ASO! Augsburg Süd-Ost - August 2016
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg-West
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20 <strong>ASO</strong>! <strong>August</strong> <strong>2016</strong><br />
Martini-Park-Gärtnerhaus im Textilviertel abgerissen<br />
Seit 2014 wurde für einen Teil des martini-<br />
Geländes ein neuer wohnwirtschaftlicher<br />
Bebauungsplan im Rahmen des Aufstellungsverfahrens<br />
mit allen dafür zuständigen<br />
Fachdienststellen und Planern<br />
entwickelt und abgestimmt. Seit März/<br />
April diesen Jahres liegen die Pläne für<br />
die Wohnbebauung öffentlich aus. Wo<br />
ursprünglich Gewerbeflächen geplant<br />
waren, sollen nun 350 Mietwohnungen<br />
entstehen, davon 10% Sozialwohnungen.<br />
Möglich wurde dies durch eine Umwidmung<br />
der Flächen – denn Wohnraum ist<br />
knapp und lukrativ, Gewerbeflächen gibt<br />
es zurzeit genügend und recht günstig.<br />
Seit April gab es Widerstand beim BUND<br />
Naturschutz und einer größer werdenden<br />
Gruppe von Bürgern gegen die Pläne.<br />
Denn nach ihnen müsste das alte Gärtnerhaus,<br />
erbaut um 1900, mit dazugehörigem<br />
Heizhaus und Gewächshäusern weichen<br />
und die verbleibende Grünfläche hätte in<br />
ihren Augen keinen Parkcharakter mehr.<br />
Die Initiative „Rettet das Gärtnerhaus“ formierte<br />
sich und strebte einen runden Tisch<br />
mit allen Beteiligten an, um im Gespräch<br />
nach Lösungen zu suchen das Ensemble<br />
zu erhalten und dennoch die geplanten<br />
350 Wohnungen zu realisieren.<br />
Dazu kam es jetzt nicht mehr, denn martini<br />
hat Anfang Juli das Gärtnerhaus abgerissen.<br />
Für das Haus bestand weder Denkmalschutz<br />
als Einzelbaudenkmal noch als<br />
Ensemble. Das Haus befand sich bereits<br />
seit 20 Jahren im Baufeld eines rechtskräftigen<br />
Bebauungsplans und war seitdem<br />
zum Abbruch vorgesehen. „Uns ist die Zeit<br />
davongelaufen“, so Alexandra Blümel von<br />
der Initiative. „Wir sind alle von einem Abbruch<br />
im Herbst ausgegangen.<br />
Das Gärtnerhaus lag in einem der hinteren<br />
Baufelder. Da wäre noch genügend Zeit<br />
So idyllisch am Hanreibach lag das um 1900 erbaute Gärtnerhaus mit Heizhaus und Gewächshäusern.<br />
für Gespräche gewesen und martini hätte<br />
nichts riskiert“. Wolfgang Geisler, Geschäftsführer<br />
der martini-Gruppe, versteht<br />
die Aufregung nicht: „Der BUND wurde<br />
von uns von Anfang an ausführlich informiert.<br />
Wir haben auch intern Alternativen<br />
geprüft, aber sind zu dem Schluss gekommen,<br />
dass ein Erhalt des Gärtnerhauses<br />
nicht möglich ist. Auch wir bedauern den<br />
Abriss, aber wir halten insbesondere vor<br />
dem Hintergrund der aktuell engen wohnwirtschaftlichen<br />
Situation in <strong>Augsburg</strong><br />
den Bau von 350 Mietwohnungen für sehr<br />
wichtig. Dass martini historische Gebäude<br />
grundsätzlich am Herzen liegen, sieht man<br />
an vielen Beispielen im martini-Park und<br />
im <strong>Augsburg</strong>er Stadtgebiet.“<br />
Man darf auch nicht vergessen, dass martini<br />
durch das Projekt einen Teil des bislang<br />
privaten Geländes für die Öffentlichkeit<br />
öffnet. Es werden Fuß- und Radwege<br />
gebaut, auf denen man das Gelände wie<br />
schon lange gewünscht durchqueren kann.<br />
10 000 m² Grünfläche werden als Park gestaltet<br />
und der Stadt übereignet. Ein zentraler<br />
Bereich zwischen den Gebäuden mit<br />
Zugang zum Wasser, Boule-Platz, Bänken<br />
und vielem mehr schafft Aufenthaltsqualität.<br />
Somit geht zwar leider mit dem idyllischen<br />
Gärtnerhaus ein Stück Zeitgeschichte<br />
verloren, aber durch den Wohnungsbau<br />
erhält die Öffentlichkeit überhaupt erst Zugang<br />
zu dem grünen Paradies.<br />
Der für das Projekt verantwortliche Architekt<br />
Thomas Glogger, der auch alte Gebäude<br />
saniert, ist der Meinung, dass sich<br />
städtebaulich etwas Neues entwickeln<br />
dürfe und nicht immer an Altem festgehalten<br />
werden müsse: „Im Fall des Gärtnerhauses<br />
hätte dieses eher wie ein Fremdkörper<br />
im Gesamtensemble gewirkt, wenn<br />
man es erhalten hätte.“ Der Freundeskreis<br />
Gärtnerhaus hätte sich dagegen ein Kulturzentrum,<br />
Gastronomie oder ähnliches<br />
im Gärtnerhaus vorstellen können.<br />
„Orte mit gewachsenem Charme werden<br />
immer weniger. Wir haben Angst, dass<br />
<strong>Augsburg</strong> zur Schlafstadt für München<br />
verkommt“, so Martina Vordermayer, die<br />
die Initative unterstützt und zum Beispiel<br />
eine Postkarten-Aktion „pro Gärtnerhaus“<br />
ins Leben gerufen hat. Auch Blümel ist<br />
völlig aufgebracht von dem für sie überraschenden<br />
Abbruchzeitpunkt: „Das<br />
Stadtbild gehört uns allen. Es geht uns<br />
beim Gärtnerhaus nicht ums Rechtliche,<br />
sondern ums Moralische. Bewahren und<br />
zugleich Neues schaffen hätten wir uns<br />
gewünscht. Unsere Aktion zum Schutz<br />
der Bäume, Parkflächen und verbliebenen<br />
Häuser läuft auch nach dem Abbruch des<br />
Gärtnerhauses weiter.“<br />
BUND und der Freundeskreis Gärtnerhaus<br />
werfen martini vor, ihre eigenen wirtschaftlichen<br />
Interessen über die der Bürger<br />
zu stellen. „Wenn man auf kurzfristigen<br />
Profit schaut, macht man keine Vermietung,<br />
sondern eine Bauträgermaßnahme“,<br />
so Geisler. „Uns ist aber hier genau wie bei<br />
unseren anderen Projekten eine langfristige<br />
Perspektive wichtig. Auch wenn das<br />
Ensemble Gärtnerhaus abgerissen werden<br />
muss und ein Teil der Grünflächen überbaut<br />
wird, bleiben 50 % mehr Parkfläche<br />
übrig, als wenn wir dort eine gewerbliche<br />
Bebauung realisiert hätten.“<br />
Text / Foto: A. Lütke-Wissing<br />
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