Der Betriebsleiter 7-8/2016
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FERTIGUNGSTECHNIK<br />
wird. Was aber, wenn der Prozess anders<br />
verläuft als geplant und das nicht geschieht?<br />
Dann entweicht die Druckluft<br />
schlagartig, wenn das Werkzeug öffnet. Befinden<br />
sich Personen in der Umgebung der<br />
Anlage, können sie dadurch gefährdet sein<br />
und möglichweise verletzt werden. Um das<br />
zu verhindern, sollte an der Anlage eine Sicherheitsvorrichtung,<br />
eine sogenannte<br />
Schürze, montiert werden. Das könnte beispielsweise<br />
eine Metallplatte oder eine<br />
Plexiglasscheibe sein. Sie soll die direkte<br />
Umgebung schützen, indem sie den austretenden<br />
Luftstrom nach unten ablenkt.<br />
Welche Kräfte wirken im<br />
Störfall?<br />
Mit Hilfe gasdynamischer Berechnungen ermittelten<br />
Sachverständige von TÜV SÜD Industrie<br />
Service, welchen Kräften die Schürze<br />
und ihre Befestigungspunkte im Störfall<br />
standhalten müssen. Hierbei sind zwei Größen<br />
von zentraler Bedeutung: zum einen die<br />
Strömungsgeschwindigkeit, mit der Luft aus<br />
dem Werkzeug entweicht, und zum anderen<br />
der Luftmassestrom, also die Menge des austretenden<br />
Gases. Beide Größen verhalten<br />
sich dabei instationär, während das Werkzeug<br />
öffnet und erreichen ihr Maximum zeitversetzt:<br />
Unmittelbar nach dem Öffnen ist<br />
die Strömungsgeschwindigkeit am höchsten,<br />
da zu diesem Zeitpunkt die größte<br />
Druckdifferenz zwischen dem Inneren des<br />
Werkzeugs und der Umgebung herrscht.<br />
Gleichzeitig ist der austretende Luftmassestrom<br />
noch gering, da er vom Strömungsquerschnitt<br />
abhängig ist, also der Spaltbreite,<br />
durch die die Luft austreten kann. Mit zu-<br />
nehmender Spaltbreite und größer werdendem<br />
Strömungsquerschnitt nimmt der<br />
Luftmassestrom somit zunächst zu.<br />
Begrenzt wird die Austrittsgeschwindigkeit<br />
durch die Schallgeschwindigkeit.<br />
Sie ist eine Funktion<br />
von Druck und Dichte des eingeschlossenen<br />
Gases. Im vorliegenden<br />
Fall beträgt sie 340 m/s. Diese<br />
Austrittsgeschwindigkeit liegt solange<br />
vor, bis das kritische Druckverhältnis,<br />
bei dem Ma = 1 gilt (1),<br />
unterschritten wird. Danach sinkt<br />
die Austrittsgeschwindigkeit zwar<br />
ab, während gleichzeitig jedoch die<br />
Austrittsöffnung größer wird und der<br />
austretende Luftmassestrom noch weiter<br />
zunehmen kann, bis schließlich die Strömungsgeschwindigkeit<br />
und damit auch der<br />
Luftmassestrom den Wert Null erreichen.<br />
Die Überlagerung dieser gegenläufigen<br />
Prozesse ist nur mittels fluiddynamischer<br />
Simulation realistisch zu erfassen, die im<br />
Ergebnis zeigt: In weniger als einer Sekunde<br />
entweicht die gesamte Luft vollständig<br />
und prallt auf die Schürze.<br />
Anlagen sicher betreiben<br />
Mit der fluiddynamischen Simulation lagen<br />
alle notwendigen Informationen vor, um<br />
anhand des Impulserhaltungssatzes anschließend<br />
zu berechnen, welche Strahlkräfte<br />
auf die Schutzkonstruktion einwirken.<br />
Aus den Ergebnissen konnten die Planer<br />
und Konstrukteure nun ableiten, wie die<br />
Schürze und ihre Verankerung dimensioniert<br />
sein müssen, um die geforderte Sicherheit<br />
– auch im Störfall – zu gewährleisten.<br />
Auf den<br />
Punkt gebracht<br />
Um zu gewährleisten, dass auch im Störfall<br />
keine Gefahr von einer Anlage ausgeht,<br />
sollten die kritischen Zustände im System<br />
modelliert, simuliert und analysiert werden.<br />
Grundlage hierfür sind in erster Linie die<br />
sogenannten Gasgesetze, die die physikalischen<br />
Eigenschaften beschreiben. Aus<br />
diesen lassen sich durch Berechnungen<br />
wichtige Schutzmaßnahmen<br />
ableiten.<br />
Durch die Einbindung von unabhängigen<br />
Dritten hat zudem auch der <strong>Betriebsleiter</strong><br />
die Gewissheit, dass die Anlage sicher ausgelegt<br />
wurde. So wurden die gasdynamischen<br />
Berechnungen und Simulationen genutzt,<br />
um potenziellen Gefahren effektiv zu<br />
begegnen.<br />
(1) Die Machzahl Ma ist der Quotient aus Strömungsgeschwindigkeit<br />
und Schallgeschwindigkeit.<br />
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