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s'Positive Magazin 08.2016

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Kasachstan ist das siebtgrösste Land der<br />

Welt und Almaty ist wie eine Oase in einem<br />

riesigen, dünn besiedelten Land. Die Stadt<br />

mit rund 1,5 Millionen Einwohnern ist nicht<br />

die Hauptstadt (die heisst Astana und liegt,<br />

neu errichtet, weit draussen, 1000 Kilometer<br />

entfernt in der Steppe). Aber Almaty ist<br />

nach wie vor die heimliche Metropole des<br />

Landes.<br />

Stadtbild. Vielleicht ist es auch so, dass sich<br />

die pragmatischen Kasachen nicht so einfach<br />

fanatisieren lassen. Eher droht Ungemach<br />

durch die unvermeidliche Korruption und<br />

die immer grösser werdenden sozialen Gegensätze.<br />

Almaty ist ein Paradies<br />

für Touristen: Dank<br />

schwacher Währung<br />

günstig, sicher und von<br />

einer wahrhaft grandiosen<br />

Natur umgeben<br />

Reminiszenz an<br />

«Borat», die Kunstfigur<br />

aus Kasachstan<br />

des Komikers<br />

Sacha Baron Cohen<br />

Eine Besonderheit von Kasachstan im<br />

allgemeinen und in Almaty insbesondere ist<br />

das Fehlen von Touristen. Stolz vermelden<br />

staatliche Stellen zwar drei Millionen Touristen<br />

im Jahr. Doch Mustafa weiss es besser.<br />

Er habe den zuständigen Minister einen<br />

Schwindler genannt, denn bei den drei Millionen<br />

seien wohl einfach alle Grenzübertritte<br />

gezählt worden. Doch darunter seien<br />

kaum 30 000 Touristen. Und tatsächlich<br />

habe ich nicht einen deutschsprachigen Touristen<br />

gesehen. Ganz offensichtlich ist Zentralasien,<br />

der vergessene Mittelpunkt der<br />

Erde, kein Ziel für Massentourismus. Wohl<br />

zu exotisch, zu fremd und, wie eingangs erwähnt,<br />

mit einem zwiespältigen Image.<br />

Dabei ist Almaty in jeder Hinsicht ein Paradies<br />

für Touristen. Die kasachische Währung<br />

hat im Zuge des Kurszerfalls des Rubels<br />

massiv an Wert verloren. Selbst in den wenigen<br />

Luxushotels kostet ein Zimmer weniger<br />

als 200 Franken. Die Bergwelt ist grandios.<br />

Die Fahrt zu malerischen Bergseen<br />

dauert von der Stadt aus nicht viel mehr als<br />

eine Stunde. Von Medeo aus, der Sportanlage<br />

oberhalb der Stadt mit der schnellsten<br />

Eisschnelllaufbahn der Welt (weil das Eis<br />

wegen der trockenen Luft und der Höhenlage<br />

speziell ist) tragen drei hochmoderne<br />

Bergbahnen – erst eine Gondel, dann zwei<br />

offene Sesselbahnen – die Fremden auf einer<br />

Strecke von acht Kilometern auf über 3000<br />

Meter hinauf. Die Aussicht hinaus in die Weite<br />

der Steppe ist atemberaubend.<br />

GROSSE SOZIALE GEGENSÄTZE<br />

Wer die Stadt verlässt, sich auf die Fahrt entlang<br />

der Seidenstrasse zur Chinesischen<br />

Grenze begibt, sieht in den ärmlichen Dörfern<br />

bald einmal die sozialen Gegensätze. Rund<br />

um Almaty führt eine ausgebaute Ring-Autobahn.<br />

Aber mit Ausnahme der Autobahn nach<br />

Astana sind die Verkehrswege nicht ausgebaut,<br />

und nach wie vor ist die Hauptverkehrsachse<br />

von Almaty nach China eine Baustelle.<br />

Die Fahrt zum Scharyn Canyon, rund 200<br />

Kilometer nach Osten Richtung China, zuerst<br />

entlang der Seidenstrasse, dann über kahle<br />

Hochplateaus, ist mühselig und zeitweise<br />

geht es über arge Holperpisten. Aber es lohnt<br />

sich. Im Herzen des Landes der sieben Ströme,<br />

die von den Bergen herab in die Steppe<br />

fliessen, hat der Fluss Scharyn auf einer Länge<br />

von 164 Kilometern eine bis zu 350 Meter<br />

tiefe Schlucht in den Sandstein gegraben. Der<br />

Weg vom Hochplateau hinunter zum Fluss ist<br />

in Turnschuhen mühelos zu begehen. Und<br />

dieses Hochplateau, begrenzt von hohen Bergen,<br />

übt eine ganz eigentümliche Faszination<br />

aus. Wie eine Landschaft am Ende der Zeiten.<br />

Die Einheimischen nennen es «Tal des<br />

Todes». Es werde hier im Winter so kalt, dass<br />

einst sogar die Nomaden erfroren seien. Im<br />

Sommer reisen die Prinzen aus dem Morgenland<br />

in diese karge Welt, um der Jagd mit<br />

Falken zu frönen. Die Kasachen haben Raubvögel<br />

lange vor den Arabern zur Jagd abgerichtet.<br />

Sie setzen sogar weibliche Adler bei<br />

der Wolfsjagd ein.<br />

In Europa oder Nordamerika wäre diese<br />

magische Landschaft auf dem Weg zum Canyon<br />

und der Canyon selbst von Touristen<br />

überlaufen. Doch hierher kommen im Jahr<br />

höchstens 7000 Besucher. Der Vergleich mit<br />

dem Grand Canyon in Nordamerika ist<br />

durchaus berechtigt, allerdings ist der Scharyn<br />

Canyon weniger tief und weniger breit,<br />

dafür punktet er mit einem ganz eigenen<br />

Charme. Der Besucher wird nicht durch die<br />

gewaltige Tiefe «erschlagen» wie beim Grand<br />

Canyon. Aber die Felsformationen sind reizvoller<br />

als beim amerikanischen Pendant und<br />

die Ruhe und Abgeschiedenheit machen die<br />

stündige Wanderung hinunter an den Fluss<br />

zu einem mythischen Erlebnis.<br />

Es ist wirklich schade, dass die olympischen<br />

Winterspiele 2022 in Peking und nicht<br />

in Almaty durchgführt werden.<br />

s’Positive 8 / 2016 25

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