Zeit für Familie - Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden ...
Zeit für Familie - Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden ...
Zeit für Familie - Kompetenzzentrum Beruf & Familie Baden ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Problemorientierte Einführung<br />
Frage, wie <strong>Familie</strong>n durch die Gestaltung und Harmonisierung gesellschaftlicher <strong>Zeit</strong>taktgeber entlastet<br />
werden können. Der lokalen Ebene kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. 10<br />
<strong>Zeit</strong>wohlstand und <strong>Zeit</strong>souveränität sind wesentliche Bestandteile von Lebensqualität. 11 Bezogen auf <strong>Familie</strong>n<br />
ist <strong>Zeit</strong> die „Leitwährung einer modernen <strong>Familie</strong>npolitik―, so die <strong>Familie</strong>nministerin Dr. Kristina Schröder<br />
bereits im Jahr 2010. <strong>Zeit</strong>souveränität ist eingeschränkt, wenn der individuelle oder kollektive <strong>Zeit</strong>gebrauch in<br />
erheblichem Maße nicht der Selbstbestimmung unterliegt. <strong>Zeit</strong>wohlstand ist beschränkt, wenn gesellschaftlich<br />
geringer bewertete Tätigkeiten systematisch von einer bestimmten Personengruppe zu erbringen sind, die<br />
deswegen kaum noch Möglichkeiten besitzt, <strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> gesellschaftlich höher bewertete Tätigkeiten<br />
aufzuwenden. Sind Frauen großflächig <strong>für</strong> die gesellschaftlich weiterhin nicht adäquat wertgeschätzte<br />
<strong>Familie</strong>narbeit zuständig und machen Männer derweil im Erwerbsleben Karriere, so besteht eine strukturelle<br />
Ungleichheit in der <strong>Zeit</strong>verwendung, deren Überwindung ebenfalls ein Teil von <strong>Zeit</strong>politik sein kann.<br />
Anerkennt man vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit von <strong>Zeit</strong>politik <strong>für</strong> <strong>Familie</strong> als eine zentrale<br />
politische Aufgabe in modernen Gesellschaften, ist deren Bedeutung und enorme Reichweite zu<br />
unterstreichen, wie dies bereits im Siebten <strong>Familie</strong>nbericht getan wurde. Eine moderne, auf <strong>Familie</strong> gerichtete<br />
<strong>Zeit</strong>politik muss an zwei unterschiedlichen Dimensionen ansetzen: Zum einen geht es darum, die<br />
<strong>Zeit</strong>ressourcen und die <strong>Zeit</strong>organisation im Alltag von <strong>Familie</strong>n zu verbessern (synchrone Dimension). Dazu<br />
gehört etwa die Synchronisation von Öffnungs-, Arbeits- und Ferienzeiten. Zum anderen sind Strategien<br />
weiterzuentwickeln, die <strong>Zeit</strong>knappheiten und <strong>Zeit</strong>konflikte, wie sie typischerweise in bestimmten Phasen des<br />
Lebensverlaufs auftreten, etwa bei der <strong>Familie</strong>ngründung oder im Rahmen von <strong>Familie</strong>npflege, systematisch<br />
abmildern können (diachrone Dimension). Nur wenn ausreichend <strong>Zeit</strong>, auch im Sinne von Qualitätszeit, <strong>für</strong><br />
<strong>Familie</strong>, <strong>für</strong> Pflege und <strong>für</strong> Entwicklung von Beziehungen in der <strong>Familie</strong> verlässlich gesichert ist, kann<br />
<strong>Familie</strong> die ihr gesellschaftlich zugeschriebenen Aufgaben im Rahmen von Rekreation, Reproduktion und<br />
Sozialisation erfüllen. Dabei scheint klar, dass die „Qualität― von <strong>Zeit</strong> und <strong>Zeit</strong>verwendung kulturell<br />
unterschiedlich bestimmt ist und sozialem Wandel unterliegt.<br />
1.1.3 Was ist <strong>Familie</strong>, was braucht <strong>Familie</strong>?<br />
Die traditionelle <strong>Familie</strong> im Sinne von Vater und Mutter, die miteinander verheiratet sind und zusammen mit<br />
ihren leiblichen Kindern wohnen und wirtschaften, trifft nur noch <strong>für</strong> einen – quantitativ zwar noch deutlich<br />
überwiegenden, aber abnehmenden – Teil der <strong>Familie</strong>n und nur noch <strong>für</strong> immer kürzere Phasen der gesamten<br />
Lebensspanne zu. Zwar ist die eheliche Kernfamilie weiterhin die häufigste Lebensform im mittleren<br />
Erwachsenenalter, ihre dominante Stellung hat sie aber eingebüßt. 12 Besonders die klassische, bürgerliche<br />
Kernfamilie, in der die Mutter überwiegend oder ausschließlich Hausfrau ist und der Vater die Ernährerrolle<br />
innehat, hat empirisch beträchtlich an Bedeutung verloren. Gleichzeitig nehmen die Abweichungen von jener<br />
als klassisch erachteten <strong>Familie</strong>nform zu. Prominente Beispiele <strong>für</strong> diese Tendenz zur Pluralisierung der<br />
Lebensformen sind die wachsende Verbreitung nicht miteinander verheirateter Eltern, alleinerziehender<br />
Eltern, homosexueller Paare mit Kindern sowie die Zunahme von <strong>Familie</strong>n mit zwei vollzeiterwerbstätigen<br />
Eltern. Der Wandel weg von der traditionellen lebenslangen Ehe und <strong>Familie</strong> ist zudem an den gestiegenen<br />
Scheidungsraten ablesbar. 13<br />
In einem modernen Verständnis konstituiert sich <strong>Familie</strong> heute nicht mehr nur über Heirat, sondern über<br />
Solidarität, Wahlverwandtschaft und Elternschaft. <strong>Familie</strong> ist nicht mehr nur soziale Institution, die durch<br />
Rollen, Positionen und damit verbundene Rechte und Pflichten charakterisiert ist. <strong>Familie</strong> erscheint heute<br />
mehr als Verantwortungs- und Solidargemeinschaft und damit als Zusammenhang von Personen, die nicht<br />
zwingend zusammenwohnen müssen und nicht zwingend über verwandtschaftliche Beziehungen miteinander<br />
verbunden sind.<br />
7