PT-Magazin_5_2016
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
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Gesellschaft <strong>PT</strong>-MAGAZIN 5/<strong>2016</strong><br />
8<br />
Ist Ihre Kommune kinderfreundlich?<br />
Immobilieneigentümer in Bezug auf<br />
Investitionen oder Desinvestitionen bzw.<br />
Personalaufbau oder -abbau an diesem<br />
Standort treffen. Investoren entscheiden<br />
sich für einen Unternehmensstandort,<br />
Bürger für einen Wohnort und Touristen<br />
für ein Reiseziel, wenn dort die für sie<br />
wichtigen Rahmenbedingungen erfüllt<br />
sind und die Leistung stimmt. Für diese<br />
unterschiedlichen Zielgruppen muss<br />
die Stadt attraktiv sein, wenn sie den<br />
Wettbewerb der Standorte gegen ihre<br />
ebenfalls marktaktiven Nachbarstädte<br />
für sich entscheiden will.<br />
Die Gesamtwertschöpfung, die der<br />
Standort leistet, umfasst die wirtschaftliche,<br />
die soziale und die kulturelle Wertschöpfung.<br />
Was ist damit gemeint? Die<br />
wirtschaftliche Wertschöpfung ist die<br />
wertsteigernde Leistung, die von den<br />
Unternehmen am Standort, darunter<br />
auch den kommunalen Betrieben, am<br />
Markt erzielt wird, und z. B. in Umsatzgrößen,<br />
Kaufkraftkennziffern und mit<br />
Gewinn- und Verlustrechnungen gemessen<br />
werden kann. Ausdruck der wirtschaftlichen<br />
Stärke ist auch generell die<br />
Steuerkraft einer Gemeinde und speziell<br />
das jährliche Aufkommen an Einkommen-<br />
und an Gewerbesteuern.<br />
Die soziale Wertschöpfung umfasst<br />
alle die Aktivitäten, die die Daseinsvorsorge<br />
betreffen und das soziale<br />
Klima prägen – z. B. die Ausstattung<br />
der Gemeinde mit Krankenhaus, Ärzten<br />
und Notarzt, die Leistungen haupt- und<br />
nebenamtlicher Kräfte bei Kirchengemeinden,<br />
Rotem Kreuz, Arbeiterwohlfahrt,<br />
Jugendarbeit, Ferienprogramme<br />
für Kinder etc. Viele mittelständische<br />
Unternehmer sind in diesen Bereichen<br />
ehrenamtlich aktiv und spenden oft<br />
hohe Beträge zu deren Unterstützung,<br />
oft auch ohne damit verbundene PR-<br />
Maßnahmen.<br />
Die kulturelle Wertschöpfung erfasst<br />
die Gesamtleistung aller Kulturschaffenden<br />
im weitesten Sinne, darunter die<br />
© Robert Kneschke / Fotolia<br />
Schulen, Hochschulen<br />
und Weiterbildungseinrichtungen,<br />
die Kirchengemeinden,<br />
die Aktivität<br />
der Musik- und Kunstvereine,<br />
die Hilfen für<br />
benachteiligte Schulkinder<br />
etc. Nicht jede Stadt<br />
wird mit ihrem Kulturprofil so klar identifiziert<br />
wie z. B. die Festspielstadt Bayreuth;<br />
aber jede Stadt hat ein kulturelles<br />
Profil und das verdankt sie in der Regel<br />
zum großen Teil ihren in Vereinen ehrenamtlich<br />
aktiven Bürgern, darunter vielen<br />
kulturinteressierten Mittelständlern.<br />
Nicht immer sind die Teilwertschöpfungen<br />
voneinander zu trennen: Zum<br />
Beispiel ist ein Krankenhaus als Erbringer<br />
von Marktleistungen im Wettbewerb<br />
sowohl Produzent von wirtschaftlicher<br />
Wertschöpfung als auch in seiner<br />
Funktion als Arbeitgeber und Garant<br />
qualifizierter medizinischer Versorgung<br />
an der Erzeugung sozialer Wertschöpfung<br />
beteiligt.<br />
© Fotomek<br />
Diese drei Bereiche bedingen sich<br />
gegenseitig: Wo Geld in der Gemeindekasse<br />
ist, lassen sich auch leichter<br />
kulturelle und soziale Projekte realisieren.<br />
Wo das soziale Klima stimmt und<br />
die Menschen stolz auf „ihre“ Stadt sind,<br />
gibt es weniger Vandalismus und eine<br />
größere Bereitschaft von Privaten, in<br />
dieser Stadt in Immobilien zu investieren.<br />
Wo das kulturelle Leben blüht, fällt<br />
es Unternehmen leichter, qualifizierte<br />
Mitarbeiter zu halten oder von auswärts<br />
anzuziehen. Und wo die Leistung der<br />
Unternehmer wertgeschätzt wird, zeigen<br />
viele von ihnen große Bereitschaft,<br />
sich für Belange des Gemeinwesens<br />
aktiv einzusetzen.<br />
Von Oskar Patzelt ist bekannt, dass er<br />
sich den Leitspruch zu Eigen gemacht<br />
hatte: „Vor die Therapie stellten die Götter<br />
die Diagnose“. Diese Devise sollten<br />
auch Bürgermeister beherzigen, die ihre<br />
Gemeinde „nach vorn“ bringen wollen.<br />
Die angemessene Diagnose zur objektiven<br />
Beurteilung der Situation eines<br />
Unternehmens wie auch einer Kommune<br />
ist die SWOT-Analyse, also die<br />
systematische Erfassung der Stärken<br />
(Strengths) und Schwächen (Weaknesses)<br />
sowie der Chancen (Opportunities)<br />
und Risiken (Threats). Kaum eine Kommune<br />
verfügt aber bisher über dieses<br />
Diagnose-Instrument; oft ist es selbst<br />
Wirtschaftsförderern nicht bekannt. Wer<br />
zeitgemäße kommunale Wirtschaftsförderung<br />
betreiben will, braucht unternehmerischen<br />
Gestaltungswillen, eine<br />
präzise Lagebeurteilung (= „Diagnose“)<br />
und klare Arbeitsziele für die Verbesserung<br />
der Situation (= „Therapie“).<br />
Örtliches Unternehmer-Netzwerk<br />
Alle Unternehmen an einem Standort<br />
hängen in der einen oder anderen<br />
Weise voneinander ab. Ein Bewohner<br />
des Umlands, der in die Stadt fährt, dort<br />
zum Arzt geht, im Rathaus seinen Pass<br />
verlängern lässt, seinen Rechtsanwalt<br />
oder Steuerberater aufsucht, in mehreren<br />
Geschäften einkauft, eine Gaststätte<br />
besucht, sich bei der Bank mit<br />
Geld versorgt und zurückfährt, nimmt<br />
immer einen Gesamteindruck von der<br />
Qualität des Standorts gemessen an seinen<br />
Bedürfnissen und deren Erfüllung<br />
mit und richtet sein künftiges Verhalten<br />
danach aus.<br />
Erklärtes Ziel der Wirtschaftsförderung<br />
ist es in der Regel, den eigenen<br />
Standort für alle Beteiligten attraktiv zu<br />
halten und die Kundenfrequenz zu erhöhen.<br />
Da liegt es auf der Hand, dass es von<br />
Vorteil ist, ein Unternehmer-Netzwerk<br />
zur Verfügung zu haben, mit dessen<br />
Hilfe z. B. frequenzsteigernde Gemeinschaftsaktionen<br />
ins Werk gesetzt werden<br />
können.