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Von der Kaurischnecke zur Banknote<br />
Text und Interview: Maximilian Marti<br />
Rund um den Verkaufsstand von Xu Wei am<br />
Hafen von Nanjing duftet es verführerisch<br />
nach Nudelsuppe mit Huhn. Wang Zhi steht<br />
unschlüssig vor dem dampfenden Wok und<br />
überlegt, ob er sich eine Portion leisten<br />
kann. «Was willst Du haben für eine Suppe?»<br />
fragt er den Händler und zählt die paar Münzen<br />
in seiner Hand. «Eine schön volle Schale<br />
mit viel Fleisch kostet Dich nur 16 Käsch, Du<br />
wirst wirklich satt davon. Viele Bootsmänner<br />
wie Du kommen zu mir!»<br />
Wang Zhi schliesst die Faust um sein Geld<br />
und geht weiter. 16 Käsch! Als einfacher<br />
Seemann verdient er pro Tag gerade mal<br />
80 Käsch, da liegt eine teure Mahlzeit für Ihn<br />
alleine nicht drin! Zuhause wartet auch noch<br />
seine 5 Köpfi ge Familie auf etwas zu Essen.<br />
Eine Handvoll Reis wird wie immer genügen<br />
müssen. Wang Zhi lebt in der chinesischen<br />
Hafenstadt Nanjing in der Provinz Yingtian<br />
Fu, man schreibt das Jahr 1372.<br />
Seither ist eine Menge Zeit verfl ossen, aus<br />
den Käsch im China des 13. Jahrhunderts<br />
wurden Renminbi und der heutige Yuan. Am<br />
Anfang, ca. 2500 Jahre v. Ch., begann in<br />
diesem Teil der Welt die Geschichte des<br />
Tauschhandels unter den Jägern und<br />
Sammlern. Ihrer Messbarkeit wegen eigneten<br />
sich Werkzeuge, Messer und Spaten<br />
als taxierbares Zahlungsmittel. Ihres unhandlichen<br />
Formats wegen wurden sie bald<br />
in ihrer Originalform, aber als Miniaturen<br />
gegossen und wurden so, wie die Kaurischnecke,<br />
zum Vorläufer von Münzgeld.<br />
Über die komplexe Geschichte und Entwicklung<br />
des chinesischen monetären<br />
Systems vor und nach dieser Zeit können<br />
europaweit nur eine Handvoll Wissenschaftler<br />
und Forscher qualifi ziert Auskunft<br />
geben. Eine dieser Koryphäen, der Alt-<br />
China Experte und Sinonumismatiker Hans<br />
Hofer, ist Schweizer. Als begehrter Dozent<br />
hält er Vorträge, berät die akademische<br />
Fachwelt bei ihrer Arbeit und war gerne<br />
bereit, mit einem Laien wie mir über sein<br />
Spezialgebiet zu sprechen.<br />
Herr Hofer, wie kamen Sie auf die Idee, sich<br />
mit der Geschichte des altchinesischen<br />
Münzwesens zu befassen?<br />
Vor etwa 35 Jahren suchte ich einen Ausgleich<br />
zu meiner Arbeit als Informatiker<br />
und verspürte den Hang zum Jagen und<br />
Sammeln. Unter anderem sammelte ich<br />
Schweizer Münzen. Deren Geschichte ist<br />
leicht überschaubar, deshalb suchte ich<br />
eine neue Herausforderung und war gefesselt,<br />
als ich in einem Antiquitätengeschäft<br />
per Zufall ein paar alte asiatische Münzen<br />
aufstöberte. Ich erkundigte mich in Fachkreisen<br />
nach Alter, Herkunft und Bedeutung<br />
meines Fundes und war erstaunt, wie<br />
wenig bekannt war über asiatisches Geld,<br />
seine Geschichte und deren Vergleich mit<br />
der unseren. Ich hatte Blut geleckt, mein<br />
Jagdfi eber erwachte, ich machte mich an<br />
die Arbeit, der Rest ist Geschichte.<br />
Wie kamen Sie zu Ihrem umfassenden<br />
Fachwissen?<br />
Ich forschte unermüdlich in jedem Winkel<br />
von dem ich erhoffte, fündig zu werden, besuchte<br />
Museen, Flohmärkte, Fachgeschäfte<br />
und Trödelläden. Ich tauschte mich<br />
aus mit Kuratoren, Wissenschaftlern und<br />
allen Interessierten, die irgendetwas zum<br />
Thema beisteuern konnten. So entstand ein<br />
Netzwerk, das bis heute allen Beteiligten<br />
immer wieder gute Dienste leistet. Im Lauf<br />
der Zeit kristallisierte sich aus den tausenden<br />
von Fragmenten an Information, aus<br />
Literatur und Diskussionen, Funden und<br />
Tauschgeschäften das Bild, das ich meinem<br />
Publikum aufzeigen kann, anschaulich<br />
untermauert mit meiner praktisch lückenlose<br />
Sammlung an Exponaten.<br />
Was hat Sie im Lauf Ihrer Forschungen am<br />
meisten beeindruckt?<br />
Die Komplexität schon der Frühgeschichte.<br />
Der bahnbrechende Schritt vom Guss zur<br />
Prägung. Der Einfallsreichtum der Fälscher<br />
durch alle Etappen der Entwicklung und die<br />
parallele Geschichte über die Entstehung<br />
und Entwicklung des Papiergeldes. Die<br />
spannende chinesische Münzgeschichte<br />
ist bis heute nicht fertig erzählt. Sie verändert<br />
und erneuert sich dauernd durch laufende<br />
Ausgrabungen und wird uns, speziell<br />
im Hinblick auf noch nicht geöffnete Kaisergräber,<br />
in Zukunft einige Überraschungen<br />
bescheren.<br />
Kontakt: 076 783 68 75<br />
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