W+M_2017_01_WEB_PDF
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22 | <strong>W+M</strong> LÄNDERREPORT<br />
Kreuzfahrt-Ritter<br />
aus Hongkong<br />
Die neuen Global-Class-Schiffe können jeweils<br />
über 5.000 Passagiere an Bord nehmen.<br />
Nach jahrelangem Rückenwind im Containerschiff-Boom und<br />
folgender Flaute in der Schifffahrtskrise überrollt die Werftindustrie<br />
in Mecklenburg-Vorpommern seit Kurzem ein Investitions- und<br />
Auftrags-Tsunami. Auslöser ist der asiatische Kreuzfahrt-Anbieter<br />
Genting Hong Kong, der den Schiffbau im Nordosten komplett<br />
umkrempelt. Von Thomas Schwandt<br />
beginn 2<strong>01</strong>6 standen unter anderem 500<br />
Entlassungen zur Debatte. Doch nur wenige<br />
Wochen später ereilte den Schiffbau<br />
in MV eine beinahe schicksalhafte Fügung.<br />
Das asiatische Unternehmen Genting<br />
Hong Kong (GHK) unterbreitete Vitaly<br />
Yusofov ein Kaufangebot und erwarb Anfang<br />
März für rund 230 Millionen Euro die<br />
drei Werften von Nordic Yards.<br />
Zu Beginn des Jahres 2<strong>01</strong>6 stand es<br />
nicht gut um den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern<br />
(MV). Zwar<br />
hatte sich seit der Insolvenz der P+S-Werften<br />
in Stralsund und Wolgast im Sommer<br />
2<strong>01</strong>2 der Himmel über der Branche wieder<br />
aufgehellt. Die Peene-Werft war von<br />
der Bremer Lürssen-Werft übernommen<br />
worden, die an der Weser vorrangig Marineschiffe<br />
und Großyachten fertigt. Lürssen<br />
setzte beim Zukauf auf die langjährigen<br />
Erfahrungen an der Peene mit dem<br />
Bau von „grauen Schiffen“. Heute produzieren<br />
die circa 300 Werftarbeiter im Osten<br />
von MV in der Marine-Sparte von Lürssen<br />
unter anderem Vorschiffe für Fregatten<br />
und Behördenboote. Die Volkswerft<br />
Stralsund fiel nach zähen Verhandlungen<br />
in den Schoß der Werftengruppe Nordic<br />
Yards, zu der die Standorte Warnemünde<br />
und Wismar gehörten. Der russische<br />
Firmeneigner Vitaly Yusofov spekulierte<br />
darauf, die Schlagkraft von Nordic Yards<br />
mit einer dritten Werft im Bunde zu erhöhen.<br />
Er verfolgte die strategische Vision,<br />
Nordic Yards auf arktistaugliche Spezial-<br />
und Serviceschiffe sowie den Bau von<br />
Konverterplattformen für Offshore-Windparks<br />
auszurichten. Doch die hehren Absichten<br />
zerschellten sehr bald an den harten<br />
Realitäten des Marktes und politischen<br />
Barrieren. Weltweit rückläufige Auftragseingänge<br />
für Schiffsneubauten und Überkapazitäten<br />
im asiatischen Schiffbau erhöhten<br />
den Wettbewerbsdruck enorm.<br />
Der drastische Preisverfall für Rohöl seit<br />
2<strong>01</strong>4 brachte die Offshore-Industrie arg in<br />
die Bredouille, und ein Ende der Russland-<br />
Sanktionen steht weiter in den Sternen.<br />
Seit das französische Unternehmen Alstom<br />
bei Nordic Yards im Februar 2<strong>01</strong>3<br />
die Offshore-Konverterplattform „DolWin<br />
gamma“ in Auftrag gegeben hatte, die im<br />
Frühjahr <strong>2<strong>01</strong>7</strong> abgeliefert werden soll, bemühte<br />
sich die Schiffbaugruppe vergeblich<br />
um neue Order. Die Lage auf den drei<br />
größten Seewerften im Nordosten mit zusammen<br />
1.400 Beschäftigten begann sich<br />
allmählich wieder zuzuspitzen. Zu Jahres-<br />
Bei Genting Hong Kong handelt es sich<br />
um einen Mischkonzern, der vor Jahresfrist<br />
mit Schiffbau nichts zu tun hatte, ergo<br />
über keine Erfahrungen in dieser speziellen<br />
maritimen Produktionssparte verfügte.<br />
Genting Hong Kong ist seit zwei Jahrzehnten<br />
vor allem in der Freizeit-, Hotelund<br />
Kreuzfahrtbranche unterwegs. Aktuell<br />
steuert das Unternehmen einen expansiven<br />
Kurs in der Kreuzschifffahrt. Dieser<br />
Markt wächst in Asien rasant. Legten dort<br />
2<strong>01</strong>5 die Passagierzahlen im Vergleich zu<br />
2<strong>01</strong>4 um 24 Prozent zu, kam es in diesem<br />
Jahr gegenüber dem vorigen Jahr zu einem<br />
exorbitanten Anstieg um 51 Prozent<br />
auf mittlerweile 3,5 Millionen Passagiere.<br />
Ein Volumen, das in Europa vor einem<br />
Jahrzehnt erreicht war und inzwischen in<br />
hiesigen Breiten auf 6,6 Millionen angewachsen<br />
ist. Eine ähnliche Fortune erwartet<br />
GHK in den heimatlichen Gefilden.<br />
Die zu Genting gehörende Star Cruises,<br />
eine klassische Kreuzfahrtreederei, fungierte<br />
jahrelang als Aushängeschild des<br />
Unternehmens. Jetzt fokussiert sich GHK<br />
Foto: MV Werften<br />
WIRTSCHAFT+MARKT | 1/<strong>2<strong>01</strong>7</strong>