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IM BLICK Winter 2016

Das Neuerscheinungsmagazin des Verlag Österreich - einem der führenden Verlage für juristische Fachinformation in Österreich.

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<strong>IM</strong> INTERVIEW <strong>IM</strong> <strong>BLICK</strong> 5<br />

eine exzellente Verwaltung, die das<br />

Vorhaben operativ umsetzen kann. Im<br />

Speziellen hat die Gemeindestrukturreform<br />

in der Steiermark bisher keine<br />

nachvollziehbaren Nachteile hervorgebracht.<br />

Im Gegenteil, wir merken, dass<br />

die Gemeinden und deren Bürgermeister,<br />

die gelernt haben, mit der neuen<br />

Situation umzugehen, inzwischen auch<br />

das Potenzial größerer Gemeinden<br />

anerkennen. Wo es zuvor Gemeinden<br />

mit 1.500 oder überhaupt nur 500<br />

Einwohnern gab, sind heute Gemeinden<br />

zwischen 3000 bis 10.000 Einwohnern.<br />

In solchen Gemeinden herrscht<br />

Aufbruchsstimmung. Die gewachsene<br />

finanzielle Kraft lässt neue Chancen<br />

und einen größeren Spielraum für Investitionen<br />

und Betriebsansiedelungen<br />

zu, mit denen es bereits erste gute Erfahrungen<br />

gibt. Einen weiteren Vorteil<br />

sehen wir in der effizienten Nutzung<br />

der Infrastruktur. In den kleineren Gemeinden<br />

war zuvor keine volle Auslastung<br />

des Kindergartens, der Volkschule<br />

oder des Bauhofes mehr möglich. Auch<br />

die Amtsstruktur brachte viele Kleinstgemeinden<br />

an die Belastungsgrenzen.<br />

Wenn es nur einen Amtsleiter gab und<br />

der in Urlaub oder krank war, kam das<br />

Werk zum Stehen. Größere Gemeinden<br />

haben auch mehr Mitarbeiter. Damit<br />

können sich nun diese Mitarbeiter auf<br />

unterschiedliche Fachgebiete in den<br />

Verwaltungen spezialisieren oder auch<br />

flexiblere Öffnungszeiten bei Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />

Schulen und<br />

Bauhöfen ermöglicht werden. Diese<br />

Veränderungen werden von den Gemeinden<br />

und der Bevölkerung durchaus<br />

positiv wahrgenommen.<br />

Was waren die gewichtigsten<br />

Gründe für die Reform?<br />

Wlattnig: Einer der wichtigsten Gründe<br />

war definitiv die Kleinstrukturiertheit<br />

der Steiermark. Wir hatten mit<br />

200 Gemeinden über dreißig Prozent<br />

aller Kleinstgemeinden in Österreich,<br />

das sind jene Gemeinden unter 1.000<br />

Einwohner. Das Problem lag vor allem<br />

darin, dass wir in vielen peripheren<br />

Kleinstgemeinden kontinuierlich<br />

Bevölkerung verloren haben. Das ist<br />

zwar nach wie vor der Fall und lässt<br />

sich auch nicht über Nacht stoppen.<br />

Dennoch bestand Handlungsbedarf,<br />

zumal es Statistiken gab, aus denen<br />

hervorging, dass mehr als die Hälfte<br />

der steirischen Gemeinden massiv<br />

Einwohner in der Zeit zwischen 1990<br />

und 2010 verloren hat und es Prognosen<br />

gab, dass sich diese Entwicklung<br />

auch in Zukunft fortgesetzt hätte.<br />

Das ist besorgniserregend, wenn man<br />

Einwohnerzahlen von 300 oder 400<br />

hat, denn die finanzielle Lage einer<br />

Gemeinde hängt ja unausweichlich<br />

mit ihrer Struktur und ihrer demografischen<br />

Entwicklung zusammen.<br />

Viele Kleinstgemeinden konnten vor<br />

der Reform ihren Haushalt nicht mehr<br />

„Man braucht Reformwillen,<br />

eine durchdachte<br />

Strategie und eine exzellente<br />

Verwaltung.“<br />

Wolfgang Wlattnig<br />

ausgleichen und waren immer von der<br />

Unterstützung des Landes abhängig,<br />

um überhaupt weiter existieren zu<br />

können. Hinzu kommt der Druck von<br />

oben, von der EU und dem Bund, denn<br />

der Stabilitätspakt gilt ja für alle Gebietskörperschaften.<br />

Mit der vorherigen<br />

Struktur wäre es für viele Gemeinden<br />

immer schwieriger geworden, eine<br />

schwarze Null zu erzielen. Es gab also<br />

ausreichend Anlass, hier gegenzusteuern.<br />

Auch wenn es nicht allen Gemeinden<br />

sofort gelingen wird, finanziell<br />

unabhängig zu agieren, so haben wir<br />

mit der Reform deutlich zum eigenen<br />

Überleben der Gemeinden in der Zukunft<br />

beigetragen.<br />

Es ist anzunehmen, dass jene Argumente,<br />

die für die Reform sprachen,<br />

bereits intensiv im Vorfeld überlegt<br />

wurden. Haben Sie während des Prozesses<br />

noch Überraschungen erlebt?<br />

Wlattnig: Wir haben gut vorgedacht.<br />

Es ist von außen nur schwer wahrnehmbar,<br />

bedarf aber einer unglaublichen<br />

Vorarbeit, wenn über 400<br />

Gemeinden – also 400 Bürgermeister,<br />

7.000 Gemeinderäte und all die mehr<br />

oder weniger aufgebrachten Bürgerinnen<br />

und Bürger – an einem solchen<br />

Prozess beteiligt werden sollen. Da<br />

muss man schon sämtliche Eventualitäten<br />

mitbedenken, und genau das<br />

meinte ich eingangs mit „Strategie“.<br />

Der entscheidende Faktor unseres Erfolges<br />

war der Entwurf eines Leitbildes<br />

zur Strukturreform, der mit sehr viel<br />

Sorgfalt und unter Beteiligung der<br />

verschiedenen Interessenvertretungen<br />

erarbeitet wurde. Ohne diese strategische<br />

Vorarbeit wären wir wahrscheinlich<br />

aufgrund der vielen Einwände<br />

und Widerstände gescheitert. Bei der<br />

Methode des „Zentrale-Orte-Konzept“<br />

waren uns vor allem die Lebensrealitäten<br />

der Menschen wichtig, also wo<br />

gehen sie einkaufen, wo gehen die<br />

Kinder in den Kindergarten oder zur<br />

Schule. Nach diesen Orientierungsparametern<br />

hat man die Zusammenlegung<br />

in vielen Gesprächen und Verhandlungen<br />

bis in die kleinste Gemeinde<br />

herunterdekliniert. Das alles führte<br />

schließlich zum Erfolg: die Erarbeitung<br />

einer Strategie und schlussendlich<br />

die Einhaltung dieser Strategie bis ins<br />

letzte Detail. In unserem Buch kommt<br />

dieser ganzheitliche Ansatz – schon am<br />

Anfang zu wissen, was am Ende sein<br />

kann – deutlich heraus. Das Ende war<br />

in unserem Fall, dass der VfGH über<br />

Beschwerden der Gemeinden zu entscheiden<br />

hatte. Diese Anfechtungen<br />

haben wir mehr oder minder durch die<br />

Aufarbeitung der Rechtsprechung und<br />

mit Hilfe von Universitätsprofessor<br />

Stefan Storr (Uni Graz) in unserem<br />

Leitbild mitbedacht, um den Anforderungen<br />

des Höchstgerichtes Rechnung<br />

zu tragen.

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