Kongressjournal Allgemeinmedizin Ausgabe 26. November 2016
Das Kongressjournal ist eine Live-Berichterstattung für Kongressteilnehmer des Allgemeinmedizinkongresses der stafam in Graz. Da viele Themen auch für Interessierte oder Betroffene wichtig sind, wurde eine eigene Publikumsausgabe hier in digitaler Form zusammengestellt. Hinweis: Aus rechtlichen Gründen wurden sämtliche Werbeeinschaltungen, die nicht für die Allgemeinheit erlaubt sind, herausgenommen.
Das Kongressjournal ist eine Live-Berichterstattung für Kongressteilnehmer des Allgemeinmedizinkongresses der stafam in Graz. Da viele Themen auch für Interessierte oder Betroffene wichtig sind, wurde eine eigene Publikumsausgabe hier in digitaler Form zusammengestellt. Hinweis: Aus rechtlichen Gründen wurden sämtliche Werbeeinschaltungen, die nicht für die Allgemeinheit erlaubt sind, herausgenommen.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
KONGRESS<br />
JOURNAL<br />
Round Table<br />
Ruf nach mehr Wertschätzung<br />
Heiß her ging es beim Round Table am Donnerstag Nachmittag –<br />
waren doch Hinweise auf „das zukünftige Aussterben der<br />
<strong>Allgemeinmedizin</strong>er“, die Unterbezahlung sowie Forschung in<br />
der <strong>Allgemeinmedizin</strong>, das generelle Berufsbild oder die bessere<br />
Ausbildung brisante Themen, die aufs Tapet gebracht wurden.<br />
Nachdem die geladenen hochrangigen Experten ihre jeweilige<br />
Sicht der Dinge präsentierten – wurde diskutiert. Auch das<br />
Fachpublikum hatte einiges dazu zu sagen. Unter dem Titel<br />
„Brückenbau zwischen allgemeinmedizinischer Wissenschaft<br />
und wohnortnaher Versorgung“ trafen sich verschiedene<br />
Experten zum Meinungsaustausch.<br />
Die Teilnehmer der Runde waren<br />
Dr. Christoph Dachs, Präsident der<br />
ÖGAM, Hallein; Univ.-Prof. Dr. Andrea<br />
Siebenhofer-Kroitzsch, Institut<br />
für <strong>Allgemeinmedizin</strong> und evidenzbasierte<br />
Versorgungsforschung, Graz;<br />
Dr. Clemens-Martin Auer, Sektionschef<br />
im Bundesministerium für Gesundheit,<br />
Wien; Dr. Artur Wechselberger,<br />
Präsident der Österreichischen<br />
Ärztekammer, Innsbruck; Gen.-Dir.<br />
HR Mag. Andrea Hirschenberger, Steiermärkische<br />
Gebietskrankenkasse,<br />
Graz. Als Moderator trat MR Dr. Reinhold<br />
Glehr, Mitglied des Vorstandes<br />
der Steirischen Akademie für <strong>Allgemeinmedizin</strong>,<br />
Hartberg, auf. Die Moderation<br />
der Diskussion übernahm<br />
dann Dr. Ernst Sittinger, Mitglied der<br />
Chefredaktion der Kleinen Zeitung.<br />
50 Jahre ÖGAM<br />
Der Round Table begann mit einem<br />
erfreulichen Thema: dem 50. Geburtstag<br />
der Dachgesellschaft aller<br />
Landesgesellschaften – der ÖGAM.<br />
Dr. Dachs resümierte stolz die letzten<br />
fünf Jahrzehnte und blickte auf zahlreiche<br />
Initiativen, Erfolge und Highlights<br />
der wissenschaftlichen Gesellschaft<br />
zurück. Seinen Vortrag schloss<br />
Dr. Dachs mit dem Wunsch, dass der<br />
<strong>Allgemeinmedizin</strong>er nicht nur vonseiten<br />
der Patienten, sondern auch der<br />
Politik und der Sozialversicherung die<br />
nötige Wahrnehmung und Unterstützung<br />
bekommt. „Viele wissen nicht,<br />
was wir alltäglich in unserer Praxis<br />
leisten, sonst wäre schon was passiert:<br />
zum Beispiel punkto mangelnder<br />
universitärer Ausbildung. Wir haben<br />
in Österreich durchaus ein hohes<br />
Potenzial, uns auf diesem Niveau zu<br />
stärken“, so Dr. Dachs.<br />
Unser Labor ist die Praxis<br />
Wissenschaftlich ging es mit<br />
Univ.-Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch<br />
weiter. Sie zeigte die<br />
verschiedenen Möglichkeiten der allgemeinmedizinischen<br />
Wissenschaft<br />
auf und erklärte zugleich, warum Forschung<br />
auch hier absolut wichtig ist.<br />
Viele Studienergebnisse sind für <strong>Allgemeinmedizin</strong>er<br />
nicht geeignet, weil<br />
diese hauptsächlich mit Menschen<br />
gemacht werden, die nicht zu jung,<br />
nicht zu alt, nicht schwanger sind, keine<br />
Komorbiditäten haben – d.h. nicht<br />
mit den Menschen, die tagtäglich in<br />
der allgemeinmedizinischen Praxis<br />
stehen. „In vielen Fällen behandeln Sie<br />
Patienten, für die es keine klinischen<br />
Studien gibt“, verdeutlichte Prof. Dr.<br />
Andrea Siebenhofer-Kroitzsch. „Sie<br />
haben ein anderes Versorgungskollektiv.<br />
Deshalb brauchen wir pragmatische<br />
Studien mit weiten Einschlusskriterien,<br />
wir wollen kein Labor – unser<br />
Labor ist die Praxis.“<br />
Gefahr Alterspyramide<br />
Anschließend kam die Politik zu<br />
Wort: Dr. Martin Auer beteuerte,<br />
dass sich die Politik durchaus der<br />
vielen Herausforderungen bewusst<br />
sei, aber vieles nicht steuern könnte<br />
oder dürfte – so z.B. auch das Image<br />
der <strong>Allgemeinmedizin</strong>, die Stellung<br />
innerhalb der Medizin oder an den<br />
Universitäten sowie die Spitalsausbildung.<br />
Wo jedoch sein Hauptaugenmerk<br />
liegt, ist die Versorgungspolitik.<br />
„Wir müssen mit großer Sorge<br />
zur Kenntnis nehmen“, so Dr. Auer,<br />
„dass bis zum Jahr 2025 60 Prozent<br />
unserer <strong>Allgemeinmedizin</strong>er mit Vertrag<br />
das 65. Lebensjahr erreicht haben,<br />
ein Großteil schon davor. Auch<br />
wenn sich alles dramatisch ändern<br />
sollte, werden wir trotzdem nicht<br />
mehr so viele Ärzte im Betreuungsfeld<br />
haben wie im Moment. Neue<br />
Versorgungsformen sind mehr als<br />
notwendig und dringend gefragt.“<br />
Langer Kampf um den Facharzt<br />
Den politischen Ball, der der Ärztekammer<br />
zugeworfen wurde, nahm<br />
Dr. Artur Wechselberger nicht an. „Ich<br />
kann Ihnen versichern, dass ich dabei<br />
war, als wir 1994 versucht haben, den<br />
<strong>Allgemeinmedizin</strong>er als österreichischen<br />
Facharzt für <strong>Allgemeinmedizin</strong><br />
in Österreich einzuführen und ich<br />
war auch dabei, als die ÖAK vor zwei<br />
Jahren mit dieser Forderung wieder<br />
16 KONGRESSJOURNALGraz/<strong>26.</strong> <strong>November</strong> <strong>2016</strong>