Kursbuch Agrarwende 2050
20170105_studie_agrarwende2050_lf
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hat, wie es die EU-Nitratrichtlinie vorsieht (EU-KOM, 2014). Seit einiger Zeit läuft die Änderung<br />
der Düngeverordnung, über welche die EU-Nitratrichtlinie in Deutschland umgesetzt wird. Diese<br />
Novellierung erfolgt in Abstimmung mit der EU-KOM, um das Vertragsverletzungsverfahren<br />
abzuschließen und eine weitere Eskalationsstufe zu vermeiden (mündliche Mitteilung BMUB,<br />
Fr. Grimm, am 07.04.2016).<br />
3.5 Tierwohl<br />
Die Nutztierhaltung gehört global zu den am schnellsten wachsenden landwirtschaftlichen<br />
Sektoren. Treibende Kräfte sind: Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen, Urbanisierung<br />
und Änderungen im Konsumverhalten, wie vor allem ein verstärkter Fleischverzehr (OECD &<br />
FAO, 2013). Prognosen der FAO zufolge wird die Fleischnachfrage global bis <strong>2050</strong> um<br />
52 Prozent steigen, allerdings überwiegend in den Entwicklungs- und Schwellenländern. In den<br />
Industrieländern wird die Nachfrage, ausgehend von einem hohen Pro-Kopf-Verbrauch, nur<br />
gering zunehmen (WBA, 2015; FAO, 2014).<br />
Die EU gehört zu den weltweit bedeutenden Regionen für die Fleischerzeugung. Deutschland<br />
hat sich in den letzten zehn Jahren zum größten Schweinefleischexporteur in der EU entwickelt<br />
und spielt inzwischen auch global eine wichtige Rolle.<br />
Für die deutsche Landwirtschaft ist die Nutztierhaltung von herausragender Bedeutung. Über<br />
70 Prozent aller Betriebe haben Nutztiere, mehr als 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten<br />
Fläche werden für die Erzeugung von Futter genutzt, und fast die Hälfte der landwirtschaftlichen<br />
Wertschöpfung wird mit tierischen Erzeugnissen erwirtschaftet. Die Produktion von<br />
Schweinefleisch stieg seit 1999 um 26 Prozent und die Geflügelproduktion hat sich fast<br />
verdoppelt. Dagegen sank die Rindfleischproduktion um 21 Prozent. Bei fast allen wichtigen<br />
Tierprodukten hat Deutschland einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent erreicht<br />
(Statistisches Bundesamt, 2014a). Der Strukturwandel in der landwirtschaftlichen Tierhaltung<br />
verläuft seit Jahrzehnten in Richtung größerer Betriebe und Bestandsgrößen. Die starke<br />
regionale Konzentration der Nutztierhaltung hat sich weiter fortgesetzt, die Zentren der<br />
deutschen Schweinemast und Geflügelhaltung liegen im Nordwesten Deutschlands.<br />
Auf Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Berichte muss von einer Vielzahl von<br />
Tierschutzproblemen in allen Bereichen der Nutztierhaltung und Zucht sowie bei Transport und<br />
Schlachtung ausgegangen werden. Vorliegende Daten zu Mortalitäten, Erkrankungsraten und<br />
Behandlungsfrequenzen machen deutlich, dass auf den Betrieben im Durchschnitt<br />
tiergesundheitsschädliche Bedingungen vorherrschen (WBA, 2015).<br />
Vor allem in den gängigen Tierhaltungssystemen der Schweine- und Geflügelhaltung, der<br />
intensiven Rindermast sowie in Teilen der Milchviehhaltung besteht ein hohes Risiko für das<br />
Auftreten von Schmerzen und Schäden für die Tiere. Das ungestörte Funktionieren dieser<br />
Systeme setzt häufig schmerzhafte Eingriffe am Tier voraus oder führt zu einem hohen Ausmaß<br />
an Verhaltens- und Gesundheitsstörungen, weil die Tiere sich nicht artgerecht verhalten<br />
können. Wünschenswerte Eigenschaften bezüglich Tiergesundheit und Tierverhalten haben<br />
kaum Bedeutung in der Tierzucht. Nicht kurative Eingriffe (Schwanz- und Schnabelkürzen)<br />
dienen dazu, Kannibalismus und Tierverletzungen zu vermeiden, die durch nicht tiergerechte<br />
Haltungssysteme und schlechtes Management entstehen. Im Tierschutzbereich gibt es wenig<br />
ordnungsrechtliche Vorgaben, die zudem kaum kontrolliert und bei Verstößen mit niedrigen<br />
Sanktionen geahndet werden (WBA, 2015).<br />
<strong>Kursbuch</strong> <strong>Agrarwende</strong> <strong>2050</strong> – ökologisierte Landwirtschaft in Deutschland“ Seite 21