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blu Januar 2017

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MUSIK<br />

Wer beim Eurovision Song Contest 2013 gut aufgepasst hat, wird sich vielleicht noch an den Auftritt<br />

von Marco Mengoni erinnern, der damals mit „L’essenziale“ Siebter wurde. Aber abgesehen<br />

davon dürfte der Italiener für die meisten hierzulande ein völlig neuer Name sein. Dabei ist<br />

er in seiner Heimat seit vielen Jahren der erfolgreichste Sänger und ein so großer Star, dass er<br />

sogar seine eigene App hat. Jetzt schickt er sich an, die Position einzunehmen, die früher Namen<br />

wie Adriano Celentano innehatten – denn es sollte schon sehr überraschen, wenn Marco nicht<br />

demnächst als internationaler Star gelten würde. Also schauen wir uns ihn doch einmal genauer<br />

und in Ruhe an, dieses Vorzeigeexemplar eines Südländers.<br />

Aufgewachsen ist er in Ronciglione,<br />

einem kleinen Dorf in der Nähe von Rom,<br />

in einem Haushalt, in dem immer Musik<br />

lief. „Als ich klein war nahm ich schon<br />

Klavierstunden und lernte auch die ersten<br />

Griffe an der Gitarre.“ Natürlich spielte<br />

er als Teenager auch in einer Band, aber<br />

der erste Schritt dazu, Musik ernst zu<br />

nehmen, war, als er sich ausgerechnet für<br />

Jazz interessierte und damit auch auf der<br />

Bühne stand. Er hatte sich also offenen<br />

Auges dazu entschlossen, in einem der am<br />

wenigsten lukrativen Genres überhaupt zu<br />

arbeiten, aber die Frage nach einer Karriere<br />

hatte sich ihm sowieso noch nicht gestellt.<br />

„Ich habe nie gedacht, dass es ein Beruf<br />

werden könnte. Ich wusste nur ganz<br />

sicher, dass Musik immer ein Teil meines<br />

Lebens sein würde – aber ich wollte kein<br />

professioneller Sänger werden.“ Er arbeitete<br />

damals einfach als Barmann und hatte<br />

ganz simpel vor zu studieren. „Ich hätte<br />

nie erwartet, dass ich ein paar Jahre später<br />

diesen Traum leben werde.“<br />

Was eigentlich sehr erstaunlich ist, denn<br />

auf der Bühne fühlte er sich immer wohl<br />

und zu Hause. Dort war er lebendig. „Das<br />

Adrenalin kickt! Da ist der Wunsch, die Gefühle<br />

und meine Musik zu teilen. Und ich<br />

will die Menschen spüren, die emotionale<br />

Welle, die von ihnen zurückkommt. Davon<br />

werde ich nie genug haben.“ Deshalb<br />

nahm er 2009 auch an der italienischen<br />

Ausgabe von „X Factor“ teil – und gewann.<br />

Schon die ersten EPs wurden glänzende<br />

Erfolge und das erste Album schoss<br />

auf Nummer eins, so wie alle folgenden<br />

es auch tun würden. Marco übernahm die<br />

Charts, als hätten sie nur auf ihn gewartet.<br />

Bei den MTV Europe Music Awards wurde<br />

er 2010 dann auch gleich nicht nur als<br />

„Best Italian Act“ ausgezeichnet, sondern<br />

– als erster Italiener überhaupt – auch in<br />

der Kategorie „Best European Act“. Er<br />

bricht seitdem mit Leichtigkeit regelmäßig<br />

Rekorde in seiner Heimat – so bekam er<br />

2015 für verschiedene Veröffentlichungen<br />

mal eben zwölf Platin-Auszeichnungen<br />

überreicht.<br />

Die Flut an hochwertiger Musik, die er<br />

auch selber mit seinem Team schreibt,<br />

ist das Ergebnis der richtigen Einstellung.<br />

Er sieht sich als ein Arbeitstier. „Ich habe<br />

immer hart gearbeitet und auch vieles<br />

geopfert. Mein Team wirft mir immer vor,<br />

dass ich nie zu 100 Prozent zufrieden sein<br />

kann, ich will immer noch mehr, will es<br />

immer noch etwas besser machen. Darum<br />

fühle ich mich auch nicht so erfolgreich …<br />

ich versuche nur bei dem, was ich liebe,<br />

das Beste zu geben.“ Was wohl auch<br />

einfach ist, wenn man von so vielen Menschen<br />

zurückgeliebt wird. Dabei empfindet<br />

er sich nicht einmal als berühmt. „Ja, es<br />

ist manchmal nicht einfach, unerkannt<br />

zu bleiben, aber ich glaube nicht, dass<br />

ich mich verändert habe. Ich habe noch<br />

immer dem gleichen Freundeskreis, und<br />

mit meinem Team arbeite ich auch schon<br />

lange Zeit zusammen.“ Marco sieht also<br />

nicht nur liebenswert aus, er scheint es<br />

wirklich zu sein.<br />

Nach und nach wurde er aufgrund seiner<br />

medialen Reichweite nun auch außerhalb<br />

Italiens wahrgenommen, obwohl er nur<br />

italienisch singt. Was vielleicht sogar<br />

der Grund ist. „Die italienische Sprache<br />

war immer verbunden mit Poesie und<br />

mit Kunst ganz allgemein. Sie hat etwas<br />

Musikalisches, sie hat die Schönheit und<br />

die Essenz unseres Landes.“ Deshalb<br />

erscheint jetzt auch sein letztes Album<br />

„Parole in Circolo“ in Deutschland, was ja<br />

nun schon immer eine besondere Zuneigung<br />

zu genau dieser Essenz hatte. Als<br />

ob wir sie brauchen, um unserer eigenen,<br />

etwas tristeren Essenz mehr Eleganz,<br />

Leidenschaft und Intensität zu geben. Das<br />

Album kommt inklusive Bonusmaterial<br />

und der Single „Ricorderai l’amore“ zu<br />

uns, die er zusammen mit dem ehemaligen<br />

Monrose-Mitglied Grace Capristo<br />

aufgenommen hat. Sein Label wünschte<br />

sich etwas Besonderes für den deutschen<br />

Markt, und Marco tauchte ein bisschen in<br />

die deutsche Musikwelt ein. „Ich stolperte<br />

über Grace und ihr Lied ,One Women<br />

Army‘.“ Wie sich herausstellte, war Grace<br />

gerade dabei, mehr über ihre italienischen<br />

Wurzeln zu erfahren. Sie war auch bereits<br />

mit Marco und seiner Musik vertraut.<br />

Passte also alles ganz prima zusammen.<br />

„Wir trafen uns, suchten einen Song aus,<br />

veränderten Teile des Arrangements und<br />

machten es zum perfekten Lied für uns<br />

beide.“<br />

Dass beide durch Castingshows bekannt<br />

wurden, ist dabei Zufall. Es hat für Marco<br />

sowieso keinen negativen Beigeschmack,<br />

dass seine Karriere dort startete. „Es war<br />

sehr herausfordernd, ich lernte viel und<br />

wuchs. Aber ich hörte danach eben nicht<br />

damit auf, ich arbeitete weiter, härter,<br />

schrieb neue Lieder, ich baute alles Schritt<br />

für Schritt weiter auf.“ Was mit einer<br />

umfassenden Konsequenz geschieht,<br />

denn wer sonst kann schon behaupten,<br />

eine eigene App zu haben? „Sie ist eine<br />

Möglichkeit, mit meinen Fans in Verbindung<br />

zu bleiben und sie an allem, was ich<br />

tue, teilhaben zu lassen – inklusive der<br />

Konzerte. Während meiner Shows besteht<br />

durch die App die Gelegenheit für sie, Teil<br />

der Choreografie zu werden!“<br />

Aber wie klingt er denn nun, der gute<br />

Marco? Letztlich wie man es erwartet –<br />

und wie man es sich nur wünschen kann:<br />

Es ist perfekter, epischer Pop, der keine<br />

Angst vor Schmalz und Kitsch hat, sondern<br />

ihn mit großer Stimme, Selbstbewusstsein<br />

und Können zeigt – man möchte<br />

sich mit seinen ganzen Körper reinlegen.<br />

Dazu kommen Uptempo-Hymnen, tanzbar<br />

und gerne mit südländischen Einflüssen.<br />

Deswegen ist seine Musik so viel mehr als<br />

guilty pleasure – einfach nur pure pleasure.<br />

•fis

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