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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 399<br />

Die funktionalistische Theorie Luhmanns stützt so exakt <strong>in</strong> ihrer +Realitätsferne* das sozial-<br />

politische Gehäuse und deckt sich gleichzeitig mit den deflektorischen Selbstbeschreibungen<br />

des Systems (Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte etc.). Wollen also beispielsweise die<br />

politischen Akteure ihr System aufrecht erhalten, um ihre mit dem <strong>Politik</strong>system verknüpften<br />

Interessen zu schützen, müssen sie es schaffen, den Ansche<strong>in</strong> zu erzeugen, daß ihre Entschei-<br />

dungen unabhängig und re<strong>in</strong> nach politischen Gesichtspunkten getroffen werden, weil sich<br />

das <strong>Politik</strong>system sonst <strong>in</strong> den Augen des Publikums delegitimieren würden. Das +greifbare*<br />

Resultat ist e<strong>in</strong> gespaltenes politisches Bewußtse<strong>in</strong>, das von den sozialen Zusammenhängen<br />

abstrahierend absieht und die konkreten sozialen Beziehungen (wie den solidarischen Zusam-<br />

menhalt) aus dem Blickfeld verliert. Der gefor<strong>der</strong>te +Latenzschutz* schützt so alle<strong>in</strong>e die latenten<br />

Machtstrukturen, die +unangreifbar* werden, <strong>in</strong>dem sie aus dem politischen Horizont ver-<br />

schw<strong>in</strong>den. Zudem wird dem politischen Handeln e<strong>in</strong>e sehr enge Grenze gezogen – <strong>in</strong>dem<br />

politische Übergriffe auf den Autonomiebereich <strong>der</strong> entfesselten Teilsysteme delegitimiert<br />

werden. In die auf Statik bedachte Physik <strong>der</strong> Systeme darf nicht also e<strong>in</strong>gegriffen werden,<br />

ihre Selbstläufigkeit darf nicht h<strong>in</strong>terfragt werden.<br />

Das aber wi<strong>der</strong>spricht erstens e<strong>in</strong>em subpolitisch-metapolitischen <strong>Politik</strong>verständnis, das sich<br />

ke<strong>in</strong>e Grenzen ziehen läßt und bewußt die Zusammenhänge des sozialen Systems reflektiert<br />

(siehe Abschnitt 5.2.1). Zweitens läuft die enge E<strong>in</strong>grenzung des Bereichs <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> auch<br />

dem <strong>Politik</strong>verständnis <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Mo<strong>der</strong>ne zuwi<strong>der</strong>, das mit <strong>Politik</strong> noch langfristige Planung<br />

und (aktive) zentrale Steuerung verband. So stellt denn auch Walther Bühl fest:<br />

+Politisch sche<strong>in</strong>t die ›Autopoiesis‹ […] endlich den Weg für die ›reife Demokratie‹ und den ›post<strong>in</strong>dustriellen<br />

Wohlfahrtsstaat‹ freizumachen, <strong>in</strong> dem spontane Selbstorganisation, Eigen<strong>in</strong>itiative und Eigenverantwortung<br />

[…] herrschen […] In dieser kurzschlüssigen und doch recht durchsichtigen Verb<strong>in</strong>dung von Wissenschafts-<br />

programmatik und politischer Beschönigung liegt aber auch die Verführung <strong>der</strong> ›Theorie <strong>der</strong> Autopoiesis‹,<br />

<strong>in</strong>dem sie de facto eben gerade nicht die ›aktive Eigenentwicklung‹ ermuntert, son<strong>der</strong>n den politischen<br />

Attentismus und Quietismus legitimiert. Ganz konkret gesehen wird damit doch die […] herrschende<br />

Plan- und Entscheidungslosigkeit, die Beschränkung des Zukunftshorizontes auf den nächsten Wahlterm<strong>in</strong>,<br />

<strong>der</strong> (allerd<strong>in</strong>gs weiterh<strong>in</strong> illusionäre) Rückzug des Staates aus <strong>der</strong> öffentlichen Verantwortung und die<br />

Propagierung <strong>der</strong> Deregulation mit e<strong>in</strong>er pompösen ›wissenschaftlichen‹ Rechtfertigung versehen […].*<br />

(Politische Grenzen <strong>der</strong> Autopoiese sozialer Systeme; S. 201f.)<br />

Dieses kritische Argument soll hier allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>in</strong> jener Richtung vertieft werden, die<br />

grundsätzlich skeptisch gegenüber politischen Modellen <strong>der</strong> (subpolitischen) Selbstorganisation

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