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Rot - Wirtschaftsnachrichten

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weg abgezogen, der in den Topf der Bedarfszuweisungen<br />

geht. Daraus sollen eigentlich<br />

Investitionen in strukturschwachen Gemeinden<br />

bezahlt werden, quasi als solidarische<br />

Leistung von jenen Gemeinden, die über<br />

eine bessere Lage und daher auch bessere<br />

Einnahmen verfügen. In den vergangenen<br />

zwei Jahren mussten große Teile dieser Mittel<br />

für den Ausgleich von Abgangsgemeinden<br />

verwendet werden. Ich ärgere mich nur<br />

immer ein bisschen darüber, dass manche<br />

Landespolitiker so tun, als wäre das ihr Geld,<br />

das sie dann gönnerhaft an die Gemeinden<br />

verteilen. Dem ist ja nicht so. Es sind Gemeindegelder,<br />

die ausschließlich den Gemeinden<br />

zustehen. Die Länder haben hier<br />

nur eine Verwaltungsfunktion.<br />

n Hat sich die finanzielle Lage der Gemeinden<br />

inzwischen verbessert?<br />

In den letzten Monaten geht es leicht aufwärts,<br />

und das aus mehreren Gründen. Einerseits<br />

haben wir erreicht, dass der Bund<br />

einen Teil der Nachmittagsbetreuung für<br />

Pflichtschüler finanzieren wird, dafür stehen<br />

80 Millionen Euro bereit. Zum anderen haben<br />

wir nach zehn Jahren des Lästigseins erreicht,<br />

dass die Pflegefinanzierung für die<br />

nächsten Jahre auf neue Beine gestellt worden<br />

ist. Das war eine gewaltige Herausforderung,<br />

denn die Kostenexplosionen von<br />

zehn bis 15 Prozent pro Jahr haben die Gemeinden<br />

enorm belastet. Insgesamt bekommen<br />

die Länder und Gemeinden dafür 685<br />

Millionen Euro mehr in den nächsten Jahren.<br />

Wobei man dazu sagen muss, dass dieses zusätzliche<br />

Geld nur die Steigerungen auffangen<br />

wird, in der Substanz bezahlen die Gemeinden<br />

nach wie vor den Löwenanteil der<br />

Pflegekosten.<br />

n Also wird es den Gemeinde-Haushalten<br />

demnächst wieder gut gehen?<br />

So pauschal kann man das auch wieder nicht<br />

sagen. Es ist ja in den letzten beiden Jahren<br />

ein enormer Investitionsrückstau entstanden,<br />

weil die Gemeinden kein Geld hatten. Dringend<br />

nötige Investitionen konnten nicht<br />

mehr getätigt werden, weil alle Gemeinden<br />

die Ausgaben dramatisch zurückfahren<br />

mussten. Und die Investitionen setzen wir ja<br />

nicht zum Spaß, sondern weil sie notwendig<br />

sind. Die Menschen brauchen die Infrastruktur<br />

einfach, auch wenn das Konsolidieren der<br />

Gemeindehaushalte ein Gebot der Stunde ist.<br />

n Besteht nun nicht die Gefahr, dass sich<br />

die Gemeinden erneut überschulden,<br />

um diese Investitionen finanzieren zu<br />

können?<br />

Entgegen allen Behauptungen waren die Gemeinden<br />

schon bisher die Sparmeister der<br />

Nation. Ich kann es schon nicht mehr hören,<br />

wenn man von Überschuldung spricht. Alle<br />

Gemeinden zusammen haben 11,6 Milliarden<br />

Euro Schulden, davon einen großen Teil<br />

im Kanal- und Wasserbau. Der Bund allein<br />

hat 180 Milliarden Euro Schulden, das ist<br />

also kein Vergleich. Die Gemeinden sind<br />

auch die einzige Gebietskörperschaft, die –<br />

mit Ausnahme von 2009 – die Maastricht-<br />

Kriterien immer auf Punkt und Beistrich eingehalten<br />

hat, daran könnten sich Bund und<br />

Länder ein Beispiel nehmen. Und nicht zuletzt<br />

haben wir uns auch im jetzt neu vereinbarten<br />

Stabilitätspakt dazu verpflichtet, ausgeglichen<br />

zu bilanzieren.<br />

n Was müsste sich ändern, damit die Gemeinden<br />

finanziell und wirtschaftlich<br />

wieder ein bisschen durchatmen können?<br />

Zu allererst brauchen wir einen gegenseitigen<br />

Belastungsstopp. Es ist einfach nicht dauerhaft<br />

möglich, dass Bund oder Länder irgendwelche<br />

Angelegenheiten erfinden, die dann<br />

die Gemeinden auszuführen und vor allem<br />

auch zu bezahlen haben. Hier muss unbedingt<br />

das Verursacherprinzip gelten: Wer etwas anschafft,<br />

der hat es auch zu bezahlen. Leider<br />

stehen die Gemeinden sozusagen am Ende<br />

der politischen Nahrungskette, wir können<br />

uns kaum wehren, wenn eine gesetzgebende<br />

Ebene uns etwas befiehlt. Und genau das ist<br />

der Punkt: Es muss Schluss sein mit den einseitigen<br />

Belastungen. Nicht nur jetzt, sondern<br />

auch in diversen Wahlkämpfen.<br />

Fotos: Gemeindebund<br />

n Immer wieder taucht im Rahmen der<br />

Debatte um die Verwaltungsreform die<br />

Forderung nach der Zusammenlegung<br />

von Gemeinden auf. Wie sehen Sie<br />

das?<br />

Ich sehe das leidenschaftslos. Gegen die Zusammenlegung<br />

von Gemeinden auf Basis<br />

der Mitsprache und Zustimmung der Bevölkerung<br />

habe ich überhaupt nichts. Ich wehre<br />

mich jedoch gegen jede von oben verordnete<br />

DIE GEMEINDEN<br />

Zusammenlegung, die aus dem Irrglauben<br />

entsteht, dass dann alles billiger wird. Das<br />

ist nicht der Fall. Wir können glasklar und<br />

mit Fakten nachweisen, dass in kleinen Gemeinden<br />

die Verwaltung viel billiger und effizienter<br />

geführt wird. Einerseits weil die<br />

Ebenen des mittleren Managements wegfallen,<br />

andererseits auch weil die freiwilligen<br />

Leistungen der Menschen in kleinen Gemeinden<br />

viel intensiver sind. Diese Freiwilligenarbeit<br />

reduziert sich übrigens nach jeder<br />

Zusammenlegung dramatisch. In der Verwaltung<br />

haben wir in Städten mit mehr als<br />

20.000 Einwohnern doppelt so viele Mitarbeiter<br />

pro tausend Einwohner als in den kleinen<br />

Gemeinden. Das sind Fakten. Es ist zudem<br />

jeder herzlich eingeladen, bei den<br />

Schweizern nachzufragen, wie viel an Einsparung<br />

die Zusammenlegung von Gemeinden<br />

dort gebracht hat. Die Antwort ernüchtert<br />

die meisten Befürworter von Zusammenlegungen<br />

schnell.<br />

n Aber eine Verwaltungsreform muss es<br />

ja dennoch geben, oder?<br />

Natürlich müssen wir die Kosten von Bund,<br />

Ländern und Gemeinden in der Verwaltung<br />

senken. Ohne eine davor stattfindende Aufgabenreform<br />

wird man hier aber auch nicht<br />

viel erreichen. Es muss klar definiert werden,<br />

welche Ebene welche Aufgaben erfüllen<br />

soll. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit,<br />

ist in Österreich aber nicht die Realität.<br />

In der Kinderbetreuung etwa reden drei<br />

Ministerien, neun Bundesländer und 2.357<br />

Gemeinden mit. Das kann nicht effizient<br />

sein. Diesen Bereich sollen die Gemeinden<br />

alleine erledigen und dafür das nötige Geld<br />

bekommen, dann klappt das. Umgekehrt gehören<br />

Pflege und Gesundheit eigentlich in<br />

die Hände der Länder. Ohne diese Aufgabenreform<br />

kann eine Verwaltungsreform<br />

nicht gelingen und vor allem kaum Kosten<br />

sparen.<br />

n Wo können die Gemeinden selbst nun<br />

noch konkret einsparen, um damit an<br />

wirtschaftlicher Investitionskraft zu<br />

gewinnen?<br />

Es sind sicherlich noch nicht überall alle Potenziale<br />

der interkommunalen Zusammenarbeit<br />

ausgeschöpft. Der gemeinsame Betrieb<br />

von Bauhöfen, die gemeinsame Nutzung<br />

von Fuhrparks, gemeinsame Buchhaltungen<br />

oder auch andere Verwaltungsaufgaben<br />

könnte man in vielen Gemeinden gemeinsam<br />

mit benachbarten Kommunen noch<br />

effizienter lösen. Daran arbeiten wir mit<br />

Hochdruck, denn die interkommunale Zusammenarbeit<br />

ist ja in den letzten Jahrzehnten<br />

eine Erfolgsgeschichte. Es gibt praktisch<br />

keine Gemeinde mehr, die allein die Mülloder<br />

Abwasserentsorgung organisiert. Österreichweit<br />

gibt es Tausende Gemeindeverbände.<br />

Das funktioniert ausgezeichnet und<br />

muss sich auch in anderen Bereichen weiterentwickeln.<br />

Ü<br />

WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 4/2011 21

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