hgk Z intern interviews: jacqueline otten, tim krohn, bettina richter ...
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24 <strong>hgk</strong>z<strong>intern</strong>2/07<br />
forschung<br />
unstete staffelungen<br />
Sophie Taeuber-Arps Werk im Ordnungssystem<br />
der Kunstgeschichte. Erläuterungen zu einem<br />
Symposium des ics, das am 11. Mai 2007<br />
stattfindet. Medea Hoch, Jennifer John*<br />
„Ich lebe hier im Schweizer Kunstgewerbe“, stellt Sophie<br />
Taeuber-Arp 1926 fest. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits<br />
seit zehn Jahren erfolgreich als Kunsthandwerkerin tätig<br />
und lehrt an der Kunstgewerbeschule Zürich, ohne je mit<br />
„freien“ Arbeiten an die Öffentlichkeit getreten zu sein.<br />
Wie ihre Dada-Kollegen schafft sie seit 1915 konkrete Kunst<br />
in neuen, alltäglicheren, die Gattungsgrenzen überschreitenden<br />
Materialien wie Papier und Wolle. Erst 1930 präsentiert<br />
sie erstmals autonome Werke. Interessanterweise<br />
zeigt sie Ölbilder und nicht die geometrischen Kompositionen<br />
auf Papier, die die jüngere Kunstgeschichte aus der<br />
vertikal-horizontalen Struktur von Textilien ableitet. Ein<br />
vergleichbarer Transfer von Handwerk in Kunst lässt sich<br />
auch an den Staffelungen konstatieren, einer Werkgruppe<br />
von 1934, bestehend aus vorwiegend unbunten Ölgemälden<br />
und Gouachen sowie Bleistiftzeichnungen. Einem dieser<br />
Werke, nämlich „Unstete Staffelung“, ist der Titel für das<br />
Symposium am 11. Mai 2007 entlehnt (siehe Informationen<br />
unten). Die Arbeit zeigt vor schwarzem Grund weisse, unstet<br />
gestapelte schematische Formen aus Kurven und Geraden.<br />
Obwohl die Rezeption die organische, biomorphe Qualität<br />
des Werkes betont, lässt sich die Form der Segmente auch<br />
auf die Drechseltechnik zurückführen. Dieses Verfahren zur<br />
Produktion rotationssymmetrischer Holzstücke mit präzisen,<br />
unpersönlichen Profilen erprobte Taeuber-Arp vielfach<br />
während der Dada-Zeit.<br />
Die Künstlerin arbeitete gattungsüberschreitend. Dennoch<br />
ist die Repräsentation ihrer Werke in Ausstellungen sowie<br />
deren Rezeption jeweils im Kontext der bildenden oder<br />
angewandten Kunst symptomatisch für ein Phänomen, das<br />
im Folgenden problematisiert werden soll.<br />
Der Bereich der Künste ist strukturiert in Gegensätze wie<br />
autonome und angewandte, hohe und niedere Kunst,<br />
Profession und Dilettantismus und deren immanente<br />
geschlechtsspezifische Zuschreibungen. Wie Griselda Pollock<br />
und Roszika Parker herausstrichen, spiegelt sich in<br />
diesen Kategorien die Hierarchisierung zwischen männlichem<br />
Schöpfertum und der als reproduktiv angesehenen<br />
weiblichen Kreativität. Die traditionelle Kunstgeschichte<br />
stellt scheinbar autonome intellektuelle Arbeit handwerklicher<br />
Nachschöpfung gegenüber. Exemplarisch ist hierfür<br />
der bis heute anhaltende Diskurs über die Stickerei, die erst<br />
als weibliche Gattung galt, seit zwischen den Geschlechterrollen<br />
und zwischen Kunst und Kunsthandwerk differenziert<br />
wurde – also seit der frühen Neuzeit. Obwohl die<br />
geschlechtsspezifischen Abwertungen von Produktions-<br />
und Ausdrucksformen durch Kunstwissenschaft, Kunstkritik<br />
und Kunstbetrieb historischen Verschiebungen unterworfen<br />
sind, bleibt die Polarisierung weiblich/männlich als<br />
festes oder jeweils neu zu fixierendes Verhältnis bestehen.<br />
So versprach das Bauhaus „als Herz der künstlerisch-handwerklichen<br />
Moderne“ 1 einen Bruch mit der akademischen<br />
Tradition. Doch die Einrichtung von Frauenklassen in der<br />
Abteilung Weberei ist nur ein Beispiel dafür, dass das alte<br />
Ordnungs- und Wertesystem aufrechterhalten wurde.<br />
Mit diesen Hinweisen soll auf die Problematik der unsteten<br />
gestaffelten Gegenstände der Kunstgeschichte – ihre<br />
Hierarchisierung sowie ihre Ausschlüsse – und die immanenten<br />
tradierten Geschlechtszuschreibungen bei den freien<br />
und angewandten Künsten in der Moderne aufmerksam<br />
gemacht werden. Diesen Fragen geht das Symposium<br />
„Unstete Staffelungen. Geschlechtliche Konstruktionen<br />
von Kunst, Geschichte und Handwerk“ nach, das vom ics<br />
anlässlich der Ausstellung „Sophie Taeuber-Arp. Gestalterin,<br />
Architektin, Tänzerin“ in Kooperation mit dem Museum<br />
für Gestaltung Zürich veranstaltet wird.<br />
1) Baumhoff, Anja, „Weberei <strong>intern</strong>. Autorität und Geschlecht am Bauhaus“,<br />
in: Bauhaus-Archiv (Hg.). „Das Bauhaus webt. Die Textilwerkstatt am Bauhaus“,<br />
Berlin: G und H, 1998, S. 53–59, hier S. 58.<br />
Symposium Unstete Staffelungen. Geschlechtliche Konstruktionen von<br />
Kunst, Geschichte und Handwerk am Freitag, 11. Mai 2007. Kooperation des<br />
Institute Cultural Studies in Art, Media and Desing (ics) und Museum für<br />
Gestaltung Zürich.<br />
Beginn: 10.30 h im Museum Bellerive, Höschgasse 3, mit einer Führung von<br />
Eva Afuhs durch die Ausstellung „Sophie Taeuber Arp. Gestalterin, Architektin,<br />
Tänzerin“ und wird mit anschliessenden Referaten im Vortragssaal der <strong>hgk</strong>z,<br />
Ausstrasse 60, bis 18.30 h fortgesetzt. Die Referentinnen sind Anja Baumhoff,<br />
Marjan Groot, Medea Hoch und Sigrid Schade. Konzeption: Jennifer John.<br />
Weitere Informationen unter http://ics.<strong>hgk</strong>z.ch.<br />
Bild: Sophie Taeuber-Arp, Echelonnement Désaxé, 1934, Gouache auf Papier,<br />
35 x 26 cm, © 2007, ProLitteris, Zürich<br />
*Medea Hoch (medea.hoch@<strong>hgk</strong>z.ch) und Jennifer John (jennifer.john@<strong>hgk</strong>z.ch)<br />
sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im ics.