s'Positive Magazin 08.2016
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Vermitteln uns die Medien ein falsches<br />
Bild von dieser Welt? Diese Frage habe ich<br />
mir nach einer Reise zum vergessenen<br />
Mittelpunkt der Erde gestellt – nach Almaty,<br />
dem früheren Alma Ata in Kasachstan.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG<br />
Die Vergabe der Olympischen Winterspiele von<br />
2022 hat Almaty mit vier Stimmen gegen Peking<br />
verloren. Winterspiele in Peking – das ist<br />
eine der grössten Absurditäten des Weltsports,<br />
weitaus absurder als eine Fussball-WM in Katar.<br />
Darüber habe ich mich mit einem angesehenen Chronisten-<br />
Kollegen unterhalten. Und der war ganz und gar nicht<br />
meiner Meinung. Er vertrat die Meinung, es wäre ganz<br />
einfach nicht verantwortbar, Winterspiele in Almaty zu<br />
veranstalten. Das sei ein Dreckloch und gefährlich sei es<br />
dort auch. Auf meine entsprechende Frage sagte er: Nein,<br />
nein, er sei nie dort gewesen. Aber er habe sichere, verlässliche<br />
Informationen aus den Medien. Er wisse es auch sonst<br />
ganz genau. Er habe gerade kürzlich mit einer Langläuferin<br />
gesprochen, die einmal dort gewesen sei.<br />
Wie ist es nun in Wirklichkeit? Die Idee für eine Reise<br />
nach Almaty kam mir während der Hockey-WM in Moskau.<br />
Wir verloren das Auftaktspiel gegen Kasachstan und ich<br />
beschäftigte mich etwas intensiver mit diesem Land. Ich<br />
habe die Reise nicht bereut.<br />
Allein die Lage fasziniert mich. Almaty liegt ziemlich<br />
genau in der Mitte des eurasischen Kontinents am Grenzdreieck<br />
China-Kasachstan-Kirgisien, im tiefen Inneren von<br />
Asien. Almaty ist sozusagen der vergessene Mittelpunkt der<br />
Erde. Die Stadt wird auf drei Seiten von gewaltigen Gebirgen<br />
abgeschirmt. Hinter grünen Vorbergen erheben sich über<br />
4000 Meter hohe vergletscherte Gipfel, nur nach Norden hin<br />
öffnet sich der Horizont und geht in die endlose Steppe über.<br />
Einst führte die Seidenstrasse, die legendäre Handels route<br />
Die Bergwelt ist von China nach Europa, durch Almaty.<br />
grandios. Die Fahrt zu<br />
Almaty ein Dreckloch? Dann ist der Napf die Schutthalde<br />
eines Kohlenbergwerkes. Nie habe ich eine grüne-<br />
malerischen Bergseen<br />
dauert von der Stadt<br />
aus nicht viel mehr re Stadt gesehen. Gebaut am Fusse der Berge. Das erleichtert<br />
die Orientierung. Oben ist Süden, unten ist<br />
als eine Stunde.<br />
Norden, und die Strassen verlaufen in dieser Richtung.<br />
Aus gutem Grund: Der Wind, der von den Bergriesen herabkommt,<br />
kann ungehindert durch die von Norden nach Süden<br />
verlaufenden Häuserschluchten ziehen und die Stadt kühlen.<br />
Deshalb ist es hier selbst im Sommer nie so heiss wie in der Steppe<br />
draussen vor der Stadt. Almaty ist eingebettet in ein grünes<br />
Meer aus Eichen, Pappeln und Ulmen. Alle wichtigen Strassen sind<br />
von wunderschönen Alleen gesäumt, ein Paradies für Fussgänger.<br />
Und entlang der beiden Flüsse, die durch die Stadt fliessen, verlaufen<br />
kilometerlange schattige Spazierwege.<br />
s’Positive 8 / 2016 23