Wolf/laif
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FILMLADEN | MI. 16.11. | 21:45<br />
GLORIA | MI. 16.11. | 22:15<br />
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Macht und Freiheit<br />
Phantom of Punk<br />
Das große Glück<br />
The Great Fortune<br />
SCREENING<br />
SCREENING<br />
Macht und Freiheit<br />
Phantom of Punk<br />
Es geht ein Gespenst um im Hamburger Schanzenviertel,<br />
das Schreckgespenst der finalen<br />
Gentrifizierung. Mitten in den Zwist zwischen<br />
Besetzer/innen, der Stadt und dem Eigentümer<br />
platzt die Ankündigung: Christoph Faulhaber<br />
renoviert die Rote Flora und baut den fehlenden<br />
Teil auf. Ein neues Kunstprojekt des Wahlhamburgers<br />
macht sich am Epizentrum diverser soziokultureller<br />
Auseinandersetzungen zu schaffen.<br />
Ende der 1980er Jahre hatte sich ein Investor<br />
vorgenommen dem Gründerzeitgebäude auf<br />
dem Schulterblatt zu neuem Glanz zu verhelfen.<br />
Das „Phantom der Oper“ sollte hier eine Heimat<br />
finden. Entgegen der Planungen für ein glamouröses<br />
Hamburg der Wohlhabenden formierte<br />
sich eine Protestgemeinschaft. Das Haus wurde<br />
besetzt. Ironie der Geschichte: Die Kämpfe und<br />
Aktionen der Aktivist/innen verhelfen ihrerseits<br />
zum touristischen Hype rund um die be-<br />
tont „schmuddelige“ Schanze, ziehen mehr und<br />
mehr hippe Snobs in nach und nach aufwändig<br />
sanierte, überteuerte Wohnungen.<br />
In Faulhaberscher Manier nimmt sich der Künstler<br />
und Performer nun also die Flora vor. Seine<br />
Arbeitsweise: Steck den Finger tief in die Wunde,<br />
dazu scheinbar naiv lächeln und schau was passiert.<br />
Schritt 1: Verhülle das Baugerüst um die<br />
Flora mit Planen, die die ursprüngliche, ehrwürdige<br />
Fassade zeigen. Streue damit Spekulationen<br />
um das Vorher – Dazwischen – Nachher. Schritt<br />
2: Kündige an, das „Phantom der Oper“ wird nun<br />
doch in der Flora aufgeführt – von Studierenden<br />
der Hamburger Hochschule für Musik und Theater,<br />
musikalisch begleitet vom städtischen Polizeiorchester,<br />
dass sich die Stadt nun doch weiter<br />
für alle Einwohner/innen leistet, die sonst kein<br />
Geld für Konzertbesuche übrig haben. Schritt 3:<br />
Spicke die Inszenierung mit einer ordentlichen<br />
Portion Ironie: Das Phantom ist demaskiert<br />
und trägt ein flammendes Manifest gegen die<br />
Gentrifizierung vor. Christine wird – per Videobotschaft<br />
übermittelt – durch Katakomben der<br />
Hansestadt entführt. Eine riesige Diskokugel<br />
statt des eigentlichen Kronleuchters erstrahlt<br />
über dem Schulterblatt. Glamour trifft auf Alltag,<br />
als Interpretationsangebot.<br />
MACHT UND FREIHEIT ist die filmische Dokumentation<br />
von Faulhabers Projekt, ergänzt um<br />
ein Skript, geschrieben von Michel Foucault.<br />
Prof. Dr. Martin Saar trägt „Die Form der Macht“<br />
vor, die Foucault als etwas allem und jedem/r<br />
inne wohnenden identifiziert. Macht und Freiheit<br />
schließen sich daher nicht aus. Im Gegenteil:<br />
Nutze deine Macht zur Befreiung, so der karikierende<br />
und überaus kluge Appell des Projekts.<br />
// There is a ghost haunting the Hamburg district of<br />
Schanzenviertel; the spectre of the final gentrification.<br />
In the year 2015, the theatre Rote Flora staged the<br />
production of “The Phantom of the Opera”. Christoph<br />
Faulhaber’s art project initially covers up the building<br />
and stages the successful musical in a considerably<br />
modified form – in the open air of the Hanseatic city.<br />
The script for the action is provided by Michel Foucault,<br />
who identifies power as something that lives inside every<br />
one of us. Thus power and freedom are not mutually<br />
exclusive. Power must instead be used for liberation –<br />
ironically, grotesquely or subversively.<br />
Deutschland, Schweiz 2016 / 70:30 Min. / deutsch<br />
Regie / Produzent / Ton: Christoph Faulhaber<br />
Kamera / Schnitt: R. Falckenberg<br />
Musik: Step into nowhere<br />
Das große Glück<br />
The Great Fortune<br />
„Der perfekte Mensch – das kann nur ich sein.<br />
Es ist so. Ich bin etwas Besonderes für die Leute.<br />
Ich strahle so freundlich aus. Ich habe Magie. Ich<br />
freu mich auf irgendwas das mich hält.“<br />
„Wenn ich tot bin werde ich einen roten Sarg<br />
haben. Ich werde mein Indianerkostüm tragen<br />
und den Tod genießen. (…) Ich werde einen roten<br />
Sarg haben wenn ich sterbe. Mit Seide und allem.<br />
Ganz weich. (…) Ich werde im Sarg liegen, gemütlich<br />
und eingemummelt. Alle werden mich<br />
pflegen und waschen. Und irgendwann muss ich<br />
dann mal rein. Noch lebe ich. Und mein Haus<br />
gehört mir allein.“<br />
Dies sind die Worte von Mirco Kuball, dem<br />
Protagonisten von DAS GROSSE GLÜCK. Die<br />
Kamera begleitet den wohlhabenden Kuball auf<br />
seinem Weg zu Boutiquen, seinem Zahnarzt,<br />
Augenarzt, Masseur, luxuriösen Cafés und Restaurants.<br />
Ja, er lebt in einem großen Schloss in<br />
der „Downie Street“, die er so benannt hat, weil<br />
er selbst das Down-Syndrom hat. Und ja, er verliebt<br />
sich in Männer.<br />
Und?<br />
Viel wichtiger: Mirco Kuball ist ein Künstler, was<br />
bedeutet, wie er sagt, „ein Schauspieler zu sein.“<br />
Teil von Kuballs Repertoire ist die Rolle des Parsifal,<br />
der „reine Narr“. Und wirklich, es zeigt sich<br />
eine Menge „Narrenweisheit“ oder „weises Narrentum“<br />
in dem was er uns zeigt und über seine<br />
Lebensrealität erzählt, wie im Leben selbst.<br />
Auch wenn man es nicht in einen Topf werfen<br />
will, das gleiche, was Mikhail Bakhtin über die<br />
„Narren“ in der mittelalterlich karnevalesken<br />
Kultur schreibt, trifft scheinbar auch auf Herrn<br />
Kuball zu: “(…) Sie waren keine Schauspieler, die<br />
ihre Rolle auf der Bühne gespielt haben. (…) Sie<br />
repräsentierten eine bestimmte Lebensform,<br />
welche zugleich real und ein Ideal war. Sie standen<br />
an der Grenze zwischen Leben und Kunst, in<br />
einer eigenartigen Grauzone. Sie waren weder<br />
Exzentriker noch Tölpel, und sie waren auch<br />
keine Komödianten.”<br />
Machen Reichtum und kulturelle Bildung das<br />
große Glück leichter? Mirco Kuball versteht es<br />
jedenfalls vortrefflich sich selbst, seine Vorstellungen<br />
vom und seine Fragen an das große Glück<br />
zu inszenieren. Ein Meisterstück.<br />
// “The perfect human – that’s me” Mirco Kuball, the<br />
protagonist of THE GREAT FORTUNE lives alone in<br />
a huge castle. The camera follows him and his chauffeur<br />
on his way between luxurious boutiques, his dentist,<br />
masseur, cafés, etc. Yes, he has the Down syndrome,<br />
and yes he happens to fall in love with guys. But, much<br />
more important, he’s an artist which, as he states,<br />
“means being an actor. It has a lot of meanings. I am<br />
here. Or I am not here. But I’m still alive. And my house<br />
belongs to me.”<br />
Deutschland 2015 / 58:00 Min. / deutsch / englische UT<br />
Regie / Schnitt: Kirsten Burger, Mikko Gaestel, Johannes Müller<br />
Produzent: Andreas Meder<br />
Kamera: Mikko Gaestel<br />
Musik / Ton: Milian Vogel<br />
33rd Hamburg<br />
International<br />
ShortFilmFestival<br />
June 6 – 12 2017<br />
www.shortfilm.com