzigen Auftrag zur außergerichtlichen<br />

Geltendmachung der beiden Reparaturkostenrechnungen vom<br />

7. und 11.3.2<strong>01</strong>1 zu erteilen. Folglich ist dann nach materiellem<br />

Recht auch nur eine Geschäftsgebühr nach der Summe der<br />

Reparaturkostenbeträge erstattungsfähig.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 27


Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

3. Höhe der Geschäftsgebühr<br />

Die Ausführungen des BGH zum Bestimmungsrecht des RA bei<br />

der Geschäftsgebühr sind zwar zutreffend. Der RA hatte der<br />

Mandantin jedoch nur – jeweils – eine 1,3 Geschäftsgebühr in<br />

Rechnung gestellt, so dass der RA nicht darlegen musste, dass<br />

seine Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Vorliegend<br />

ist dem mitgeteilten Sachverhalt auch nicht zu entnehmen,<br />

dass der Beklagte in den Vorinstanzen geltend gemacht<br />

habe, dass die von den RA getroffene Bestimmung einer 1,3<br />

Geschäftsgebühr unbillig sei. Gleichwohl empfiehlt es sich, im<br />

Honorarprozess gegen den eigenen Mandanten oder in dem für<br />

diesen geführten Schadensersatzprozess gegen dessen Gegner<br />

kurz vorzutragen, welche Umstände für die Bestimmung der 1,3<br />

Geschäftsgebühr herangezogen wurden.<br />

H. Hansens<br />

Kostenfestsetzung<br />

Kostenfestsetzung trotz unterlassener<br />

Benennung des Prozessbevollmächtigten<br />

in der Kostenentscheidung<br />

§§ 67 Abs. 4, 151, 162 Abs. 1, 165 VwGO; Nr. 3200 VV RVG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses<br />

(vgl. Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) kann im Rahmen<br />

der Kostenfestsetzung auch dann erstattet werden, wenn<br />

der Prozessbevollmächtigte, der im Beschwerdeverfahren<br />

einen Sachantrag gestellt hat, im Rubrum der Kostenentscheidung<br />

(versehentlich) nicht angeführt ist.<br />

VG Karlsruhe, Beschl. v. 23.7.2<strong>01</strong>5 – 7 K 2180/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Antragsteller hatte gegen eine Entscheidung des VG Karlsruhe<br />

am 10.11.2<strong>01</strong>4 mit zwei Schriftsätzen Beschwerde eingelegt. Der<br />

VGH Baden-Württemberg hatte (nur) den Antragsteller darauf<br />

hingewiesen, dass er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten<br />

sein müsse und seine Beschwerde daher unzulässig sei. Mit<br />

seinen beiden Schriftsätzen vom 10.11.2<strong>01</strong>4 hatte der Antragsteller<br />

Einwendungen gegen die Vereinbarkeit des Anwaltszwangs mit<br />

Art. 6 EMRK erhoben und unter Nennung der Vorschrift des § 78b<br />

ZPO (Notanwalt) auf die Schwierigkeiten verwiesen, für den<br />

anzusetzenden Streitwert von 1,50 € einen vertretungsbereiten<br />

RA zu finden. Der hierzu gehörte Antragsgegner, dem allerdings<br />

der Hinweis des VGH auf die fehlende anwaltliche Vertretung<br />

nicht übermittelt worden war, beantragte durch seinen Prozessbevollmächtigten,<br />

die Beschwerde mangels hinreichender Darlegung<br />

der Beschwerdegründe als unzulässig und ansonsten in der<br />

Sache als unbegründet zurückzuweisen. Der VGH Baden-Württemberg<br />

hat durch Beschluss vom 4.12.2<strong>01</strong>4 die Beschwerde des<br />

Antragstellers auf dessen Kosten als unzulässig verworfen.<br />

Hieraufhin hat der Antragsgegner die Festsetzung einer 1,6<br />

Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG beantragt. Die Urkundsbeamtin<br />

der Geschäftsstelle (UdG) des VG Karlsruhe hat diesem<br />

Antrag entsprochen.<br />

Der Antragsteller hat gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

mehrere Einwendungen erhoben und zudem die Mitglieder der<br />

zuständigen Kammer des VG Karlsruhe und die UdG wegen<br />

Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das VG Karlsruhe hat das<br />

Ablehnungsgesuch gegen die Richter als offensichtlich unzulässig<br />

angesehen. Ob die Ablehnung gegen die UdG begründet sei, hat<br />

das VGH dahinstehen lassen. Selbst wenn insoweit ein Verfahrensfehler<br />

vorliegen sollte, wäre dieser nicht ursächlich für die<br />

getroffene Entscheidung – den Kostenfestsetzungsbeschluss –,<br />

da auch eine andere UdG in der Sache keine abweichende<br />

Entscheidung hätte treffen können.<br />

Im Übrigen hat das VG die Einwendungen des Antragstellers<br />

als Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gem.<br />

§§ 165, 151 VwGO angesehen, diese aber nicht als durchgreifend<br />

erachtet.<br />

II. Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten<br />

1. Gesetzliche Grundlagen<br />

Das VG hat auf die Bestimmung des § 162 Abs. 1 VwGO verwiesen,<br />

nach der die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden<br />

Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen<br />

der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens<br />

zu den Kosten des Verfahrens gehörten. Ergänzend<br />

bestimme § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die Gebühren und<br />

Auslagen eines RA stets erstattungsfähig sind. Somit sehe das<br />

Gesetz weder nach seinem – eindeutigen – Wortlaut und seiner<br />

Systematik noch nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung<br />

vor, bei der Kostenfestsetzung die Notwendigkeit der Heranziehung<br />

eines RA zu prüfen. Eine solche Notwendigkeitsprüfung<br />

als Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten<br />

sehe § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur für die Kosten des<br />

Vorverfahrens vor.<br />

2. Ausnahmen von der Erstattungsfähigkeit<br />

Nach den weiteren Ausführungen des VG werden Ausnahmen von<br />

der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten nur dann anerkannt,<br />

wenn die Hinzuziehung eines RA durch einen Beteiligten, der sich<br />

durch eigene Juristen vertreten lassen kann, gegen Treu und<br />

Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und objektiv<br />

nur dazu angetan sei, dem Gegner Kosten zu verursachen (s. VGH<br />

Baden-Württemberg NVwZ-RR 1989, 672 und NVwZ 1992, 388;<br />

OVG Lüneburg NVwZ-RR 2004, 155).<br />

a) Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

Ein solcher Ausnahmefall werde nach der obergerichtlichen<br />

Rechtsprechung dann angenommen, wenn die Vertretungsanzeige<br />

erst nach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung<br />

der Hauptsache erfolge, obwohl nur noch die Abgabe entsprechender<br />

prozessualer Erklärungen durch die hinsichtlich der zu<br />

erwartenden Kostenentscheidung kundigen Beteiligten ausstehe.<br />

Als weiteres Beispiel hat das VG Karlsruhe den Fall angeführt,<br />

in dem der Beklagte auf eine ersichtlich unzulässige oder aus<br />

sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit<br />

anwaltlicher Hilfe reagiere (so BGH <strong>RVGreport</strong> 2006, 480<br />

[Hansens] = AGS 2006, 516 für den Fall, dass das Gericht bereits<br />

eine Verwerfung des vom Gegner eingelegten Rechtsbehelfs<br />

angekündigt hat).<br />

28 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

b) Hier kein Ausnahmefall<br />

Vorliegend lag nach Auffassung des VG Karlsruhe ein solcher<br />

Ausnahmefall von der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der<br />

Anwaltskosten nicht vor. Als der Antragsgegner seine Prozessbevollmächtigten<br />

am 28.11.2<strong>01</strong>4 mit der Vertretung im Beschwerdeverfahren<br />

beauftragt hatte, musste er nicht davon<br />

ausgehen, dass die Beschwerde des Antragstellers ersichtlich<br />

unzulässig oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslos<br />

war. Immerhin habe der Antragsteller Einwendungen gegen<br />

die Rechtmäßigkeit des Anwaltszwangs erhoben. Ferner sei dem<br />

Antragsgegner jedenfalls zu jenem Zeitpunkt der gerichtliche<br />

Hinweis auf die Unzulässigkeit der Beschwerde des Antragstellers<br />

nicht mitgeteilt worden. Folgerichtig habe der Prozessbevollmächtigte<br />

des Antragsgegners auch nicht zum fehlenden<br />

Formerfordernis des § 67 Abs. 4 VwGO Stellung genommen.<br />

III. Unterbliebene Nennung des Prozessbevollmächtigten in<br />

der Kostenentscheidung<br />

Dem Antragsgegner steht nach Auffassung des VG Karlsruhe ein<br />

Anspruch auf Erstattung der Kosten des von ihm beauftragten<br />

RA auch dann zu, wenn dieser – wie es hier der Fall war – im<br />

Rubrum der Kostengrundentscheidung nicht aufgeführt worden<br />

war.<br />

1. Nennung der Parteien erforderlich<br />

Das VG hat darauf hingewiesen, dass Grundlage der Kostenfestsetzung<br />

die Kostenentscheidung des Gerichts nach § 161 Abs. 1<br />

VwGO sei. Die Kostenfestsetzung sorge für die betragsmäßige<br />

Ergänzung dieser Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung<br />

mit dem Rubrum der Entscheidung bilde ein untrennbares Ganzes,<br />

weil sich erst aus dem Rubrum ergebe, welche Personen Kostengläubiger<br />

und Kostenschuldner seien. Folglich sei die UdG bei der<br />

Kostenfestsetzung sowohl an die Kostenentscheidung als auch an<br />

das Rubrum dieser Entscheidung gebunden. Dies habe beispielsweise<br />

zur Folge, dass ohne eine nachträgliche Rubrumsberichtigung<br />

Personen, die im Rubrum nicht genannt werden, nicht als<br />

Kostengläubiger oder Kostenschuldner angesehen werden.<br />

2. Nennung des Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich<br />

Die Bindungswirkung des Rubrums im Rahmen der Kostenfestsetzung<br />

erstreckt sich nach den weiteren Ausführungen des VG<br />

jedoch nicht auf den Prozessbevollmächtigten. Die Angabe des<br />

Prozessbevollmächtigten im Rubrum der Kostengrundentscheidung<br />

sei nämlich für die Entstehung der RA-Gebühren nicht von<br />

Belang.<br />

Es sei auch weder den Regelungen der §§ 164 und 162 Abs. 1 und 2<br />

VwGO noch dem VV RVG zu entnehmen, dass eine Verfahrensgebühr<br />

nur dann erstattungsfähig sei, wenn der Prozessbevollmächtigte<br />

im Rubrum angeführt werde. Diese Aussage hat das VG<br />

Karlsruhe mithilfe zweier Fallgestaltungen untermauert.<br />

• Der Prozessbevollmächtigte, der zwar einen Sachantrag gestellt,<br />

aber noch vor der gerichtlichen Entscheidung sein<br />

Mandat niedergelegt habe und daher in der Kostenentscheidung<br />

nicht mehr als Prozessbevollmächtigter genannt werde,<br />

erhalte gleichwohl eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV<br />

RVG für seine bis dahin entfaltete Tätigkeit. Über diese sei dann<br />

im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.<br />

• Die anwaltliche Tätigkeit müsse sich noch nicht einmal in den<br />

Gerichtsakten niederschlagen. So verweist das VG auf den Fall,<br />

in dem sich der Auftrag des für das Beschwerdeverfahren<br />

bestellten Prozessbevollmächtigten vor Einlegung des Rechtsmittels<br />

oder Einreichen eines Schriftsatzes mit Sachanträgen<br />

oder Sachvortrag erledigt. In diesem Fall entstehe dem RA eine<br />

– ermäßigte – Verfahrensgebühr nach Nr. 32<strong>01</strong> VV RVG.<br />

Das VG Karlsruhe hat darauf hingewiesen, dass hier der Prozessbevollmächtigte<br />

des Antragsgegners am 28.11.2<strong>01</strong>4 seine Vertretung<br />

gegenüber dem VGH Baden-Württemberg angezeigt und<br />

am 1.12.2<strong>01</strong>4 einen Sachantrag gestellt und auf die Beschwerde<br />

des Antragstellers erwidert habe. Damit seien die Voraussetzungen<br />

für den Anfall der 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV<br />

RVG gegeben. Einer Berichtigung des Rubrums des Kostenbeschlusses<br />

des VGH vom 4.12.2<strong>01</strong>4 bedürfe es für die Erstattung<br />

dieser Gebühr nicht.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Kostenfestsetzungsverfahren<br />

Es ist in der Praxis leider häufig so: Gerade in Fällen, in denen<br />

Querulanten, wie es hier der Antragsteller zu sein scheint, tätig<br />

werden, unterlaufen den Gerichten Fehler. Hier hat der VGH<br />

Baden-Württemberg vergessen, den Prozessbevollmächtigten<br />

des Antragsgegners, der immerhin zu den Gerichtsakten zwei<br />

Schriftsätze eingereicht hatte, in das Rubrum seines Beschlusses<br />

vom 4.12.2<strong>01</strong>4 aufzunehmen. Nun hätte spätestens das VG<br />

Karlsruhe die Akten dem VGH zur Berichtigung oder Ergänzung<br />

des Rubrums vorlegen können. Dies hätte aber weiteren<br />

Arbeitsaufwand für die Gerichte erfordert und – was viel<br />

wichtiger ist – dem Antragsteller noch mehr Zeit und Gelegenheit<br />

für das Einreichen weiterer querulatorischer Schriftsätze<br />

gegeben. Deshalb hat das VG zu Recht die Auswirkungen des<br />

Fehlers des VGH auf das Kostenfestsetzungsverfahren geprüft<br />

und verneint.<br />

Gemäß § 164 VwGO setzt der UdG des ersten Rechtszugs auf<br />

Antrag (des erstattungsberechtigten Beteiligten) den Betrag der<br />

zu erstattenden Kosten fest. Grundlage hierfür ist die gerichtliche<br />

Entscheidung über die Kosten nach § 161 VwGO. Welche Kostenpositionen<br />

erstattungsfähig sind, regelt § 162 VwGO getrennt für<br />

die Gerichtskosten einerseits und die Gebühren und Auslagen<br />

eines RA oder eines Rechtsbeistandes andererseits, um die beiden<br />

am häufigsten vorkommenden Positionen zu nennen.<br />

Aus der Kostenentscheidung muss sich insoweit lediglich ergeben,<br />

wer (ggf. zu welchem Anteil) Kostengläubiger und wer Kostenschuldner<br />

ist. Im Regelfall ergeben sich die näheren Angaben<br />

hierzu aus dem vollständigen Rubrum der Kostengrundentscheidung.<br />

Zu Recht weist das VG Karlsruhe darauf hin, dass für die Kostenfestsetzung<br />

nicht auch die Angabe des oder der Prozessbevollmächtigten<br />

im Rubrum der Kostenentscheidung erforderlich<br />

ist (so von Eicken/Hellstab, Die Kostenfestsetzung, 21. Aufl.,<br />

Rn. D 73; a.A. Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl., § 164 Rn. 2,<br />

Olbertz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 164 Rn. 22; OVG<br />

Münster OVGE 9, 264). Das OVG Münster (a.a.O.) hatte jedoch<br />

seinerzeit die Erstattung der geltend gemachten Prozessgebühr<br />

nur mit der Begründung abgelehnt, der RA habe seine Bestellung<br />

als Prozessbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß angezeigt.<br />

Demgegenüber ist nach Auffassung des VG Münster (<strong>RVGreport</strong><br />

2004, 157 [Hansens]) die Nennung des bevollmächtigten RA im<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 29


Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Rubrum der Kostenentscheidung nicht erforderlich. Dies belegen<br />

auch die von dem VG Karlsruhe angeführten Fallgestaltungen, in<br />

denen der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigte nicht (mehr)<br />

in das Rubrum der gerichtlichen Entscheidung aufzunehmen ist. In<br />

einem solchen Fall muss der Erstattungsberechtigte lediglich<br />

darlegen, dass für ihn ein RA tätig gewesen ist und welche<br />

Tätigkeiten er entfaltet hat. Hier war dies für den Antragsgegner<br />

sehr einfach, da sich die Anwaltstätigkeit aus den beiden vom<br />

Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu den Gerichtsakten<br />

eingereichten Schriftsätzen ergeben hat.<br />

Dass der Erstattungsberechtigte im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

die nicht aus den Gerichtsakten ersichtlichen Tätigkeiten seines<br />

Prozessbevollmächtigten vortragen muss, ist i.Ü. nichts Besonderes.<br />

Typisch ist dies für die Terminsgebühr für Besprechungen, die<br />

sich in aller Regel nicht aus den Gerichtsakten ergeben. In einem<br />

solchen Fall hat die erstattungsberechtigte Partei dann den Anfall<br />

der Terminsgebühr durch entsprechenden Sachvortrag möglichst<br />

schon im Kostenfestsetzungsantrag darzulegen und im Streitfall<br />

glaubhaft zu machen. Für letzteres kann er sich der eidesstattlichen<br />

oder anwaltlichen Versicherung seines Prozessbevollmächtigten<br />

bedienen.<br />

2. Angefallene Verfahrensgebühr<br />

Das VG Karlsruhe ist ohne jegliche Erläuterung davon ausgegangen,<br />

dass dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners in<br />

dem vor dem VGH Baden-Württemberg geführten Beschwerdeverfahren<br />

die geltend gemachte 1,6 Verfahrensgebühr nach<br />

Nr. 3200 VV RVG angefallen ist. Dies wäre jedenfalls dann<br />

zutreffend, wenn der RA des Antragsgegners in einem der in<br />

Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 d) oder Nr. 3 a) VV RVG aufgeführten Verfahren<br />

tätig gewesen wäre. Ansonsten wäre nur die 0,5 Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 3500 VV RVG entstanden.<br />

H. Hansens<br />

Rechtsbehelfe im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG; §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2, 574 Abs. 2<br />

und 3 ZPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Die richterliche Entscheidung über die befristete Erinnerung<br />

gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach<br />

Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger ist unanfechtbar.<br />

2. Die gleichwohl erfolgte Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />

bindet das Rechtsbeschwerdegericht nicht, weil eine<br />

Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen<br />

ist, auch bei irriger Rechtsmittelzulassung unanfechtbar<br />

bleibt.<br />

BGH, Beschl. v. 12.5.2<strong>01</strong>5 – II ZB 18/14<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger hatte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des<br />

Rechtspflegers des LG Chemnitz wegen eines Betrags von 113,05 €<br />

Erinnerung eingelegt. Der Rechtspfleger hat dieser Erinnerung<br />

nicht abgeholfen und sie der Kammer vorgelegt. Diese hat die<br />

Erinnerung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde an den<br />

BGH zugelassen. Für die Durchführung dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens<br />

hat der Kläger die Bewilligung von PKH beantragt. Dies<br />

hat der BGH abgelehnt.<br />

II. Rechtsbehelfe im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

Der BGH hat den Antrag auf Bewilligung von PKH deshalb<br />

abgelehnt, weil die Rechtsbeschwerde nicht statthaft sei und<br />

daher keine Aussicht auf Erfolg habe (§ 114 Satz 1 ZPO).<br />

Im Hinblick auf den Umfang der vom Kläger beantragten Abänderung<br />

i.H.v. 113,05 € sei gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

des Rechtspflegers allein die befristete Erinnerung gem. § 11<br />

Abs. 2 Satz 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 ZPO<br />

gegeben. Nachdem der Rechtspfleger der Erinnerung nicht abgeholfen<br />

habe, habe über sie der Richter – hier das LG Chemnitz –<br />

zu entscheiden.<br />

Die richterliche Entscheidung über die befristete Erinnerung ist<br />

nach den weiteren Ausführungen des BGH unanfechtbar (s. BGH<br />

NZI 2<strong>01</strong>4, 724; BGH ZIP 2<strong>01</strong>1, 1170, jeweils für Entscheidungen des<br />

Rechtspflegers des Insolvenzgerichts). Zweck dieser befristeten<br />

Erinnerung sei allein, eine Entscheidung des Richters herbeiführen<br />

zu können. Bei dieser abschließenden Entscheidung des Richters<br />

handele es sich jedoch nicht um eine Entscheidung des LG als<br />

Beschwerdegericht. Nur dann wäre nach den weiteren Ausführungen<br />

des BGH die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 2 ZPO statthaft.<br />

III. Keine Bindungswirkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />

Gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist das Rechtsbeschwerdegericht<br />

an die Zulassung gebunden. Der BGH hat darauf hingewiesen,<br />

dass diese Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung bei der<br />

Rechtsbeschwerde nur die Bejahung der in § 574 Abs. 3 Satz 1,<br />

543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen<br />

(grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, erforderliche Entscheidung<br />

des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur<br />

Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) betreffe. Dagegen<br />

könne die Zulassung des Rechtsmittels nicht dazu führen,<br />

dass hierdurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug<br />

eröffnet werde. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine<br />

Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, auch<br />

bei – irriger – Rechtsmittelzulassung unanfechtbar bleibe.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das LG Chemnitz<br />

war hier doch recht gedankenlos, da ein Blick in § 574 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 2 ZPO genügt hätte. Danach können nur das Beschwerdegericht,<br />

das Berufungsgericht oder das OLG im ersten Rechtszug<br />

die Rechtsbeschwerde zulassen, nicht hingegen das Erinnerungsgericht.<br />

Der Grundsatz, dass eine unstatthaft erfolgte Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde das Rechtsbeschwerdegericht – also den BGH<br />

– nicht bindet, gilt auch für andere Verfahrensarten, so etwa<br />

• für das Kostenansatzverfahren (BGH <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>3, 245<br />

[Hansens] = AGS 2<strong>01</strong>3, 194),<br />

• im Verfahren betreffend den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers<br />

(BGH BRAGOreport 2002, 190 [ders.] = JurBüro 2003,<br />

30 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Streitwert<br />

1<strong>01</strong>; BGH <strong>RVGreport</strong> 2009, 200 [ders.] = AGS 2009, 193; BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2009, 38 [ders.]).<br />

Soweit sonst ein Rechtsbehelf statthaft ist, deutet der BGH die<br />

unzulässige Rechtsbeschwerde in eine weitere Beschwerde um<br />

und legt die Sache dann zur Entscheidung über die weitere<br />

Beschwerde dem OLG vor (s. etwa BGH <strong>RVGreport</strong> 2009, 38<br />

[ders.]). Diese Möglichkeit bestand hier nicht, da gegen Entscheidungen<br />

über Kosten die Beschwerde gem. § 567 Abs. 2 ZPO nur<br />

zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 €<br />

übersteigt. Das war hier nicht der Fall. Hier ging es lediglich um<br />

113,05 €.<br />

H. Hansens<br />

Streitwert<br />

Wert einer Vollstreckungsgegenklage<br />

§§ 3, 4, 767 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Der Wert einer Vollstreckungsgegenklage bemisst sich grds.<br />

nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Hauptanspruchs.<br />

Die titulierten Zinsen und Kosten erhöhen den Streitwert<br />

nicht. Das gilt auch dann, wenn sich die Vollstreckungsgegenklage<br />

nicht nur gegen die Vollstreckung aus einem Urteil,<br />

sondern auch gegen die Vollstreckung aus einem in diesem<br />

Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet.<br />

BGH, Beschl. v. 22.10.2<strong>01</strong>5 – IX ZR 115/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger hatte sich mit seiner vor dem LG München I erhobenen<br />

Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus einem<br />

Urteil dieses Gerichts vom 20.5.2003 über 11.052,52 € nebst Kosten<br />

und Zinsen und aus zwei in diesem Verfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen<br />

über 2.300,20 € und 361,90 € jeweils<br />

nebst Zinsen gewandt. Seine Klage hatte in erster Instanz Erfolg.<br />

Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG München das<br />

erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.<br />

Hiergegen hat der Kläger frist- und formgerecht Nichtzulassungsbeschwerde<br />

beim BGH eingelegt. Um diese begründen zu können,<br />

hat er während der Begründungsfrist die Bewilligung von PKH<br />

beantragt. Der BGH hat diesen Antrag zurückgewiesen.<br />

II. Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde<br />

Nach Auffassung des BGH war dem Kläger die beantragte PKH zur<br />

Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu versagen,<br />

weil seine beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende<br />

Aussicht auf Erfolg biete (§ 114 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde<br />

sei nämlich gem. § 26 Nr. 8 EGZPO nicht zulässig, weil<br />

der Wert der mit ihr geltend gemachten Beschwer 20.000 € nicht<br />

übersteige.<br />

III. Wert einer Vollstreckungsgegenklage<br />

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass der Wert einer Vollstreckungsgegenklage<br />

sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung<br />

der Zwangsvollstreckung bemesse. In diesem Umfang<br />

entscheide der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs einschließlich<br />

etwaiger Rückstände ohne Zinsen und ohne Kosten des<br />

Vorprozesses. Hierbei sei der Nennbetrag des vollstreckbaren<br />

Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen.<br />

Ein neben der Hauptsache mit der Vollstreckungsgegenklage<br />

angefochtener Kostenfestsetzungsbeschluss erhöht nach den<br />

weiteren Ausführungen des BGH den Wert nicht (so bereits BGH<br />

WM 1956, 144; BGH NJW 1968, 1275; OLG Celle AGS 2<strong>01</strong>0, 36).<br />

Das hatte hier zur Folge, dass der Wert der Beschwer der<br />

Nichtzulassungsbeschwerde unter 20.000 € lag. Das Urteil des<br />

LG München I, dessen Vollstreckung der Kläger verhindern<br />

wollte, lautete nämlich im Nennbetrag auf 11.952,52 €. Die Zinsen<br />

auf die Hauptforderung und die Nennbeträge der beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse<br />

einschließlich der hieraufhin geschuldeten<br />

Zinsen waren somit bei der Berechnung der Beschwer nicht<br />

zu berücksichtigen.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Wert einer Vollstreckungsgegenklage<br />

Vorliegend ging es um den Wert der Beschwer, mithin um den<br />

für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblichen<br />

Wert. Damit sind für die Berechnung des Wertes der Beschwer die<br />

Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO maßgebend.<br />

a) Klage gegen Hauptsachetitel und Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

Gemäß § 4 Abs. 1 HS 2 ZPO bleiben dabei Zinsen und Kosten<br />

unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht<br />

werden. Hierunter fallen nach allgemeiner Auffassung in<br />

Rechtsprechung und Literatur (s. hierzu etwa Zöller/Herget, ZPO,<br />

30. Aufl., § 3 Rn. 16 „Vollstreckungsabwehrklage“; MünchKomm-<br />

ZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 3 Rn. 130 und § 4 Rn. 24) auch Kosten,<br />

die in einem mit der Vollstreckungsgegenklage neben dem<br />

Hauptsachetitel ebenfalls angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

festgesetzt worden sind. Dabei handelt es sich nämlich<br />

um die Kosten des Vorprozesses.<br />

b) Klage nur gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

Anders liegt der Fall, wenn sich die Vollstreckungsgegenklage nur<br />

gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet. Dann bildet der<br />

Nennbetrag der darin festgesetzten Kosten den Streitwert,<br />

wobei die ggf. mit titulierten Zinsen wiederum gem. § 4 Abs. 1<br />

HS 2 ZPO als Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben.<br />

c) Klage gegen Teilforderung<br />

Richtet sich die Vollstreckungsgegenklage nur gegen eine Teilforderung,<br />

so ist auch nur der Nennbetrag dieser Teilforderungen<br />

für die Streitwertbemessung maßgeblich (BGH NJW-RR<br />

2006, 1146 = <strong>RVGreport</strong> 2006, 160 LS).<br />

2. Einfluss auf die Anwaltsgebühren<br />

Die von dem BGH herangezogenen Entscheidungen der §§ 3 ff.<br />

ZPO betreffen nur die Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwertes<br />

bzw. hier des Wertes der Beschwer. Für die Bemessung der<br />

Gerichtskosten sind die Wertvorschriften der §§ 39 ff. GKG<br />

maßgebend. Nach § 43 Abs. 1 GKG bleiben auch für den<br />

Streitwert die Zinsen auf die Hauptforderung und auf die<br />

festgesetzten Kosten sowie die in den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen<br />

festgesetzten Kosten als Nebenforderungen<br />

unberücksichtigt. Somit bemisst sich der für die Berechnung der<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 31


Rechtsprechungsreport – Streitwert<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert in dieser Sache ebenfalls<br />

auf den Nennbetrag der Urteilsforderung i.H.v. 11.952,52 €.<br />

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt sich der für die<br />

Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebliche Gegenstandswert<br />

nach den Streitwertvorschriften des GKG. Er beträgt somit<br />

ebenfalls 11.952,52 €.<br />

3. Festsetzung des Wertes des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens<br />

Vorliegend hat der BGH den Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens<br />

auf 11.952,42 € (richtig: 11.952,52 €) festgesetzt. Eine<br />

Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, da der BGH ja über<br />

den PKH-Antrag des Klägers, nicht jedoch über seine Nichtzulassungsbeschwerde<br />

entschieden hat. Und für die Entscheidung<br />

im PKH-Bewilligungsverfahren bedurfte es einer Wertfestsetzung<br />

nicht, da für die Zurückweisung des PKH-Antrags keine Gerichtskosten<br />

anfallen. Auch für die Zurückweisung einer Beschwerde im<br />

PKH-Verfahren wäre i.Ü. eine Festsetzung des Streitwertes<br />

unzulässig, weil dann die wertunabhängige Festgebühr nach<br />

Nr. 1812 GKG KV ausgelöst wird.<br />

Gleichwohl zeigt die Entscheidung des BGH zeigt eingängig das<br />

Zusammenspiel zwischen der Ermittlung des Wertes der Beschwer,<br />

dem Streitwert für die Berechnung der Gerichtsgebühren<br />

und dem Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren.<br />

H. Hansens<br />

Streitwert für ein Richterablehnungsverfahren<br />

§ 3 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Der Streitwert für ein Ablehnungsverfahren gegen einen<br />

Richter bestimmt sich nach dem Streitwert des zugrunde<br />

liegenden Rechtsstreits.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 28.7.2<strong>01</strong>5 – 32 W 9/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Das OLG Hamm hatte über eine Beschwerde gegen einen<br />

Beschluss des LG Münster betreffend die Ablehnung eines<br />

Richters befunden und den Streitwert auf den Streitwert des<br />

zugrunde liegenden Rechtsstreits festgesetzt. Hiergegen hat eine<br />

der Parteien Gegenvorstellungen mit dem Ziel erhoben, für das<br />

Beschwerdeverfahren nur einen Bruchteil des Streitwertes in der<br />

Hauptsache anzusetzen. Das OLG Hamm hat die Gegenvorstellung<br />

zurückgewiesen.<br />

II. Streitwert für ein Richterablehnungsverfahren<br />

1. Wert der Hauptsache<br />

Es entspricht der allgemeinen Auffassung in der Rechtsprechung,<br />

dass in einem Richterablehnungsverfahren der Beschwerdewert<br />

dem Wert der Hauptsache entspricht (BGH NJW 1968, 796; BGH<br />

NJW-RR 2007, 776; OLG Bremen AGS 2<strong>01</strong>1, 513; OLG Düsseldorf<br />

AGS 2008, 499 für die Richterablehnung im Rahmen eines<br />

Zwangsversteigerungsverfahrens; OLG Frankfurt/M. MDR 2007,<br />

674; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1091).<br />

2. Bruchteil des Hauptsachewertes<br />

Lediglich vereinzelt nimmt die Rechtsprechung nur einen Anteil<br />

vom Streitwert des Hauptverfahrens an (OLG Rostock OLGR<br />

Rostock 2006, 586; BFH Beschl. v. 16.11.2000 – VI E 3/98: 10 % des<br />

Hauptsachestreitwertes je abgelehnten Richter). Dem hat sich die<br />

Literatur weitgehend angeschlossen (MünchKom-ZPO/Wöstmann,<br />

4. Aufl., § 3 Rn. 110; Hartmann, KostG, 45. Auflage, Anh. I<br />

§ 48 GKG [§ 3 ZPO „Ablehnung des Richters“]; Schneider/Herget,<br />

Streitwertkommentar, 13. Aufl. Rn. 936 ff. mit ausführlicher<br />

Darstellung auch der Gegenauffassung).<br />

3. Auffassung des OLG Hamm<br />

Seine Auffassung, es sei der Hauptsachewert anzusetzen, hat das<br />

OLG Hamm damit begründet, die Zwischenentscheidung über<br />

die Richterablehnung habe aus Sicht einer Partei keine geringere<br />

Bedeutung als die Entscheidung in der Hauptsache. Der<br />

Richter werde nämlich in der Befürchtung abgelehnt, er werde<br />

infolge seiner Befangenheit in der Hauptsache zum Nachteil der<br />

Partei entscheiden. Mithin decke sich das Interesse der ablehnenden<br />

Partei an der Nichtmitwirkung des Richters regelmäßig<br />

mit ihrem Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Im Falle einer<br />

erfolgreichen Ablehnung sei der Richter dann für den gesamten<br />

Rechtsstreit von dem Richteramt ausgeschlossen.<br />

Aus dem Umstand, dass im Ablehnungsverfahren nicht der<br />

gesamte Streitstoff des Rechtsstreits zu beurteilen ist, ergibt<br />

sich nach Auffassung des OLG Hamm nichts anderes. Letztlich<br />

gehe es um die Frage des gesetzlichen Richters und damit um<br />

eine mögliche Verletzung des Grundgesetzes, nämlich die Besetzung<br />

des Gerichts durch unbefangene Richter.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung des OLG Hamm entspricht der ganz überwiegenden<br />

Auffassung in der neueren Rechtsprechung. Sie hat nur<br />

einen kleinen Fehler. Die Gegenvorstellung hätte Erfolg haben<br />

müssen, da die in der Beschwerdeentscheidung des OLG Hamm<br />

erfolgte Streitwertfestsetzung unzulässig war. Hatte die Beschwerde<br />

Erfolg, so war bereits keine gerichtliche Gebühr<br />

angefallen. Hatte das OLG Hamm jedoch die Beschwerde im<br />

Ablehnungsverfahren zurückgewiesen, ist hierdurch nach Nr. 1812<br />

GKG KV die dort bestimmte Festgebühr i.H.v. 60 € angefallen.<br />

Damit waren die Voraussetzungen der einzigen in Betracht<br />

kommenden Gesetzesvorschrift des § 63 GKG (die Gebühren<br />

richten sich nach dem Streitwert) nicht erfüllt.<br />

Es ist auch nicht ersichtlich, dass das OLG Hamm entgegen der<br />

mehrmaligen Verwendung des Begriffs „Streitwert“ tatsächlich<br />

den für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen<br />

Gegenstandswert festgesetzt hätte. Denn hierfür hätte es gem.<br />

§ 33 Abs. 1 RVG eines besonderen Antrags des RA oder der<br />

Partei oder des erstattungspflichtigen Gegners bedurft.<br />

Zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Richterablehnungsverfahren<br />

s. OLG Celle <strong>RVGreport</strong> 2<strong>01</strong>0, 350 (Hansens) = zfs<br />

2<strong>01</strong>0, 641 mit Anm. Hansens.<br />

H. Hansens<br />

32 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Prozesskostenhilfe<br />

Prozesskostenhilfe<br />

Behandlung eines Klageentwurfs<br />

mit PKH-Antrag als unbedingte<br />

Klage<br />

§§ 114 ff. ZPO, § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Behandelt ein Verwaltungsgericht einen Klageentwurf (hier:<br />

im Rahmen eines isolierten Antrags auf Bewilligung von<br />

Prozesskostenhilfe) zu Unrecht als Klage und weist es die<br />

vermeintliche Klage ab, so ist das Urteil im Berufungsverfahren<br />

aufzuheben und gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG<br />

auszusprechen, dass Gerichtskosten nicht erhoben werden.<br />

VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.10.2<strong>01</strong>5 – 9 S 1048/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der vom Gericht als Kläger bezeichnete Antragsteller reichte beim<br />

AG Rottweil ein mit der Bezeichnung „Vollstreckungsabwehrklage …<br />

“ überschriebenes Telefax ein. Dieses enthielt verschiedene Anträge<br />

und die Erklärung, er sei vermögenslos. In dem Telefax führte der<br />

Kläger ferner wörtlich aus: „Weiter wird PKH Antrag gestellt, da der<br />

Kläger kein eigenes Einkommen o.a. besitzt (Schüler). Die Klage erfolgt<br />

nicht mutwillig. Bei nicht Bewilligung ist die Klage nicht durchzuführen.“<br />

Das zunächst angerufene AG Rottweil verwies den Rechtsstreit<br />

nach Anhörung der Beteiligten an das VG Freiburg, wo das<br />

Verfahren als Klage mit zusätzlichem PKH-Antrag geführt wurde.<br />

Das VG lehnte den PKH-Antrag des Klägers ab und fragte, ob die<br />

Klage zurückgenommen werde. Hieraufhin teilte der Kläger mit,<br />

es habe sich um eine „bedingte Klage“ gehandelt. Es sei lediglich<br />

„bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe“ Klage erhoben worden.<br />

Das VG Freiburg hat gleichwohl an der Behandlung als Klage<br />

festgehalten und die Klage dann abgewiesen. Auf die zugelassene<br />

Berufung hat der VGH Baden-Württemberg das Urteil des VG<br />

Freiburg aufgehoben und angeordnet, dass die gerichtlichen<br />

Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge nicht erhoben würden.<br />

II. Gleichzeitiger PKH-Antrag und Klageschrift<br />

1. Einzelne Fallgestaltungen<br />

Wird bei Gericht gleichzeitig mit einem PKH-Antrag ein Schriftsatz<br />

eingereicht, der – wie hier – allen an eine Klageschrift zu stellenden<br />

Anforderungen entspricht, sind nach Auffassung des VGH Baden-<br />

Württemberg grds. drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen:<br />

• Der Schriftsatz kann eine unabhängig von der PKH-Bewilligung<br />

erhobene Klage sein.<br />

• Es kann sich ferner um eine unter der Bedingung der PKH-<br />

Gewährung erhobene und damit unzulässige Klage handeln.<br />

• Schließlich kann der Schriftsatz lediglich einen der Begründung<br />

des PKH-Antrags dienenden Entwurf der zukünftig zu erhebenden<br />

Klage darstellen.<br />

2. Auslegung des Begehrens an Hand der erkennbaren<br />

Umstände<br />

Welche dieser Fallgestaltungen vorliegt, ist nach den weiteren<br />

Ausführungen des VGH eine Frage der Auslegung der im jeweiligen<br />

Einzelfall zu beurteilenden Prozesshandlungen. Dabei<br />

komme es nicht auf den inneren Willen der Beteiligten an.<br />

Maßgeblich sei vielmehr der in der Erklärung verkörperte Wille<br />

unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände des Falles.<br />

In Anlegung dieser Grundsätze war das in dem zunächst an das<br />

AG Rottweil gerichtete Telefax formulierte Begehren nicht als<br />

Klage zu betrachten. Unter Auslegung der Formulierungen des<br />

Klägers kommt der VGH zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine –<br />

lediglich für später beabsichtigte – Klageerhebung von der<br />

Bewilligung von PKH abhängig machen wollte. Dies hat der<br />

VGH u.a. aus der Formulierung gefolgert: „Bei nicht Bewilligung ist<br />

die Klage nicht durchzuführen.“ Dieser Satz ergebe nur dann Sinn,<br />

wenn die spätere Klageerhebung unter dem Vorbehalt der PKH-<br />

Bewilligung gestellt werden sollte. Damit habe sich das vom<br />

Kläger verfolgte Ziel verwirklichen lassen, dass Risiko auszuschließen,<br />

Gerichtskosten und etwaige außergerichtliche Kosten der<br />

Gegenseite tragen zu müssen.<br />

Hierzu hat der VGH darauf verwiesen, dass von einem rechtsunkundigen<br />

Rechtsschutzsuchenden nicht erwartet werden<br />

könne, dass er juristische Fachbegriffe beherrsche und die<br />

prozessuale Bedeutung und Tragweite von Willensbekundungen<br />

genau erkenne. Vielmehr sei bei der Ermittlung des wirklichen<br />

Willens zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er<br />

denjenigen Rechtsbehelf einlegen wolle, der nach Lage der Sache<br />

seinen Belangen entspreche und eingelegt werden müsse, um<br />

den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen. Dem habe hier<br />

nur ein isolierter PKH-Antrag entsprochen.<br />

Schließlich hat der VGH noch darauf hingewiesen, dass ein PKH-<br />

Gesuch nicht schließlich dadurch zu einer wirksamen Klageschrift<br />

werde, dass es von einem VG so behandelt und als Klage beschieden<br />

werde.<br />

III. Entscheidung über die Kosten<br />

1. Gerichtskosten<br />

Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss angeordnet,<br />

dass die gerichtlichen Kosten des Verfahrens beider<br />

Rechtszüge wegen unrichtiger Sachbehandlung gem. § 21<br />

Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben seien. Bei richtiger Behandlung<br />

der Sache durch das VG wären nämlich die Gerichtskosten nicht<br />

entstanden. Denn dem VG habe die Prüfung oblegen, ob eine<br />

wirksame Klage vorliege, was hier nicht der Fall sei. Wenn somit<br />

ein PKH-Antrag irrtümlich als Klage beschieden werde, sei nach<br />

§ 21 GKG zu verfahren. Der VGH hat ferner darauf hingewiesen,<br />

dass diese Vorschrift auch dann anwendbar sei, wenn das<br />

Berufungsverfahren selbst nicht an einem Mangel i.S.d. § 21<br />

GKG leide.<br />

2. Außergerichtliche Kosten<br />

Die außergerichtlichen Kosten hat der VGH dem Kläger nach den<br />

gesetzlichen Kostenregelungen der §§ 154 ff. VwGO auferlegt.<br />

Maßgeblich hierfür war das Veranlasserprinzip, nach dem<br />

derjenige die Kosten zu tragen habe, durch dessen Verhalten sie<br />

verursacht worden sind. Das sei hier der Kläger gewesen.<br />

Eine direkte oder entsprechende Anwendung von § 21 GKG<br />

kommt demgegenüber nach Auffassung des VGH auf die<br />

außergerichtlichen Kosten nicht in Betracht. Es sei trotz der<br />

unrichtigen Sachbehandlung durch das VG mangels gesetzlicher<br />

Grundlage nicht möglich, außergerichtliche Kosten der Beteiligten<br />

der Staatskasse aufzuerlegen.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 33


Rechtsprechungsreport – Prozesskostenhilfe<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Eine Auferlegung der Kosten auf den Beklagten kam demgegenüber<br />

nach Auffassung des VGH ebenfalls nicht in Betracht. Dieser<br />

hätte die Kosten nur zu tragen, wenn er unterlegen wäre. Davon<br />

könne hier jedoch sinnvoll nicht gesprochen werden, da er bei<br />

richtiger Sachbehandlung schon nicht als Beklagter hätte angesehen<br />

werden dürfen. Der Beklagte habe auch nichts zum<br />

Verfahren beigetragen, was dazu geführt hätte, dass die Eingabe<br />

des Klägers vom VG als Klage verstanden wurde.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Vorliegend hat es sich um die Auslegung eines Schriftsatzes eines<br />

juristischen Laien gehandelt. Jedoch haben die Gerichte nicht<br />

selten Probleme, entsprechende Anwaltsschriftsätze auszulegen.<br />

Auch aus Anwaltsschreiben wird häufig nicht deutlich, ob<br />

zunächst nur ein isoliertes PKH-Verfahren betrieben werden<br />

soll und die Klage erst nach antragsgemäßer Bewilligung der PKH<br />

erhoben werden soll. Um dies klarzustellen, empfehlen sich<br />

folgende Formulierungen:<br />

• Bereits in der Überschrift sollte der Schriftsatz als „Isolierter<br />

PKH-Antrag mit beigefügtem Klageentwurf“ bezeichnet werden.<br />

• Der beigefügte Klageentwurf sollte ausdrücklich als solcher<br />

bezeichnet und nicht unterschrieben werden.<br />

• Ferner sollte hervorgehoben im PKH-Antrag vermerkt werden:<br />

„Eine Klage wird erst nach positiver Entscheidung über diesen<br />

isolierten PKH-Antrag erhoben.“<br />

Durch diese Formulierungen wird dann unmissverständlich klargestellt,<br />

dass es sich lediglich um einen isolierten PKH-Antrag für<br />

eine beabsichtigte Klage handelt (vgl. hierzu auch Toussaint NJW<br />

2<strong>01</strong>4, 3209).<br />

H. Hansens<br />

PKH-Belege sind sortiert mit<br />

entsprechenden Belegnummern<br />

einzureichen<br />

§§ 114, 117 Abs. 4, 120a Abs. 1 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Es kann von einer um Prozesskostenhilfe nachsuchenden<br />

Partei jedenfalls dann, wenn es sich um eine Vielzahl von<br />

Belegen handelt (Anlagenkonvolut), erwartet werden, dass sie<br />

dem Gericht zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

die Belege sortiert und unter Verwendung von im Antragsformular<br />

eingetragenen Belegnummern vorlegt. Es ist nicht<br />

Aufgabe des Gerichts, sich durch eine unsortierte Vielzahl von<br />

Belegen durchzuarbeiten und zu versuchen, die dort belegten<br />

Beträge den Eintragungen in dem PKH-Formular zuzuordnen<br />

und auf ihre Relevanz für das PKH-Bewilligungsverfahren in<br />

Abgrenzung zu den Voraussetzungen eines etwaigen Abänderungsverfahrens<br />

gem. § 120a Abs. 1 ZPO hin zu überprüfen.<br />

LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 19.2.2<strong>01</strong>5 – 5 Ta 25/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger hatte in seiner beim ArbG Kiel eingereichten Klage<br />

zugleich beantragt, ihm PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten<br />

zu bewilligen. Dem war eine Erklärung über<br />

seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem<br />

Kontoauszug, einer Gehaltsbescheinigung seiner Ehefrau und<br />

einer Gehaltsabrechnung seiner Ausbildungsvergütung beigefügt.<br />

Das ArbG hat den Kläger durch Beschluss vom 29.8.2<strong>01</strong>4 aufgefordert,<br />

seine aktuelle Einkommenssituation darzulegen und<br />

glaubhaft zu machen. Mit Schriftsatz vom 3.9.2<strong>01</strong>4 hat der Kläger<br />

eine Bescheinigung des Krankengeldbezugs sowie weitere, unsortierte<br />

Unterlagen zum PKH-Heft und mit Schriftsatz vom<br />

16.9.2<strong>01</strong>4 eine neue PKH-Erklärung eingereicht. Das ArbG hat dem<br />

Kläger durch Beschluss vom 22.5.2<strong>01</strong>4 PKH unter Beiordnung<br />

seines Prozessbevollmächtigten bewilligt und eine monatliche<br />

Ratenzahlung i.H.v. 253 € angeordnet.<br />

Mit seiner hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat sich<br />

der Kläger gegen die angeordnete Ratenzahlung gewandt. Unter<br />

Berücksichtigung seiner am 16.9.2<strong>01</strong>4 abgegebenen Erklärung sei<br />

keine Ratenzahlung anzuordnen. Mit Schriftsatz vom 12.12.2<strong>01</strong>4<br />

hat der Kläger dann zur Begründung seiner Beschwerde unkommentiert<br />

ein Anlagenkonvolut zum PKH-Heft gereicht. Das ArbG<br />

Kiel hat den Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 12.1.21<strong>01</strong>5<br />

darauf hingewiesen, dass die bloße Einreichung von Unterlagen<br />

zur Begründung der Beschwerde nicht ausreichend sei. Die vom<br />

ArbG gesetzte Frist zur weitergehenden Begründung seiner Beschwerde<br />

hat der Kläger ungenutzt verstreichen lassen. Hieraufhin<br />

hat das ArbG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und<br />

sie dem LAG Schleswig-Holstein zur Entscheidung vorgelegt. Das<br />

LAG hat die Beschwerde zurückgewiesen.<br />

II. Anforderungen an Beschwerdebegründung<br />

Das LAG hat zunächst darauf hingewiesen, dass die in dem<br />

angefochtenen Beschluss angeordneten monatlichen Raten i.H.v.<br />

253 € aus dem Beschluss beigefügten Berechnungsbogen folgten.<br />

Die in diesem Berechnungsbogen eingefügten Beträge (laufendes<br />

Einkommen, Freibeträge, Unterkunftskosten) habe der Kläger mit<br />

seiner Beschwerde nicht konkret gerügt. Unter Berücksichtigung<br />

dieser Beträge ergebe sich ein einzusetzendes Einkommen i.H.v.<br />

507,25 €, so dass sich eine monatliche Rate von 253 € errechne.<br />

Dieser in sich schlüssigen und korrekten Berechnung ist der Kläger<br />

nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein nicht substantiiert<br />

entgegengetreten.<br />

1. Verweisung auf beigefügte Schriftstücke genügt nicht<br />

Das LAG Schleswig-Holstein hat darauf hingewiesen, dass es<br />

bereits nach dem allgemein gültigen zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz<br />

nicht genüge, ohne schriftsätzliche Erläuterungen<br />

und entsprechenden Tatsachenvortrag zur Begründung<br />

eines Anspruchs oder eines Rechtsmittels auf als Anlagen<br />

beigefügte Schriftstücke zu verweisen. Es sei nämlich nicht<br />

Aufgabe des Gerichts, entscheidungserheblichen Sachverhalt aus<br />

den eingereichten Unterlagen herauszusuchen (so auch BGH IBR<br />

2<strong>01</strong>4, 188 mit Anm. Elzer). Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung<br />

des LAG auch im PKH-Verfahren.<br />

2. Belege sind mit Belegnummern zu versehen<br />

Ein bloßer Verweis auf ein Anlagenkonvolut ohne irgendeine<br />

Strukturierung und ohne Differenzierung zwischen Gründen, die<br />

bereits bei Abfassung des angefochtenen Beschlusses vorgelegen<br />

hätten und solchen, die erst im Nachhinein entstanden seien,<br />

34 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Gerichtskosten<br />

genügten für die Begründung der sofortigen Beschwerde nicht.<br />

Das LAG hat darauf hingewiesen, dass sich die bedürftige Partei<br />

gem. § 117 Abs. 4 ZPO der Formulare für die „Erklärung über die<br />

persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ bedienen müsse.<br />

Für den Umfang der PKH-Bewilligung seien die dort eingetragenen<br />

und belegten Beträge maßgeblich. Somit habe der<br />

Antragsteller die im PKH-Vordruck eingetragenen Einkommen<br />

und Belastungen durch Beifügung entsprechender Belege glaubhaft<br />

zu machen. Die einzelnen Belege seien den Eintragungen im<br />

Formular durch entsprechende Belegnummern zuzuordnen.<br />

3. Belege sind zu sortieren<br />

Der Kläger sei bereits vom ArbG darauf hingewiesen worden,<br />

dass der Verweis auf ein Anlagenkonvolut keine schlüssige<br />

Beschwerdebegründung ersetze. Von einer um PKH nachsuchenden<br />

Partei kann nach Auffassung des LAG jedenfalls dann,<br />

wenn es sich wie vorliegend um eine Vielzahl von Belegen<br />

handele, erwartet werden, dass sie dem Gericht zum Nachweis<br />

ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die Belege sortiert und unter<br />

Verwendung von im Antragsformular eingetragene Belegnummern<br />

vorlegt. Nach den weiteren Ausführungen des LAG ist es<br />

nicht Aufgabe des die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die<br />

Bewilligung von PKH prüfenden Gerichts, sich durch eine<br />

unsortierte Vielzahl von Belegen durchzuarbeiten und zu versuchen,<br />

die dort belegten Beträge den Eintragungen in dem<br />

PKH-Formular zuzuordnen und auf ihre Relevanz für das PKH-<br />

Bewilligungsverfahren in Abgrenzung zu den Voraussetzungen<br />

eines etwaigen Abänderungsverfahrens nach § 120a Abs. 1 ZPO<br />

hin zu überprüfen.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Anforderungen im VKH-/PKH-Bewilligungsverfahren<br />

Auch das OLG Koblenz (Beschl. v. 11.6.2<strong>01</strong>3 – 13 WF 499/13) hat für<br />

das VKH-Bewilligungsverfahren entschieden, dass die Vorlage<br />

einer unsortierten Vielzahl von Belegen nicht den Anforderungen<br />

an die Darlegung und den Nachweis von Ausgaben genüge. Es sei<br />

auch nicht Aufgabe des Gerichts, auf Kontoauszügen ersichtliche,<br />

aber für den Antrag auf VKH nicht relevante Buchungen von den<br />

relevanten zu trennen und letztere den Eintragungen im Antragsformular<br />

zuzuordnen. Dafür hat das OLG Koblenz die Verwendung<br />

von im Antragsformular eingetragenen Belegnummern für erforderlich<br />

gehalten.<br />

Der Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse sieht in seiner rechten Spalte die<br />

Aufführungen von Beleg-Nummern vor. Ein unvollständiges<br />

Ausfüllen des Vordrucks rechtfertigt jedoch die Versagung der<br />

PKH nur, wenn sich das Gericht kein zuverlässiges Bild über die<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers machen kann<br />

(s. OLG Naumburg JurBüro 1994, 231). Dies gilt auch aus dem<br />

Grund, dass die Formulare eine Hilfe für das Gericht sind, nicht<br />

jedoch Voraussetzung der Entscheidung. Deshalb ist ein unvollständiges<br />

Ausfüllen dann unschädlich, wenn Lücken durch<br />

eine beigefügte zusätzliche Erklärung oder beigefügte Belege<br />

oder durch Parteivortrag geschlossen werden können (vgl. BGH<br />

FamRZ 2<strong>01</strong>0, 283).<br />

2. Übertragung der Grundsätze auf das Beschwerdeverfahren<br />

Das LAG Schleswig-Holstein hat das Erfordernis der geordneten<br />

Darstellung und der Angabe von Belegnummern auf das<br />

Beschwerdeverfahren übertragen. Eine Rechtsgrundlage hat es<br />

hierfür nicht genannt. Dem LAG ist jedoch zuzustimmen, wenn<br />

die Beschwerde keinerlei Begründung enthält und der Beschwerdeführer<br />

lediglich auf eine Vielzahl von Belegen und Unterlagen<br />

verweist. Ab welchem Umfang sich das Beschwerdegericht dann<br />

noch durch diese Unterlagen durcharbeitet, richtet sich dann<br />

nach dem Engagement des betreffenden Richters. Vorliegend<br />

ergibt sich aus den Gründen des Beschlusses des LAG Schleswig-<br />

Holstein nicht, wie viele Seiten das Anlagenkonvolut umfasst hat,<br />

so dass nicht nachvollzogen werden kann, ob eine Durcharbeitung<br />

den LAG-Richtern noch zumutbar oder möglich gewesen<br />

wäre.<br />

Dem mitgeteilten Sachverhalt lässt sich auch nicht entnehmen, ob<br />

die Beschwerdebegründung von dem Prozessbevollmächtigten<br />

des Klägers verfasst wurde oder vom Kläger persönlich. Bei einem<br />

RA kann man durchaus strengere Anforderungen an die Begründung<br />

der Beschwerde nebst Bezeichnung und Ordnung der Belege<br />

richten als an eine Naturalpartei. Bei wirtschaftlich schwachen<br />

Bürgern, die – wie hier – erfolgreich um PKH-Bewilligung<br />

nachsuchen, kann man oft auch nicht erwarten, dass sie im<br />

Umgang mit Behörden vertraut sind und deren Anforderungen<br />

erfüllen können.<br />

H. Hansens<br />

Gerichtskosten<br />

Kein Anspruch des Kostenschuldners<br />

auf Absehen des Kostenansatzes<br />

gem. § 10 KostVfg<br />

§§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 21 GKG; Nr. 6500, 65<strong>01</strong> GKG<br />

KostVerz.; § 10 KostVfg<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Die Vorschrift des § 10 KostVfg, nach der der Kostenbeamte<br />

in bestimmten Fällen vom Ansatz der Kosten<br />

absehen darf, gilt als Verwaltungsvorschrift nur im<br />

Innenverhältnis zwischen dem Kostengläubiger und dem<br />

Kostenbeamten.<br />

2. Im Außenverhältnis zwischen dem Kostengläubiger und<br />

dem Kostenschuldner eröffnet § 10 KostVfg. hingegen<br />

kein subjektiv öffentliches Recht auf Absehen vom Gerichtskostenansatz.<br />

BFH, Beschl. v. 18.8.2<strong>01</strong>5 – III E 4/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Mit seiner am 29.12.2<strong>01</strong>4 beim BFH eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde<br />

hatte sich der Kläger gegen das Urteil<br />

des Hess. FG vom 28.10.2<strong>01</strong>4 gewandt. Durch Beschluss vom<br />

18.2.2<strong>01</strong>5 stellte der BFH das Verfahren ein, nachdem der Kläger<br />

seine Beschwerde zurückgenommen hatte. Hieraufhin setzte<br />

die Kostenstelle des BFH gegen den Kläger eine 1,0 Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 65<strong>01</strong> GKG KostVerz. i.H.v. 4.616 € an.<br />

Grundlage der Berechnung dieser Verfahrensgebühr war eine<br />

Ermittlung des Streitwertes in einem Schreiben des Beklagten<br />

vom 26.3.2<strong>01</strong>5.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 35


Rechtsprechungsreport – Gerichtskosten<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Mit seiner gegen diesen Gerichtskostenansatz gerichteten Erinnerung<br />

macht der Kläger geltend, es liege eine unrichtige Sachbehandlung<br />

gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG vor. Dies hat der Kläger darauf<br />

gestützt, ihm sei hinsichtlich des Schreibens vom 26.3.2<strong>01</strong>5, das der<br />

Streitwertberechnung zugrunde lag, kein rechtliches Gehör gewährt<br />

worden. Außerdem habe er die Nichtzulassungsbeschwerde nur<br />

vorsorglich eingelegt. Schließlich sei vom Ansatz der Gerichtskosten<br />

gem. § 10 Abs. 1 KostVfg deshalb abzusehen, weil eine Zwangsvollstreckung<br />

in sein Grundstück ergebnislos verlaufen sei. Auch die<br />

Nichtbeachtung des § 10 KostVfg sei eine unrichtige Sachbehandlung.<br />

Zusätzlich hat der Kläger geltend gemacht, aufgrund seiner<br />

finanziellen Verhältnisse sei ein Kostenerlass angezeigt.<br />

Die Kostenstelle des BFH hat der Erinnerung nicht abgeholfen und<br />

diese dem hierfür zuständigen Einzelrichter des BFH vorgelegt.<br />

Dieser hat die Erinnerung zurückgewiesen.<br />

II. Anfall der Gerichtskosten<br />

Die Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren<br />

richten sich nach den Ausführungen des BFH nach Nr. 6500, 65<strong>01</strong><br />

GKG KostVerz., wobei hier wegen der Zurücknahme der Beschwerde<br />

die 1,0 Verfahrensgebühr nach der letztgenannten<br />

Vorschrift angefallen sei. Die Gebührentatbestände unterschieden<br />

sich nur nach der Art des Abschlusses des Verfahrens. Demgegenüber<br />

sei die Frage, aus welchen Gründen das Verfahren eingeleitet<br />

wurde und dabei insb. das Maß der bei Einlegung stattgefundenen<br />

Prüfung der Erfolgsaussichten durch den Kläger, gebührenrechtlich<br />

nicht relevant.<br />

III. Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz<br />

Der BFH hat darauf hingewiesen, dass mit der Erinnerung gem.<br />

§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG lediglich Einwendungen erhoben werden<br />

können, die sich gegen den Kostenansatz richten. Dies betreffe<br />

etwa den Ansatz einzelner Kosten oder deren Höhe oder den<br />

ihnen zugrunde liegenden Streitwert. In dieser Hinsicht weise der<br />

vom Kläger angefochtene Kostenansatz keine Rechtsfehler auf.<br />

Dies gilt nach den weiteren Ausführungen des BFH auch insoweit,<br />

als der Kläger geltend gemacht hatte, er sei zu den Schreiben des<br />

Beschwerdegegners vom 26.3.2<strong>01</strong>5, das der Streitwertberechnung<br />

zugrunde gelegt wurde, nicht gehört worden. Hieraus ergebe sich<br />

nämlich weder, dass einzelne Kosten dem Grunde oder der Höhe<br />

nach zu Unrecht angesetzt worden seien noch, dass der zugrunde<br />

liegende Streitwert fehlerhaft ermittelt wurde. Der BFH hat darauf<br />

hingewiesen, dass dem Kläger das betreffende Schreiben jedenfalls<br />

im Erinnerungsverfahren übermittelt wurde. Gleichwohl habe<br />

dieser gegen einzelne Kosten oder den Streitwert keine substantiierten<br />

Einwendungen erhoben.<br />

IV. Keine unrichtige Sachbehandlung<br />

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger<br />

Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben.<br />

Eine solche unrichtige Sachbehandlung lag hier nach Auffassung<br />

des BFH nicht vor. Die in dem Kostenansatz ausgewiesene<br />

Gebühr sei nämlich nicht durch das Verfahren des Kostenansatzes,<br />

sondern durch das Verfahren über die von dem Kläger<br />

eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde angefallen. Deshalb sei<br />

die geltend gemachte Versagung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich<br />

des Schreibens vom 26.3.2<strong>01</strong>5 keine unrichtige Sachbehandlung.<br />

Dasselbe gelte i.Ü. auch für den Vorwurf des Klägers, der<br />

Kostenbeamte hätte gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 KostVfg vom Ansatz<br />

der Kosten absehen dürfen.<br />

V. Absehen vom Kostenansatz gem. § 10 KostVfg<br />

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 KostVfg darf der Kostenbeamte vom<br />

Ansatz der Gerichtskosten nur dann absehen, wenn das dauernde<br />

Unvermögen des Kostenschuldners zur Zahlung offenkundig<br />

oder ihm aus anderen Vorgängen bekannt ist oder wenn<br />

sich der Kostenschuldner dauernd an einem Ort aufhält, an dem<br />

eine Beitreibung keinen Erfolg verspricht. Vorliegend hat das<br />

Vorbringen des Klägers wohl auf die erstgenannte Voraussetzung<br />

(dauerndes Unvermögen zur Zahlung) abgezielt. Der BFH hat<br />

darauf hingewiesen, dass der Gerichtskostenansatz eine gebundene<br />

und keine Ermessensentscheidung sei und als Verwaltungsakt<br />

im Außenverhältnis zum Bürger als Kostenschuldner ergehe.<br />

Die Bestimmung des § 10 KostVfg betreffe jedoch als Verwaltungsvorschrift<br />

nur das Innenverhältnis zwischen dem<br />

Kostengläubiger – hier also dem Bund – und dem Kostenbeamten.<br />

Diese Vorschrift lasse dabei im Außenverhältnis die<br />

Existenz des Kostenanspruchs des Gläubigers gegen den jeweiligen<br />

Kostenschuldner unberührt. Hieraus folgert der BGH, dass<br />

der Kostenschuldner aus § 10 KostVfg kein Anrecht auf Beachtung<br />

dieser Verwaltungsvorschrift durch den Kostenbeamten habe.<br />

VI. Niederschlagung der Gerichtskosten<br />

Der Kläger hatte mit seiner Erinnerung auch geltend gemacht,<br />

aufgrund seiner (schlechten) finanziellen Verhältnisse müssten die<br />

Kosten niedergeschlagen werden. Entsprechende Regelungen<br />

treffen die Haushaltsordnungen der Bundesländer und – da es<br />

hier um einen Gerichtskostenanspruch der Bundeskasse ging – die<br />

Bundeshaushaltsordnung. In § 59 dieser Bundeshaushaltsverordnung<br />

(BHO) sind die Voraussetzungen geregelt, unter denen das<br />

zuständige Bundesministerium Ansprüche stunden, niederschlagen<br />

oder erlassen kann. Der BFH hat darauf hingewiesen, dass<br />

hierüber nicht im Verfahren über die Erinnerung gegen den<br />

Gerichtskostenansatz, sondern in einem gesonderten Verfahren<br />

nach § 59 BHO im Verwaltungswege zu entscheiden sei.<br />

VII. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung des BFH ist – soweit ersichtlich – die erste<br />

höchstrichterliche Entscheidung, die sich mit dem Verhältnis vom<br />

Gerichtskostenansatz zur Bestimmung des § 10 KostVfg einerseits<br />

und den die Niederschlagung oder den Erlass von Ansprüchen<br />

regelnden Bestimmung des § 59 BHO befasst. Zur erstgenannten<br />

Bestimmung hatte bereits vor einiger Zeit der Hess. VGH NVwZ-<br />

RR 2<strong>01</strong>2, 585 ebenso wie der BFH hier entschieden.<br />

Das Absehen vom Gerichtskostenansatz nach § 10 KostVfg<br />

einerseits und die Niederschlagung der Kosten nach den Haushaltsordnungen<br />

der Länder bzw. des Bundes andererseits führen<br />

zwar zum selben Ergebnis, dass nämlich der Kostenschuldner<br />

letztlich nicht für die von ihm geschuldeten Gerichtskosten in<br />

Anspruch genommen wird. Beide haben jedoch unterschiedliche<br />

Voraussetzungen.<br />

1. Absehen vom Gerichtskostenansatz<br />

In diesem Fall werden regelmäßig zwar die Gerichtskosten<br />

berechnet, der Kostenbeamte, der die Voraussetzungen hierfür<br />

als gegeben ansieht, sieht jedoch vom Ansatz dieser Kosten ab.<br />

Dies führt dazu, dass diese Gerichtskosten von der Justizkasse<br />

oder Kosteneinziehungsstelle nicht registriert werden, gegen<br />

den Schuldner auch nicht zum Soll gestellt und schließlich<br />

nicht gegen ihn zwangsweise beigetrieben werden. Hat der<br />

Kostenbeamte – etwa aufgrund einer Mitteilung der Justizkasse/<br />

Kosteneinziehungsstelle oder aus dem Inhalt von Gerichtsakten<br />

36 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Rechtsschutz<br />

Anhaltspunkte dafür, dass eine Einziehung entgegen der ursprünglichen<br />

Annahme doch Aussicht auf Erfolg haben wird, hat<br />

er gem. § 10 Abs. 5 KostVfg die Gerichtskosten nachträglich<br />

anzusetzen. Die Gerichtskasse/Kosteneinziehungsstelle stellt<br />

dann diese Gerichtskosten ins Soll und zieht sie ggf. zwangsweise<br />

beim Kostenschuldner ein.<br />

2. Erlass und Niederschlagung<br />

Die Entscheidung über die Stundung, Niederschlagung oder den<br />

Erlass von Ansprüchen, zu denen auch Gerichtskosten gehören,<br />

nach Maßgabe der Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung<br />

(LHO) oder – wie hier des § 59 BHO –handelt es sich um eine<br />

Verwaltungsentscheidung. Diese kann ggf. im Verwaltungsrechtsweg<br />

überprüft werden. Die Entscheidung über die Niederschlagung<br />

oder den Erlass von Gerichtskosten wird im Regelfall<br />

dem Kostenbeamten mitgeteilt, der diese auf der Urschrift der<br />

Gerichtskostenrechnung vermerkt. Eine Niederschlagung der<br />

Gerichtskosten wird dem Kostenschuldner im Regelfall nicht<br />

mitgeteilt. Etwaige Zahlungen des Kostenschuldners werden<br />

dann trotz der Niederschlagung auf die Kostenforderung verbucht.<br />

Bei den drei Entscheidungsmöglichkeiten des § 59 Abs. 1 BHO –<br />

gleiches gilt für die entsprechenden Regelungen nach den LHO –<br />

handelt es sich um ein abgestuftes Verfahren. Dabei kommt der<br />

Erlass einer Forderung regelmäßig erst dann in Betracht, wenn<br />

die Voraussetzungen für eine Stundung nicht gegeben sind. Die<br />

Entscheidung trifft die hierfür zuständige Behörde nach pflichtgemäßem<br />

Ermessen (s. BSG NZS 1996, 39).<br />

H. Hansens<br />

Rechtsschutz<br />

Deckungsschutz durch Gewährung<br />

von Rechtsschutz zur Abwehr der<br />

anwaltlichen Vergütungsforderung<br />

§§ 1, 2 Abs. 1a) und Abs. 2 ARB 1975, § 158 n. Satz 3 a.F. VVG<br />

Leitsätze des Gerichts:<br />

1. Der Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Rechtsschutzversicherung<br />

ist auf die Befreiung von den bei der<br />

Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten<br />

gerichtet. Der Versicherer kann diesen Befreiungsanspruch<br />

hinsichtlich der von ihm nach § 2 Abs. 1a ARB 75<br />

zu tragenden gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts<br />

auch dadurch erfüllen, dass er dem Versicherungsnehmer<br />

Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess<br />

zwischen dem Versicherungsnehmer und<br />

seinem Prozessbevollmächtigten zusagt.<br />

2. § 158 n. Satz 3 VVG a.F. hindert den Deckungsschutz<br />

gewährenden Versicherer nicht, eine Gebührenforderung<br />

des Anwalts mit der Begründung abzuwehren, es handele<br />

sich um unnötige Kosten.<br />

BGH, Beschl. v. 21.10.2<strong>01</strong>5 – IV ZR 266/14<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger schloss im Jahr 1994 bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung<br />

ab, für die die ARB 1975 galten. Der Kläger<br />

hatte sich 1995 und 1996 als atypischer stiller Gesellschafter an<br />

zwei Unternehmen einer Gruppe beteiligt. Im Jahr 2004 beauftragte<br />

er die Anwaltskanzlei M, wegen dieser Beteiligungen<br />

Ansprüche geltend zu machen. Die beklagte Rechtsschutzversicherung<br />

(RSV) gewährte zunächst Kostenschutz für Ansprüche<br />

gegen die Anlagegesellschaften. Später sagte sie Kostenschutz<br />

im erbetenen Umfang für ein Vorgehen gegen Konzeptanten,<br />

Initiatoren und ehemalige Vorstände der Gruppe wegen Betruges<br />

und anderer unerlaubter Handlungen zu. Der Rechtsstreit<br />

mit den Anlagegesellschaften endete durch Vergleich. Am<br />

20.6.2007 wurde jedoch das Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />

der an diesem Vergleich beteiligten Anlagegesellschaften<br />

eröffnet.<br />

Mit Schreiben vom 9.3.2<strong>01</strong>1 riet die Anwaltskanzlei M dem Kläger,<br />

Ansprüche wegen seiner Beteiligungen gegen die Wirtschaftsprüfer<br />

geltend zu machen, die für die Gruppe tätig gewesen<br />

waren. Nach Korrespondenz der RAe des Klägers mit der<br />

Beklagten teilte diese mit Schreiben vom 29.7.2<strong>01</strong>1 mit, sie habe<br />

bereits für eine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber den bisher<br />

in Anspruch genommenen Beteiligten an der angeblichen Straftat<br />

Kostenschutz zugesagt, bei den Wirtschaftsprüfungsunternehmen<br />

handele es sich um vermeintliche Gehilfen, so dass nur eine einzige<br />

gebührenrechtliche Angelegenheit vorliege.<br />

Der Kläger erhob im Dezember 2<strong>01</strong>1 gegen die RSV Klage auf<br />

Feststellung, dass diese ihm Kostenschutz auch für die Interessenwahrnehmung<br />

gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />

zu gewähren habe. Kurz darauf stellte die Anwaltskanzlei M bei<br />

einer vom Land Brandenburg eingerichteten Gütestelle den<br />

Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung gegen die drei<br />

Wirtschaftsprüfungsunternehmen.<br />

Mit Schreiben vom 27.3.2<strong>01</strong>2 informierte der Kläger durch seine<br />

RAe die RSV hierüber und bat um Kostenschutz für das<br />

Schlichtungsverfahren und voraussichtlich für ein erstinstanzliches<br />

Gerichtsverfahren. Nach ergebnisloser Korrespondenz teilte die<br />

RSV mit Schreiben vom 10.5.2<strong>01</strong>2 dem Kläger mit, die Anwaltskanzlei<br />

M habe die behaupteten Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer<br />

bisher noch nicht geltend gemacht, es existiere noch<br />

nicht mal ein Anspruchsschreiben. Das Schlichtungsverfahren sei<br />

nicht notwendig gewesen und hierdurch unnötige Mehrkosten<br />

verursacht worden. Ferner bot die RSV dem Kläger in diesem<br />

Schreiben an, sie würde eine entsprechende Kostenrechnung des<br />

Schlichters prüfen und diese entweder bezahlen oder Kostenschutz<br />

für die Abwehr der Forderung geben. Das Gleiche gelte für<br />

eine etwaige Rechnung der Anwaltskanzlei M.<br />

Am 8.8.2<strong>01</strong>2 erteilten die RAe des Klägers diesem eine Vorschussrechnung<br />

für ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit Ansprüchen<br />

gegen die Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Darin machten sie<br />

für die außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr nach<br />

Nr. 2300 VV RVG und für das Güteverfahren eine 1,5 Geschäftsgebühr<br />

nach Nr. 2303 Nr. 4 VV RVG unter Anrechnung einer 0,5<br />

Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG jeweils nebst Auslagen<br />

geltend. Diese Vorschussrechnung über insgesamt 3.689 € reichten<br />

die RAe des Klägers bei der Beklagten ein und verlangten<br />

namens und in Vollmacht des Klägers, diesen von der Kostenforderung<br />

freizustellen. Die RSV lehnte die Zahlung ab und<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 37


Rechtsprechungsreport – Rechtsschutz<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

verwies darauf, sie habe den Kläger umfassend von der geltend<br />

gemachten Vergütung freigestellt.<br />

Hieraufhin erhob der Kläger vor dem LG Düsseldorf Klage auf<br />

Freistellung von der Vergütungsforderung seiner Prozessbevollmächtigten<br />

aus der Vorschussrechnung vom 8.8.2<strong>01</strong>2. Das LG hat<br />

die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das OLG Düsseldorf<br />

der Klage hinsichtlich der Vergütungsforderung für das Güteverfahren<br />

i.H.v. 1.094,80 € stattgegeben und die weitergehende<br />

Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten<br />

Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des<br />

landgerichtlichen Urteils. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der<br />

Kläger die Verurteilung auch wegen der Freistellung von der<br />

weitergehenden Vergütungsforderung.<br />

Die Revision der Beklagten hatte beim BGH Erfolg, die Anschlussrevision<br />

des Klägers ist hingegen ohne Erfolg geblieben.<br />

II. Anspruch auf Kostenbefreiung<br />

1. Grundlagen für den Schadensersatzrechtsschutz<br />

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der im Streitfall vereinbarten ARB 75 ist<br />

Versicherungsfall beim Schadensersatzrechtsschutz der Eintritt<br />

des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses.<br />

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass es hierbei darauf<br />

ankomme, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer<br />

(VN) den Schadensersatzanspruch begründe. Dabei<br />

komme als frühestmöglicher Zeitpunkt das dem Anspruchsgegner<br />

vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus<br />

dem der VN den Anspruch herleite. Das sei hier die Behauptung<br />

des Klägers gewesen, die Wirtschaftsprüfer hätten Beihilfe zu<br />

vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, Betrug und Kapitalanlagebetrug<br />

der für das Anlagekonzept Verantwortlichen<br />

geleistet. Diese Beihilfe habe ihre anspruchsbegründende Wirkung<br />

erst bei Begehung der Haupttat entfaltet. Das sei hier der<br />

Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Klägers in den Jahren 1995<br />

bzw. 1996 gewesen.<br />

2. Deckungsschutz<br />

Nach § 158n VVG a.F. hat die RSV, die ihre Leistungspflicht<br />

verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des<br />

VN keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig<br />

sei, in dem Versicherungsvertrag ein Gutachtenverfahren oder<br />

ein anderes gleich objektives Verfahren vorzusehen, in dem die<br />

Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die<br />

Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung<br />

entschieden werden kann. Hierauf hat die RSV den VN bei<br />

Verneinung ihrer Leistungspflicht hinzuweisen. Wenn der Versicherungsvertrag<br />

kein derartiges Verfahren vorsieht oder die<br />

RSV den vorgenannten Hinweis unterlässt, gilt das Rechtsschutzbedürfnis<br />

des VN im Einzelfall als anerkannt.<br />

Nach Auffassung des BGH war hier die beklagte RSV nicht<br />

gehindert, den Deckungsschutz mit der Begründung abzuwehren,<br />

es handele sich um unnötige Kosten. Die Vorschrift des § 158n VVG<br />

a.F. gelte nur für den Fall, dass die RSV Deckungsschutz für eine<br />

bestimmte Interessenwahrnehmung versage. Demgegenüber<br />

befasse sich diese Vorschrift nicht damit, welche Leistungen die<br />

RSV im Rahmen eines zugesagten Deckungsschutzes zu erbringen<br />

habe, insb. unter welchen Voraussetzungen sie welche Gebühren<br />

des vom VN beauftragten RA zu bezahlen habe.<br />

Vorliegend habe die Beklagte jedoch den Deckungsschutz für<br />

die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die Wirtschaftsprüfungsunternehmen<br />

nicht abgelehnt, sondern vielmehr<br />

ausdrücklich gewährt. Sie habe nämlich spätestens in ihrem<br />

Schreiben vom 29.7.2<strong>01</strong>1 hierfür umfassenden Deckungsschutz<br />

zugesagt und erklärt, diese Zusage erstrecke sich im außergerichtlichen<br />

Bereich auch auf die Wirtschaftsprüfer. Diese Deckungszusage<br />

erfasse auch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei M<br />

gegenüber einer staatlich anerkannten Gütestelle.<br />

III. Erfüllung des Freistellungsanspruchs<br />

Der bei der RSV bestehende Freistellungsanspruch des Klägers<br />

im Hinblick auf die Vergütungsforderung der Anwaltskanzlei M<br />

ist nach den weiteren Ausführungen des BGH bereits erfüllt. Die<br />

Erfüllung sieht der BGH darin, dass die RSV dem Kläger zugesagt<br />

hatte, ihm Kostenschutz zu gewähren, falls seine RAe die<br />

Vergütungsforderung gegen ihn klageweise geltend machen<br />

sollten.<br />

Nach § 2 Abs. 1a und Abs. 2 ARB 75 ist die RSV verpflichtet, im<br />

Versicherungsfall den VN von Vergütungsansprüchen seiner RAe<br />

freizustellen. Dabei regele diese Vorschrift, dass die RSV die<br />

gesetzliche Vergütung eines für den VN tätigen RA trage. Der<br />

BGH hat jedoch auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen,<br />

nach der der Anspruch aus der RSV auf die Befreiung von dem bei<br />

der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten<br />

gerichtet sei. Die RSV verspreche nämlich, den VN vor konkreten<br />

Vermögensnachteilen zu schützen, so dass dieser im Rechtsschutzfall<br />

nicht mit Kosten belastet werde. Diese Kosten bildeten<br />

den Schaden, dessen Deckung die RSV vertraglich übernommen<br />

habe und von denen die RSV den VN nach den Regelungen der<br />

ARB freizustellen habe.<br />

1. Kostenschutz gegen Honorarprozess des Rechtsanwalts<br />

Diese vertraglich zugesagte Freistellungsverpflichtung umfasst<br />

nach den weiteren Ausführungen des BGH auch die Verpflichtung<br />

der RSV, den VN von unbegründeten Ansprüchen des für<br />

ihn tätig gewesenen RA freizustellen. Folglich könne die RSV<br />

diesen Befreiungsanspruch hinsichtlich der von ihr zu tragenden<br />

gesetzlichen Vergütung eines RA auch dadurch erfüllen, dass sie<br />

dem VN Kostenschutz für einen etwaigen Honorarprozess<br />

zwischen dem VN und seinem RA zusagt. Auf welche Art und<br />

Weise die RSV den Kostenbefreiungsanspruch erfülle, richte sich<br />

nämlich nach den allgemein für einen Freistellungsanspruch<br />

geltenden Regeln. Die vorgehenden Bestimmungen seien weder<br />

in den ARB noch im Gesetz enthalten.<br />

2. Wahlrecht der RSV<br />

In Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften kommt der BGH<br />

zu dem Ergebnis, dass die RSV ein Wahlrecht hat, ob sie die<br />

Vergütungsforderung als Dritte gem. § 267 BGB bezahle, ob sie<br />

mit dem RA eine befreiende Schuldübernahme vereinbare<br />

oder ob sie in anderer Weise erreiche, dass der VN nicht mehr der<br />

Gefahr ausgesetzt werde, Vergütungsansprüche seines Prozessbevollmächtigten<br />

erfüllen zu müssen. Wenn die RSV die Vergütungsansprüche<br />

für unbegründet halte, müsse sie dem VN<br />

deshalb bei deren Abwehr zur Seite stehen. Damit erfüllt die RSV<br />

nach Auffassung des BGH ihre vertragliche Leistungspflicht auch,<br />

wenn sie den VN gegen einen Honoraranspruch seines RA<br />

verteidigt und die Kosten eines Honorarstreits übernimmt. Der<br />

BGH hat darauf hingewiesen, dass weder die Vorschriften über<br />

die RSV in den §§ 158l bis 158o VVG a.F. bzw. § 125 ff. VVG n.F.<br />

noch der Versicherungsvertrag oder die einbezogenen ARB<br />

hiervon abweichende Regelungen enthielten, die es ausschlie-<br />

38 Nr. 1/2<strong>01</strong>6


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Sonstiges<br />

ßen, dass die RSV ihrer Freistellungsverpflichtung hinsichtlich der<br />

gesetzlichen Vergütung des RA erfüllt, indem er dem VN Abwehrdeckung<br />

gewähre.<br />

IV. Keine Beeinträchtigung der Interessen des Versicherungsnehmers<br />

Durch eine solche Abwehrdeckung werden nach Auffassung des<br />

BGH die Interessen des VN bei einem Streit, ob und in welcher<br />

Höhe die Vergütungsansprüche des RA berechtigt sind, nicht in<br />

unangemessener Weise beeinträchtigt. Bestehe Streit, ob und in<br />

welcher Höhe der RA Anspruch auf Vergütung hat, sei der VN in<br />

jedem Fall gezwungen, sich auf eine streitige Auseinandersetzung<br />

einzulassen, sei es im Verhältnis zu seinem RA, sei es in<br />

einem Rechtsstreit mit der RSV.<br />

Dabei habe der VN den Rechtsstreit mit der RSV auf eigene<br />

Kosten und eigenes Risiko zu führen, weil für Streitigkeiten mit<br />

der RSV bedingungsgemäß kein Versicherungsschutz bestehe.<br />

Dies könne zur Folge haben, dass der RA in einem weiteren<br />

Prozess seine Honorarforderung gegen den VN durchsetzt und<br />

der VN hierfür nach rechtskräftiger Abweisung seines Freistellungsanspruchs<br />

keinen Versicherungsschutz genießt.<br />

Demgegenüber trage bei der Gewährung der Abwehrdeckung<br />

gegen den Honorarprozess des RA die RSV die Kosten und das<br />

Risiko des Prozesses. Hieraus folgert der BGH, dass die von der<br />

RSV gewährte Abwehrdeckung dem VN bei Vergütungsforderungen<br />

seines RA wesentliche Vorteile biete. Demgegenüber<br />

trete der dabei bestehende Nachteil, eine streitige Auseinandersetzung<br />

mit seinem RA führen zu müssen, zurück. Sowohl für<br />

den RA als auch für den durchschnittlichen VN sei es offensichtlich,<br />

dass diese Auseinandersetzung nicht auf einem Misstrauen<br />

des VN beruhe, sondern allein auf die Haltung der RSV zurückgehe,<br />

die die jeweilige Vergütungsforderung für unberechtigt<br />

halte.<br />

Die Anschlussrevision des Klägers hat der BGH deshalb zurückgewiesen,<br />

weil die beklagte RSV ihm auch insoweit Abwehrdeckung<br />

gegen einen Honorarprozess der Anwaltskanzlei M<br />

gewährt habe.<br />

V. Bedeutung für die Praxis<br />

Die RSV ist für den RA des VN im Regelfall eine „Traumbraut“, zahlt<br />

sie doch meist – wenn auch nicht immer schnell und in der<br />

geltend gemachten Höhe – die für die durch die anwaltliche<br />

Tätigkeit entstandene Vergütung. Ist Deckungsschutz gewährt,<br />

geht der RA regelmäßig davon aus, dass die RSV auch die<br />

entstandenen Gebühren und Auslagen zumindest weitgehend<br />

zahlt. Die Entscheidung des BGH zeigt jedoch, dass dies nicht<br />

immer so sein muss. Vertritt die RSV des Mandanten die<br />

Auffassung, die anwaltlichen Gebühren und Auslagen seien nicht<br />

oder jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden<br />

oder nicht erforderlich gewesen, so erfüllt die RSV den Deckungsschutzanspruch<br />

des Mandanten dadurch, dass sie ihm Abwehrdeckung<br />

erteilt. Für den RA hat dies zur Folge, dass er nicht nur<br />

nicht seine Vergütung – wie erwartet – von der RSV erhält,<br />

sondern er seine Vergütung gegen den Mandanten einklagen<br />

muss, der noch die RSV als starken, die Kosten der Verteidigung<br />

gegen den Honorarprozess tragenden Partner an seiner Seite hat.<br />

Etwas besser steht der RA dann da, wenn er seinem Mandanten<br />

eine Vorschussberechnung nach §§ 9, 10 RVG stellt und sie für<br />

diesen bei der RSV zur Regulierung einreicht. Weigert sich die RSV<br />

dann, diesen Vorschussanspruch zu erfüllen, kann der RA seine<br />

weitere Tätigkeit für den Mandanten einstellen.<br />

In jedem Fall empfiehlt sich der Hinweis an den Mandanten,<br />

dass er die durch seinen Auftrag ausgelöste Anwaltsvergütung<br />

unabhängig von dem Deckungsschutz der RSV zu zahlen hat.<br />

H. Hansens<br />

Sonstiges<br />

Rückwirkende Beiordnung des<br />

Nebenklagebeistands<br />

§ 397a StPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens kommt<br />

eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für<br />

die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 397a Abs. 2<br />

Satz 1 StPO ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der<br />

entscheidungsreife Antrag rechtzeitig gestellt, aber nicht<br />

rechtzeitig beschieden wurde.<br />

OLG Celle, Beschl. v. 4.8.2<strong>01</strong>5 – 2 Ws 111/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Beschwerdeführerin ist Nebenklägerin in einem Verfahren, das<br />

gegen ihren getrennt lebenden Ehemann u.a. wegen des Verdachts<br />

der Bedrohung und der Nötigung zu ihrem Nachteil geführt<br />

wurde. Mit Beschluss vom 6.2.2<strong>01</strong>5 ließ das AG die Beschwerdeführerin<br />

– vertreten durch Frau RAin R – gem. §§ 395 Abs. 1 Nr. 5,<br />

396 StPO als Nebenklägerin zu. Der Antrag auf Beiordnung von<br />

RAin wurde zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung<br />

erhobene Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 24.3.2<strong>01</strong>5<br />

verworfen.<br />

Durch Urteil des AG vom 25.2.2<strong>01</strong>5 wurde der Angeklagte<br />

freigesprochen. Hiergegen legten sowohl die StA als auch die<br />

Nebenklägerin rechtzeitig Berufung ein. Mit Schriftsatz ihrer<br />

Verfahrensbevollmächtigten vom 16.3.2<strong>01</strong>5 beantragte die Nebenklägerin,<br />

ihr für die Berufungsinstanz RAin R als Nebenklägervertreterin<br />

beizuordnen bzw. ihr für die Hinzuziehung der<br />

RAin Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Vorsitzende der<br />

Strafkammer des LG wies diesen Antrag mit Beschluss vom<br />

21.5.2<strong>01</strong>5 zurück. Gegen diese Entscheidung hat die Nebenklägerin<br />

mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom<br />

15.6.2<strong>01</strong>5 Beschwerde eingelegt. Durch inzwischen rechtskräftiges<br />

Urteil des LG vom 29.6.2<strong>01</strong>5 sind die Berufungen der StA und<br />

der Nebenklägerin verworfen worden.<br />

Die Beschwerde der Nebenklägerin hatte beim OLG keinen Erfolg.<br />

II. Grundsätzlich keine rückwirkende Beiordnung<br />

Das OLG hat die Beschwerde der Nebenklägerin bereits als unzulässig<br />

angesehen. Eine nachträgliche rückwirkende Beiordnung<br />

eines Nebenklägervertreters bzw. eine nachträgliche Bewilligung<br />

von PKH für das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren sei grds.<br />

Nr. 1/2<strong>01</strong>6 39


Rechtsprechungsreport – Sonstiges<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

nicht zulässig (BGH StraFo 2<strong>01</strong>1, 115; Senge in: Karlsruher Kommentar<br />

zur StPO, 7. Aufl. 2<strong>01</strong>3, § 397a, Rn. 2 und 11).<br />

Durch die Nebenklage werde denjenigen Verletzten, die besonders<br />

schutzwürdig erscheinen, die Gelegenheit gegeben, in dem<br />

Verfahren ihre persönlichen Interessen auf Genugtuung zu<br />

verfolgen, insb. durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis<br />

zu beeinflussen und sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzungen<br />

zu wehren (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2<strong>01</strong>5,<br />

vor § 395, Rn. 1 m.w.N.). Die Bestellung eines Beistands verfolge<br />

den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dafür zu sorgen,<br />

dass ein Geschädigter in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten<br />

Fällen (§ 397a Abs. 1 StPO) oder, wenn er seine Interessen<br />

selbst nicht ausreichend wahrnehmen könne oder ihm dies nicht<br />

zuzumuten sei (§ 397a Abs. 2 StPO), einen rechtskundigen<br />

Beistand erhalte, der die Interessen des Nebenklägers vertrete<br />

und einen auch in dessen Interesse liegenden Verfahrensablauf<br />

gewährleiste.<br />

Dieser Zweck könne nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens<br />

nicht mehr erreicht werden. Denn es gebe in diesem<br />

Zeitpunkt keine von dem Opferanwalt zu erbringende Tätigkeit<br />

mehr. Die Bestellung eines Beistands nach § 397a Abs. 1 StPO<br />

bzw. die Bewilligung von PKH für die Hinzuziehung eines RA<br />

nach § 397a Abs. 2 StPO erfolge mithin nicht im Kosteninteresse<br />

des Nebenklägers. Die rückwirkende Bewilligung von PKH für<br />

die Hinzuziehung eines RA würde ausschließlich dem verfahrensfremden<br />

Zweck dienen, dem Beistand für ein bereits<br />

abgeschlossenes Verfahren einen Vergütungsanspruch gegen<br />

die Staatskasse zu verschaffen (§ 45 Abs. 3 RVG), nicht jedoch<br />

einen ordnungsgemäßen Rechtsbeistand des Nebenklägers für<br />

das Verfahren zu gewährleisten.<br />

III. Kein Ausnahmefall<br />

Nach der Rechtsprechung gibt allerdings in Ausnahmen von dem<br />

Grundsatz der Unzulässigkeit einer rückwirkenden Beiordnung<br />

eines anwaltlichen Beistands oder der Bewilligung von PKH, und<br />

zwar dann, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden<br />

worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles<br />

für die Bewilligung von PKH Erforderliche getan hat (vgl. BVerfG<br />

NStZ-RR 1997, 69; BGH a.a.O.; OLG Köln NStZ-RR 2000, 85;<br />

s. auch KK-Senge, a.a.O.). Ein derartiger Ausnahmefall lag nach<br />

Auffassung des OLG aber nicht vor. Der Antrag der Nebenklägerin<br />

vom 16.3.2<strong>01</strong>5 sei durch Beschluss des LG vom 21.5.2<strong>01</strong>5<br />

beschieden worden. Diese Bescheidung sei auch rechtzeitig<br />

gewesen, sie sei mehr als 5 Wochen vor der für den 29.6.2<strong>01</strong>5<br />

anberaumten Hauptverhandlung ergangen. Hätte die Nebenklägerin<br />

nicht erst mit Schriftsatz vom 15.6.2<strong>01</strong>5 Beschwerde<br />

eingelegt, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Beschwerdeentscheidung<br />

noch vor der anstehenden Hauptverhandlung<br />

ergangen.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Keine nachträgliche Beiordnung<br />

Der Beschluss behandelt eine Problematik, die in der Praxis eine<br />

große Rolle spielt, nämlich die Frage der Zulässigkeit einer<br />

nachträglichen Beiordnung eines Beistands bzw. der Bestellung<br />

eines Pflichtverteidigers, wenn das Verfahren rechtkräftig abgeschlossen<br />

ist. In der Frage, gehen die Obergerichte uni sono davon<br />

aus, dass das nicht möglich ist (vgl. über die o.a. Nachw. hinaus<br />

noch die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff,<br />

Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren [EV],<br />

7. Aufl. 2<strong>01</strong>5, Rn. 3043 ff. für den Pflichtverteidiger). Begründet<br />

wird das i.d.R. so, wie das OLG Celle hier die nachträgliche<br />

Beiordnung des Nebenklägers abgelehnt hat. Dazu ist bereits viel<br />

geschrieben worden, was ich hier nicht im Einzelnen wiederholen<br />

will. Insoweit verweise ich auf Burhoff, EV, Rn. 3045.<br />

2. Ausnahmen<br />

Zu begrüßen ist, dass das OLG Celle nun auch die Tür für eine<br />

Ausnahme von diesem Grundsatz öffnet – insoweit in Übereinstimmung<br />

mit der weitgehend einhelligen landgerichtlichen<br />

Rechtsprechung (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn. 3046) – und eine<br />

nachträgliche Beiordnung/Bestellung dann als zulässig ansieht,<br />

wenn der entscheidungsreife Antrag rechtzeitig gestellt, aber<br />

nicht rechtzeitig beschieden wurde. Allerdings muss der RA an<br />

der Stelle schnell handeln und darauf achten, dass er die Tür, die<br />

sich für ihn dort öffnet, nicht selbst wieder zuschlägt, wenn er<br />

nämlich zu lange eine Nichtbescheidung seines Antrags/Rechtsmittels<br />

hinnimmt und so selbst dazu beiträgt, dass man es mit<br />

einem Fall der nachträglichen Beiordnung/Bestellung zu tun hat.<br />

Er muss also auf Antrags-/Rechtsmittelbescheidung drängen,<br />

um nicht selbst sein Rechtsmittel unzulässig zu machen. Das<br />

hatte die RAin hier nicht getan. Wird der RA tätig, dann dürfte<br />

ihm das Argument: Nachträglich wird nicht mehr beigeordnet/<br />

bestellt, nicht entgegengehalten werden dürfen. Das sehen aber<br />

leider noch nicht alle OLG so, wie das OLG Celle (vgl. z.B. OLG<br />

Hamm StRR 2<strong>01</strong>3, 103 m. Anm. Barton). In dem Zusammenhang<br />

verhalten sich die OLG m.E. z.T. widersprüchlich, wenn sie<br />

nämlich einerseits eine zeitnahe Entscheidung über einen<br />

Beiordnungs-/Bestellungsantrag anmahnen, andererseits aber<br />

keine nachteiligen Konsequenzen ziehen, wenn diese Mahnung<br />

überhört und – wie man in manchen Fällen, insb., wenn es um<br />

Einstellungen nach § 154 StPO geht, – die Instanzgerichte<br />

bewusst untätig bleiben, um so das Argument der Nachträglichkeit<br />

herbei zu führen.<br />

D. Burhoff<br />

40 Nr. 1/2<strong>01</strong>6

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