s'Positive Magazin 08.2016
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WISSEN<br />
lichen Verfahren hergestellt werden können,<br />
wären viel zu teuer, wenn man sie in grossen<br />
Mengen mittels 3D-Druck herstellen würde.<br />
Werden jedoch kleinere Mengen benötigt,<br />
muss die Ware nicht mehr um die halbe<br />
Welt transportiert werden, sondern kann in<br />
der Nähe oder gleich vor Ort ausgedruckt<br />
werden. Transporte über lange Strecken werden<br />
deshalb abnehmen, im Gegenzug könnte<br />
der individuelle Lieferverkehr auf der<br />
letzten Meile zunehmen. Erwartet wird zudem,<br />
dass man Ersatzteile nicht mehr über<br />
lange Zeit am physischen, sondern lediglich<br />
noch am virtuellen Lager hält, und sie bei<br />
Bedarf einfach ausdruckt.<br />
Natürlich gibt es beim 3D-Druck noch viel<br />
Verbesserungspotential. Noch dauert der<br />
Druck von grossen Objekten zu lang und ist<br />
in einzelnen Bereichen teuer. Aber eine Prognose<br />
von Siemens besagt, dass sich die<br />
Herstellungspreise in den nächsten fünf Jahren<br />
halbieren werden, während sich im selben<br />
Zeitraum die Druckgeschwindigkeit um<br />
400 Prozent erhöhen wird. Zum Beispiel mit<br />
dem Verfahren des Chemieprofessors Joseph<br />
DeSimone von der University of North Carolina,<br />
das den Druck bis zu 100-mal schneller<br />
macht. Es ähnelt der Stereolithografie, bei<br />
der flüssiger Kunststoff erhärtet wird. Allerdings<br />
muss das UV-Licht nicht jede Schicht<br />
einzeln und nacheinander festigen, sondern<br />
kann das komplette Material erstarren lassen<br />
und somit kontinuierlich ausdrucken. Chirurgen<br />
könnten so noch im OP Prothesen<br />
ausdrucken und Zahnärzte während der<br />
Behandlung passende Implantate herstellen.<br />
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Optik<br />
und Haptik der gedruckten Objekte den Originalen<br />
völlig entsprechen. Viele gedruckte<br />
Materialien sind bereits so beständig, dass sie<br />
Die Venus vom<br />
Hohlefels ist eine<br />
etwa 35 000 Jahre<br />
alte Figur. Das hier<br />
gezeigte Replika<br />
wurde mittels eines<br />
3D-Druckers der Bauart<br />
Stereolithografie<br />
hergestellt<br />
serienmässig eingesetzt werden. Airbus verbaut<br />
zum Beispiel Titanwinkel aus generativer<br />
Fertigung in seinem neuen A 350 XWB.<br />
Eine wichtige Rolle spielen die Drucker<br />
auch bei der Herstellung von Computerchips.<br />
Weil diese nicht mehr fotomechanisch<br />
hergestellt werden müssen, sondern<br />
ausgedruckt werden, benötigt man nicht<br />
nur weniger Raum, sondern kann die Chips<br />
auch flexibler bearbeiten. Bisher ging es<br />
immer darum, so viele Schaltungen wie<br />
möglich auf einer Fläche nebeneinander<br />
unterzubringen. Im Druck kann der Chip<br />
hingegen so aufgebaut werden, dass drei<br />
oder mehr Prozessoren übereinander stecken.<br />
Die Chips werden dadurch schneller,<br />
vielseitiger, und haben eine höhere Rechenund<br />
Speicherkapazität.<br />
ZUSATZINFO<br />
3-D-Druck auch für den Hausgebrauch<br />
Wahre Wunder versprechen<br />
die 3D-Drucker auch für den<br />
Hausgebrauch. Innert 30 Minuten<br />
ist jede gewünschte<br />
Form fertig. Man braucht sich<br />
nur an den Laptop zu setzen,<br />
die Druckvorlage aus dem Internet<br />
zu laden, den 3D-Drucker<br />
anzuschliessen und zu<br />
starten. Als Filament kann<br />
längst nicht nur Kunststoff<br />
verwendet werden: Ein<br />
Bronzearmband aus dem 3D-<br />
Drucker? Kein Problem. Dafür<br />
gibt es besondere Druckerpatronen.<br />
Sie bestehen zu 80<br />
Prozent aus Bronzepulver, und<br />
was damit ausgedruckt wird,<br />
hat fast dieselben Eigenschaften<br />
wie normale Bronze.<br />
Sogar Holzgemische sind erhältlich,<br />
und die Ergebnisse<br />
sind erstaunlich. Sie fühlen<br />
sich an wie Holz, sie sehen<br />
aus wie Holz, und sie riechen<br />
sogar wie Holz.<br />
3D-Drucker sehen ein bisschen<br />
aus wie eine Mikrowelle.<br />
Es sind eckige Kästen, in deren<br />
Inneren eine Düse von der<br />
Decke hängt. Beim Drucken<br />
schmilzt diese Düse das Material<br />
aus der Druckerpatrone,<br />
die bei 3D-Druckern aussieht<br />
wie ein Draht (Filament), und<br />
trägt die entstehende Masse<br />
in dünnen Schichten auf ein<br />
Brett auf. So wächst der Gegenstand<br />
Schicht für Schicht<br />
in die Höhe.<br />
Das kann sich durchaus rechnen:<br />
Ein Kilogramm Kunststoffdraht<br />
kostet im Internet rund<br />
50 Franken. Daraus kann<br />
man 40 Vasen, Ketten oder<br />
Schmuck dosen drucken. Auch<br />
der Kaufpreis hält sich in Grenzen.<br />
Ein 3D-Drucker der mittleren<br />
Preisklasse kostet nicht<br />
viel mehr als 1000 Franken.<br />
Aktive Community<br />
Eine aktive Community von<br />
3D-Druckanwendern tauscht<br />
über das Internet Druckdaten<br />
und Software kostenlos aus<br />
(z. B. 3dhubs.com) und treibt<br />
die technische Weiterentwicklung<br />
voran. Dabei erinnert die<br />
Euphorie an die 1980er-Jahre,<br />
als die PCs aufkamen. Der<br />
Austausch war damals allerdings<br />
schwieriger, weil es<br />
noch kein Internet gab.<br />
Heute gibt es in jeder grösseren<br />
Stadt 3D-Druckereien, die<br />
schnell und günstig die angefragten<br />
Objekte ausdrucken.<br />
Ähnlich wie seinerzeit die<br />
Copy shops. Man sendet die<br />
Daten, und kurze Zeit später<br />
wird die Vase, das Schmuckstück,<br />
oder was auch immer<br />
man in Auftrag gegeben hat,<br />
quasi frisch aus dem Drucker<br />
geliefert.<br />
Fotos: Thilo Parg/Wikimedia Commons<br />
16 s’Positive 8 / 2016