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Ein Ort der Hygiene, für Bildungszwecke und –<br />
vor allem – der Begegnung<br />
Das Volkshaus Zürich hat eine<br />
bewegte Geschichte und in<br />
den vergangenen 105 Jahren<br />
hat es auch viele Geschichten<br />
geschrieben. 1910 als eine<br />
«Hochburg im heiligen Kriege<br />
gegen den Volksfeind Alkohol»,<br />
wie bei der Einweihung gelobt<br />
wurde, mit Veranstaltungsräumen,<br />
Bädern, und Restaurant<br />
eröffnet, war es später<br />
Zentrum des Arbeiteraufstandes,<br />
sprach einst Lenin dort und hielt<br />
Brecht eine seiner wenigen<br />
Lesungen. Sport sowie Vorträge<br />
gab es ebenfalls und – dafür ist<br />
es heute besonders bekannt –<br />
vor allem Konzerte<br />
Bäder für die Hygiene und günstiges Essen<br />
für das Volk bieten, desgleichen ein Ort für<br />
Veranstaltungen und der Bildung sollte das<br />
Volkshaus im Zürcher Quartier Aussersihl<br />
sein. 1910 wurde es als erstes alkoholfreies<br />
Volkshaus der Schweiz eröffnet. Gemeinnützige<br />
Frauen, darunter die Gründerinnen<br />
des späteren Zürcher Frauenvereins, und<br />
Sozialreformer wollten die Arbeiter mit Bibliothek<br />
und alkoholfreiem Restaurant von<br />
der Strasse und vom Alkohol weglocken; die<br />
Stadt, Gewerkschaften und die Sozialdemokratische<br />
Partei standen gleichfalls hinter<br />
der Gründung. Im Aussersihl-Quartier war<br />
man arm. Hier wohnten Menschen mit wenig<br />
Geld, darunter viele Einwanderer, und die<br />
sanitären Einrichtungen waren folglich unzureichend.<br />
Fliessend Wasser gab es nicht,<br />
geschweige denn Badezimmer, dafür wurden<br />
die Menschen schneller und öfter krank.<br />
114 000 Badebenützer im ersten Jahr<br />
So wurden schliesslich 29 Bäder und 20<br />
Duschen für die Quartierbewohner eingerichtet<br />
– mit einem Erfolg, der alle Erwartungen<br />
übertraf: Schon das erste Betriebsjahr<br />
brachte 114 000 Badebenützer. Aber<br />
das Volkshaus, das von Anfang an in der<br />
Rechtsform einer Stiftung organisiert war,<br />
hatte als multifunktionales Gebäude weiteren<br />
Zwecken zu dienen. Die Stiftungsurkunde<br />
von damals umschrieb dies so: «Der<br />
Zweck des alkoholfreien Volkshauses muss<br />
darin bestehen, der Bevölkerung zweckmässig<br />
und freundlich ausgestattete Versammlungsräume<br />
sowie Räume zu geselliger<br />
Unterhaltung und zu Bildungszwecken<br />
zur Verfügung zu stellen. Die Räume des<br />
Volkshauses sollen ferner zum Betriebe eines<br />
alkoholfreien Restaurants und einer<br />
Speiseanstalt und zu anderen Einrichtungen,<br />
für die ein öffentliches Bedürfnis vorhanden<br />
ist (z.B. Badeanstalt), dienen.»<br />
Antifaschisten und Lenin<br />
Nach Fertigstellung des Gebäudes wurde es<br />
schnell zur zentralen Örtlichkeit der Zürcher<br />
Arbeitsbewegung und es blieb auch immer<br />
ein Ort politischer Versammlungen und Manifestationen:<br />
Der in der Schweiz verstorbene<br />
Begründer der deutschen Sozialdemokratie,<br />
August Bebel, wurde 1913 im<br />
Volkshaus aufgebahrt, hier hielt 1917 Wladimir<br />
Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, eine<br />
grosse Rede und von hier aus wurde 1918<br />
der bisher einzige landesweite Generalstreik<br />
der Schweiz massgeblich bestimmt. «Hier<br />
trafen sich nach der Machtergreifung Benito<br />
Mussolinis – auch er ein früherer Volkshausbesucher<br />
– die italienischen Antifaschisten<br />
in der Emigration», wie dem Buch «100 Jahre<br />
Volkshaus Zürich – Bewegung, Ort, Geschichte»<br />
weiter zu entnehmen ist, ebenso<br />
wie Verfolgte des nationalsozialistischen<br />
Auch nach 105 Jahren noch immer hell strahlend: Das Zürcher Volkshaus, 1910 gebaut für die Hygiene und günstiges Essen, ebenso als Ort für Veranstaltungen<br />
und die Bildung. Heute mit Stadtbad, Restaurant, Buchhandlung und Sälen für verschiedenste Anlässe.<br />
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