s'Positive Magazin 09.2016
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Foto: shutterstock.com/Sergieiev<br />
Politische Parteien gewinnen Wähler,<br />
wenn sie in Debatten obenaus<br />
schwingen. Doch wer eigentlich in<br />
der Sache recht hat, bzw. wessen<br />
Argumente zu besseren Resultaten<br />
führen würden, finden wir auf diese<br />
Weise nicht heraus. Das ist auch im beruflichen<br />
und privaten Leben nicht anders. Im<br />
Gegenteil. Wo gewonnen wird, gibt es Verlierer.<br />
Zu den Verlierern gehört viel zu oft<br />
die Sache selbst.<br />
Und doch geht es auch in beruflichen und<br />
in privaten Gesprächen, Diskussionen, Debatten<br />
und Sitzungen viel zu oft ums Gewinnen.<br />
Waren Sie nicht auch schon total von<br />
einer Sache überzeugt, gut auf die Debatte<br />
vorbereitet, und standen am Schluss frustriert<br />
und mit abgesägten Hosen da, weil ein<br />
Diskussionspartner die bessere Taktik hatte<br />
oder weil er hierarchisch über Ihnen stand?<br />
Mussten Sie klein beigeben, obwohl Sie auch<br />
nach der Sitzung von Ihrer Sache überzeugt<br />
waren? Wer eine Debatte oder Diskussion<br />
«gewinnt», hat deswegen noch lange nicht<br />
in der Sache recht. Sie und die Sache könnten<br />
auch einfach Opfer eines guten Manipulators<br />
geworden sein.<br />
Wer besser manipuliert, schwingt in der<br />
Debatte oft obenaus. Egal, ob im Beruf oder<br />
privat. Dieser Artikel hat nicht zum Ziel, Sie<br />
zu einem besseren Manipulator zu machen.<br />
Aber wir zeigen Ihnen, wie Sie Manipulationen<br />
als solche erkennen können, und wie<br />
sie diesen entgegentreten. Nicht um zu gewinnen,<br />
sondern um der Sache eine Chance<br />
zu geben.<br />
WESHALB ES NICHT UMS SIEGEN GEHT<br />
Sehen wir der Sache ins Auge. Mehr noch<br />
bei grösseren als bei kleineren Firmen sind<br />
Kadermitarbeiter und Verkäufer im Vorteil.<br />
Denn oft haben sie in Rhetorik- und Führungsseminaren<br />
Gesprächstechnik gelernt.<br />
Wird ein Gespräch «technisch» geführt, wird<br />
manipuliert. Der Kunde oder der Mitarbeiter<br />
sollen dahin geführt werden, wo man sie<br />
haben will. Die Kunden sollen kaufen, egal,<br />
ob sie die Ware brauchen oder nicht. Die<br />
Mitarbeiter sollen auf Kurs gebracht werden.<br />
Mitspracherecht wird zwar auf dem Papier<br />
gewährt. Doch mit manipulativen Gesprächstechniken<br />
wird möglichen Gegenargumenten<br />
der Wind aus den Segeln genommen, oft<br />
noch bevor diese überhaupt ausgesprochen<br />
werden. Rhetorisch geschulte Berufsleute<br />
nutzen ihre Fähigkeiten oft auch im Privatleben.<br />
Doch gerade im Berufsleben ist Vorsicht<br />
geboten. Lassen Sie sich nicht dazu hinreissen,<br />
dank Schlagfertigkeit bei Ihrem Chef zu<br />
punkten. Dies geht selten gut. Was ist – um<br />
ein krasses Beispiel zu nehmen –, wenn Ihr<br />
Chef bei einem Fehler, der Ihnen unterlaufen<br />
ZUSATZINFOS<br />
Vier Formulierungen zur<br />
Selbstbehauptung<br />
Dr. Gudrun Fey hat Philosophie,<br />
Linguistik und<br />
Betriebswirtschaftslehre<br />
studiert. Seit vielen Jahren<br />
führt sie Rhetorikund<br />
Kommunikationsseminare<br />
für Mitarbeiter<br />
und Führungskräfte aus<br />
Wirtschaft und Verwaltung<br />
durch. In einem Artikel<br />
auf StepStone.de<br />
schreibt sie: «Der gros se<br />
Vorteil einer selbstbehauptenden<br />
Äusserung ist:<br />
Sie schlagen nicht zurück,<br />
geben auch nicht klein<br />
bei, sondern zeigen dem<br />
anderen, dass Sie dem Angriff<br />
standhalten, zurück<br />
zur Sache wollen und Sie<br />
sich nicht provozieren lassen.<br />
Denn wie ein chinesisches<br />
Sprichwort sagt:<br />
‹Der, der uns ärgert, beherrscht<br />
uns.› Deshalb<br />
reagieren Sie in Zukunft<br />
erst dann, wenn Sie es für<br />
angebracht halten und<br />
nicht in dem Moment, in<br />
dem die andere Person<br />
Sie provoziert.<br />
Dr. Gudrun Fey<br />
ist, provozierend sagt: «Also, Sie sollten<br />
wirklich mal einen IQ-Test machen.» Da würden<br />
Sie doch gerne schlagfertig kontern:<br />
«Gern, wenn Sie mitmachen!» Doch darauf<br />
hätte der Chef wohl die Machtfrage gestellt:<br />
«Also, wer ist denn hier der Boss? Sie oder<br />
ich?» Und spätestens jetzt wären Sie ruhig,<br />
wenn Sie Ihren Job hätten behalten wollen.<br />
Souveräner ist folgende Reaktion. Ihre<br />
Antwort könnte sein: «Ihre Reaktion überrascht<br />
mich.» Um dann so lange zu schweigen,<br />
bis der Chef wieder etwas sagt. Ihr<br />
Schweigen gibt ihm nämlich die Chance, sich<br />
Versuchen Sie in Zukunft<br />
nicht, schlagfertig zu<br />
reagieren, sondern<br />
souverän. Als Regel gilt:<br />
Zeit gewinnen.<br />
seine Provokation nochmals zu überlegen,<br />
dabei einzusehen, dass er zu weit gegangen<br />
ist und einen Rückzieher zu machen. Er<br />
könnte daraufhin sagen: «Na ja, so habe ich<br />
Suchen Sie also in solchen<br />
Situationen nicht nach<br />
einer schlagfertigen Antwort,<br />
sondern prägen Sie<br />
sich die folgenden Formulierungen<br />
ein, mit denen<br />
Sie Zeit gewinnen und mit<br />
denen Sie auf Ihren Gesprächspartner<br />
souverän<br />
wirken:<br />
1. «Was konkret<br />
meinen Sie?»<br />
2. «Was hat das mit dem<br />
Thema zu tun?»<br />
3. «Mag sein, dass es<br />
auf Sie so wirkt ... »<br />
4. «Bitte fair bleiben!»<br />
Damit diese Formulierungen<br />
die Gesprächsatmosphäre<br />
auch wirklich entspannen,<br />
müssen Körpersprache<br />
und Tonfall dies<br />
unterstreichen. Ist dies<br />
nicht der Fall, nimmt Ihr<br />
Gesprächspartner die<br />
Aussage womöglich<br />
falsch wahr. Lächeln Sie<br />
bei den obigen Äusserungen,<br />
wird er sie als Ironie<br />
interpretieren. Wirken<br />
Sie im Tonfall und in der<br />
Körpersprache schüchtern,<br />
wird Sie der Gesprächspartner<br />
für unsicher<br />
halten. Deshalb ist<br />
es wichtig, dass Ihre<br />
Stimme fest und bestimmt<br />
klingt. Bei der<br />
Körpersprache sollten Sie<br />
darauf achten, dass Sie<br />
guten Blickkontakt zu<br />
Ihrem Gegenüber haben<br />
und Ihren Kopf gerade<br />
halten. So strahlen Sie<br />
Selbstsicherheit aus.»<br />
Quelle:<br />
www.stepstone.de<br />
das nicht gemeint. Aber es hat mich wirklich<br />
geärgert, dass Ihnen dieser Fehler passiert<br />
ist.» Darauf könnte Ihre Reaktion sein:<br />
«Stimmt, mich hat es auch geärgert.» Somit<br />
sind beide aus dem Schneider, ohne dass<br />
eine Partei ihr Gesicht verloren hat und ohne<br />
dass die Machtfrage gestellt wurde.<br />
«ÜBERHÖREN» ALS ELEGANTE<br />
METHODE<br />
Eine weitere Möglichkeit, mit Provokationen<br />
umzugehen, ist das Überhören, frei nach<br />
dem Motto: «Was juckt es den Mond, wenn<br />
ihn ein Hund anbellt?» Das wirkt sehr souverän<br />
– selbst dann, wenn Sie ob einer verbalen<br />
Attacke sprachlos sind, was man Ihnen<br />
ja nicht ansieht. Wenn Sie nicht reagieren,<br />
heisst dies für den Provokateur, dass Sie es<br />
ablehnen, sich auf diesem Niveau mit ihm<br />
auseinanderzusetzen. Ist er schlau, unterlässt<br />
er künftig solche verbalen Angriffe.<br />
WARUM IST SOUVERÄNITÄT SO<br />
SCHWIERIG?<br />
In Situationen, in denen man angegriffen<br />
wird oder sich angegriffen fühlt, wird das<br />
Stammhirn zusammen mit dem limbischen<br />
System (auch Zwischenhirn genannt) ak-<br />
s’Positive 9 / 2016 15