Wir gratulieren - LVHS Freckenhorst
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Mittagszeit. Ich sitze an einem großen Tisch<br />
- vier Plätze - und eine junge Frau sitzt an<br />
einem kleinen Tisch – zwei Plätze. Während<br />
ich das Sauerfleisch mit Remoulade und<br />
Bratkartoffeln bestelle und das Ehepaar neben<br />
mir das Chili con carne einerseits und<br />
den nordischen Fischteller andererseits, hat<br />
die junge Frau jenseits des Gangs das Maishuhn<br />
bestellt. Ja, und ein Mineralwasser.<br />
Mit Kohlensäure, ja.<br />
Ein paar Minuten später bringt der Ober,<br />
er hat einen Schnurrbart, einen Bauch und<br />
einen Akzent, der auf seine Herkunft vom<br />
Balkan schließen lässt, das Maishuhn, die<br />
Maishuhnbrust. Neben dem bleichen Huhn,<br />
das in einer noch bleicheren, wenn auch<br />
mehlig-dicken Soße schwimmt, liegt ein<br />
Häufchen Reis. Ebenfalls weiß, wenn auch<br />
mit grüner Petersilie garniert. Die junge<br />
Frau blickt ihren Teller an, das bleiche Hühnerfleisch,<br />
den weißen Reis, die grüne Petersilie.<br />
Dann blickt sie zum Ober auf, nimmt<br />
ihren ganzen Mut zusammen und sagt mit<br />
einer Stimme, die vor Entschlossenheit heiser<br />
ist, indem sie mit dem Finger auf den<br />
Reis deutet:<br />
„Ich habe ein Maishuhn bestellt, auf<br />
der Karte stand ‚Maishuhn‘! Aber das da“,<br />
sie zeigt auf das Reishäufchen, „das ist<br />
kein Mais, das ist Reis!“ Der Ober schaut<br />
sie verblüfft an und sagt: „Das Huhn heißt<br />
Maishuhn!“ – „Aber das ist Reis!“, sagt die<br />
Dame, und der Ober zuckt die Achseln.<br />
Ich hätte, nur einen Gang vom Maishuhn<br />
getrennt, dem Leben zu Hilfe kommen<br />
38<br />
können. Ich hätte erklären können, dass ein<br />
Maishuhn, vor allem ein totes, nicht mehr<br />
als Maishuhn zu erkennen ist, weil es den<br />
Mais zu Lebzeiten gefressen hat. Und dass<br />
die Frau, hätte es sich um ein Reishuhn mit<br />
Mais gehandelt, das auch nicht hätte sehen<br />
können. Ohne Reis kein Mais, wie man im<br />
Leben so schön sagt.<br />
Ich ließ es aber auf sich beruhen. Die<br />
Frau kam sich betroffen vor, der Ober missverstanden,<br />
das Huhn ohne Mais war ohnehin<br />
schon tot. Das Leben ging weiter. Wie<br />
sagt Karl Kraus? Das Leben geht weiter als<br />
es erlaubt ist.<br />
Karasek über Marcel Reich-Ranicki<br />
Hellmuth Karasek und Marcel Reich Ranicki<br />
– wer denkt da nicht an das legendäre<br />
„Literarische Quartett“ im ZDF. Über<br />
Reich-Ranicki erzählte Hellmuth Karasek<br />
folgende Anekdote:<br />
Vor Jahren in Salzburg, an einem schwülen<br />
Augustabend, unter der offenen Kuppel<br />
des ORF-Studios, war Marcel Reich-Ranicki<br />
gerade dabei, ein Buch von Martin Walser<br />
nieder zu machen. Da – plötzlich ein<br />
Donnerschlag! Draußen war ein Gewitter<br />
ausgebrochen. Reich-Ranicki unterbrach<br />
sich kurz , hob dann den Blick zum Himmel<br />
und krähte mit zum Himmel gereckten<br />
Armen: „Man wird doch noch mal was<br />
gegen Walser sagen dürfen!“ Erst der<br />
Donner – dann der Geistesblitz…