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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? XXXVII<br />

werden. Die Herrschaft über die Individuen wurde folglich dadurch perfektioniert, daß sie<br />

sich e<strong>in</strong>en fortschrittlichen Anstrich gab, <strong>in</strong> den Bereich des Unsichtbaren wan<strong>der</strong>te und sich<br />

nach <strong>in</strong>nen wendete. Auch die Institutionen des mo<strong>der</strong>nen Rechts- und Sozialstaats geraten<br />

für Foucault deshalb unter +Verdacht*, und selbst im aufklärerischen Humanitätsgedanken<br />

+ist das Donnerrollen <strong>der</strong> Schlachten nicht zu überhören* (ebd.; S. 396).<br />

Im Vergleich zu dieser im Innern des Menschen wirkenden Domestizierung ersche<strong>in</strong>t die<br />

Unterwerfung <strong>der</strong> äußeren Natur, so elaboriert diese auf technischer Ebene heute auch se<strong>in</strong><br />

mag, eher +primitiv*. Und angesichts des bereits im Alten Testament offen formulierten Anspruchs<br />

+[…] erfüllet die Erde und macht sie euch untertan!* (Genesis, Kap. 1, Vers 28) mag man<br />

noch nicht e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>er Ideologie sprechen; denn hier wird nichts verschleiert und nichts<br />

beschönigt. An<strong>der</strong>erseits ist <strong>der</strong> erhobene Anspruch umfassend, und er f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong><br />

neuzeitlichen philosophischen Konzepten wie<strong>der</strong>, die aus dem und zum Zweck <strong>der</strong> Natur-<br />

beherrschung Richtigkeit für sich beanspruchen. Dies beg<strong>in</strong>nt bereits bei Rationalismus und<br />

Empirismus und führt schließlich weiter zu Utilitarismus und Pragmatismus, die den Wert<br />

<strong>der</strong> Philosophie alle<strong>in</strong>e nach ihrem Nutzen und ihrer Anwendbarkeit beurteilen – worauf<br />

schließlich auch Horkheimer und Adorno nachdrücklich h<strong>in</strong>gewiesen haben. 50<br />

Auf dieser Grundlage e<strong>in</strong>er nahezu ungebrochenen Tradition des menschlichen Herrschafts-<br />

anspruch über die Natur, konnte sich e<strong>in</strong>e Ideologie <strong>der</strong> Technokratie entwickeln, die die<br />

Menschen <strong>der</strong> Diktatur des technischen Sachzwangs unterordnet. Dabei gründete man auch<br />

auf die anthropologischen Lehren Plessners und Gehlens. Helmuth Plessner beantwortet +Die<br />

Frage nach <strong>der</strong> Conditio humana* (1961) mit <strong>der</strong> Notwendigkeit zur Weltoffenheit. Der Mensch<br />

bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er exzentrischen Position, d.h. er ist <strong>in</strong> die Mitte e<strong>in</strong>er Kultur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt,<br />

die alle<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> Überleben sichern kann und aus <strong>der</strong> heraus er sich <strong>der</strong> Welt zu stellen hat. 51<br />

Zynisch bemerkt er gegen die romantische Vorstellung vom +guten Wilden*, <strong>der</strong> zum Vorsche<strong>in</strong><br />

käme, wenn man nur die Zäune <strong>der</strong> Zivilisation entfernte:<br />

+Das von Natur aus harmloseste, schutzloseste aller Tiere, <strong>der</strong> Invalide se<strong>in</strong>er höheren Kräfte, macht<br />

sich, ihnen vertrauend, zum Haustier und bewirkt damit ungewollt se<strong>in</strong>e Verwandlung zu e<strong>in</strong>er<br />

sekundären Wildform, zum Raubtier, zur blonden Bestie – im Stall.* (S. 59)<br />

Denn wie Arnold Gehlen betont, ist das organische +Mängelwesen* Mensch auf die Stützen<br />

<strong>der</strong> +zweiten Natur* <strong>in</strong> Form <strong>der</strong> kulturellen Institutionen sowie <strong>der</strong> Technik angewiesen.

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