blu Oktober 2016
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Stadtgespräch 8<br />
FOTOS: PHILIP GLASER / UNIVERSAL MUSIC<br />
Interview<br />
SCHILLER:<br />
DIE NEUE MUSIKALISCHE FREIHEIT<br />
Der Klangmeister kommt auf Tour!<br />
Mit „Future“ erschien im Frühling das<br />
erste Schiller-Global-Pop-Album seit<br />
dem 2012er-Erfolgswerk „Sonne“ und<br />
überraschte mit vielen klubtauglichen<br />
Produktionen sowie mit poppigen<br />
Stücken und verschiedenen Gastmusikern<br />
– sogar Sharon Stone verfasste<br />
einen Liedtext. Wir sprachen mit dem<br />
Mann hinter den Melodien und Beats,<br />
Christopher von Deylen.<br />
DU BIST NACH KALIFORNIEN GEZO-<br />
GEN, INWIEFERN BEEINFLUSSTE DIESER<br />
SCHRITT DEINE MUSIK?<br />
Mein Leben und meine Lebensweise<br />
haben sich grundlegend geändert – und<br />
auch mein musikalischer Ausdruck. Ich<br />
hatte das Gefühl, dass das SCHILLER-<br />
Konzentrat über die Jahre dünner<br />
wurde, als mir lieb war. Daher auch der<br />
zwischenzeitliche Ausflug in die Klassik<br />
mit „Opus“ und „Symphonia“. Ich wollte<br />
den Blick einmal in eine ganz andere<br />
musikalische Richtung lenken. Mir war<br />
klar, dass ich nicht mehr einfach da<br />
weitermachen konnte, wo das letzte<br />
„reguläre“ Album „Sonne“ aufgehört hat.<br />
Der Aufenthalt abseits von Berlin hat mir<br />
auf jeden Fall geholfen, Dinge zu tun,<br />
von denen ich noch vor ein paar Jahren<br />
gedacht hätte: „Nein, das kann man<br />
doch so nicht machen.“ Mehr als nötig<br />
und wahrscheinlich mehr, als es richtig<br />
war, habe ich mich zunehmend auf die<br />
„SCHILLER-Formel“ fokussiert. Es war<br />
an der Zeit, dass eine deutlichere Weiter-<br />
und Umentwicklung zu hören ist.<br />
„FUTURE“ KLINGT WIE EIN OPTIMISTI-<br />
SCHER BLICK IN DIE ZUKUNFT ...<br />
Ja, das liegt vermutlich auch daran, dass<br />
ich das Glück habe, zurzeit sehr frei<br />
leben zu können. Nach einer ausgedehnten<br />
Tour, ohnehin immer ein ganz<br />
spezielles Paralleluniversum, kam ich<br />
zurück nach Berlin und dachte mir: „So<br />
geht das nicht mehr weiter.“ Also habe<br />
ich 2013 meinen gesamten Besitz abgegeben<br />
und lebe seitdem bei Freunden<br />
oder nutze Airbnb. Mir gibt keine feste<br />
Wohnung vor, wo ich wann zu sein<br />
habe. Dort ist die Küche, weil da der<br />
Kühlschrank steht, dort das Sofa, was<br />
einen beschuldigend ansieht: „Benutz<br />
mich!“ Es klingt zwar ein wenig nach<br />
einem Kalenderspruch, aber „Besitz<br />
besitzt“. Erstaunlicherweise vermisse<br />
ich überhaupt nichts. Die wunderbare<br />
Möglichkeit, ans andere Ende der Welt<br />
zu ziehen, um dort neue Menschen und<br />
Stimmen zu treffen, ohne zu grübeln,<br />
wer zu Hause die Blumen gießt – ein<br />
Traum. Ich habe mein „Zuhause“ sozusagen<br />
immer dabei. Das hat vermutlich<br />
zu einer für mich neuen musikalischen<br />
Freiheit geführt. Mein eigenes kleines<br />
„Ich bin dann mal weg“.<br />
DIE MUSIK DEINES NEUEN ALBUMS ER-<br />
SCHEINT MIR WIEDER ETWAS KLUBBIGER<br />
UND AUCH POPPIGER. IRRE ICH, ODER<br />
LÄDT SCHILLER DIESMAL NICHT NUR<br />
ZUR ENTSPANNUNG, SONDERN AUCH<br />
ZUM TANZ EIN?<br />
Das Verhältnis zwischen Songs mit Gesang<br />
und instrumentalen Stücken war<br />
über die Jahre immer variabel. Ich hatte<br />
aber einen gewissen Argwohn entwickelt,<br />
wenn es um die Bass Drum ging.<br />
SCHILLER startete Ende der 1990er<br />
mit „Das Glockenspiel“, und fortan war<br />
es mir stets wichtig, die Elemente des<br />
Dance-Genres zu erweitern und einen<br />
eigenen Sound zu erschaffen. Auf „Future“<br />
gibt es viele atmosphärische Stücke<br />
zu hören, aber eben auch ganz andere,<br />
frischere Songs, wie man sie vorher<br />
vielleicht nicht bei SCHILLER vermutet<br />
hätte. Und eben auch etwas öfter eine<br />
Bass Drum – zum Glück.<br />
DU KOMMST JETZT AUF TOUR UND<br />
SPIELST AUCH IN GROSSEN HALLEN,<br />
OBWOHL DEIN TIPP JA IST, DEINE MUSIK<br />
MIT KOPFHÖRERN ZU HÖREN.<br />
Genau, damit man alles entdeckt, was<br />
ich da versteckt habe. Für mich ist<br />
das Komponieren von Musik wie das<br />
Erschaffen einer Filmszene. Ich würde<br />
mir wünschen, dass man immer wieder<br />
etwas Neues entdecken kann. Auf Tour<br />
möchte ich das konsequent weiterführen.<br />
Durch die Inszenierung mit einer<br />
aufwendigen Lichttechnik und unserem<br />
speziellen Surround-Sound möchte ich<br />
die Arena sozusagen in einen großen<br />
Kopfhörer verwandeln. Als bekennender<br />
Lampenfieber-Mensch ist das durchaus<br />
spannend. Große Arenen, laute Musik,<br />
viele Menschen, die epische Breitwand,<br />
möglichst energetisch und mit einem<br />
großen visuellen Zauberkasten.<br />
•Interview: Michael Rädel<br />
Schiller macht ab Ende September<br />
u. a. in Dresden (27.9.), Hamburg<br />
(29.9.), Hannover (30.9.), Köln (1.10.),<br />
Frankfurt (6.10.), Stuttgart (8.10.),<br />
Freiburg (9.10.), München (12.10.) und<br />
Berlin (14.10.) Station.<br />
www.schillermusik.de