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38<br />

FILMLADEN | MI. 16.11. | 21:45<br />

GLORIA | MI. 16.11. | 22:15<br />

39<br />

Macht und Freiheit<br />

Phantom of Punk<br />

Das große Glück<br />

The Great Fortune<br />

SCREENING<br />

SCREENING<br />

Macht und Freiheit<br />

Phantom of Punk<br />

Es geht ein Gespenst um im Hamburger Schanzenviertel,<br />

das Schreckgespenst der finalen<br />

Gentrifizierung. Mitten in den Zwist zwischen<br />

Besetzer/innen, der Stadt und dem Eigentümer<br />

platzt die Ankündigung: Christoph Faulhaber<br />

renoviert die Rote Flora und baut den fehlenden<br />

Teil auf. Ein neues Kunstprojekt des Wahlhamburgers<br />

macht sich am Epizentrum diverser soziokultureller<br />

Auseinandersetzungen zu schaffen.<br />

Ende der 1980er Jahre hatte sich ein Investor<br />

vorgenommen dem Gründerzeitgebäude auf<br />

dem Schulterblatt zu neuem Glanz zu verhelfen.<br />

Das „Phantom der Oper“ sollte hier eine Heimat<br />

finden. Entgegen der Planungen für ein glamouröses<br />

Hamburg der Wohlhabenden formierte<br />

sich eine Protestgemeinschaft. Das Haus wurde<br />

besetzt. Ironie der Geschichte: Die Kämpfe und<br />

Aktionen der Aktivist/innen verhelfen ihrerseits<br />

zum touristischen Hype rund um die be-<br />

tont „schmuddelige“ Schanze, ziehen mehr und<br />

mehr hippe Snobs in nach und nach aufwändig<br />

sanierte, überteuerte Wohnungen.<br />

In Faulhaberscher Manier nimmt sich der Künstler<br />

und Performer nun also die Flora vor. Seine<br />

Arbeitsweise: Steck den Finger tief in die Wunde,<br />

dazu scheinbar naiv lächeln und schau was passiert.<br />

Schritt 1: Verhülle das Baugerüst um die<br />

Flora mit Planen, die die ursprüngliche, ehrwürdige<br />

Fassade zeigen. Streue damit Spekulationen<br />

um das Vorher – Dazwischen – Nachher. Schritt<br />

2: Kündige an, das „Phantom der Oper“ wird nun<br />

doch in der Flora aufgeführt – von Studierenden<br />

der Hamburger Hochschule für Musik und Theater,<br />

musikalisch begleitet vom städtischen Polizeiorchester,<br />

dass sich die Stadt nun doch weiter<br />

für alle Einwohner/innen leistet, die sonst kein<br />

Geld für Konzertbesuche übrig haben. Schritt 3:<br />

Spicke die Inszenierung mit einer ordentlichen<br />

Portion Ironie: Das Phantom ist demaskiert<br />

und trägt ein flammendes Manifest gegen die<br />

Gentrifizierung vor. Christine wird – per Videobotschaft<br />

übermittelt – durch Katakomben der<br />

Hansestadt entführt. Eine riesige Diskokugel<br />

statt des eigentlichen Kronleuchters erstrahlt<br />

über dem Schulterblatt. Glamour trifft auf Alltag,<br />

als Interpretationsangebot.<br />

MACHT UND FREIHEIT ist die filmische Dokumentation<br />

von Faulhabers Projekt, ergänzt um<br />

ein Skript, geschrieben von Michel Foucault.<br />

Prof. Dr. Martin Saar trägt „Die Form der Macht“<br />

vor, die Foucault als etwas allem und jedem/r<br />

inne wohnenden identifiziert. Macht und Freiheit<br />

schließen sich daher nicht aus. Im Gegenteil:<br />

Nutze deine Macht zur Befreiung, so der karikierende<br />

und überaus kluge Appell des Projekts.<br />

// There is a ghost haunting the Hamburg district of<br />

Schanzenviertel; the spectre of the final gentrification.<br />

In the year 2015, the theatre Rote Flora staged the<br />

production of “The Phantom of the Opera”. Christoph<br />

Faulhaber’s art project initially covers up the building<br />

and stages the successful musical in a considerably<br />

modified form – in the open air of the Hanseatic city.<br />

The script for the action is provided by Michel Foucault,<br />

who identifies power as something that lives inside every<br />

one of us. Thus power and freedom are not mutually<br />

exclusive. Power must instead be used for liberation –<br />

ironically, grotesquely or subversively.<br />

Deutschland, Schweiz 2016 / 70:30 Min. / deutsch<br />

Regie / Produzent / Ton: Christoph Faulhaber<br />

Kamera / Schnitt: R. Falckenberg<br />

Musik: Step into nowhere<br />

Das große Glück<br />

The Great Fortune<br />

„Der perfekte Mensch – das kann nur ich sein.<br />

Es ist so. Ich bin etwas Besonderes für die Leute.<br />

Ich strahle so freundlich aus. Ich habe Magie. Ich<br />

freu mich auf irgendwas das mich hält.“<br />

„Wenn ich tot bin werde ich einen roten Sarg<br />

haben. Ich werde mein Indianerkostüm tragen<br />

und den Tod genießen. (…) Ich werde einen roten<br />

Sarg haben wenn ich sterbe. Mit Seide und allem.<br />

Ganz weich. (…) Ich werde im Sarg liegen, gemütlich<br />

und eingemummelt. Alle werden mich<br />

pflegen und waschen. Und irgendwann muss ich<br />

dann mal rein. Noch lebe ich. Und mein Haus<br />

gehört mir allein.“<br />

Dies sind die Worte von Mirco Kuball, dem<br />

Protagonisten von DAS GROSSE GLÜCK. Die<br />

Kamera begleitet den wohlhabenden Kuball auf<br />

seinem Weg zu Boutiquen, seinem Zahnarzt,<br />

Augenarzt, Masseur, luxuriösen Cafés und Restaurants.<br />

Ja, er lebt in einem großen Schloss in<br />

der „Downie Street“, die er so benannt hat, weil<br />

er selbst das Down-Syndrom hat. Und ja, er verliebt<br />

sich in Männer.<br />

Und?<br />

Viel wichtiger: Mirco Kuball ist ein Künstler, was<br />

bedeutet, wie er sagt, „ein Schauspieler zu sein.“<br />

Teil von Kuballs Repertoire ist die Rolle des Parsifal,<br />

der „reine Narr“. Und wirklich, es zeigt sich<br />

eine Menge „Narrenweisheit“ oder „weises Narrentum“<br />

in dem was er uns zeigt und über seine<br />

Lebensrealität erzählt, wie im Leben selbst.<br />

Auch wenn man es nicht in einen Topf werfen<br />

will, das gleiche, was Mikhail Bakhtin über die<br />

„Narren“ in der mittelalterlich karnevalesken<br />

Kultur schreibt, trifft scheinbar auch auf Herrn<br />

Kuball zu: “(…) Sie waren keine Schauspieler, die<br />

ihre Rolle auf der Bühne gespielt haben. (…) Sie<br />

repräsentierten eine bestimmte Lebensform,<br />

welche zugleich real und ein Ideal war. Sie standen<br />

an der Grenze zwischen Leben und Kunst, in<br />

einer eigenartigen Grauzone. Sie waren weder<br />

Exzentriker noch Tölpel, und sie waren auch<br />

keine Komödianten.”<br />

Machen Reichtum und kulturelle Bildung das<br />

große Glück leichter? Mirco Kuball versteht es<br />

jedenfalls vortrefflich sich selbst, seine Vorstellungen<br />

vom und seine Fragen an das große Glück<br />

zu inszenieren. Ein Meisterstück.<br />

// “The perfect human – that’s me” Mirco Kuball, the<br />

protagonist of THE GREAT FORTUNE lives alone in<br />

a huge castle. The camera follows him and his chauffeur<br />

on his way between luxurious boutiques, his dentist,<br />

masseur, cafés, etc. Yes, he has the Down syndrome,<br />

and yes he happens to fall in love with guys. But, much<br />

more important, he’s an artist which, as he states,<br />

“means being an actor. It has a lot of meanings. I am<br />

here. Or I am not here. But I’m still alive. And my house<br />

belongs to me.”<br />

Deutschland 2015 / 58:00 Min. / deutsch / englische UT<br />

Regie / Schnitt: Kirsten Burger, Mikko Gaestel, Johannes Müller<br />

Produzent: Andreas Meder<br />

Kamera: Mikko Gaestel<br />

Musik / Ton: Milian Vogel<br />

33rd Hamburg<br />

International<br />

ShortFilmFestival<br />

June 6 – 12 2017<br />

www.shortfilm.com

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